„Zumal es eine "offene Sandbox" als solche gar nicht geben kann, weil offen = grenzenlos per Definition, völlig unübersichtlich und somit unbespielbar sein würde.
Du benennst das Problem für den SL ja selbst. "Für den Spielleiter ist diese Spielform mit erheblich mehr Aufwand verbunden und die erreichbare Simulationsdichte ist dadurch oft auch etwas geringer als in engeren Spielformen."
Es muss nicht alles vorab definiert werden. Was die Lücken angeht ist der Kernpunkt die Art und Weise wie diese dann gefüllt werden und zwar nach Konsistenz zum Grundgerüst des Settings und nach bestem Wissen und Gewissen „settingrealistisch“. Die Art und Weise der Vorbereitung /Aufbereitung eines solchen Setting wäre entsprechend auch weniger Detailarbeit sondern Musterbeschreibung.
Der Fokus muss auch nicht perfekt sein, ist er sonst ja auch nicht. Der Freiheitsgedanke könnte aber den einen oder anderen vergessen lassen, dass er nicht alleine im Spiel ist.
"Neutrale Handlungen" gibt es im Rollenspiel nicht, weil sie von keinem unparteiischen Zufallsgenerator bestimmt werden, sondern immer von einem Menschen ausgehen und getragen werden, dem SL bzw. dem Spieler, der immer subjektiv handelt, auch wenn er by the book leitet oder spielt... selbst wenn er nur entscheidet, wann, wo und wie er auf welcher Zufallstabelle würfelt.“
Perfektion wirst du in keiner Richtung erreichen, das ist also kein Argument. Man kann ja dem Dramaspieler auch nicht vorwerfen wohl nie eine preisgekrönte literarische Leistung abzugeben. Das Ziel und Spaßträger für Anhänger der jeweiligen Spielarten ist da halt so nah dran zu kommen, wie man eben unter den gegebenen Möglichkeiten kann.
Das Problem mit dem Unterbuttern von passiveren oder anderweitig gehandicapten Spielern ist hingegen tatsächlich ganz klar gegeben. Dann ist eine Sandbox einfach das falsche Spiel für diese, sei es individuell oder als Gruppe, wenn es selbst mit gruppeninternem Coaching und Unterstützung nicht hinkommt die betreffenden Leute mitzunehmen.
Nitpick: In der Sandbox beschreibst du nicht die Welt, sondern die Handlungen deiner Figur. Aber auch da haben einige Leute Probleme ungefragt Entscheidungen zu treffen.
„Bei der Handlungsfreiheit bin ich ganz bei Dir. Die gibt es aber auch unabhängig von der Sandbox als Player Empowerment.“
Ja durchaus, aber halt in einer anderen „Geschmacksrichtung“ und wäre damit einen eigenen Eintrag in den Definitionenfaden wert. In der Sandbox gibt es die „von innen“, aus der Figur heraus, aber auch über diese limitiert. Andre Spielform andere Umstände - nicht besser, nicht schlechter, aber ggf in beide Richtungen mal nicht jedermanns Geschmack und daher sollte es auch bei den Spielinfos unterschieden werden .
„Wie sollen "Handlungen neutral und setting- wie regelkonform abgehandelt werden, frei von weiteren Metainteressen sollten diese damit kollidieren"?
Entweder haben die Chars / Spieler Handlungsfreiheit oder nicht.“
Den Einwurf verstehe ich nicht, vermute aber ich habe da etwas nicht sauber beschrieben.
Versuch der Klärung: Die Spieler haben durch ihre Figuren die Handlungsfreiheit, welche diesen durch ihre Position in der Spielwelt zusteht. Die Auflösung dieser Handlung hat nur nach Spielweltmaßgaben zu erfolgen. Möglicher (und in gewissem Maße bei den unvermeidbaren Lücken immer wieder auftretender) Spielraum für Geschmacksentscheidungen endet spätestens da, wo dann die Spielweltintegrität oder die Handlungsmaschine strapaziert wird.
Eine offene Sandbox hätte nicht einmal einen Ringkrieg gehabt. Den Ruf als „ Kundschafter“ hatte er wohl schon zum Start, also hätten Leute mit entsprechenden Anliegen wohl ab und zu tatsächlich vor seiner Tür gestanden, aber wenn er da keine Lust drauf gehabt hätte, wäre das halt eine Hobbitdorfsimulation geworden Nachbarschaftsstreitigkeiten zwischen Pfeifenkrautpreis, verliehenen Schirmen und verschobenen Grenzsteinen.
„In einer Sandbox müsste der SL unzählige, gleichwertige Köder auslegen, in der Hoffnung, dass die Spieler auf einen oder auch mehrere davon anspringen.
Das würde ein nicht zu vertretendes Mass an Arbeitsaufwand für den SL bedeuten, ohne dass es gleichzeitig einen nennenswerten Mehrwert für die Spieler und das Spiel haben würde“
Da kommt genau der Unterschied im SL-Geschmack zum Tragen. Ich will als SL einer offenen Sandbox keine Geschichte erzählen. Ich baue eine Weltmaschine. Und um zu schauen, ob die als Welt etwas taugt, brauche ich passende erkundungsfreudige Spieler, Leute, welche diese Welt untersuchen, benutzen und für ihre virtuellen Leben ausprobieren.
Die Konfliktdichte ist meist dadurch niedriger, dass die Konflikte jetzt nicht spezifisch die Spieler suchen und settingfrei als Herausforderungsbröckchen daherkommen.
Und dominante Konflikt waren ausdrücklich Konflikte, welche eine Dringlichkeit besitzen, welche es nicht erlauben stattdessen was anderes zu machen oder auszuweichen – Weltuntergang z.B.
Was die Spieler sonst selbst an Wertungen reinbringen annehmen oder übergehen ist für die Neutralität der Handlungsmaschine abseits fokusbedingter Auflösungseffekte egal.
Die Entscheidungsfreiheit beinhaltet ausdrücklich sich so einen Fokus selber zu setzen. Er wird ihnen nur nicht von außen aufgezwungen.
„"Für den Spielleiter ist diese Spielform mit erheblich mehr Aufwand verbunden und die erreichbare Simulationsdichte ist dadurch oft auch etwas geringer als in engeren Spielformen."
Deshalb lehne ich eine Sandbox ab.
Hier ist für mich Schluss mit lustig, weil die Kosten-Nutzen Relation durch den überhöhten Mehraufwand für den SL völlig aus dem Gleichgewicht gerät.“
Das ist dein gutes Recht. Eine (offene, denn die erzeugt primär dieses Problem) Sandbox muss nicht für jeden das Optimum sein.
„"Eine kohärente Handlung oder gar Spannungsverlauf ist mit einer Sandbox nur zufällig zu erreichen."
Wo liegt somit der Mehrwert?
Wieso sollte ich eine riesige Sandkiste haben wollen, darin nach einem einzelnen Sandkorn suchen, ohne selbst zu wissen, wie dieses Sandkorn aussehen soll?
Wo ist da der Nutzen?“
Weil der Spielspaß nicht für alle Leute aus einer tollen Geschichte oder formeller Spannung stammt.
Und die suchen dann nicht nach dem einen Sandkorn mit Bedeutung, die versuchen ihre eigene Sandburg oder Murmelbahn oder was auch immer ihnen einfällt zu bauen und damit selber Bedeutung zu setzen.
„Du schreibst selbst, dass es ein "nicht zu realisierendes Ideal" sei, "aber es zählt der Versuch dem möglichst nahe zu kommen".
Das ist absolut korrekt dargestellt und doch ist es ein Widerspruch in sich.
Es bedeutet nämlich, dass, je mehr Du Dich dem theoretischen Ideal annäherst, desto unrealistischer wird gleichzeitig seine Umsetzung in der Praxis.
Also ist die Sandbox per Definition völlig für die Tonne.
Die Theorie hat sich selbst widerlegt.“
Das gälte für jede Art Handlung: Perfektion ist nicht machbar und je näher du kommst, desto schwerer wird es. Nach der denke bliebe nur noch fatalistische Lethargie übrig – oder man geht raus und versucht sein Bestes.
Du hast oben einen anderen Entwurf für Freiheit mit Player Empowerment angedeutet. Schreib zu der Spielform eine Beschreibung, welche es einem Spieler erlauben würde den Unterschied, die Chancen aber auch die Risiken dieses Angebots zu erkennen und verstehen. Rollenspiel als Szene lebt auch von der Vielfalt
Andere Leute wollen auch Spaß haben. Dazu müssen sie nicht (oder dürfen aus eigenem wie fremden Interesse teils nicht) in eine - insbesondere offene - Sandbox. Zeig du (oder auch andere Leser hier) ihnen nachvollziehbar und differenziert informierend die Alternativen auf.