Auf dem Tanelorn-Treffen haben wir den SaMi-Slot mit „Something to Hide“ gefüllt, einem spielleiterlosen Storygame von Allan Dotson. Mitspieler waren Madis, Iona, Eliane und ich. Da Freunde von mir das Spiel gerade übersetzen und ich ihnen die Rückmeldung nicht vorenthalten will, gibt es hier einen Spielbericht.
„Something to Hide is a story game of investigating a murder, where everyone is a suspect. Only one of you is the murderer, but no-one is truly innocent. Everyone has something to hide.“Das PDF gibt es bei DrivethruRPG als "Pay what you want"
Die Regeln umfassen etwa 13 Seiten und sind auf dem Treffen passend als „Fiasko meets Cluedo“ charakterisiert worden. Das Spiel ist spielleiterlos und würfellos. Der Spielverlauf und wird durch das strukturierte und zufällige Ziehen von Karteikarten mit selbsterdachten Hinweisen und Beweisen determiniert, was als Rollenspiel ausgespielt wird. Ziel ist es, einen gesetzten Mordfall und in dem Zuge die Geheimnisse der anderen Spielercharaktere aufzuklären und den eigenen verdächtigen Charakter aus der Schusslinie zu bringen. Jeder Spielercharakter hat ein Geheimnis, das in irgendeiner Art und Weise mit dem Mord in Verbindung stehen kann bzw. sollte. Hinweise, die den Charakter mit dem Mord in Verbindung bringen, werden an Örtlichkeiten versteckt, die ebenfalls von den Spielern festgelegt werden. Typische Spielzüge sind „Einen Ort untersuchen“, „Einen Verdächtigen befragen“ oder „einen Hinweis verschwinden lassen“ etc. Der Clou: Bei der Frage, wer der Mörder tatsächlich ist, verhält es sich wie mit dieser Kopenhagener Katzenkiste: Erst am Ende des Spiels wird über eine zufällig gezogene Karte bestimmt, ob ein beschuldigter SC der Mörder war oder trotz der Verdachtsmomente unschuldig ist.
Unser SettingDas gemeinsam erschaffene Setting war der beschauliche süddeutsche Touristenort „Blauenburg auf der Harbicht“. Kopfsteinpflaster, Fachwerk, eine Burgruine, viele Touristen etc. Das Opfer war Elisabeth Bachmayr, die mittelalte Wirtin des würdevollen Hotel-Restaurants „Goldene Krone“. Sie wurde blutüberströmt im Kühlhaus des Cafés gefunden.
Die
Schauplätze sind:
- Hotel-Restaurant „Goldene Krone“, in dem Marie-Anne arbeitet
- Eiscafé „La Strada“, in dem Enrico arbeitet
- Touristenbüro, in dem Louise arbeitet
- Die Ruine der Burg, in dessen erhaltenem Museumsbau Friedhelm arbeitet
Die
Charaktere sind:
Friedhelm von Ürgenstein, kauziger Adliger und Museumskurator von Blauenburg, dessen Geschlecht einst die Burg des Ortes gehörte. Stiefvater des Opfers. [Gespielt von Grimnir]
Geheimnis: Er hat Elisabeths Erbe, die „Kollektion Bachmayr“, unter der Hand verkauft – jeder glaubt, dass sie dem großen Museumsbrand zum Opfer gefallen ist. Mit dem Geld will er die Burg zurückkaufen.
Hinweise:- Nach der Tatzeit hat er zitternd und sichtlich aufgelöst drei Grappa im Eiscafé getrunken.
- In der Goldenen Krone hat er lautstark mit Elisabeth gestritten – es ging um einen Zeitungsartikel über einen „juwelenbesetzten Kelch“.
- Die Tatwaffe stammt aus der Sammlung des Museums.
- Eines Nachts hat Friedhelm betrunken dem Bürgermeister erzählt, dass er mit Elisabeths Geld die Burg auslösen würde.
Beweis der Schuld: Jemand hat ihn ein blutbeflecktes Schwert in den Trümmern des Bergfrieds vergraben sehen
Beweis der Unschuld: Er war zur Tatzeit bei einem Notar, der ihm die verpfändete Burg wieder überschrieb.
Enrico Manzetti, Eiscafébesitzer von „La Strada“ [Gespielt von Madis]
Geheimnis: Er hat Elisabeth, mit der er eine Affäre hatte, mit Nacktfotos erpresst.
Hinweise:- Eine Videoaufnahme, auf der Enrico und Elisabeth gemeinsam ein Hotelzimmer betreten, Enrico es aber später alleine verlässt.
- Ein Nacktfoto von Elisabeth, auf dem Enrico im Spiegel zu erkennen ist.
- (plus zwei weitere, die ich nicht mehr vorliegen habe)
Beweis der Unschuld: Zur Tatzeit war er wegen Alkohols am Steuer auf der Polizeiwache.
Beweis der Schuld: Mordwaffe in Enricos mobiler Espressobar (Dreirad-Mofa).
Marie-Anne Rousseau, 25, Verkäuferin im Souvenirladen der „Goldenen Krone“ mit französischen Wurzeln [gespielt von Eliane]
Geheimnis: Eigentlich als „Farida Larouche“ illegale Einwanderin aus Algerien und ehemalige Schläferin bzw. islamistische Milizionärin
Hinweise:- Ein drängender, anonymer Liebebrief an Marie-Anne mit der Drohung, eher alles zu zerstören, als Zurückweisung.
- Eine Fotografie, die Marie-Anne mit Kopftuch und Kampfmesser zeigt, umgeben von teilweise vermummten, bewaffneten Männern und Frauen.
- Schreiben mit Bitte um Personalausweiskopie wg. Sozialversicherungsausweis für Marie-Anne, da die französischen Behörden hier eine unklare Aktenlage haben.
- Text auf dem Anrufbeantworter: Elisabeth sagt treffen mit Louise ab, weil sie heute Abend noch ein dringendes Gespräch mit Marie-Anne führen muss.
Beweis Schuld: Das blutige Kampfmesser auf dem Foto, samt Blut des Opfers und Marie-Annes Fingerabdrücken, in ihrem Zimmer gefunden.
Beweis der Unschuld: Schreiben aus dem Ausländeramt, dass sie zur Tatzeit einen Termin bei einem Sachbearbeiter hatte und dieser ihre Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis mitschickt.
Louise Müller, 35, Leiterin des Tourismusbüros [gespielt von Iona]
Geheimnis: Uneheliches Kind mit dem Bürgermeister, der wesentlich älter und verheiratet ist.
Hinweise:- Bilderrahmen mit alten Bildern und Zeitungsausschnitten: Foto auf dem Louise und Elisabeth mit unüblich viel Abstand zueinander stehen.
- Erpresserbrief: „Ich weiß, wer der Vater Deiner Tochter ist.“
- Eintrag in Elisabeths Terminkalender zur Tatzeit: „Treffen mit Louise“
- Zeugen haben vor Wochen lautes Streitgespräch zwischen Louise und Elisabeth mit angehört, da Louise seit Monaten Touristen ein anderes Hotel-Restaurant empfiehlt.
Beweis der Schuld: Elisabeth hat mit letzter Kraft die Buchstaben LOUI… mit ihrem Blut an eine schwer einsehbare Stelle der Kühlkammer geschrieben.
Beweis der Unschuld: Louise wurde zum Tatzeitpunkt von einer Überwachungskamera gefilmt, wie sie in der Lobby der „Krone“ wartete und dann das Hotel wieder verließ.
Der Spielverlauf Der Spielverlauf ergibt sich aus den Spielzügen wie „Verdächtigen befragen“, „Ort untersuchen“ etc., bei denen die Hinweise allmählich ans Licht kamen. Am Ende stellte sich Louise als Täterin heraus, nachdem zuvor jeder andere einmal beschuldigt wurde – zufällig wurde aber jedesmal die Karte „Beweis der Unschuld“ gezogen. Zeitlich haben Regelerklärung und Setup (Akt 1) etwa eine Stunde gedauert, das Hinweisesammeln (Akt 2) und die Beschuldigungen (Akt 3) etwa zwei Stunden.
ErfahrungenIch finde die Hinweise recht schwierig zu erstellen, insbesondere hinsichtlich der Detailtiefe sowie des möglichen Interpretationsspielraums. Die Beispiele im Regelsystem sind hier eher ohne Detail und ohne Interpretationsspielraum, z.B. „Das Opfer kannte mein Geheimnis“. Der inhaltsähnliche Hinweis für Friedhelm war demgegenüber: „In der Goldenen Krone hat er lautstark mit Elisabeth gestritten – es ging um einen Zeitungsartikel über einen juwelenbesetzten Kelch“, also sehr detailliert, aber auch mit Interpretationsspielraum. Tendenziell entsprachen die meisten Hinweise diesem Muster. Ich kann mir gut vorstellen, dass beides gut funktioniert, vielleicht die Beispielhinweise sogar besser, weil sie dann erst in dem Moment, zu dem sie ins Spiel kommen, ausgeführt werden und daher der bisherigen Fiktion besser Rechnung tragen können. Hier wäre im Regelwerk ein Hinweis auf Detailtiefe und Interpretationsspielraum sinnvoll.
Der letzte Akt hatte es bei uns in sich, weil reihum jeder beschuldigt wurde. Für eine Beschuldigung braucht man drei Hinweise, gleich ob es öffentliche sind (Die Karteikarten liegen offen und jeder Spieler kennt den Hinweis) oder private (nur der Spieler, der den Hinweis erhalten hat, kennt den Hinweis). Hier haben wir zunächst überlesen, dass ab dem zweiten Beschuldigten auch nur drei Hinweise notwendig sind (Um den ersten Beschuldigten ein zweites Mal zu beschuldigen, brauch man vier). Wir haben mit vier Hinweisen für den zweiten gespielt. Das ist auf dem Cheatsheet deutlicher knapper formuliert als im Regelwerk, wo man es leichter überliest. Ich würde das im Regelwerk deutlicher hervorheben. Zudem haben wir am Ende, als nur noch Louise als Verdächtige übrig blieb, das Spiel abgekürzt – es war klar, dass wir nur noch darauf gewartet haben, sie beschuldigen zu können. Hier weiterhin mühsam an Hinweise zu gelangen war uns zu langweilig, sodass wir direkt zu der Beschuldigungsszene gewechselt sind.
Unklar war, ob man bei einer Beschuldigung seine Hinweise öffentlich macht. Aufgrund der ausgespielten Konfrontation werden die Hinweise ohnehin in der Fiktion öffentlich, aber inwiefern sie regelkonform als solche ausgelegt werden, bleibt im Regelwerk unklar. Bleiben sie öffentlich, kann der nächste Spieler, der einen vierten Hinweis hat, den Charakter sofort wieder beschuldigen. Das kann zwar so gewollt sein, um das Spiel abzukürzen, kann aber evtl. die Spannung rausnehmen, die dadurch entsteht, dass zuerst andere SCs beschuldigt werden.
Wir hatten den Fall, dass eine Spielerin zufällig dreimal Hinweise auf sich selbst gezogen hat. Dadurch hat sie sie zunächst gehortet, weil sie mit den „Hinweise verschwinden lassen“ nicht hinterhergekommen ist. Hier könnte ein Tweak helfen, z.B. dass man zwei Hinweise auf einmal verschwinden lassen kann. Andererseits kann es natürlich auch spannend sein, wenn man mit „Verdächtigen befragen“ tatsächlich Hinweise auf diesen selbst bekommt, weil er keine anderen Hinweise öffentlich machen kann. Das würde ich im Regelwerk und im Cheatsheet deutlicher formulieren, dass es beides sein kann, ein Hinweis auf den Verdächtigen selbst oder einen auf andere SC – nur damit klar ist, dass hier keine Extraregel vorliegt.
Eine Erfahrung ist außerdem, dass die Hinweise auf einen Charakter in Kombination mit den Beweisen der Schuld bzw. Unschuld zu zwei plausiblen Geschichten führen müssen, je nachdem, ob der Charakter schuldig war oder nicht. Ich habe bei mir selbst gemerkt, dass man zwar leicht eine kausale und durchdachte Geschichte der Schuld erschafft, die Geschichte der Unschuld aber bei der Erstellung der Hinweise und der Beweise auf der Strecke bleibt. Das ist eigentlich kein großes Problem, weil man am Ende auch das noch irgendwie bullshitten kann, aber es schadet nicht, es sich zu Beginn noch einmal bewusst zu machen, dass beide Geschichten Sinn ergeben müssen.
FAZITAlles in allem habe ich "Something to Hide" bisher dreimal mit großer Begeisterung gespielt. Die Mechaniken sind gut durchdacht und funktionieren meistens, die entstehende Fiktion passt sehr gut in den klassischen Aufbau eines düsteren Ermittlungskrimis, bei dem jeder etwas zu verbergen hat und derjenige, der zuerst beschuldigt wird, es oftmals nicht ist. Für mich wird das Spiel tatsächlich eine ähnliche Lücke wie Fiasko füllen, nämlich als unkompliziertes Spontanspiel, wenn für "klassisches" Rollenspiel die Lust oder ein Mitspieler fehlt.