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DSA - und das, was mit fantastischer Realismus assoziiert wird - ist für mich DSA 2, eher DSA3. Erst da, finde ich, hat sich eine DSA-Mentalität wirklich herausgebildet, DSA3 war der Höhepunkt dessen. DSA4 hat das natürlich dann weitergeführt und teils auch vertieft durch die Regeln.
Richtiges Bauerngaming ist natürlich eher ein Klischee - ich habe oft Krieger, Ritter, Magier, "Elfen" (damals hatten die keine Professionen) gespielt, also eben nicht die Zuckerbäcker, Händler, Wirte oder Schafhirten. Und in meinen Runden haben die anderen Spieler das meist ähnlich gehandhabt. Aber: Auch da ist oder war die Spielebene teils sehr "niedrig", die Abenteuer ziemlich bodenständig. Das ist zwar kein Alleinstellungsmerkmal von DSA, aber ich denke, diese Bodenständigkeit der Spielercharaktere kombiniert mit der dichten und ebenfalls oft und grundsätzlich bodenständigen Weltbeschreibung, das ist wohl das, was mit "fantastischer Realismus" verbunden wird. Der ist aber nur eine Idee, der, bei aller Schwammigkeit des Begriffs, dann oft doch nicht wirklich Rechnung getragen wird.
Übrigens: Manche Bilder zum Thema, etwa das von Drakensang, haben mir nochmal vor Augen geführt, was mich in den letzten Jahren stört an DSA. Die Illustrationen folgen meist einem anderen Stil, der, bei aller Handwerkskunst und Detailliertheit, mich nicht abholt - wohl, weil er sich mit meinem Bild und meinem Gefühl von Aventurien irgendwie beißt. (Allerdings: Viele ältere Illustrationen, gerade aus DSA1-Zeiten, haben ebenfalls wenig mit "meinem DSA" zu tun.) Ich glaube, sie sind mir zu "sauber" und zu glatt.
Das finde ich alles total valide.
Interessant finde ich den Punkt der "DSA-Mentalität", die sich bei DSA1 noch nicht herausgebildet gehabt habe, sondern erst in einer fließenden Bewegung hin zu DSA3. Da stimme ich durchaus zu, zumindest mit dem Blick auf den Status Quo: Es (Spielerlebnis, Spielverständnis, gedeckelter, detailreicher Hintergrund) hat sich das gebildet, was wir heute kennen und spielen - bei allen Unterschieden, die die Runden untereinander aufweisen mögen. (Ich muss aber zugeben: Mein Wissen endet mit dem Ende von DSA4.) Das ist auch das, was ich angesprochen habe: (Auch) die geänderten Regeln verändern die Denkweise der Spieler. Jedoch gibt es mE auch bei DSA1 schon eine Art Mentalität, naja, Angebote an die Spielerschaft, wie das Spiel aufzufassen sei, wobei die Angebote durchaus heterogen waren, sie aber keine Widersprüche schufen, sondern eher eine Art buntes Erleben. Denn der Kanon - bei dem man den Fanta-Re im Sinn hatte - kam erst später. Und so etwas kann man natürlich auch heute spielen und bewusst erleben, wenn man nicht in die Ironiefalle tritt. (Hierhin müsste nun Werbung auf mein DSA1 Reloaded.
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Nun hatte ich geschrieben, dass Regeln auch die Mentalität verändern können. Meine Aussage, dass Bauerngaming nicht bei DSA1 auftreten konnte, möchte ich so auch voll stehenlassen: Diese Regeln luden nicht dazu ein. Aber natürlich sind die Regeln nur ein Baustein. Der Hintergrund änderte sich ja ebenfalls, er wurde "sicherer" und man konnte sich "heimischer" fühlen. Die Abenteuer stießen in ein ähnliches Horn: Sie wurden weniger gefährlich und machten etwas, was in vielen der Abenteuer seit ehedem im Ansatz vorhanden war, zu der Tugend des Systems: den Gang durch die schöne Geschichte. Schon Anfang der 90er war es möglich, mit "dem Zuckerbäcker" zu überleben, weil den Helden eine Leistung nur noch zum Schein abverlangt wurde. Solange sich die Spieler nicht allzu quer zum Abenteuer stellten - unartig! - waren die Helden im Grunde sicher. Jetzt ist das Folgende natürlich ein bisschen die Frage nach der Henne und dem Ei, aber ich drücke es mal so aus: Die allgemeine Abenteuersituation - die auch für DIY-Abenteuer ein Vorbild war - war dem Charakterspiel ein fruchtbarer Boden. Es gab ein gewisses Vakuum, das Spieler durch dramatische persönliche Ver- und Entwicklungen auffüllten. Das Vakuum, also der Mangel an (echter) Herausforderung, konnte / kann aber auch anders ausgeglichen werden, wenn man dem "Drama" eher abhold ist: Als Plot Hunter etwa schaffte man sich eine eigene Herausforderung, nämlich den ausgelegten Spuren des Abenteuers möglichst effizient zu folgen.
Das war jetzt noch ein wenig unterkomplex, finde ich, aber etwa so habe ich es für mich auf dem langen Weg seit 1985 erlebt bzw in der Rückbeschau mit etwas Abstand interpretiert.
Dennoch ist das lupenreine Bauerngaming wohl stets eine Randerscheinung geblieben und insofern tatsächlich ein Klischee, etwas zum darauf Herumreiten in der Beschau, wenngleich ich natürlich Spieler kenne, die
bei einzelnen Helden bewusst und konsequent auf die Ausformung spielrelevanter Vorteile verzichtet haben. Ich selbst habe so etwas im Ansatz auch gemacht, war jedoch immer darauf bedacht, meiner Turbonulpe zumindest etwas spielrelevante Kompetenz auf den Weg zu geben, einfach weil ich irgendetwas reißen wollte, also entweder etwas bewirken (O Wunsch! O frommer Wunsch!) oder zumindest ein Glanzlicht zu erhalten.
Wie kommt das Bauerngaming eigtl in die ganze Diskussion um den Fanta-Re hinein?