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Reading Challenge 2019
Menthir:
#19
Helmut Schmidt - Handeln für Deutschland - Wege aus der Krise
(Passt nicht in die POPSUGAR-Challenge, also zählt es zu den 40 Büchern)
Ich möchte und werde gar nicht in die Tiefe bei der Analyse dieses Buches gehen, aber ich will durchaus bemerken, dass das Buch 1993 erschienen ist.
Warum ist das bemerkenswert? Zu Beginn des Jahres 1993 beschäftigte sich Helmut Schmidt vor allem mit den Versäumnissen und Erfordernissen des Wiedervereinigung. Mehr als scharfsinnige Kritik zu üben und das Fehlverhalten einzelner herauszukehren, versucht er sich Lösungen zuzuwenden und zukünftige Probleme anzumahnen, wenn es zu keinen Lösungen kommt.
In Hinblick nennt Helmut Schmidt als zentrale Gefahr, dass der Osten an Rechtsaußen-Parteien fallen könnte, weil eine Resignation gegenüber der Demokratie einsetzen wird, wenn der Westen nicht beim wirtschaftlichen Aufbau und beim Aufbau der demokratischen Strukturen hilft. 1993 hieß Rechtsaußen zwar noch nicht AfD, aber die damaligen, namenhaften Vertreter dieses Bereichs waren die Republikaner (eine Splitterpartei, die aus dem rechten Flügel der CSU entstand, und sich ab 1985 unter Franz Schönhuber am Front National orientierten).
Des Weiteren ordnet Schmidt die Entwicklung Deutschlands in die europäische Gesamtsituation ein. Zwar haben sich ein paar Entwicklungen inzwischen geändert - so gab es 1992 eine Hochzinspolitik und Deutschland fand sich in einer wirtschaftlichen Rezession wieder (inzwischen gibt es eine Nullzinspolitik) und aus dem Projekt einer gemeinsamen Währung ist inzwischen Wirklichkeit geworden - aber seine grundsätzlichen Bedenken kennen wir aus unseren Diskussionen Jahr für Jahr.
Die EU (damals noch EG) verkommt zu einem bürokratischen Ungetüm, weil zu viele Leute abgestellt werden und nicht das Spitzenpersonal hingeschickt wird, welches wiederum eigene Bürokratie aufbaut und sich auf jedwedes Thema stürzt, um Bedeutung zu erhaschen (er nennt hier explizit das Beispiel des Krümmungsgrades von Salatgurken). Dadurch, dass die EG (jetzt EU) immer intransparenter wird, verliert sie an demokratischer Legitimität und wird auf Dauer rechtsnationale Strömungen bestärken etc. (1992 war es noch Papa Le Pen, der dem Front National vorstand; aber diese Strömungen waren auch damals bekannt. Auch in Dänemark etc.).
Ein letzter das Buch durchziehender Komplex ist die ungelöste Situation der Asylsuchenden. 1992 hat Deutschland bereits schon einmal eine 3/4-Million Flüchtlinge aufgenommen, so singulär, wie Medien und Kritiker es nach der Situation 2015 beschrieben, war die "Flüchtlingskrise" 2015 gar nicht. Schmidt plädiert hier für die Notwendigkeit einer europäischen Lösung, benennt durchaus die Integrationsproblematiken und fordert eine angepasste Aufnahmelösung. Allerdings benennt er ausdrücklich, dass jeder Asylsuchende nach Artikel 1 des Grundgesetzes zu behandeln ist.
Insgesamt - und deswegen ist das Jahr 1993 so ein bemerkenswertes Faktum - liest sich das Buch so, als hätte Helmut Schmidt es 2015 (kurz vor seinem Tod) oder 2019 geschrieben. Und deswegen ist es definitiv noch immer lesenswert.
Hervorzuheben ist auch, dass das Buch eher nach Lösungen sucht und nicht kritisch gegen andere austritt. Hier und da lässt Schmidt sich dazu hinreißen, eine Darstellung zu wählen, in der während seiner sozialliberalen Kanzlerschaft schon einmal alles besser war; aber diese Nuancen gehören zum politischen Werk dazu. Dennoch verweist Schmidt hier auf die überparteilichen Aufgaben der Wiedervereinigung, der europäischen Ausrichtung, der wirtschaftlichen Notwendigkeiten und der Gefahren vor Flüchtlingsströmen durch Überbevölkerung, Ressourcenkriegen und religiösen Unruhen.
Speziell im Fall der Wiedervereinigung, aber auch im Allgemeinen, versucht er zu einer Solidaritätspolitik aufzurufen.
Damals - als Schmidt sein Buch schrieb - stand die Bundesrepublik vor der Verabschiedung des Solidarpaktes I, der schließlich im März 1993 verabschiedet wurde. Während ich dieses Werk lese, steht die Bundesrepublik davor, das letzte Element dieser Solidarpakte - den Solidaritätszuschlag (eine steuerliche Leistung) - abzuschaffen, weil es nach Maßgabe der Politik um steuerliche Erleichterung für die Bundesbürger gehe.
Die Diskussion entzündet sich nur an der moralischen Diskussion darüber, ob Besserverdiener auch den Soli einsparen dürfen oder nicht. Sie entzündet sich leider nicht daran, dass die ostdeutschen Bundesländer noch immer infrastrukturell hinterherhumpeln und inzwischen von rechtsgerichteten Parteien teils geführt und beeinflusst werden; mit der Gefahr, dass sich wirklich ein starker AfD-anhängiger Block dort ausbildet.
Insofern behält dieses inzwischen 26 Jahre alte Buch eine verblüffende (Tages-)Aktualität.
8 von 10 Punkte.
Menthir:
#20
Shadowrun - 5.Edition
(Passt in keine Kategorie, deswegen nur auf die Gesamtzahl der Bücher)
Ich habe im Jahr 2018 das Regelwerk erstmals komplett gelesen und nun habe ich auch die deutsche Übersetzung gelesen. Ich will gar nicht so sehr ausführlich werden, denn dazu könnte ich mich im entsprechenden Unterforum auslassen.
Es ist für mich aber immer wieder faszinierend, wie sehr Shadowrun gleichzeitig die Inspiration beflügelt und einem dann durch die Flügel schießt, weil es doch etwas zu viel Mikromanagement ist. Ich bin zu keinem Rollenspiel so ambivalent eingestellt, wie zu diesem.
Dennoch ist das Regelwerk in sich schlüssig aufgebaut, die viele Inspiration ist immer gerne genommen. Die Sperrigkeit hält es davon ab, ein richtig gutes Rollenspiel zu sein. 7 von 10 Punkte.
Ich habe zuletzt einiges an Bücher aufgeholt, aber da waren auch viele Bücher bei, die ich Anfang des Jahres begonnen hatte und nie so richtig abgeschlossen hatte. Auf meinem Pile of Shame liegen bis auf 1 Buch jetzt nur noch Bücher, die dort schon länger als 2019 liegen. Teils seit 2016.
Dennoch werde ich mich als nächstes einem Buch widmen, welches ich 2008 gekauft habe und seitdem immer lesen wollte, mich aber wegen der 1596 Seiten nie getraut habe. Thomas Pynchon - Gegen den Tag.
Kann also sein, dass man eine Zeit von mir hier nichts hört. ;)
Crizzl:
Ok der Sommer ist um und ich habe einiges gelesen. Zeit für ein Update:
#5/20 Abenteuer gestalten
Ein sehr gutes Buch, das ich noch oft praktisch nutzen werde. :d
#6/20 Wer die Nachtigall hört (Nightside 3)
#7/20 Der Fluch der Dunklen Mutter (Nightside 4)
#8/20 Spur in die Vergangenheit (Nightside 5)
Holy Shit sage ich nur!
#9/20 Im Auftrag des Adlers
Zweiter Teil des Epos über die römische Legion von Scarrow. Sehr unterhaltsam und mit ein oder zwei überraschenden Wendungen.
#10/20 Die Pranken des Löwen
Ein Robin Hood-Roman in den es von den 400 Seiten nur 150 Seiten um Robin Hood geht und dafür 250 Seiten um seinen Großvater.
#11/20 Windjäger
Die neue Serie von Jim Butcher die sich um Steampunk und Fantasy dreht. Fand es zuerst recht lahm, nahm dann aber ab Seite 100 an Fahrt auf. Werde die Fortsetzung gerne irgendwann lesen.
#12/20 Dämonengrab
Fantasy meets Horror, unterhaltsam aber recht bedrückend.
#13/20 Die Stunde der Helden
Fantasy in der Welt des Romans Dämonengrab. Auch dieses Buch hat kein Happy End und erinnert eher an Sword&Sorcery.
#14/20 Heldentaten
Kurzgeschichten die "Die Stunde der Helden" ergänzen
#15/20 Play Dirty 2: Even Dirtier
Nicht wirklich! John Wick ist zahm geworden. Der Erstling ist kontroverser und nützlicher. Dieses Buch würde ich nicht empfehlen.
Huhn:
--- Zitat von: Crizzl am 23.08.2019 | 13:58 ---Ok der Sommer ist um
--- Ende Zitat ---
He, Moment mal! :o
Menthir:
#21
Yuval Noah Harari - Eine kurze Geschichte der Menschheit
(Aus der POPSUGAR-Challenge: A book written by an author from Asia, Africa or South America - Harari ist Israeli)
Hararis Werk ist locker geschrieben und spielt für ein solches Werk sehr gezielt mit Leserführung. Immer wieder versucht er, den Leser auf die Fährte eines Fortschrittsoptimismus zu führen, um diesen dann wieder gekonnt zerplatzen zu lassen. Dann widmet er sich wieder einer pessimistischen Sichtweise der Geschichte, um sie dann doch wieder mit Hoffnung aufzulösen. In der Hinsicht ist das Werk wirklich gelungen.
Was jetzt die Zusammenfassung der Menschheitsgeschichte angeht, ist sie mir mit zu breiten Strichen gemalt. In Anbetracht des Umfanges des Werkes ist das nicht verwunderlich und die Art und Weise, wie das geschieht, wird der Sache durchaus gerecht. Gleichwohl ist selbst dem Laienhistoriker gewiss, dass Harari gewisse Entwicklungen absichtsvoll überzeichnet, um seine Punkte deutlich zu machen. Im Gros sind seine Thesen nachvollziehbar, aber letztlich mahnen sie eher zur Auseinandersetzung mit ihnen, als dass man ihnen einfach zustimmen will. Ich glaube, dass das auch Hararis Absicht ist. Auch hier ist an sich wenig auszusetzen.
Strukturell ist an dem Buch ebenfalls wenig auszusetzen, lediglich in dem letzten Part, in dem sich Hararis den Zukunftsaussichten stellt, weicht er etwas ab und erzählt eher von den Möglichkeiten, die er hier längst nicht so stark konterkariert wie in den vorhergehenden Parts.
Am überzeugendsten fand ich Hararis Draufsicht auf die wirtschaftliche Entwicklung der Menschen, allerdings hat mir insgesamt der entscheidende Funke gefehlt. Obwohl alles gefällig und nachvollziehbar ist, die Lektüre sogar leicht von der Hand geht und sogar zum Denken anregt, liest es sich wie eine etwas eilige Zusammenfassung, die zwar immer wieder Funken schlägt, aber doch nicht so recht leuchten will.
So bleibt das Buch dennoch lesenswert, wenn man einen sehr groben Überblick über eine Sichtweise der Menschheitsgeschichte haben will. Sie eignet sich gut, um in das Thema und die Diskussion einzusteigen.
6,5 von 10 Punkte
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