Dieses Geld habe ich Uhrwerk also anvertraut im Vertrauen darauf, dass die im Rahmen des Crowdfundings gegebenen Zusagen eingehalten werden.
Jetzt bekomme ich die Mitteilung “Sorry, Uhrwerk ist insolvent. Wir bemühen uns, unsere Zusagen einzuhalten, aber versprechen können wir nichts.“ Da muss man aber schon wirklich sehr lässig sein, wenn man sich damit zufrieden gibt und einfach sagt “Ja gut, ist halt so, ist meine Kohle eben weg.“ Gerade weil Uhrwerk fremde Gelder der Crowdfunding-Unterstützer verwaltet, können diese schon erwarteten, dass man ihnen gegenüber erklärt, was denn nun mit dem ganzen Geld passiert ist, das Uhrwerk bereits erhalten hat und warum trotz der erfolgten Zahlungen die Insolvenz eingetreten ist. Da sehe ich schon eine andere Beziehung als bei jemandem, der nur überlegt, im Laden oder verlagseigenen Online-Shop etwas von. Uhrwerk zu kaufen.
Ok, wenn das deine Warhnehmung der Angelegenheit ist, kann ich die durchscheinende Frustration und den gefühlten Auskunftsanspruch etwas nachvollziehen.
Allerdings ist dieses Verständnis meiner Meinung nach ein etwas unrealistischer (und auch eine Spur naiver?) Blick auf die Finanzen eines Rollenspielverlags: Implizit spricht ja die Annahme daraus, dass das im Crowdfunding eingeworbene Geld zweckgebunden einzig für die Realisierung des entsprechenden Produkts verwendet wird. Im Prinzip müsste das also auf einem eigenen Konto liegen, das nur dafür verwendet wird.
Das mag bei einem Startup-Unternehmen oder eine einmaligen Unternehmung eines begeisterten Hobbyisten, der seinen Heartbreaker veröffentlichen will, noch halbwegs realistisch sein, aber bei einem bestehenden Verlag kann ich mir das allein buchhalterisch schon kaum vorstellen: Wie will man den Arbeitslohn der Angestellten, die zeitweise, aber sicher nicht exklusiv an diesem Projekt arbeiten, einrechnen, wie die ganzen laufenden Kosten wie Strom, Miete, Heizung, Abschreibungen von Büroausstattung, etc. Anteilig im Bezug auf das Projektvolumen im Verhältnis zum Geschäftsvermögen? Das scheint mir (selbst wenn man den Anspruch hätte) komplett unrealistisch zu sein.
De facto geht doch bei allen Rollenspiel-Verlagen das Crowdfunding-Geld ganz normal ins Geschäftsvermögen, mit dem gewirtschaftet wird. Der erhöhte Cash-Flow macht es bei dem einen Verlag vielleicht möglich etwas zu realisieren, was im normalen Verlagsgeschäft nicht drin wäre, bei anderen (Ulisses, ich schau dich an), wäre das Produkt aber so oder so realisiert worden.
Im Prinzip ist das doch alles nur eine Vorbesteller-Aktions mit viel PR-Brimborium, was mMn auch völlig ok ist, sonst würden nicht so viele von uns so begeistert die Crowdfundings abfeiern (und erfolgreich machen).
Seltsamerweise käme kaum einer auf die Idee, ähnliche Annahmen (Zweckgebundenheit des Gelds, Auskunftsansprüche, Erstbelieferung vor anderen Kunden) bei einer normalen Vorbestellung im Shop zu treffen - und letztlich sind die meisten RPG-Crowdfundings nichts anderes als das oder - etwas archaischer - eine Subskription (Geschäftsmodell von Verlagen mindestens seit ausgehendem 18. Jahrhundert). Aber das zeugt ja nur davon, dass der Event-Charakter des Crowdfundings und dieser Nimbus des "ihr Backer seid ein besonderer Teil unseres Kundenstamms" eine gelungene Scharade ist.
Ob es da wirklich einen Rechtsanspruch auf Information gibt, da bin ich mir auch nicht ganz sicher. Wobei hier ja schon Auszüge aus den kickstarter-Bedingungen vorgelegt worden sind, nach denen ein Unternehmen, dass die geplanten Zusicherung nicht einhalten wird, darüber informieren muss, was der Grund hierfür ist. Und ob es da einfach ausreicht zu sagen “Wir sind halt insolvent“, das erscheint mir zumindest fraglich.
Doch, das reicht.
Ich bin regelmäßig als Freelancer-Autor für Uhrwerk tätig und damit natürlich auch Gläubiger, dessen Außenstände sich wenig überraschend auf ein Vielfaches eines Kickstarter-Pledges belaufen. Und dennoch ist meine Informationsanspruch mit "der Verlag ist insolvent, melden Sie hier bitte ihre Forderungen an" erfüllt. Und das geht anderen Gläubigern ganz anderen Kalibers (also andere Geschäftspartner der Firma) da auch nicht anders.
Gleichzeitig bin ich auch als Backer an beinahe jedem Uhrwerk-Crowdfunding beteiligt und ich bin sehr froh, dass sich der Insolvenzverwalter entschieden hat, dem Verlag zu erlauben, die offenen Crowdfundings mit wenigen Ausnahmen (für die andere Lösungen gefunden wurden oder werden) fast vollständig zu bedienen.
Wären die Kickstarter-Backer als Gläubiger ins Insolvenzverfahren aufgenommen worden, wäre a) jeder Kickstarter-Backer ggü. den anderen Gläubigern ein ganz kleines Licht b) müsste vermutlich deutlich länger auf einer Erfüllung seiner Ansprüche warten, im schlimmsten Fall bis zum Ende des ganzen Verfahrens und einer evtl. Restschuldbefreiung und würde c) im schlimmsten Fall nur den prozentualen Anteil bekommen, den jeder bekommt (von den Autoren über Vermieter, Drucker, Zeichner, Behörden, etc.). Sollten das nun z.B. 25% sein, wünsche ich viel Spaß mit 25% eines gecrowdfundeten Rollenspiel-Produkts.
Ich denke, dass es auch im eigenen Interesse von Uhrwerk läge, hier mehr Offenheit an den Tag zu legen. Immerhin ist ja abzusehen,
dass es den Verlag - wenn auch wohl in veränderter Form - in Zukunft immer noch geben wird und dass sogar erste Produkte (wie das Star Trek Rollenspiel) schon in der Pipeline stehen.
Meiner Meinung nach zeigt der Verlag am besten, das man ihm vertrauen kann, dadurch, dass er trotz allem fast alle offenen Crowdfundings erfüllt und zwar mit mMn verdammt wenig Abstrichen gegenüber dem zunächst Angekündigten.
Da bin ich von geplatzten Kickstartern, wo ich nie etwas erhalten und nie wieder etwas gehört habe (X-Wing-Tokens, ich schaue auf euch, zweimal!) ganz anderes gewohnt.
[bzgl. Star Trek]
Für mich ist das echt schwierig, weil ich dieses Spiel schon sehr gerne hätte. Aber solange ich nicht ein bisschen mehr über die Probleme weiß, die es dort gegeben hat und deshalb nicht einschätzen kann, ob das gleiche nochmal passieren wird, werde ich ganz sicher kein Crowdfunding unterstützen und auch keine Produkte vorbestellen, sondern warten, bis das Buch im Laden steht und erst dann zugreifen.
Zumindest da kannst du denke ich beruhigt sein: Bei so einer Lizenz bin ich mir ziemlich sicher, dass der Lizenzgeber kein Crowdfunding erlaubt, so dass alle die Produkte regulär im Laden oder im Uhrwerk-Shop kaufen können/müssen/dürfen.
Möglicherweise gibt es ja eine Subskriptions-Aktion ;-)