Danke für diesen eleganten Post, KhornedBeef
Aber was ich eigentlich wollte:
Ich finde Charakterspiel an sich gar nicht so grundböse. Ich hätt's eigentlich ganz gern, dass sich die SCs nach dem Tempel der dreizehn Schrecken ans Lagerfeuer setzen, etwas erholen, das Erlebte besprechen, einen relevanten Schwank aus ihrem Leben erzählen und man dann zur nächsten dramatischen Szene weitergeht.
Leider kenne ich nur zwei Arten, bei denen so etwas eintritt:
1. Ich sage als SL an: Okay, wir hätten jetzt mal Zeit zum Quatschen. Habt ihr Bock?* Okay! Das Thema heute ist "Not und Diebstahl". Wir beginnen mit dem Kriegsveteran. S1, erzähl mal, was hast du in dem Zusammenhang erlebt?
Dann kriegt jeder, der dazu was erzählen mag, einen Gummipunkt, man hat n bisschen mehr über den Charakter erfahren als "macht mehr Schaden als ich, weil er einen höheren Stärke-Wert hat" und als SL kann ich mir vielleicht sogar noch ein paar Anknüpfpunkte oder interessante Auslöser für den SC.
Leider total mechanisch.
2. Ich lasse das die Spieler selbst einleiten. Meist fangen die dann OOC an zu quatschen und planen irgendwas. Üblicher Ablauf:
S1 mit der Eigenschaft Rachsüchtig oder Schwur, die Königin zu töten: Okay, also, dann gehen wir jetzt da gleich rein und ermorden die Königin.
S2 mit der Eigenschaft Trauma: Nö, das können wir nicht machen!
S1: Müssen wir aber!
S2: Ne!
S1: Doch!
S3: Oooh!
Internetrunde: Der SL wandert zum Kühlschrank und holt sich erstmal ein neues Getränk, checkt seine Mails, liest Zeitung. Man will das Charakterspiel ja nicht brutal unterbrechen.
S1: MÜSSEN WIR DOCH!
S2: MÜSSEN WIR NICHT!
S3: Lasst mal abstimmen. Wer ist dafür, dass wir die umbringen? Schau mal, nur du.
S1: MACHEN WIR TROTZDEM!
S4, leise, zum SL: Ich klaue S1 das Schwert und gehe los, um die Wachen vorzuwarnen.
S1: DANN GEH ICH HALT ALLEINE, EY!
Insgesamt habe ich daher den Eindruck, dass Charakterspiel im Rollenspiel deshalb in Zeitverschwendung ausartet, weil es ohne starke Moderation eben nicht funktioniert wie in einem Film oder einem ähnlichen Medium mit Skript. Da es in Meinungsverschiedenheiten im Rollenspiel aufgrund des Spannungsniveaus oft nicht um Blaubeer- oder Himbeerquark geht, sondern um Leben oder Tod, ist da auch oft ein geringeres Einigungspotential und die Leute klatschen sich ihren Charakterhintergrund wiederholt an den Kopf, bis der SL irgendwas Schlimmes passieren lässt, ein Zwang auftaucht (wenn ihr die Königin jetzt nicht ermordet, ist die Gelegenheit aus Gründen für immer vorbei / jemand hat euch verraten und die ist jetzt so oder so hinter euch her) oder die Runde vorbei ist.
*keine rhetorische Frage