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OSR aus dem Nähkästchen geplaudert

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Seldak:
Hallo, zusammen!

Ich finde mich immer weiter fasziniert von einigen Vorgängen in der OSR, auch wenn ich mich selber beim Spielen dort eher nicht aufhalte (überwiegend WFRP 2nd). Angefangen habe ich Rollenspiel Anfang der 90er mit AD&D 2E, also auch schon außerhalb von dem, was im Allgemeinen unter OSR verstanden wird.

Ehrlich gesagt hatte ich natürlich viel Spaß in den ersten Jahren, aber irgendwann wurden die Eigenwilligkeiten des Systems doch so sperrig und immersionsbrechend, dass man sich nach anderen Ufern umgeschaut und auch nicht wirklich zurückgesehnt hat.

Jetzt wo man älter ist und die Zeit fürs Hobby deutlich knapper ist als früher, verlocken regelleichte Systeme logischerweise zunehmend. Da mein Fantasygeschmack zudem immer weiter Richtung Sword & Sorcery driftet, bin ich auf diverse OSR-Systeme gestößen, die häufig S&S-Literartur als Vorbild nennen.

Als ich bspw. von LotfP hörte, war ich sofort neugierig geworden und offen gestanden einigermaßen entsetzt, als ich merkte, dass es ein D&D-Clone ist. Die nostalgische Faszination für das Regelsystem geht mir wie schon gesagt eher ab. Weshalb man sich ausgerechnet diese Regeln greift, die (mal Hand aufs Herz) eigentlich gar nichts wirklich abbilden, als Dungeons & Dragons, wurde mir nicht klar. Was laut Regeln passiert, ist weder realistisch noch eine gute Widerspiegelung der Geschichten, die es angeblich inspiriert haben. Diese seltsame Level-Progression, die einen Charakter von "angehaucht und umgefallen" zu "schwerer zu töten als Dracula oder Indiana Jones im Kühlschrank" bringt, findet sich außerhalb der D&D Welt eigentlich eher nirgends im Fantasybereich.

Auf der anderen Seite kann ich nachvollziehen, dass das alte D&D seine Vorzüge hat. Superschnelle Charaktererschaffung, wenig Werte reichen aus, um Monster zu beschreiben und im Kampf ist relativ schnell (zumindest auf unteren Leveln) eine Seite kampfunfähig. Zudem eine Riesenauswahl an alten Modulen, die zumindest Teilweise recht brauchbare Grundlagen für Kampagnen bieten. Und, wenn man AD&D 2e miteinbezieht, eine einzigartige Auswahl an ausgearbeiteten Spielwelten.
"Rulings instead of Rules" ist bei einem guten und fairen Spielleiter auch der Garant für einen guten Spielfluss.

Deswegen hab ich mich immer weiter umgesehen und viele Dinge entdeckt, die mich heute noch einmal dazu bewegen würden, mit neuem Blick auf die Regeln einen Neustart zu wagen. Ob LotfP oder Basic Fantasy Roleplaying, es gibt reichlich Spiele, mit denen ich mich gerne noch einmal z.B. alte Ravenloft Module angehen könnte, die ich bisher nicht gespielt habe.

Soweit für alle in diesem Forum wahrscheinlich wenig Neues. Ich wollte nur etwas ausholen, um zu erklären, von welchem Blickwinkel ich an die Sache herantrete.

Hier mein Problem, bzw. meine Frage an die Tanelornies: Meine Gruppe will partout sowas nicht mit der Kohlenzange anfassen. Die kommen nicht aus der D&D-Ecke, haben also noch weniger nostalgische Verklärung als ich und wollen vermutlich im Allgemeinen eher Systeme, bei denen es nach jeder Sitzung etwas am Charakter zu erweitern/verbessern gibt. Ich würde mich halt lieber als Erzähler auf die Geschichten und coolen Erlebnisse in den Sitzungen vorbereiten und konzentrieren und nicht das fünfte Zusatzbuch lesen, weil einer der Spieler eine neue Erweiterung haben will (Shadowrun spielleite ich deswegen z. B. nicht mehr).

Ich selbst habe jetzt Zweifel, ob ich meine Gruppe liebevoll zu so etwas "drängen" sollte. Ihre Einwände sind ja nicht von der Hand zu weisen. Sind die Vorteile des OSR-Spiels so groß, dass sie das Player Empowerment und die Individualisierungen in moderneren, crunchigeren Systemen aufwiegen?

Wie sind eure Erfahrungen? Geht es bei OSR nur ums Monsterschnetzeln in Dungeons? Quasi Diablo bei Stromausfall? Oder erlebt ihr hier genauso befriedigende Kampagnen und Charakterprogressionen wie bei komplexeren Spielen?

Im Prinzip reduziert ja das alte D&D das Regelwerk auf die Kampfregeln plus Handwedeln. Das kann funktionieren und Spaß machen, aber ist es halt genug?

Eure Erfahrungen bitte!

Tegres:
Zur ersten Frage: Ich würde die Gruppe zu nichts zwängen. Du kannst ihnen einen One-Shot anbieten, aber wenn ihnen das nicht gefällt, dass ist das halt nichts für sie.  ¯\_(ツ)_/¯
Wenn du gerne OSR spielen bzw. leiten möchtest, musst du dir dann andere Leute dafür suchen.

Zur zweiten Frage: OSR ist gerade in den unteren Stufen sowas von überhaupt nicht Monsterschnetzeln, sondern entweder von Monstern geschnetzelt werden oder Monster clever besiegen. "Befriedigende Kampagne" kommt natürlich darauf an, was den jeweiligen Leuten am Rollenspiel Spaß macht. Wenn es nicht so sehr um das Ausloten von Charakterbeziehungen und tiefe Emotionalität oder um das Nachspielen ausgeklügelter Plots geht, sondern um den cleveren Umgang mit Herausforderungen und beinahe unbegrenzte Entscheidungsfreiheiten der Spieler:innen, dann ist der OSR-Stil umgemein befriedigend. Charakterprogression gibt es mechanisch auch bei OSR-Spielen und natürlich auch abseits der reinen Mechanik. Schließlich erleben die Charaktere eine ganze Menge, was sie sicherlich stark verändern wird. Das müssen die Spieler:innen allerdings darstellen wollen. Es gibt nunmal keine Talente "Durch den Krieg gestählt", "Absolvent der Magierakademie" o.ä. Solche "Titel" müssen sich die Charaktere ingame erkämpfen, statt beim Stufenaufstieg aus einer Talentliste zuwählen. Ich halte das übrigens für eine wesentlich bessere und nachvollziehbarere Charakterentwicklung.

Zur dritten Frage: Die Verkürzung der Regeln auf Kampfregeln plus Handwedeln ist falsch. Ganz essentiell sind beispielsweise die Reaktionswürfe, die Regeln zur Erkundung von Dungeons und der Wildnis, die Regeln für Mietlinge und Gefolgsleute oder die Regeln für den Bau von Burgen, Tempeln etc. Das zeigt alles, dass OSR-Spiele weit mehr sind als reine Kampfsysteme plus Regelungen der Spielleitungen. Diese Regeln sind auf jeden Fall genug für das, wofür OSR-Spiele gedacht sind: Dungeoncrawls, Hexcrawls, Stadtabenteuer, Diplomatie, Aufbau von eigenen Baronien. Ein investigatives Cthulhu-Abenteuer würde ich damit nicht leiten, ebenso kein Abenteuer, indem es um psychologisch aufgeladene Beziehungsgeflechte geht.

ghoul:
Hallo Seldak!

Ich lese folgendes heraus:

* Du willst eigentlich kein D&D, weil du Stufen unrealistisch findest.
* Die Spieler wollen häufig steigern, am liebsten nach jeder Sitzung.Das passt irgendwie nicht zusammen. Den Spielern ist OSR/AD&D wohl zu wenig Zucker, und D&D5 / Pathfinder ist dir zu viel.
Problem!

General Kong:
@ Nostalgische Verklärung: Habe ich nicht viel mit am Hut. Ich spiele OSR-spiele vielelicht auch, weil ich mit der Roten Box angefangen habe, abere smacht vor allem Spaß, ist einfach und geht schnell von der Hand.

Ich hatte in den 90er vielemehr mit D&D weitgehend aufgehört, weil ich komplexere Systeme, Punktebausysteme usw. besser fand, ich denene mehr abgewinnen konnte.

Bis ich gemerkt habe: Stufen oder Punkte, auswürfeln oder basteln kann alles seinen Reiz haben, aber mit der Zeit fehlt mir die Zeit und ich will spielen und nicht so viel über den Charakterbau oder die Verfolgunsgregeln grübeln.

Ansosnten: Was Tegres sagt. Mit einer Ausnahme: ausgeklügelte Plots kann ich mit jedem System spielen, wenn der SL genug Hinrschmalz aufwendet (und die Zeit dazu hat) und die Spieler das spielen wollen, Wenn allerdinsg deine Leute auf OSR keinen Bock haben, dann musst du mit denen wohl was anderes spielen.

Da helfen die Erfahrungen anderer nicht viel.

nobody@home:

--- Zitat von: Tegres am 25.04.2021 | 14:54 ---Zur zweiten Frage: OSR ist gerade in den unteren Stufen sowas von überhaupt nicht Monsterschnetzeln, sondern entweder von Monstern geschnetzelt werden oder Monster clever besiegen.
--- Ende Zitat ---

Mit anderen Worten, es ist Monsterschnetzeln -- nur halt im höherem Schwierigkeitsgrad. Ich bin nicht so recht davon überzeugt, daß das tatsächlich so ein prinzipieller Unterschied ist. ;)

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