Ich fuehle als Spielleiter eine besondere Verantwortung, die individuellen Grenzen meiner Mitspieler zu respektieren. Das bedeutet, dass Themen, von denen ich schon weiss, dass meine Spieler negativ vorbelastet sind, im Spiel nicht oder nur nach Absprache auftauchen. Wenn eine Mitspielerin eine Spinnenphobie hat, verkneife ich mir die Riesenspinnen als Gegner, mal platt gesagt.
Ausserdem gibt es Themen, bei denen ich einfach nicht sicher sein kann, ob Spieler damit Probleme haben. Da Jestocost Kindesmissbrauch anspricht: Auch guten Bekannten oder Freunden erzaehlt man sicherlich nicht zwangslaeufig, dass man ein Missbrauchsopfer ist. Deshalb wuerde ich ein solches Thema grundsaetzlich vermeiden, es nur nach vorheriger Absprache mit der Gruppe einbringen, und beim Spiel besonders "in die Gruppe hineinfuehlen", um zu sehen, ob Unbehagen aufkommt, und gegebenenfalls abbrechen. Wenn ein Spieler sagt "Ich will das nicht!", wuerde ich das ohne weitere Nachfrage akzeptieren.
Dann gibt es Dinge, die ich im Spiel einfach nicht behandeln will: Vor allem reale kriegerische Konflikte und sadistische Gewaltverbrechen von Seiten der Charaktere mag ich mir nicht geben (ausgenommen das Metzeln von gesichtslosen Fantasykreaturen, die eh nur aus Punkten bestehen). Da bin ich persoenlich empfindlich und ausserdem piekst mich mein Gewissen, wenn ich Dinge, unter denen echte Menschen ganz real leiden fuer meine persoenliche Unterhaltung missbrauche.
Aber: Das alles vorausgesetzt kann man prinzipiell auch heikle Themen im Rollenspiel behandeln, denken ich. Mir kaeme es darauf an, welche Funktion das Thema im Spiel erfuellt. Spiele ich Vampire, um meine Gewaltphantasien auszuleben oder um den inneren Konflikt zwischen Menschlichkeit und Monster darzustellen? Dient mir Nazideutschland als Hintergrund, um mich an grossdeutschen Trauemen zu erfreuen, oder geht es um individuelle Verantwortung und Schuld?
Als Verlag sollte man noch groessere Vorsicht walten lassen, weil man letztendlich keinen Einfluss darauf hat, in welche Haende das Material geraet. Man sollte den Spielern schon zutrauen, dass sie muendig und klug genug sind, um zum Beispiel Kriegsszenarien selbst richtig einordnen zu koennen, obwohl ich als Autor trotzdem auf ein Vorwort mit einem klaren Disclaimer gegen Gewaltverherrlichung und Kriegsgeilheit Wert legen wuerde.
Beim persoenlichen Horror (Kindesmissbrauch, andere Sexualverbrechen, Geisteskrankheit usw.) habe ich ein ganz schlechtes Gefuehl. Eine Gruppe von Leuten, die sich gut kennen, kann das vielleicht zum Spielthema machen, aber ein Verlag spricht eine viel zu grosse Gruppe an, und kann niemals vorhersehen, wer mit welchem speziellen persoenlichen Problem mit dem Material konfrontiert wird.
Keine noch so vorsichtige Ausdrucksweise, und kein Aufruf zum verantwortungsvollen Umgang kann Spieler und Spielleiter in die Lage versetzen, mit diesen Themen kompetent umzugehen. Bei Rollenspielen ist der Grad der Identifikation doch wohl hoeher als bei einem Buch oder einem Film, und die Konfrontation mit deratig dunklen Seiten der eigenen Persoenlichkeit sollte Psychologen ueberlassen bleiben, die dafuer ausgebildet sind. Da kann durch den falschen Umgang einiger Schaden angerichtet werden, glaube ich.
Eine Frage noch zu Kleine Aengste: Soweit ich weiss, ist das Thema Missbrauch doch nur eine vage Meoglichkeit im Spiel oder? Geht es da nicht um Kindheitsaengste ganz allgemein? Das wuerde ich naemlich fuer ein Rollenspiel vertretbar finden, Missbrauch im speziellen aber nicht.
Edit: Speziell zu kleine Aengste hab ich mich in dem Thread beim drosi geaussert. Siehe obigen Link.