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[Coriolis] The Last Cyclade - Kampagne und Metaplot [+ Spoiler +]

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aikar:
Ich hatte Die Letzte Zyklade schon auf Englisch überflogen und hab mich jetzt in den letzten Tagen durch die Deutsche gelesen. Hier mal eine Kurzrezension.

Die Fehleranzahl ist (meiner Meinung nach) sehr gering, die Übersetzung liest sich gut, die Satzstellungen sind (wiederum meiner Meinung nach) angenehm.

Und ich muss sagen: Ich will diese Kampagne leiten, da ist wahnsinnig viel cooles Zeug drin.

Ich muss auch vor allem mal den verbreiteten Vorwurf des massiven Railroadings entkräften. Ich behaupte, wer das so sieht, hat die Kampagne nicht wirklich gelesen.

Das Einstiegszenario ist ein Eindringen- und Nachforschen-Auftrag. Verschiedene mögliche Taktiken und Ergebnisse werden vorgestellt, ebenso gibt es Hinweise was passiert, wenn etwas schiefgeht.
Alles in allem ist es stark wie ein Shadowrun im Weltraum angelegt. Das Ende von Akt 1 wird oft (neben dem Finale, dazu mehr weiter unten) als DAS Beispiel genannt, warum die ganze Kampagne Railroading-Mist ist.

Das kann man so sehen, aber erstens ist es eine (!) Szene in einem Szenario in einem umfangreichen Band, zweitens eine ziemlich epische, die den Charakteren wahrscheinlich noch lange in Erinnerung bleiben wird. Außerdem lassen sich bestimmte Punkte leicht abändern.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Der Feind bringt ein Portal zum Kollabieren, die anwesende Flotte wird dabei vernichtet, die SCs sollen sich durch einen Notsprung in das kollabierende Portal retten und werden später als einzige Überlebende von den Medien ins Rampenlicht gestellt. Ich werde die Charaktere während des Portal-Kollaps von einem der Abgesandten kontaktieren und schützen lassen, wodurch entweder mal ein Patron seinen Job macht und die Verbindung verbessert wird oder sie einen Abgesanten als Patron gewinnen können. Ob sie dann eine Woche im Koma liegen wie im Abenteuer angegeben oder nicht, ist für die Handlung irrelevant. Und theoretisch könnte sogar, wenn man es wirklich nicht will, die ganze Szene gestrichen werden. Man braucht dann nur einen anderen Grund, warum die SCs auf den Tanz in der Himmelsstadt eingeladen werden. Wenn man diesen überhaupt spielen will, was auch nicht unvermeidbar ist).
Der zweite Teil ist vor allem ein politisches hin und her, bei dem verschiedene Patrone versuchen die Gruppe für sich zu gewinnen. Und die Spieler haben hier völlig freie Wahl, mit wem sie zusammenarbeiten und wen sie verärgern, was langfristige Konsequenzen hat.

Der Großteil des Bandes besteht dann aus verschiedenen Kurzszenarios/Abenteueraufhängern und Location-Beschreibungen im Rahmen eines Undercover-Kriegs, im Grunde eine ausgearbeitetere Weiterführung des Abschlussteils von Band 1.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Kernthema ist der Versuch der Nazareem, durch verschiedene Fals-Flag-Aktionen einen Krieg zwischen den Zenithern und den Erstsiedlern, vor allem dem Orden des Paria, herbeizuführen, damit im Nachgang die Flotte des ersten Horizonts auftauchen und entweder als Retter erscheinen oder die Überreste beider Seiten leicht ausschalten kann. Die SCs wissen nach dem Einstiegsszenario zwar, dass die Nazareem da draußen sind, aber nicht, wer deren (wissentlich oder unwissende) Verbündete sind. Das herauszufinden und das falsche Spiel der Nazareem aufzudecken, bevor es zu spät ist, ist das finale Ziel und Thema des Bandes.
Die einzelnen Szenarios können jeweils eingesetzt werden oder nicht und auch leicht angepasst und verschoben werden. Dabei wird in den Szenarios auch auf verschiedene Einflüsse eingegangen, je nachdem wer Patron der Gruppe ist. Viel freier geht es (meiner Meinung nach) nicht, wenn man nicht eine reine nur Spieler-getriebene Setting-Sandbox spielen will.

Ein Beispiel:
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)In einem Szenario sollen die SCs ein hochrangiges Mitglied des Ordens des Paria ermorden. Sie können es öffentlich tun, als Unfall erscheinen lassen oder ihn sogar überleben lassen und sich mit ihm verbünden. Jede Variante hat massiv unterschiedliche Auswirkungen, von offenem Krieg, innerpolitischem Chaos bis zum Erhalt des Status Quo und Wechsel des Patrons).
Besonders gut gefallen mir die verschiedenen beschriebenen Lokalitäten und kleinere NSCs wie Händler o.Ä., die wahnsinnig viel Lokalkolorit beisteuern und Atmosphäre schaffen.

Der dritte Teil dreht sich vor allem um politische Unruhen.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Die von den Nazareem beeinflussten Zheniter-Fraktionen putschen um die Coriolis und in Folge den ganzen Horizont unter zhenitische Herrschaft zu bringenAuch hier können die SCs abhängig von ihren Verbindungen unterschiedliche Ziele verfolgen und mit unterschiedlichen Personen interagieren.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Ein Punkt, der manchem aufstoßen mag ist, dass das Schiff der SCs sabotiert und zerstört wird um ein zu einfaches Verlassen der Station im Ausnahmezustand zu verhindern. Das ist aber kein Muss. Die Gruppe soll die Coriolis ja letztendlich verlassen können und es geht hier nur darum, Druck zu machen und die Option, dass Schiff zu reparieren, wird auch etwas später im Text erwähnt. Man kann das Schiff meiner Meinung nach auch problemlos intakt lassen und einfach durch Blockaden, Abreisesperren und Straßenkämpfe das Erreichen und Starten desselben herausfordernd machen.
Sehr umstritten ist ja das Finale
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)In dem die namensgebende Coriolis-Station und die Flotten der Legion und der Hegemonie zerstört werden. Das ist tatsächlich der einzige Fixpunkt im Abenteuer, den die SCs wohl nicht verändern können, weil er tiefgreifende Veränderungen in der politischen Landschaft auslöst, die wohl die Basis für Teil 3 darstellen. Genaueres werden wir erst wissen, wenn er erscheint. Das kann man als Railroading sehen, ich sehe es als Metaplot-Ereignis und in einer so umfangreichen Kampagne muss es meiner Meinung nach auch gewissen Fixpunkte geben dürfen, an der sich die Autoren orientieren können. Weil hier zu sagen "Kann passieren/kann nicht passieren" würde zwei völlig unterschiedliche Settings bedeuten.Wie ich schon mal hier geschrieben habe (und mich jetzt bestätigt fühle), sehe ich das nach dem Durchlesen der Kampagne nicht mehr so problematisch bzw. sogar recht passend. Mit all den Szenarios und Abenteueraufhängern ist es bis zu diesem Zeitpunkt eine lange Zeit (wahrscheinlich zumindest 2-4 Jahre, je nach Spieltempo) in der die Gruppe das Setting kennen lernen kann. In diesem Zusammenhang sind die aus dem Finale resultierenden Veränderungen absolut ok bzw. sogar zu begrüßen.

Der einzige wirklich große Kritikpunkt, den ich habe, ist, dass neue Talente, Zufallstabellen, Ausrüstung und Regeln (z.B. Gifte) über den Band verstreut sind. Die würde ich mir zusammengefasst in einem Compendium wünschen. Aber das liegt wohl nicht in der Hand des Uhrwerk-Verlags.

Abschließend muss ich noch anmerken, dass es in einem etwas längeren und ein paar kurzen Bereichen stark gesternte Texte gibt. Das erfolgte für einige asexuelle bzw. androgyne NSCs (wie schon ähnlich bei Die Frostweiten) und betrifft etwa 5-10% des Inhalts. Damit ist es für mich persönlich ärgerlich, ändert aber nicht wirklich etwas an meiner Begeisterung für den Band.
Ich freue mich wirklich darauf, Die Gnade der Ikonen zu leiten, auch wenn es wahrscheinlich aufgrund meiner laufenden Kampagnen noch 2-3 Jahre dauern wird, bis ich wirklich dazu komme. Aber bis dahin ist dann hoffentlich auch Teil 3 schon da (und hoffentlich auch wieder auf Deutsch).

Nebenbemerkung: Der Soundtrack des neuen Dune-Films (und des dazugehörigen Sketchbooks) schafft sehr viel Coriolis-Stimmung und lief während des Lesens ständig nebenher :)

Colgrevance:
Es gibt halt Leute, die sehen Metaplot und vorgefertige Plotelemente grundsätzlich als unzulässiges Railroading an. Für die ist diese Kampagne halt nix; man kann das Setting von Coriolis ja auch super als Sandbox bespielen (und sich ggf. einzelne Teile aus den Abenteuern herauspicken). Insofern bin ich bei der Einschätzung des Bandes ganz bei dir.  :d

aikar:

--- Zitat von: Colgrevance am 30.09.2021 | 22:22 ---man kann das Setting von Coriolis ja auch super als Sandbox bespielen (und sich ggf. einzelne Teile aus den Abenteuern herauspicken).
--- Ende Zitat ---
Genau genommen muss man nur das Finale streichen/optional machen und an ein paar Stellen ein bisschen aufbrechen, dann kann man auch den Großteil der Kampagne als Sandbox nutzen.
Den dritten Teil kann man dann halt wahrscheinlich nicht mehr nutzen, aber selbst bis dahin sollte es genug Material geben.

aikar:
Wer Coriolis Sandboxiger spielen will, sollte sich mal das aktuelle Dune-Rollenspiel (Modiphius 2D20, bald auch auf Deutsch von Ulisses) ansehen. Einfach die Fraktionen als Häuser umsetzen und man hat ein perfektes Metasystem für Intrigen und Schlachten.

Gumbald:
Ich stolpere in den Coriolis-Büchern immer wieder über Info-Fetzen über die "Mogul-Flotte" bzw. die "Jangahir-Flotte". Beides bezeichnet die größte Flotte der Nomaden-Fraktion, die vor allem im Säulen-Quadranten die beherrschende Macht ist.

Vielleicht können hier ja mal andere Coriolis SLs ihre Meinung dazu kundtun, wie sie die Historie der Flotte beurteilen.
Alles weitere jetzt im Spoiler Kasten:

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Coriolis Regelbuch S.310:

--- Zitat ---Die Mogulsflotte ist das Nervensystem des Quadranten. Sie hat ihren Machtanspruch unmittelbar nach den Portalkriegen gefestigt. Im Gegensatz zum Rest der Bewohner des Quadranten stellte sie sich den Herausforderungen der uralten Portalfelder und schaffte es, ihre Geheimnisse zu entschlüsseln.

--- Ende Zitat ---

Nach den Portalkriegen lag der interstellare Handel ja bekanntlich am Boden. Die Jangahir-Flotte war also eine der wenigen Fraktionen, welche noch über das Geheimnis der Portalfeld-Reisen verfügte. Es scheint aber so als ob dieses Wissen erst nach den Portalkriegen erlangt wurde.

Der Verschwundene Abgesandte S.211:

--- Zitat ---Yorûgs Familie kennt das verschollene Shinda-System im Säulen-Quadranten. Manchmal besuchen die Ältesten der Nomadenflotte das dortige Kloster, das  als Orden von Rima bekannt ist. Nur wenige Mogulfamilien verfügen über die Fähigkeit, ein Portal ins Shinda-System zu öffnen.

--- Ende Zitat ---

In der Jangahir-Flotte gibt es Wissen über Portalfelder, welches offenbar niemandem sonst bekannt ist.


Der Verschwundene Abgesandte S.198:

--- Zitat ---Das heilige Buch des Abgesandten der Richterin enthält alte Texte der Mogulflotte aus der Zeit vor den Portalkriegen.
Sie erzählen von der versklavten Bevölkerung des Ersten Horizonts und davon, wie die Jangahir-Flotte die blutgetränkten Welten des Zweiten Horizonts hinter sich ließ, um im Dritten Horizont einen neuen Anfang zu wagen.

--- Ende Zitat ---

Der Verschwundene Abgesandte S.211:

--- Zitat ---... als Teil der Janhagir-Flotte die Große Weite vom Zweiten in den Dritten Horizont überquerte. Die Alten erzählten von dem großen Krieg, der schließlich zum Auszug der Mogulflotte geführt hatte.

--- Ende Zitat ---

Die Jangahir-Flotte stammt ursprünglich aus dem zweiten Horizont. Es klingt so, als wäre sie nicht über die Portalfelder, sondern über eine lange Generationen-Reise vom zweiten in den dritten Horizont gelangt.
Wie lange hat in einem solchen Fall die Reise gedauert? Über die Entfernung zwischen dem zweiten und dem dritten Horizont ist meines Wissens nichts bekannt. 
Dazu würde aber auch der obige Hinweis passen, dass die Flotte erst nach den Portalkriegen das Geheimnis der Portalfelder etnschlüsselt hat.
Der Krieg zwischen dem Ersten und Zweiten Horizont beginnt -400, die Jangahir-Flotte wird erst wieder in den Portalkriegen um -120 erwähnt, hier waren sie offenbar schon im Dritten Hoprzont präsent.


Die letzte Zyklade S.53:

--- Zitat ---.. eine Verbindung zu den vorzeitlichen Manuskripten hin, die die ältesten Gurus der Jangahir­-Flotte in den Dritten Horizont mitbrachten. Diese
Schriften preisen den Imperator, den ersten Beweger, eine unvergängliche Weltenseele, einen Gott unter Göttern, den Willen der Vielen, vereinigt in Einem.

--- Ende Zitat ---

Warum haben die Grurus der Jangahir-Flotte Schriften, die den Imprator preisen? Es könnten einfach nur einige Aufzeichnungen von vielen in einer großen Bibliothek sein. Es könnte aber in Verbindung zu den obigen Textpassagen auch darauf hindeuten, dass sich die Jangahir-Flotte aus Sklaven und/oder Abtrünnigen des ersten Horizonts gebildet hat, die als Kämpfer in den zweiten Horizont geschickt wurden, dort desertiert sind und in den dritten Horizont flohen.


Die letzte Zyklade S.206:

--- Zitat ---"... Mitglied des Wala-Clans, einem der wohlhabendsten der Jangahir-Flotte, der auch für den Exodus der Mogulflotte vor dem Krieg im Zweiten Horizont und die selbstgerechte Herrschaft der Symmetrie mitverantwortlich war."

--- Ende Zitat ---

Ein etwas holpriger deutscher Satz.
Ich deute ihn so, dass die Jangahir-Flotte auf keiner Seite des Konfliktes stand, als der Krieg im zweiten Horizont tobte. Sie schienen auch der Symmetrie eher skeptisch gegenüber zu stehen.

Dazu passen aber diese Text-Passagen nicht:


Der verschwundene Abgesandte S.211:

--- Zitat ---Nach seinen Reisen durch den Horizont wurde Yorûg ins Shinda-System eingeladen. Er blieb eine Weile dort und pflegte die Vier die Eins sind, die asketischen Ältesten des Ordens. Nun hat er eine Mission: Ein Portal zu öffnen, damit die Ikonen den Dritten Horizont betreten und ihre Abgesandten unter den Menschen wandeln können, wie es ihnen vorherbestimmt ist.

--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---Yorûg wurde ausgesandt, um die Ankunft der Abgesandten sicherzustellen und vorzubereiten.

--- Ende Zitat ---


Die Mogul-Flotte ist einst sowohl vor dem Imperium als auch vor der Symmetrie aus dem zweiten in den dritten Horizont geflohen. Dennoch weist ein alter Orden der Nomaden einen Nomaden an, "die Ankunft der Abgesandten der Ikonen im dritten Horizont" vorzubereiten.
Do wie ich es verstehe geben sich die "Abgesandten" der Symmetrie lediglich als Abgesandten der Ikonen aus, um ihre Ziele zu erfüllen. Somit muss der Orden von Rima im Shinda-System auf irgend eine Art und Weise Kontakt mit der Symmetrie im zweiten Horizont haben, die hier wissentlich oder unwissentlich beauftragt wurden, die Ankunft der Symmetrie im dritten Horizont unter dem Deckmantel als "Abgesandten der Ikonen" zu ermöglichen.
Der Orden von Rima ist somit ein Teil der Symmetrie, oder er steht auf anderem Wege unter dem Einfluss der Symmetrie.

Die Jangahir-Flotte scheint im Laufe von "Die letzte Zyklade" auch genau dieses System anzusteuern:

"Die letzte Zyklade" S.107:

--- Zitat ---Die Jangahir-Flotte verlässt den Säulen-Quadranten. Nur ein paar wenige Auserwählte auf Khorsabad und unter den Nomaden-Ältesten werden mit der Wahrheit betraut: die Führer, Schamanen und Ältesten der Flotte suchen Antworten und die Unterstützung des verlorenen Abgesandten, von dem man glaubt, dass er sich in einem vergessenen System aufhält, umgeben von einem Kult, der sich als Orden von Rima bezeichnet.

--- Ende Zitat ---

Stellt sich die Frage: Wer ist "Der Verlorene Abgesandte"? Ist dies etwa ein Symmetriker, der sich die ganze Zeit beim Orden von Rima aufhielt und hier die Fäden ind er Hand hielt? Oder ist einer der fünf Abgesandten damit gemeint? Am ehesten würde hier ja der "Bote" passen, der in "Der verschwundene Abgesandte" gestorben ist. Allerdings wandelt sein Geist ja nun als Echo im Orbit über Kua umher...


Soo... irgendwelche Anmerkungen? Was seht ihr anders, was gibt es zu ergänzen?

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