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Heavy Gear RPG Comeback und Silhouette Smalltalk
Zarkov:
Also, Heavy Gear.
Terra Nova was a Cool Place
Damals war das meine erste große Liebe im Rollenspiel. Heute kann ich mit dem typischen 90er-Jahre-Schwampf zwar gar nichts mehr anfangen: Tiefes Setting, Metaplot, Spielleiter als Geschichtenerzähler und Mädchen für alles, Charakterpunkte/Fertigkeitsproben/Kampfsystem-Regelwerk, endlose Quellbandtretmühle, das volle Programm, Hilfe, verschont mich.
Aber. Das Setting war phantastisch. Die Illustrationen von Ghislaine Barbe waren Zucker. Das Regelwerk war immerhin so elegant und schlank, daß ich es heute noch nehme, wenn ich nur was mit Skills und tödlichen, flotten Schießereien brauche. Und sogar der Metaplot war spannend angelegt. Mit "world building" kann man mich inzwischen jagen, aber Terra Nova war so facettenreich und pseudorealistisch angelegt, daß ich im Vergleich dazu Zeitgenossen wie Blue Planet oder Babylon 5 seicht und langweilig fand. Daß im Setting realistische Mecha vorkamen, die auch noch cool aussehen, war noch Zucker zusätzlich obendrauf.
The Fall of Dream Pod 9
Kurz, Dream Pod 9 war ein Laden, bei dem alles richtig lief. Bis 2001. Danach ging alles den Bach runter, angefangen mit dem Wechselkurs US-Dollar/kanadische Dollar, der den (kanadischen) Verlag in die roten Zahlen riß, bis zur D20/OGL-Blase, deren Platzen die letzte Krücke wegriß. Die Leute wie Marc Vezina, die HG (und Jovian Chronicles) zu interessanten Spielen gemacht hatte, ergriffen einer nach dem anderen die Flucht, an allen Ecken fehlte das Geld, der Metaplot wurde ohne Plan zurechtgebogen, um Miniaturen zu verkaufen, die Illustrationen wurden zu teuer, das neue "universale" Regelwerk (SilCore/Heavy Gear3) war halbgar und auch schon zu spät, kurz, man konnte dem Verfall zusehen. Es war tragisch. Am Ende kam nur noch miserabel illustrierter, hastig zusammengekleisterter Klump voller Druckfehler.
Vom alten Verlag war schließlich nur noch Robert Dubois übrig, der frühere marketing manager, jetzt alleiniger Chef. Alle anderen waren geflohen. Das Traurige: Ab und zu gab es Leute wie John Buckmaster, die dem Laden mit Mühe neues Leben einhauchten, nur um irgendwann mit Dubois aneinanderzurasseln und alles hinzuwerfen. Am Schluß trieb der, sagen wir, haltlose Optimismus in Verbindung mit der Unfähigkeit, Kritik anzunehmen, sogar die langjährigen Fans im DP9-Forum in den Exodus.
Abort, Retry, Reboot
Der Verlag rettete sich derweil über die Runden, indem er alle Rollenspiele einstellte und nur noch taktische Miniaturespiele machte, insbesondere eine lange Kette immer wieder neu revidierter Heavy-Gear-Blitz-Regelwerke und die dazugehörigen Miniaturen. (Diese Revisionen kosteten den Verlag auch wieder einige Fans.)
2008 gab es gute Neuigkeiten: Die Lizenz für das Rollenspiel zu Heavy Gear wurde an Steve Jackson Games vergeben, eine neue Edition, HG 4, war in Arbeit. Ich war hoffnungsvoll. Nach anfänglichem Jubel wurde es dann still um die Sache, bis die Rechte schließlich wieder an DP9 zurückgingen.
2014 gab es wieder gute Neuigkeiten: Ein paar ehemalige DP9-Mitarbeiter gründeten den Verlag Arkrite Press und holten sich die Lizenz für das Rollenspiel. Eine neue neue Edition, HG4 war in Arbeit. Ich war verhalten hoffnungsvoll. Die Pläne waren allerdings überaus ehrgeizig: ein halbes Dutzend verschiedene Zeitschienen (!) sollten bedient werden; es erschien sogar ein Kurzroman. Mehr wurde daraus aber nicht, die Rechte gingen schließlich wieder an DP9 zurück.
2020 gab wieder gute Neuigkeiten: Eine neue neue neue Edition, HG4, war in Arbeit. Die Ankündigung wurde oben schon verlinkt:
Ich muß gestehen, ich bin sehr wenig hoffnungsvoll. Zum einen verheißt die Ankündigung für mich wenig Gutes: Daß ein Verlag die Entwicklung einer neuen Edition seines einstigen Flaggschiffs an Fans aus dem eigenen Forum vergibt und sich nicht einmal die Mühe macht, sie mit ihrem Namen vorzustellen ...
Ich bin sicher, story writer LaBambaMan gibt sein Bestes, aber meine Skepsis war schon da groß. Und sie wurde um so größer, als ich die Diskussionen im HG4-Unterforum verfolgte. Da soll das Spiel zugleich 90er-Jahre-"realistisch" sein, aber auch irgendwie narrativ, ohne daß jemand genau benennen kann, was "narrativ" hier bedeuten soll. Von einem Diskussionsteilnehmer kam dann die Erkenntnis: "Narrative mechanics railroad GMs." An dieser Stelle habe ich aufgehört, mir irgendetwas zu versprechen.
tl;dr
Ich habe immer noch ein Herz für Heavy Gear, aber der coole Verlag DP9, den gibt es nicht mehr. Statt dessen wird die Latte immer tiefer gelegt und Robert Dubois trampelt auf meinem vergossenen Herzblut herum.
Boba Fett:
Zarkov: würdest Du denn heute eher mit der jeweils 2.Edition von HG und JC spielen oder mit der jeweils dritten und dem SilCor Grundregelwerk?
Verzina hat ja zusammen mit Buckmaster am SilCore die Regeln aufgestellt...
Zarkov:
Ich würde die 2nd ed. empfehlen. Das Grundregelwerk ist gut gemacht (zwei Hausregeln und gut ist's), und wenn man tiefes Setting mag, wird man mit den League Books und sonstigen Terra-Nova-Bänden der 2. Edition ziemlich glücklich.
SilCore ist nicht ganz durchdacht, und die Bände für HG3 bestehen ausschließlich aus zusammengestoppeltem Material der 2nd ed, das die Lücke stopfen sollte. (Nach SilCore ist, glaube ich, auch Marc Vezina gegangen; ich war am Lektorat des Regelwerks beteiligt, das war mein letzter Kontakt mit ihm.)
PS. Ich hoffe, mein Erguß weiter oben war nicht allzu negativ. Boba, ich wollte insbesondere nicht den enttäuschten Fan geben, der kaltes Wasser auf deine Begeisterung kippt. Mein altes Lieblingsspiel HG in einer soliden Neuauflage, das wäre ziemlich großartig; eine deutsche Ausgabe wäre natürlich doppelt gut. Ich habe als langjähriger Beobachter allerdings meine Zweifel.
Boba Fett:
Zarkov: esrtmal: danke für die Infos!
und nein, kein Problem! ich bin ja beim Lesen der alten Werke darauf gestossen, dass da was anegkündigt ist. Insofern kein Problem.
Ich lese gerade nur ziemlich quer, 3. Edition + SilCor GRW und 2te Edition. Plus Infos aus youtube, etc.
Freuen wir uns, wenn es wirklich etwas wird und wenn es auch von annehmbarer Qualität ist. Wenn nicht, werde ich auch mit den alten Büchern glücklich.
Mit denen hab ich eigentlich auch gar keine Probleme, sehen wir mal vom „winzig“ Fontsize ab. (die hassen Menschen im Alter 40+, deren Sehkraft nachlässt, oder? ;) )
Und davon, dass es so viel Zeugs gibt, dass man gar nicht weiß, wo man reinlesen soll. Aber das ist ja eher ein Luxusproblem.
Das Setting von HG ist jedenfalls sehr interessant - leider hat in den 2000ern mein damaliger local Ladenbesitzer das Spiel eher schlecht geredet, weshalb es bei mir unter den Radar geschlüpft ist. Vor ein paar Jahren hab ich es noch mal in die Finger gekriegt aber nur ins Regal gestellt - weil man ja eh keine Spieler dafür...
Nach den Reaktionen hier wäre ich ja fast willens vorzuschlagen, ob wir nicht eine online Donnerstags Mecha Crew aufstellen... ;)
PS.: es ist teilweise krass für welche Beträge die Sachen über den virtuellen Ladentisch gehen.
Zarkov:
Die Typographie könnte wirklich ... also, sagen wir, ich habe schon lesefreundlichere Kombinationen von Schriftgröße und Satzspiegel gesehen. :-X
Die Phase, in der man sich eine HG-Sammlung für wenig Geld auf Ebay zusammensuchen konnte, ist leider auch schon lange rum. Ich habe aber in einem anderen Thread mal eine kleine Übersicht zusammengestellt, was taugt und was man vergessen kann. Vielleicht ist das ja hilfreich.
Ah ja, was die Mecha betrifft, bin ich früher am besten gefahren, wenn ich Gears als Deko benutzt habe, also, wenn die Dinger mal im Hintergrund auftauchen oder durchs Bild laufen. Die sind schon schick, aber was ich an Terra Nova immer am Besten fand, das waren die Leute, die sich andauernd das Leben schwer machen, einzeln oder als Gruppe, als Kirche oder als Stadtstaat ... genau wie in der richtigen Welt. Aber als Deko sind Gears die coolste Deko überhaupt.
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