Ich packe es wegen OT-Tendenz in Spoiler.
Ich zeichne das jetzt absichtlich spürbar zugunsten der Runner, damit die Knackpunkte deutlich werden. Das wird also in der "Praxis" des Settings ggf. stellenweise etwas abgeschwächt sein.
Am Schnellsten abgehandelt ist das Thema Ausrüstung:
Sicherheitskräfte in der Fläche haben ja noch viele andere Aufgaben abseits der höchsten Eskalationsstufe. Für dieses Tagesgeschäft muss Ausrüstung beschafft und vor Allem dann auch praktisch mitgeführt werden - und weil das den Großteil der Arbeit ausmacht, liegt da i.d.R. der Fokus drauf.
Für die seltenen Fälle, wo es richtig rumpelt, wird dann meist irgendwas gekauft. Teils aus Kostengründen - da kann man eben am Schönsten sparen, weil der Testfall so selten eintritt. Und zum anderen Teil schlicht aus fehlendem Fachwissen heraus. Es fehlt auf Entscheiderebene einfach die Praxis und oft genug auch Wille und Fähigkeit (fachlich wie zeitlich), sich damit intensiv auseinanderzusetzen.
Und selbst wenn man was Gutes beschafft hat, muss es zum Rest der Ausrüstung wenigstens halbwegs kompatibel sein, damit man mit den verschiedenen Eskalationsstufen irgendwie klar kommt. Letztlich macht man also zugunsten einer breiten Abdeckung Abstriche gegenüber einer Spezialisierung auf bestimmte Bereiche.
Der Runner braucht zumindest in dieser Hinsicht keine Kompromisse zu machen (für den ist eher das Thema Tarnung relevant, aber da kann man drum herum planen/arbeiten).
Die zweite Baustelle ist das Thema Training:
Ähnlich wie bei der Ausrüstung prägt das Tagesgeschäft und die regelmäßig auftretenden Anforderungen das Training.
Wenn ins Extrem gedacht meine Sicherheitskräfte Amokläufer, Terroristen und Runner ausschalten können wie die Großen, aber z.B. mit ihrer Technik nicht klar kommen, Personenkontrollen nicht ordentlich durchführen und ständig in der täglichen Interaktion mit den Mitarbeitern oder "Einwohnern" des Konzerns anecken - das wird abgestellt.
Umgekehrt besteht kaum Handlungsdruck, die seltenen Fälle sauber abarbeiten zu können, solange der normale Kram läuft und alle Beteiligten erst mal zufrieden sind.
In der Praxis wird es nicht die Wahl zwischen diesen Extremen sein, sondern eine Mischform. Die tendiert aber zwangsläufig Richtung Tagesgeschäft.
Auch hier wieder, weil in der Fläche nicht die nötige Expertise für eine wirklich zielführende Trainingsgestaltung da ist; weil der Aufwand vergleichsweise groß ist; weil irgendwelche Randbedenken aus PR- und Rechtsabteilung berücksichtigt werden usw.
Der Runner hat dagegen kein Tagesgeschäft abseits seiner Kerntätigkeit - er kann viel fokussierter trainieren.
Außerdem hindern ihn zwar auch logistische Faktoren, aber er hat keine Bürokratie, keine hindernden Dienstvorschriften, keine rechtlichen Bedenken und keine fachlichen Schwächen/blinde Flecken, was Trainingsgestaltung und -inhalte angeht.
Und er hat im Zweifelsfall einfach mehr Zeit als Sicherheitsleute, die ja erst mal ihren eigentlichen Dienst machen müssen und darüber hinaus noch ein Privatleben haben (wollen).
Der Anwendungsfall beim Runner ist ja auch vergleichsweise selten bzw. nimmt wenig Zeit in Anspruch und dazwischen gibt es lange Leerlaufzeiten, die er nutzen kann.
Am Relevantesten ist aber die Frage, was man da überhaupt für Leute am Start hat.
Wie bei allem im Leben sind auch beim Großthema Gewalt Leute nur dann richtig gut, wenn sie Spaß daran haben.
Für normales Sicherheitspersonal muss man das aber offensichtlich kanalisieren und begrenzen, weil sie in ihrer täglichen Arbeit keine hohe Eskalationsstufe fahren können oder sollen.
Man nimmt dafür also nicht die heißen, gewaltaffinen "Brenner", sondern die Leute aus dem Mittelfeld. Jene, die können, wenn sie müssen, die es aber nicht gezielt darauf anlegen.
Wenn doch mal so einer im regulären Dienst landet, langweilt er sich dort schnell und sucht sich was anderes - zum Beispiel die spezialisierten Interventionskräfte (mehr dazu gleich) oder er fliegt mittelfristig raus, weil er im Normalbetrieb fehl am Platz ist und man keine andere Verwendung für ihn hat.
Das Problem ist also, für den Betrieb in der Fläche Leute zu finden, die das Thema für ausreichend interessant halten, um ernsthaft zu trainieren, die sich hinsichtlich der Inhalte und der absehbaren Abläufe nicht selbst in die Tasche lügen und trotzdem noch sozialverträglich sind*.
Auch hier wieder: Im Regelbetrieb entfernt man (oder es entfernen sich selbst) viel eher jene, die zu hoch fahren als jene, die diesbezüglich etwas lahmarschig sind (wenn die überhaupt in relevanter Form auffallen).
Und mit steigendem Lebensalter, mit entsprechenden sozialen Bindungen usw. entfernen sich diese Leute mental immer weiter von der höchsten Eskalationsstufe.
Bei spezialisierten Interventionskräften, deren tägliche Erlebniswelt aus Training und wenigen Ernstfällen auf mittlerer bis hoher Eskalationsstufe besteht, sieht das schon anders aus. Die können es sich leisten und sind auch gezwungen, den Fokus auf höhere Eskalationsstufen zu legen. Da sind die "Brenner" und die Gewaltaffinen nicht nur eher tolerierbar, da sind sie ein Stück weit notwendig und man muss für die höchsten Stufen der Eskalationsleiter sogar zusehen, dass man diese Jungs an den Punkt führt, wo sie ihre normale Sozialisation kurzzeitig abschalten und massivste Gewalt anwenden können, ohne mittelfristig daran kaputt zu gehen.
Trotzdem sind das immer noch halbwegs normale Menschen - müssen sie ja auch sein, weil das Ganze sonst auf Dauer nicht funktioniert.
*Was für ein Riesenthema das ist, sieht man vor Allem bei der Polizei, aber auch im Militär.
Die richtig Heißen sind eine verschwindend kleine Minderheit und werden dann i.d.R. eher eingebremst als gefördert.
Im Gegensatz zu den normalen Sicherheitsleuten und auch den spezialisierten Kräften ist der Runner bereit, alles dem Erfolg unterzuordnen - ähnlich wie ein Spitzensportler, der genau weiß, dass er sich anders als der Hobby- oder Teilzeitsportler langfristig körperlich total kaputt macht. Dafür ist er derjenige, der bei Olympia antritt, wo die anderen erst gar nicht hinkommen oder gegen ihn gnadenlos untergehen (gilt offensichtlich analog für das Thema Cyberware).
Dem Runner fehlen die üblichen Hemmschwellen und die juristischen "Bremsen". Der Runner muss nicht in gleicher Weise an sein soziales Umfeld und das langfristige Funktionieren einer Organisation über sein Team hinaus denken.
Entweder ist er verzweifelt genug, abgehärtet/kaputt genug oder durch entsprechende Drogen, Chips und andere Einflüsse an dem Punkt, wo er in einer Weise hemmungslos Gewalt einsetzen kann, die dem normalen Sicherheitsmann nicht nur fremd ist, sondern fremd bleiben muss, weil er ansonsten nicht sozialtauglich ist, seinen Job verliert, juristisch belangt wird.
Kurz: Der Runner und speziell der Samurai ist in einer Weise auf asoziale, d.h. kompromisslos zielorientierte Gewalt ausgerichtet, dass ein "normaler" Sicherheitsmann da weder technisch noch trainingsmäßig noch mental mitgehen kann. Einzig spezialisierte Kräfte, die gezielt darauf hin ausgewählt, ausgerüstet und ausgebildet werden, bewegen sich hier halbwegs auf Augenhöhe und können mit entsprechender Vorlaufzeit durch Masse und bessere Organisation punkten.
Dass gerade die Top-Samurais damit Gefahr laufen, sich in dieser Gedankenwelt zu verlieren und nach ein paar Jahren eben nicht mehr den Absprung in ein normales Leben schaffen, sondern einfach immer weiter machen, bis sie auf der Strecke bleiben - das ist dann eine der Kehrseiten dieser kurzfristigen strukturellen Vorteile.
(Anmerkung: Dass es diese "runnerähnliche" Konstellation IRL eher selten gibt, liegt u.A. an der Problematik, an das Fachwissen bzw. die Fähigkeiten zu kommen und gleichzeitig in Lebensumstände zu geraten, die so eine Eskalationsstufe und generell so einen Lebensstil und so einen "Beruf" erlauben oder gar gefühlt notwendig machen - meistens hat man entweder das eine oder das andere.
In den USA sind das z.B. Ganger, die trotz Militärdienst nicht aus ihrem alten Leben ausbrechen können oder umgekehrt gezielt zu Ausbildungszwecken zum Militär gehen. In Südamerika heuern Kartelle bisweilen ehemalige oder aktive Soldaten an, um ihre Leute infanteristisch zu schulen. Los Zetas sind sogar von ehemaligen Kommandosoldaten gegründet worden und haben auch im weiteren Verlauf gezielt aus diesen Kreisen rekrutiert.)