Autor Thema: Ethik und Rollenspiel  (Gelesen 20328 mal)

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Offline Issi

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Re: Ethik und Rollenspiel
« Antwort #175 am: 18.09.2019 | 10:33 »
.Zündstoff gibt's also im Normalfall erst dann, wenn sich besagter Dieb ohne ausdrückliche Not auch an "Neutralen" und Verbündeten vergreift. Denn unter denen kann man sich mit solchen "kleinen Diebereien unter Freunden" schnell unnötig neue Feinde machen (die dann dummerweise oft nicht mal als legitimer "Feind" im Sinne von "gegnerische Kriegspartei" o.ä. zählen) oder zumindest ihre Unterstützung verspielen -- und das ist dann unabhängig von der Ordnungsliebe des eigenen Charakters oder auch dem beliebigen Mangel daran für gewöhnlich nicht im Interesse der Gruppe.

Mit deswegen gibt's ja in vielen klassisch-stereotypen Fantasysettings Diebesgilden, die Verstöße gegen ihre Regeln gerne mal noch härter ahnden, als es die offiziellen Gesetzeshüter tun würden. Die lassen ihre Mitglieder -- von Nichtmitgliedern mal ganz zu schweigen, da könnte ja jeder kommen! -- auch nicht unbeaufsichtigt einfach nur wild in der Gegend herumstehlen, ohne daß es früher oder später beispielsweise anfängt, mindestens Finger zu kosten...
Ok, von miraus. Aber ein Finger ist besser als ein Kopf!
Achtung Spoiler John Wick 3:
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Offline Lichtschwerttänzer

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Re: Ethik und Rollenspiel
« Antwort #176 am: 18.09.2019 | 10:41 »

Wenn ich einen Dieb spiele, und der Ordenskrieger erteilt mir eine Lektion, die meine Figur, abgesehen von einem angeknacksten Ego, gut übersteht, dann werde ich als SPL auch nicht sauer sein.
Das ist gutes Rollenspiel.
been there done that


Zitat
Wenn der Spieler des Ordenskriegers aber entscheidet  meine Figur  einfach hinzurichten, dann finde ich das nicht mehr so lustig. Denn dann scheidet meine Figur ja aus. Das ist wie ein Rauswurf aus dem Spiel.
es ging beim TE nicht um die Todesstrafe sondern um raus aus dem Spiel, vor 30 Jahren gab es in der BRD für bewaffneten Diebstahl(NICHT Raub) 2 Jahre Dauerhotel


Zitat
Zu dem Beispiel AD&D- Ich glaube nicht, dass Diebstahl automatisch die Todesstrafe bedeutet.
- der Klassiker ist eigentlich gute Taten unter Aufsicht zur Wiedergutmachung

@nobody@home

Als gesetzestreue Person ist dem Feind Ressourcen zu stehlen nur positiv zu betrachten.
Legitime Beute gehört dem Sieger und ein Paladin der das verwehrt sollte Schadenersatz leisten müssen.

Man sollte dem Dieb aber auch zugestehen, das er nur das tun wollte und entweder irrtümlich jemand Unschuldigen beklaut hat oder bei Herrn Enemy Withhin Pech gehabt hat.
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
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Offline Issi

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Re: Ethik und Rollenspiel
« Antwort #177 am: 18.09.2019 | 10:51 »
Beim Brettspiel gibt es auch "Strafen" bzw "Niederlagen", die nicht endgültig sind.(Ausscheiden bedeuten)

1. Aussetzen (Man kommt mal eine Runde nicht dran)- Könnte auch eine Nacht oder zwei im Gefängnis sein, Oder eben als Gefangener
2. Verlust (Man verliert etwas, was man bereits gewonnen hat)- Könnten Waffen und Wertgegenstände sein- Der Dieb wird selbst ausgeraubt- und muss das Gestohlene zumindest zurück geben.
3. Auflagen (Man bekommt zusätzliche Aufgaben aufgebrummt)- Könnten Wiedergutmachungen oder Questen für das Gute sein.

Das alles wirft die Figur zwar auf ihrer Erfolgsleiter etwas zurück-aber sie scheidet nicht aus.
Edit. Und jetzt mal nur aus der Perpektive der Charakterentwicklung betrachtet: Eine Heldengeschichte wird doch durch Rückschläge erst interessant.
« Letzte Änderung: 18.09.2019 | 10:54 von Issi »

Offline First Orko

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Re: Ethik und Rollenspiel
« Antwort #178 am: 18.09.2019 | 10:55 »
Puuh. Leider werden hier nach wie vor die Beispiele zer-diskutiert statt sich mal - wo von Boba angemerkt - auf die Ursprungsfrage zu fokussieren. Ich versuche mich mal an einer (persönlichen) konstruktiveren Antwort.

Die Ausgangsfrage habe ich folgendermaßen verstanden:
Handle ich auf Basis der Moral meines Charakers oder setze ich trotzdem meine eigenen Moralvorstellungen im Spiel um - unabhängig davon ob es ins Setting oder zum Konzept passt?

Bei der Antwort muss ich differenzieren (Surprise!) . Zunächst kommt es darauf an, ob ich in einer bestimmten Rundenkonstellation überhaupt Lust habe, auf moralische Dilemmata. Das ist einerseits abhängig vom Setting, System und Mitspielern - insbesondere Spielleitung! - aber zuallervorderst kommt da mein aktueller Gemütszustand ins Spiel!
Grundsätzlich finde ich den Aspekt der "persönlichen Herausforderung" am Rollenspiel nämlich sehr spannend. Damit meine ich: Ich werde in einer Weise stellvertretend für den Charakter herausgefordert - sei es intellektuell (durch eine kniffilige Situation, Rätsel, Konflikt) oder emotional, in dem ich in eine soziale Drucksituation gebracht werde, die mir selbst nicht leicht fällt. Gerade Letzerem möchte ich aber gerne eher in einer positiven Grundhaltung begegnen: Bin ich zu müde oder tendenziell eher gereizt, ist meine Motivation da eher gering. Dementsprechend wirkt sich das auf meine Ingame-Haltung und Reaktion aus. An einem "guten Tag" ist für mich in solchen Situationen die Herausforderung, mich auf die moralische Sicht des Charakters einzulassen und diese auch entgegen meiner persönlichen Intuition auszuspielen - das empfinde ich persönlich als bereichernd (weil ich in einem gewissen Schutzraum mal andere Sichweisen ausprobieren kann). Bin ich persönlich gerade eher nicht so stark zur Abstraktion fähig, werde ich eher auf meine ganz eigene Moral zurückgreifen.

Das zum grundsätzlichen Umgang mit solchen Situationen. Dazu kommt noch, in welchem Modus gespielt wird. Beispiel Dungeon World: Dort wählt man eine Gesinnung, die an konkrete Handlungsweisen gebunden ist. Diese versuche ich dann zu erfüllen, um die Mechanik zu nutzen. Ich würde hier aber die "böse" Gesinnung zBsp. eher etwas übertrieben und plakativ darzustellen, weil es am Ende immer noch darum geht, XP abzugreifen und nicht, als Spieler mich auf moralisch schwieriges Terrain zu begeben.

Bei Dread-Runden hingegen sind ja idealerweise schon die Fragen zT unangenehm. Dort finde ich den persönlichen Perspektivwechsel tatsächlich mal reizvoll: Wie würde sich mein Charakter als narzistisches Arschloch an der Stelle verhalten - opfert er wirklich seine Geliebte, um zum Ziel zu kommen?

Für jede (outgame) problematische Situation am Spieltisch, die sich aus moralischen Dilemmata ergeben haben, sollten daher folgende Punkte betrachtet werden:
  • Haben alle dieselbe Grundhaltung zu diesen Fragestellungen?
    In ein und derselben Runde kann Spieler 1 einfach nur Lust dazu haben, einen plakativ böse Charakter zu verköpern um mal einfach "frei zu drehen" während diese für die persönliche Moral von Spieler 2 ein Problem darstellt.
  • Ist sich die SL über die Bedürfnisse der Spieler im Klaren?
    Im Falle eines Konfliktes: Unbedingt gegenseitig abklären - wo zieht jeder am Tisch seinen Spielspass?
  • Reden wir über das Selbe?
    Platzhalter-Hinweis für: Im Konfliktfall ist Metakommunikation notwendig, um zu checken, ob alle das Problem verstehen.

Mit diesen Fragen kann man m.E. jedem hier im Thread konstruierten (oder erlebten) Spielkonflikt begegnen.

tl;dr:
Moralische Fragestellungen können sowohl eine Herausforderung an den Charakter wie auch an Spieler und Gruppe sein. Habe oder sehe ich als Spieler nicht die Möglichkeit, mein Problem zu adressieren, kann eine Ingame-Handlung stellvertretend ein Lösungsversuch sein. Üblicherweise führt das zu noch mehr Outgame-Konflikt, weil das zugrunde liegende Problem nicht ingame geklärt werden kann. Wichtige Voraussetzung für ein Klärung ist, dass die Spieler selbst ihre Haltung zu moralischen Fragestellunge reflektieren.
« Letzte Änderung: 18.09.2019 | 10:58 von First Orko »
It's repetitive.
And redundant.

Discord: maniacator#1270

Dir ist schon klar, dass es in diesem Forum darum geht mit anderen Leuten, die nix besseres mit ihrem Leben zu tun haben, um einen Tisch zu sitzen und sich vorzustellen, dass wir Elfen wären.

Online nobody@home

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Re: Ethik und Rollenspiel
« Antwort #179 am: 18.09.2019 | 11:10 »
Ok, von miraus. Aber ein Finger ist besser als ein Kopf!

Vorsicht: der Finger ist nicht automatisch die Höchststrafe. ;)

Tatsächlich ist mir dabei die (möglicherweise reale, möglicherweise auch nur popkulturell überlieferte -- ich bin da kein Experte) Yakuza-Praxis durch den Kopf gegangen, bei der der "Schuldige", wenn er denn gegenüber dem zuständigen Unterweltboß ausreichend Unterwerfung und Reue zeigt, sich großzügigerweise "nur" selber einen Finger o.ä. abschneiden darf, um die Sache formell aus der Welt zu schaffen. Was mit ihm passieren würde, wenn er dumm genug wäre, sich weigern zu wollen, steht dabei auf einem gaaanz anderen Blatt.

Offline Lichtschwerttänzer

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Re: Ethik und Rollenspiel
« Antwort #180 am: 18.09.2019 | 11:55 »
und John Wick soll diejenigen töten die ihm Asyl geboten haben
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Offline Alexander Kalinowski

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Re: Ethik und Rollenspiel
« Antwort #181 am: 18.09.2019 | 20:58 »
Da der Themenstarter die Beispiele als Dilemma konstruiert hat, sollte klar sein, dass auch den Spielern der beteiligten SCs (durch den SpL gewollt) nicht wohl bei der Sache ist - dass ihnen die Auflösung der Situation schwer fallen SOLL.

Also, wie geht man DAMIT um? Darum geht es! Und um nichts anderes!

Wie geht man damit um? Nicht allgemeingültig und nicht in einer Forumsdiskussion, sondern "Play to find out" (siehe auch weiter unten).



Die Frage ist für mich, in wie weit es Spieler schaffen, das eigene moralische Grundverständnis abzulegen und in-game das ihrer Charaktere umzusetzen, auch wenn dies moralische Konflikte im Real-Life bedeutet.

Oder: Korrumpiert die Real-Life Moral die Figuren-Moral - und wenn nicht, was geschieht dann im real-Life.


Zunächst mal ist das nicht viel anders als wie wenn Lena Headey zwischen ihrer Rolle als Cersei und ihrer eigenen Moral unterscheiden muss. Im Rollenspiel kommen dann aber noch andere Ambitionen hinzu - gängig ist zB den eigenen Charakter möglichst mächtig werden zu lassen (im Sinne von Robin D. Laws Power Gamer). Das kann Spieler korrumpieren.

Möglichkeit A
Der Spieler bricht den Auftrag ab, was die Figur eigentlich nicht tun würde, da das Ziel erreichbar ist und die Sanktionen der Gilde hoch sind -  Aber seine Ehefrau ist zufrieden (der Elfe wäre es egal)

A!!!!!! Egal was B ist, wähle hier unbedingt A!!!  ;D

Möglichkeit B
Der Spieler zieht den Auftrag rollenkonform durch, und die Ehefrau des Spielers ist nun sauer (auch hier wäre es der Elfe egal).

Schönen Heimweg noch!  ;D

--> Was führt zu A oder B? Ist eines wahrscheinlicher?

Die Wahrscheinlichkeiten von A und B hängen primär davon ab, wie oft der Söldnerspieler bereits auf der Couch schlafen musste.

--> MUSS der SL einschreiten? (Muss des SL den Haussegen des Paares wahren?) "Darf" so etwas nicht sei

Wenn der SL den Söldnerspieler nicht ausstehen kann, NEIN. Ansonsten bitte unbedingt einschreiten. :P

--> gibt es überhaupt eine fiktive Figurenmoral? Oder ist das Beispiel nur die Aufdeckung eines bestehenden Ehe-konfliktes?

Es ist mindestens die Formierung eines beginnenden Ehekonfliktes.

--> kennt ihr sowas?

Nein, ich mache nur Spaß. Im Kern sind all diese Dinge Abwägungsfragen auf die es keine ganz allgemeingültigen Antwort geben darf, da diese Abwägung Teil des Reizes des Rollenspiels sind.

Im Rollenspiel müssen auch mal Sachen (ein wenig) schiefgehen, das bringt erst Würze rein. Wo kein Risiko, da auch keine Spannung.


Nochmal: Dass es sich hierbei um Frau und Mann mit stereotypen Handlungsmustern handelt, hat den Hintergrund, dass es tatsächlich eine reale, ja etwas plakative Situation war... Rollenspiel kann zu Ehekrach führen... die beiden haben es aber überlebt... 

Musste der Söldnerspieler auf der Couch schlafen? Dann wird sich die Situation nicht so schnell wiederholen. (Ist das noch eine Frage der Moral oder schon eine der sanften Macht? ;D )
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Offline felixs

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Re: Ethik und Rollenspiel
« Antwort #182 am: 1.10.2019 | 11:10 »
Das Thema ist etwas älter, aber ich meine, ich habe die Lösung:

Die Gruppe muss entscheiden, ob sie moralische Dilemmata haben möchte, oder nicht.

1) Wenn ja, dann muss weiterhin entschieden werden, ob ethische Vorstellungen der Spielwelt (einbezüglich möglicher individueller Abweichungen) simuliert werden sollen, oder ob die ethischen Vorstellungen der Spiele ausschlaggebend sind.

2) Wenn nicht, dann können moralische Dilemmata fast immer durch Deus-ex-machina vermieden werden. Im eingänglichen Beispiel kommt halt ein ranghöherer Praios-Geweihter vorbei und übernimmt den Fall. Man biegt es sich halt irgendwie so zurecht, dass zwar interessante Spielsituationen und Probleme entstehen, dass diese aber keine moralischen Probleme für die Spieler und/oder ihre Figuren beinhalten.

Ich bevorzuge eine Mischung, mit klarer Tendenz zu Spielstil 2. In einer Runde, in der ich laufend schwierige moralische Entscheidungen treffen soll, möchte ich nicht mitspielen. Einem Spielleiter, der mich absichtlich mit moralischen Dilemmata konfrontieren möchte, die mich als Spieler betreffen, würde ich beim ersten mal sagen, dass ich das nicht möchte, beim zweiten mal den Vogel zeigen und gehen.
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Online Jiba

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Re: Ethik und Rollenspiel
« Antwort #183 am: 21.10.2019 | 20:37 »
In einer Runde, in der ich laufend schwierige moralische Entscheidungen treffen soll, möchte ich nicht mitspielen. Einem Spielleiter, der mich absichtlich mit moralischen Dilemmata konfrontieren möchte, die mich als Spieler betreffen, würde ich beim ersten mal sagen, dass ich das nicht möchte, beim zweiten mal den Vogel zeigen und gehen.

Zwei Fragen.

1. Was ist für dich "laufend"?

2. Welche moralischen Dilemmata betreffen denn einen Spieler als Spieler?
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini