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Reading Challenge 2020

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Sashael:

--- Zitat von: Weltengeist am 22.03.2020 | 15:09 ---Nach der Logik könntest du auch irgendwas anderes tun, das Zeit verbraucht - bingewatching von Buchverfilmungen zum Beispiel... ;)

--- Ende Zitat ---
Ich halte eine Verfilmung für etwas komplett anderes, als sich ein Buch Wort für Wort vorlesen zu lassen.

Ich sehe das durchaus als Grenzfall und wenn jetzt die einhellige Meinung hier wäre, dass das definitiv nicht als Teil der Challenge gilt, dann würde ich es auch nicht werten wollen. Allerdings ist mein Zeitplan wirklich eng gestrickt und so ein Hörbuch (im Moment "Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Yuval Noah Harari) kann ich mir auch beim Kochen oder Wäsche machen zu Gemüte führen. ;)

Weltengeist:
Also möchtest du im Grunde das, was für viele andere ja auch gilt: Du suchst eigentlich nach einer Bestätigung für eine Entscheidung, die du innerlich schon längst getroffen hast. Und wenn du dir die richtigen Beiträge unter den Antworten raussuchst, wirst du die sicherlich auch bekommen. Der Psychologe nennt das übrigens "Rationalisieren", und es ist genau das Gegenteil einer rationalen Entscheidung.

Ich habe jetzt ein bisschen drüber nachgedacht und mich entschieden, an dieser Stelle mal ungewohnt deutlich aus meiner Deckung kommen. Also ausnahmsweise mal kein "du bist okay, ich bin okay, jeder macht einfach, was er will, und alle sind glücklich". Das werden mir sicherlich gleich mehrere "Reading Challenge"-Teilnehmer verübeln, aber ausnahmsweise ist mir der Punkt zu wichtig, um es bei Relativismus zu belassen. Vielleicht denkt ja der eine oder andere ernsthaft darüber nach und sucht nicht einfach nur nach Gründen, warum der bequeme Weg bestimmt doch genauso gut ist. Also:

Ich bin beruflich in der Ausbildung junger Erwachsener tätig, und da erleben wir seit Jahren den Trend, dass selbst Abiturienten kaum in der Lage sind, längere zusammenhängende Texte zu lesen, geschweige denn zu verstehen. Eine ganze Generation ist so einseitig mit Kurznachrichten oder möglichst gleich Voice- und Videobotschaften aufgewachsen, dass sie bis auf erschreckend wenige Ausnahmen nicht mehr in der Lage ist, längere oder gar anspruchsvolle Texte zu lesen und zu verstehen. Das gleiche gilt übrigens nach meiner Beobachtung auch für die älteren unter uns: Viele der Ü40er, die als junge Leute noch 400 Seiten an einem Wochenende verschlungen haben, vegetieren geistig mittlerweile auch nur noch vor Netflix und Youtube vor sich hin. Wir sind halt abends zu müde zum Lesen... Sorry, aber da machen wir uns was vor. Wir sind nur aus der Übung und gehen daher den bequemen Weg.

Ist das ein Problem? Ja, weil Lesen sowohl Konzentration als auch Denk- und Vorstellungsvermögen schult, weil man dadurch den Wortschatz erweitert und sogar die Schreibfähigkeiten verbessert und weil es etwas Meditativ-Entspannendes hat. Die meisten dieser Effekte werden von anderen Medien weniger oder sogar gar nicht erzielt, und daher sind viele dieser Fähigkeiten in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Und genau da kommen eigentlich die Reading Challenges ins Spiel.

Das Konzept ist ja schon überraschend alt und wurde ursprünglich in Schulen eingeführt, um - tadah - Kinder wieder stärker zum Lesen zu motivieren. Dort wird es übrigens auch heute noch verwendet, und natürlich kommt man da nicht durch damit, am Ende des Schuljahrs lauter Hörbücher oder Graphic Novels als Reading Challenge zu melden. Wer das tut, macht sich und anderen etwas vor: Natürlich habt ihr euch mit etwas beschäftigt, was eine ISBN hat, aber ihr habt nicht gelesen. Ihr habt genau das, was eine Reading Challenge trainieren soll, nicht trainiert, sondern nur (ganz im Geist der Zeit) beeindruckende Zahlen generiert.

Natürlich gibt es auch bei einer "Reading Challenge" mit echten Büchern einen Unterschied, ob man 50 Rosamunde-Pilcher-Romane oder die 50 größten Werke der abendländischen Philosophie im Original gelesen hat. Aber eines hat man zumindest getan: Man hat wirklich gelesen und die oben genannten Fähigkeiten zumindest ein Stückweit verbessert (oder zumindest am Leben gehalten).

So. Jetzt kann natürlich trotzdem jeder sagen: Ich mache das aber anders. Ich lasse mir meine Bücher lieber vorlesen. Oder ich lese in erster Linie Graphic Novels. Ist ja immer noch besser als Katzenvideos gucken. Das ist natürlich richtig. Aber das eigentliche Ziel, warum man eine Reading Challenge machen sollte, hat man damit nicht erreicht. Außerdem setzt man ein falsches Signal: Man entwertet die Reading Challenge deutlich sichtbar für alle, indem man so tut, als sei das, was man da feiert, wirklich durch Lesen von Büchern zustande gekommen. Die nächste Generation, die nach Ausreden sucht, wird es dankbar zur Kenntnis nehmen.

Ich bin daher für eine Rückbesinnung auf die eigentlichen Ziele einer Reading Challenge: Es geht nicht darum, das, was man ohnehin tut oder ohne großen Aufwand tun kann, mit einem beeindruckenden Counter zu versehen und am Jahresende abzufeiern. Es geht darum, sich die Zeit zu nehmen und wirklich zu lesen. Nicht mehr und nicht weniger.

Greifenklaue:
Für meine Reading Challenge geb ich Dir, Weltengeist, völlig recht. Ausnahme ist ggf. die Kategorie Hörbuch, sonst wird alles gelesen - ja, auch um da in Übung zu bleiben und zu kommen.

2. Buch: Taktik ist keine Pfefferminzsorte von Arnd Zeigler (Kat. Ein Buch, dass Du jemanden geschenkt hast. - Genauer: Schenken werde: Bekommt mein Schwager, der ist Fußballfan und hat 11 Freunde abonniert ...)

264 Seiten Fußballzitate - eher unbekanntere, da es schon das x-te Buch ist - oft recht lustig, etwa 1/3tel englische, 1/3tel deutsche Liga und Rest quergemischt gemischt von Pele bis Jens Lehmann. Auffallend oft Jens Lehmann ...

Sashael:

--- Zitat von: Weltengeist am 22.03.2020 | 17:54 ---Ich bin daher für eine Rückbesinnung auf die eigentlichen Ziele einer Reading Challenge: Es geht nicht darum, das, was man ohnehin tut oder ohne großen Aufwand tun kann, mit einem beeindruckenden Counter zu versehen und am Jahresende abzufeiern. Es geht darum, sich die Zeit zu nehmen und wirklich zu lesen. Nicht mehr und nicht weniger.

--- Ende Zitat ---
Ich nehme deine Meinung zur Kenntnis und ziehe meine Hörbücher aus der Challenge raus.

Allerdings werde ich dann am Jahresende wahrscheinlich auf etwa zwei Bücher kommen. Das magst du anders sehen, aber ich habe wirklich nicht mehr die Kraft, mich zu meinem echten(!) Feierabend noch hinzusetzen und zu lesen. Da fallen mir nach einer halben Seite die Augen zu. Warum? Weil ich um 4 Uhr aufstehe, um 16 Uhr meine Kurze von der Kita hole und dann "Job #2" antrete, die Kids inklusive Abendessen und Sandmännchen bis etwa 19:30 bespaße und DANN tatsächlich Zeit hätte, mich auf etwas anderes zu konzentrieren und zu lesen. Und wie du ja schon korrekt angemerkt hast, ist Lesen eine anstrengendere Beschäftigung als eine Folge einer Serie zu gucken oder ähnlich multimedial abzuspannen.

Die Corona-Krise könnte daran vielleicht sogar ein bißchen was ändern, aber sobald es wieder Business as usual heisst, sind meine Lesetage wieder vorbei.

Huhn:

--- Zitat von: Weltengeist am 22.03.2020 | 17:54 ---Ich bin beruflich in der Ausbildung junger Erwachsener tätig, und da erleben wir seit Jahren den Trend, dass selbst Abiturienten kaum in der Lage sind, längere zusammenhängende Texte zu lesen, geschweige denn zu verstehen.

--- Ende Zitat ---
Bei aller Liebe: Ich bin durchaus in der Lage, längere Texte zu lesen und zu verstehen. Ich lese (und schreibe gegebenenfalls) den ganzen Tag über längere Texte. Das ist mein Job, das habe ich studiert! Ergo:


--- Zitat von: Weltengeist am 22.03.2020 | 17:54 ---Ich bin daher für eine Rückbesinnung auf die eigentlichen Ziele einer Reading Challenge: Es geht nicht darum, das, was man ohnehin tut oder ohne großen Aufwand tun kann, mit einem beeindruckenden Counter zu versehen und am Jahresende abzufeiern. Es geht darum, sich die Zeit zu nehmen und wirklich zu lesen. Nicht mehr und nicht weniger.

--- Ende Zitat ---
Was das eigentliche Ziel MEINER persönlichen Reading Challenge ist, lasse ich mir nicht von irgendwelchen Leuten vorschreiben. Mein Ziel ist und war nicht, mehr zu lesen, um meine Lesefähigkeiten zu verbessern. Sondern mehr zu lesen, das nicht Arbeitslektüre ist, und so wieder Freude an Geschichten, Romanen, Erzählungen zu finden. Das kann ich mit Hörbüchern ebenso wie beim konzentrierten Selbstlesen. Dieses Ziel erfüllt die Challenge, so wie ich sie durchführe, für mich seit mehreren Jahren.

Ich möchte darum bitten, anderen nicht vorzuschreiben, wie sie ihre Challenge zu gestalten und was sie dafür zählen dürfen. Du kannst gerne mitteilen, was DU zählst und warum - aber das so hinzustellen, als gäbe es die einzig wahre Challenge, die wir hier kaputt machen, weil wir die Herausforderung an unsere eigenen Lebensumstände, Bedürfnisse und Ziele anpassen, find ich unfair.

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