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Authentizität/Korrektheit von Medien bei der Verarbeitung von wahren Dingen
Tudor the Traveller:
In Film und Fernsehen werden selbst Naturgesetze gebogen, wie es die Story braucht. Warum sollte es der Historie anders gehen? ;)
Tele:
Hmm...das beginnt ja schon bei Kämpfen. Ich will keine realistischen Fechtszenen sehen, denn denen fehlt die Rule-of-cool.
Solange die Ereignisse halbwegs korrekt sind, kann ich damit arbeiten. Die realistischere Darstellung des Alexander durch Colin Ferrel (oder wie der heißt) fand ich doof.
Brad Pitts "ist das wirklich alles?" in dem nicht einmal nahe kommenden Troja ist soo coool und macht spaß.
Hingegen Allatriste ist so intelligent gemacht und sehr historisch, dass ich den Film nur lieben kann.
HEXer:
--- Zitat von: Megavolt am 14.06.2021 | 18:06 ---Es gibt nur Quellen. Die "historische Korrektheit" sind die Wollfäden, mit denen man die Quellen nachträglich miteinander verbandelt. Wir sind halt Kausalitäts-Tiere, wir brauchen das tief in unserem Inneren. Wer Kausalitäten erkennt, der überlebt, das ist ein starkter evolutionärer Vorteil. Die genannten Wollfäden kann man aber ziemlich beliebig spinnen und sie sind immer Teil der Perspektive.
--- Ende Zitat ---
Sie sind vor allem ein Teil der Fragestellung. (Die ist natürlich dann ein Teil der Perspektive.) Und sind wir mal ehrlich: Historiker versuchen die Quadratur des Kreises. Sie versuchen, sich mit möglichst nachvollziehbaren Belegen und Argumenten an etwas anzunähern, dass sie nicht endgültig beantworten können. Um etwas philosphischer zu werden: Selbst wir, die wir die Gegenwart gerade erleben, sind nicht in der Lage, "die Wahrheit" darüber zu erkennen oder gar festzuhalten. Wie sollen wir das von anderen erwarten oder uns anmaßen, es aus Quellen erschließen zu können. Wir machen uns die Welt, so wie wir sei wahrnehmen und verstehen können, wie sie für uns Sinn ergibt und wie wir sie gerne hätten.
Und was sind überhaupt "wahre Dinge"? Wie war das bei Indy? "Archäologie ist die Suche nach Fakten. Nicht nach der Wahrheit. Wenn Sie an der Wahrheit interessiert sind, Dr. Tyries Philosophiekurs ist am Ende des Ganges."
Historiker haben sich jahrhundertelang nicht um "Wahrheit" geschert, sondern verfolgten stets eine Agenda. Wissenschaftlichkeit ist in der Geschichte der Geschichtsschreibung ein relativ neues Konzept. Was die Geschichtswissenschaft heute versucht, ist mögliche Konzepte, Ideen und Erklärungsmuster zu finden - sie sucht nach Interpretationen, die möglichst logisch nachvollziehbar sind. Sind sie unumstößlich "wahr"? Nein. Werden sie auf möglichst wissenschaftlichem Wege erlangt? Meist. Gibt es andere Faktoren, die die Ergebnisse geschichtlicher Forschung beeinflussen? Natürlich. Es gibt nur sehr weniges, was in der Geschichtswissenschaft als unumstößliches Faktum gilt, dass nicht bereits angezweifelt wurde. Und das ist auch gut so. Neue Zeiten und neue Umstände stellen neue Fragen an die Geschichte und produzieren neue Antworten. Die eine Geschichte, wie sie früher im Schulbuch präsentiert wurde, gibt es in der Geschichtswissenschaft nicht.
Geooffrey of Monmouth hat Geschichte für ein bestimmtes Publikum mit einer bestimmten Absicht geschrieben. Herodot hat einfach nur aufgeschrieben, was er gehört hat (und wurde lange Zeit in der Wissenschaft nicht ernst genommen, obwohl so manche abstrusen Aussagen später bestätigt wurden). Heutzutage braucht man die passende Thematik und Fragestellung, um Forschungsgelder zu bekommen.
Geschichte in (nichtwissenschaftlichen) Medien dient zwei Zwecken:
1) Sie soll ein Grundverständnis der Welt liefern und "erziehen"
2) Sie soll unterhalten.
Manchmal vermischt sich beides.
Die Frage bei historischen Medien ist nicht "sind sie historisch korrekt", sondern "erfüllen sie ihren Zweck?" Machen sie Spaß? Bilden Sie? Erziehen sie? Und bei den meisten Medien ist die Frage wohl "unterhalten sie mich gut?"
Wenn ihr nicht damit wissenschaftlich arbeitet, dann habt doch einfach Spaß damit. Freut euch doch, dass es nicht dröge oder undramatisch ist.
YY:
--- Zitat von: Shihan am 14.06.2021 | 17:28 ---Worauf ich hinaus will: Was kann man ignorieren, was kann man übersehen und was geht einem wirklich auf die Nerven?
--- Ende Zitat ---
Das hängt - für so eine Betrachtung undankbarerweise - schwer vom Einzelfall ab.
Aber um dein Beispiel aufzugreifen: Es ist für mich oft ärgerlich, wenn man einer bestimmten Konstellation anmerkt, dass sich zumindest irgendwer unter den Machern halbwegs auskennen musste, um es überhaupt so darzustellen und es dann trotzdem deutlich falsch ist, wo eine eher korrekte Darstellung sogar zielführender gewesen wäre.
--- Zitat von: Megavolt am 14.06.2021 | 18:06 ---Abschließend: Die Realität ist lame, was bringt im fiktiven Bereich "Korrektheit" also überhaupt? Nix. Man spielt auch nicht aus, wie seine Rollenspielhelden nachts schlafen, auch wenn das korrekt simuliert wäre.
--- Ende Zitat ---
Da spielen zwei Dinge mit rein: was ich erzähle (und was ich andersrum weg lasse) und wie ich es erzähle.
Nur weil ich nicht alles völlig gleich behandle und nach dramaturgischen Gesichtspunkten auswähle, was ich überhaupt betrachte, heißt das nicht automatisch, dass das Behandelte schon damit zwingend völlig unkorrekt ist.
--- Zitat von: Tele am 14.06.2021 | 23:50 ---Hingegen Allatriste ist so intelligent gemacht und sehr historisch, dass ich den Film nur lieben kann.
--- Ende Zitat ---
Den nenne ich auch gerne mal als Beispiel, dass man eben doch eine recht authentische Darstellung unterhaltsam aufziehen kann.
Gut, das bedeutet erhöhten Aufwand, ist nicht die allein selig machende Methode und oft genug erreicht man damit ein breites Publikum nicht - aber es gibt auch einen gar nicht so kleinen Kreis von Zuschauern, denen so eine Darstellung durchaus taugt. Und auf der anderen Seite stört eine gut gemachte authentische Darstellung jene nicht, die es gar nicht einschätzen können, seien das nun kleine Details wie das Vernageln der Kanonen in Alatriste oder der Hintergrund einer ganzen Szene wie der Bankschießerei in Heat.
--- Zitat von: HEXer am 15.06.2021 | 00:18 ---Wenn ihr nicht damit wissenschaftlich arbeitet, dann habt doch einfach Spaß damit. Freut euch doch, dass es nicht dröge oder undramatisch ist.
--- Ende Zitat ---
Sagst du so einfach ;)
Aber oft genug werden durch übertriebene/verfehlte Bemühungen, etwas dramatisch zu machen, Darstellungen so himmelschreiend unsinnig, dass darüber die Suspension of Disbelief zusammenbricht. Freilich ist das eine individuelle Sache und jeder stört sich an anderem, aber kontrollieren bzw. beeinflussen lässt sich das nur sehr bedingt.
Da wünsche ich mir manchmal mehr Mut zur Lahmarschigkeit :P ;D
Tele:
Ja, das Feuergefecht in Heat finde ich viel intensiver als die ganze sonstige Actionballerei. Wobei ich sagen muss, dass ich mich mit Säbeln, Schwertern und Degen schon probiert, mit Schusswaffen habe ich (Gott sei dank) keine Erfahrung und kann nicht einschätzen, ob Heat da näher an der Realität ist.
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