5/5 Punkten.Ich fange mal mit der Kritik an. Negativ fällt auf, dass die Regeln schlecht organisiert sind. Das macht sie schwerer zu merken und zwischendurch nachzuschlagen. Einen Punkt abziehen will ich dafür nicht, weil mir das angesichts des Umfangs von Kagematsu kleinlich erscheint. Es sind wirklich nicht viele Regeln und man hat sie schnell im Griff. Also eher eine Einstiegshürde.
Weitere Punkte:
Die allermeisten Szenen spielen sich zwischen Kagematsu und einer einzelnen Frau ab. In meiner Runde auf der Geekmansion gab es durchaus Ausnahmen, in denen mal 2 bis selten 3 Dorffrauen (von insgesamt 5) interagiert haben, nachdem Kagematsu die Szene entsprechend geframed hatte - und das kann man sicher forcieren, wenn man darauf achtet - aber im Grunde bleibt es aufgrund der Prämisse des Spiels so fragmentiert. In Verbindung mit der grds. sinnvollen Regel, dass die Frau mit der höchsten Furcht Vorrang bei den Szenen bekommt, kann das dazu führen, dass Einzelne länger auf eine Szene warten müssen, wenn Anderen der Erfolg und damit das Furcht-Absinken versagt bleiben. Wir haben uns deswegen nicht durchweg an die Regel gehalten und Szenen irgendwann nach Gefühl verteilt. Der Vorteil an der Fragmentierung ist andererseits, dass man keine Spotlight-Probleme hat. Alle Frauen stehen abwechselnd im Mittelpunkt. Gestört hat mich das nicht.
Gegen Ende, bei uns nach ca. 4h, hatte zudem noch niemand versucht, Kagematsu das Versprechen zu entlocken und es schien recht offen, wann das Spiel in die Konfrontations-Phase eintreten würde. Letztlich entscheiden die Spieler(innen) der Dorffrauen ja frei, wie früh oder spät sie den Versuch wagen. Theoretisch kann es mit ein paar "freigespielten" Verzweiflungstaten klappen oder man spielt so viele Szenen wie möglich, in der Hoffnung, mehr Liebe zu bekommen. Auch das ist aber kein wirklicher Kritikpunkt, weil das Pacing durch die klar strukturierten Szenen und gelegentliches Foreshadowing der Bedrohung trotzdem einwandfrei ist.
Eine Liste mit Elementen für die Dorfbeschreibung und mehr liebsten Orten/Personen/Dingen der Dorffrauen hätte überdies sicher auch nicht geschadet. Da ist das Buch in der Tat etwas knausrig.
Ein weiterer Tipp wäre, auf dem Dorffrauen-Bogen (der in der deutschen Übersetzung aus unerfindlichen Gründen fehlt) eine Zuneigung nicht nur als "verbraucht" anzustreichen, sondern festzuhalten, ob sie gewonnen wurde oder Kagematsu ablehnend reagiert hat. Die entsprechende Verzweiflung wird nämlich nur im ersten Fall "freigespielt."
Kagematsu braucht keine Vorbereitung und dürfte bei durchschnittlich langen Szenen etwa 4-6 Stunden laufen.
Das Pacing wird von den Zuneigungen bestimmt, die die Dorffrauen in ihren Szenen von Kagematsu erhalten wollen und es ergibt sich mit der bisweilen auftauchenden Bedrohung und den eher gegen Ende vorkommenden Verzweiflungstaten der Frauen eine runde Geschichte.
Die Geschichte von Kagematsu bzw. eigentlich die Geschichte der Dorffrauen (siehe unten) ist durch und durch romantisch, vom Setting über die Zuneigungen, die dafür sorgen das sanfte Töne und zärtliche Momente das Spiel dominieren bis zum verklärten Ende, wo seine wahre Liebe dem Ronin Kagematsu hilft, die Bedrohung zu bezwingen. Das tragische Ende, in dem die Dorffrauen es nicht schaffen, Kagematsu zur Verteidigung des Dorfes zu bewegen oder einige von ihnen sterben ist die andere Seite dieser Medaille. Da Kagematsu aber keine der Frauen wirklich lieben
muss - und die Frauen im Angesicht der Tatsache, dass sie auf die Hilfe des Ronin angewiesen sind schon gar nicht - ist eine sehr zynische Variante der Geschichte zumindest theoretisch denkbar. Ein bisschen davon scheint bei den Verzweiflungstaten durch, meine ich.
Kagematsu ist immer spannend, weil man - verstärkt durch den geheimen Liebe-Bonus - nie weiß, wie eine gespielte Szene ausgehen wird. Die Zuneigungen sind zwar festgelegt, aber die Spieler(innen) müssen kreativ werden und - oft auch in kleinen Gesten oder Bewegungen statt dem Rollenspiel-typischen grandstanding - zeigen, wie die Dorffrauen versuchen sie von Kagematsu zu bekommen und eine Szene, in der sich eine Frau und Kagematsu nahekommen und der Funke überzuspringen scheint, kann durch den Zufall der Würfel immer gedreht werden. Dann liegt es wiederum an der Spielerin von Kagematsu die Reaktion des Ronin glaubhaft darzustellen. Eingeschränkt ist sie dadurch nur auf den ersten Blick, denn was Kagematsu wirklich fühlt, unterscheidet sich schließlich von seiner äußerlichen Reaktion.
Diese doppelte Interpretation macht das Drama (iSv Robin Laws petitioner-granter Modell aus Hillfolk) von Kagematsu besonders interessant, weil Auftreten/Handeln und Fühlen eben auseinandergehen können. Inwieweit man gerade als Mann angesichts des Rollenwechsels daraus etwas lernen kann, ist pauschal kaum zu beantworten. Ich fand meine Dorffrau Mitsuko das letzte Mal eine interessante Rolle, die ich so noch in keinem Rollenspiel hatte und das Spiel lässt dich auf jeden Fall überlegen, wie deine Dorffrau in ihrem Auftreten und Charakter nun tatsächlich bei Kagematsu (und dessen Spielerin) angekommen ist.
Aufrund dieser Punkte in Verbindung mit dem gemeinsam entworfenen Setting aus Dorf und Bedrohung hat Kagematsu hohen Wiederspielwert, vor allem natürlich in wechselnder Besetzung.
Auf den Punkt bringt es allerdings
dieses Review:
I’ve never seen a game that told stories from a female perspective this well and this lovingly. These are not super sexy rocket scientists or superheroes, these are just normal women looking to get by and the entire game is about them, their lives, their ambitions and their dreams and how they deal with adversity. To me Kagematsu is just a figurehead who brings out these stories. By the end of the game, you are really rooting for these women.
Ein hervorragendes Rollenspiel und ein persönlicher Favorit.
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Interessieren würde mich ein Review von einer Spielerin in der Kagematsu-Rolle, gerade, weil ich diese Seite des Spiels ja nicht sehen werde.