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[AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea
Jenseher:
Das Dunkelbraan, das ich an den Ständen der Händler getrunken hatte, war mir in den Kopf gestiegen, was den Weg bergab nicht leichter machte. Wir rutschten durch den giftigen Schlamm herab. Wenn wir in einer der leicht ätzenden Pfützen Halt fanden, spritzte der Dreck in alle Richtungen. Die Luft brannte auf der Haut. Es fühlte sich an, als wenn der Nebel und der Rauch einem die Haut vom Schädel abfressen würden. Und allgegenwärtig das Glühen der Dunkelfeuer über den Zinnen dieser Stadt und das immerwährende Hämmern irgendwelcher Schmieden, Essen und Gießereien. Diese Kreaturen kannten nichts als Arbeit. Sie lebten für ihre Arbeit und sie würden einst sterben für ihre Arbeit.
Unter der bebauten Brücke, welche die beiden Gebäudeteile verband, standen einige Tische, getrennt von dem giftigen Bach der aus den Minenschächten floss. Dreckige und grimmige Duergar saßen an den Tischen und erzählten lachend ihre Geschichten - was sie alles im Innern des Berges erlebt hatten. Ihre Gesichter waren schwarz gefärbt von Kohle und Schlamm. Dazwischen huschten die abgemagerten Gestalten der Svirfneblin Sklavenmädchen. Ihre bernsteinfarbenen Augen blickten unterwürfig gesenkt, während sie mit geschickten Händen Humpen und Schalen auf die Tische stellten. Als wir uns näherten flauten die Gespräche ab. Was kein Wunder war, schließlich boten alleine Bargh und Lyrismar eine eindrucksvolle Erscheinung. Beide riesengroß im Vergleich zu diesen Kreaturen. Barghs Rüstung aus Stahl und Mithril schimmerte in dem unwirklichen Licht der Dunkelfeuer. Und Lyrismar, mit seiner schwarz verbrannten Haut, machte nicht weniger Eindruck. Sein merkwürdig nach hinten gezogener Schädel gab ihm etwas Unmenschliches, wie von einer anderen Welt.
Während wir uns an einen freien Tisch setzten konnte ich die Blicke der Duergar in meinem Rücken spüren. Als sie Halbohr sahen, ging von der anderen Seite des Baches ein Gelächter aus. Einer zeigte auf das eine Ohr von Halbohr, was noch nicht von dem Brand Jiarliraes berührt wurde. Ich konnte nicht alles verstehen, aber einige Worte waren eindeutig: „… sie furzen Blätter …“, „… einer von denen, die es mit Bäumen treiben …“, „… diese Sonnenblüter …“. Ich fing an zu kichern und Bargh grinste Halbohr offen an. Er fand es wohl nicht ganz so lustig. Seine Miene blickte finster drein und seine Hand ging wie von selbst zum Griff seines Einhorndolches. Ich meinte sogar so etwas wie Blutdurst in seinem Blick zu sehen. Halbohr hatte einfach keinen Sinn für Spaß.
Nach kurzer Zeit hatten wir auch endlich die Aufmerksamkeit des Wirtes, Ryandor Snurgel, gewonnen. Dieser bewegte seinen dicken Bauch in unsere Richtung. Sein weißes Haar war schon etwas schütter geworden. Auf der rechten Seite seines Kiefers fehlten fast alle Zähne, was ihm ein schiefes Lächeln einbrachte. Ein Lächeln, das so falsch war, wie es wohl jedem Händler zu eigen, der seine Überzeugung gegen bare Münze tauschte. „Willkommen Reichsfremde in meinem schönem Lokal Orunbrunn. Ihr wollt bestimmt mein Bier trinken, das beste Bier von ganz Urrungfaust. Kostet nur acht Silberstücke!“ Vom Tisch nebenan murmelte ein Duergar erstaunt, ob er denn seine Preise erhöht hätte. Doch der Nachtzwerg neben ihm verstand es etwas schneller. Ein kurzer Stoß mit dem Ellbogen und er konnte das Thema ändern. Bargh konnte es auch hören und verschluckte sich an seinem Bier als er auflachen musste. Auch Halbohr hatte es gehört, grinste den Wirt aber nur an. Als er seine Preise für ein Zimmer nannte, wurde sein Grinsen zu einem erstaunten Blick. Fünf Goldstücke wollte er haben für nur eine Nacht. Offenbar war neben harter Arbeit auch der Wucher eine Tugend von ihnen. Halb im Scherz, halb aufgebracht, fragte Halbohr ihn ob das sicher für eine Nacht wäre oder für einen Monat. Doch wir konnten froh sein, überhaupt eine Unterkunft zu finden. Fremde werden in Urrungfaust ganz offensichtlich nicht gerne gesehen, geschweige denn Fremde mit spitzen Ohren. Ryandor erzählte uns, wie er in irgendeiner von ihren Schlachten gekämpft hatte und, so wie er sagte, unzählige von Elfen getötet hatte. Ganz offenbar Dunkelelfen, aber für Ryandor waren sie wohl alle ein und das gleiche. Dabei verstand ich immer noch nicht, was daran so besonders war. Auch ich habe schon Dunkelelfen in Kämpfen getötet. Sie schienen mir aber nicht so besonders, wie die Duergar immer taten. Aber gut, sie sind auch alle ziemlich klein. Dem Wirt versuchte ich das zu erklären, und auch, dass ich kein Junge und auch kein Mädchen bin. Ich bin eine Dienerin des Feuers, kein kleines Kind. Bargh legte eine funkelnde Platin Münze auf den Tisch, für unsere Zimmer und noch ein Bier für uns beide. Als es kam stießen wir unsere Humpen gegeneinander. Das Bier war nicht so stark wie das Dunkelbraan, aber es schmeckte dennoch sehr gut. Einem Duergar zwei Tische weiter gefiel es jedoch offenbar gar nicht, dass Fremde hier auch Spaß haben konnten. Er schlug mit seinem Humpen auf den Tisch und sprang auf. In seinen matt-blauen Augen funkelten Hass und die Lust auf einen Kampf. Ich freute mich schon darauf zu erfahren, was Bargh wohl mit so einem Herausforderer alles machen würde, doch leider kam es nicht so weit. Ein anderer Duergar zog ihn wieder runter und beruhigte ihn. Aber Halbohr konnte er damit offenbar beeindrucken, denn der Feigling wollte jetzt nur noch schnell auf die Zimmer. Er sagte zu Lyrismar, dass die Vernunft ihm das ein oder andere Mal schon das Leben gerettet hatte. Als Bargh das hörte, musste er laut auflachen. Neire hatte ihm etwas anderes erzählt und ja, es stimmte auch, dass entweder Neire, Bargh oder ich selbst es waren, die ihm das Leben gerettet haben. Wir waren es, nicht seine Vernunft. Man konnte sehen, dass es in Halbohr brodelte, doch auch jetzt wollte er lieber still und heimlich bleiben. Ryandor führte uns auf unsere Zimmer. Der Weg durch das Gebäude, die Treppen hoch und auf den Brückenbau kam mir ewig vor. In meinem Kopf drehte sich alles, ich musste mich dringend hinlegen. Das Bier war wohl doch stärker gewesen, als es den Anschein gehabt hatte. Vielleicht hatte dieser gemeine Wicht auch etwas Anderes hineingetan. Von solch niederen Kreaturen kann man alles erwarten.
Als wir am nächsten Morgen - falls man das überhaupt Morgen nennen kann in dieser Stadt - unser fettiges Frühstück vorgesetzt bekamen, machte sich mein Magen bemerkbar. Dieses bohnenartige Gewächs, was in einer dicken braunen Tunke schwamm, würde ich bestimmt nicht hinunterwürgen. Noch in der Nacht hatten wir beschlossen zum Klingenmarkt aufzubrechen. Das war als Ziel genauso gut wie jedes andere und man könnte dort Sklaven bekommen. Diese Rasse von Ortnor war gut darin, Tunnel und ganze Städte unterhalb der Erde zu bauen, die auch geheim bleiben konnten. Genau das richtige, um unserer Herrin den Weg in unsere Welt zu bereiten. Plötzlich polterte ein Duergarjunge in den Raum hinein. Verlegen, vielleicht auch etwas ängstlich hielt er ein versiegeltes Schriftstück in den Händen. Zumindest in einer Hand, die andere Hand streckte er fordernd nach vorne. Erstmal nachdem er gierig einige Münzen von Halbohr eingesteckt hatte, gab er ihm das Dokument und ging wieder. Jedoch nicht ohne sich noch feige an der Türe umzudrehen und zu rufen: „Meine Mutter sagt, alle Elfen sind Bastarde und sollen verrecken.“ Doch bevor irgendjemand reagieren konnte, drehte er sich um und lief durch den schwarzen Schlamm hinfort.
Auf dem Siegel war das Wappen einer großen Spinne zu erkennen. Halbohr brach es und öffnete das Dokument: „Meister Halbohr, Ihr befindet euch in großer Gefahr. Aus diesem Grund bitte ich euch sofort aufzubrechen und euch in der Feste Blutsteinzitadelle zu melden. Dort werdet ihr alles Weitere erfahren. Gezeichnet: Grauwegur Nebelritter.“ Also gut, dann eben zum Palast. Diesen fand ich ohnehin interessanter als den Klingenmarkt. Allein schon die großen violetten Flammen, die auf den vier Türmen brannten, waren imposant. Auf dem Markt würde Halbohr nur reden und planen und handeln, während wir uns die Füße in den Bauch stehen müssten. Vielleicht war es im Schloss auch sauberer als hier.
So verließen wir das Gasthaus und die Zehnminenstadt, um wieder dem Strom der Passanten hinauf auf die Spitze dieser Insel zu folgen. War es in Zehnminenstadt noch verhältnismäßig ruhig, so stießen wir hier auf Mengen von Passanten. Händler fuhren mit ihren Wägen und peitschten ihre Sklaven, wenn diese nicht schneller spurten. Kinder spielten irgendein kompliziertes Fangspiel, während einige von ihnen Blut husteten. Die Straße führte immer höher und bescherte uns einen besseren Blick über die Stadt. Die tiefen Gebiete lagen unter einem schweren Dunst, doch konnte man die gedrungenen und bedrückenden Bauten durch ihre Dunkelfeuer deutlich erkennen. Irgendwo links, fast an der Küste konnte man ein großes rundes Gebäude sehen, vielleicht irgendeine Art von Arena. Und vor uns ragten schließlich die schwarzen Basaltmauern der Feste Blutsteinzitadelle auf. Der Hauptweg der Straße führte zwar um die Feste herum, doch weiter geradeaus ging es durch einen kolossalen Bogen in das Innere des Palastes. Zwei große geöffnete Tore aus schwarzem Eisen säumten den Bogen und überall waren Wachen. Sie waren auf dem Weg durch das Tor, auf den Mauern zwischen den Türmen und auch auf den Türmen selbst. Die Wachen trugen zwar unterschiedliche Wappen doch waren sie alle gut gerüstet. In den senkrechten Mauern konnten wir auch viele Ritter sehen, die auf ihren riesigen haarigen Spinnen ihre Wache abgingen. Einige trugen das Wappen der Stadtwache, das Kreuz auf Hämmern und darüber die Krone der Stadt. Andere trugen ein Wappen, auf dem drei silberne Picken abgebildet waren, die sternförmig vom Mittelpunkt weg zeigten. Lyrismar erkannte es als das Wappen der Armee von Urrungfaust. Auch ich erkannte es und hatte auch schon von der Armee gehört. Sie galt bei den Duergar als unbesiegbare Streitmacht, die aber auch nicht davon absah, gegen die eigene Rasse und die eigene Stadt Krieg zu führen. Ich erinnerte mich einmal davon gehört zu haben, dass es früher, neben diesem Witz eines Gottes mit dem Namen Laduguer auch andere gegeben hatte, die sich „Gott“ schimpften. Es gab Tiefenduerra und Diirinka. Erstere war wohl eine Tochter von Laduguer, zweiterer wurde von der Rasse der Derro angebetet. Die Derro waren den Duergar zwar ziemlich ähnlich, jedoch vermieden sie die harte Arbeit und zogen eher Verrat und Heimtücke vor. Der Legende nach schuf Diirinka die Derro nachdem er von anderen Göttern Magie gestohlen hatte. Seine Rasse, die Derro, wurde daraufhin mit Wahnsinn gestraft. Auch in Urrungfaust hatte es wohl einmal Derro unter den Einwohnern gegeben, doch vor einigen Jahrzehnten wurden sie aus der Stadt vertrieben oder sogar ausgerottet. Ich hatte gehört von einem gewaltigen Blutvergießen, einem heiligen Krieg, den die Dienerschaft der Laduguer Gläubigen gegen die Derro geführt hatte. Derro gab es jetzt keine mehr in Urrungfaust.
Als wir uns dem Portal näherten schritten uns schon zwei Wachen in glänzenden Feldharnischen entgegen. Keiner der Duergar erkannte Halbohr - zum Glück. Ich glaube nämlich langsam, dass ihm dieser Ruhm zu Kopfe steigt. Erst als er ihnen das Schriftstück mit dem Siegel zeigte, durften wir passieren. Hinter dem Tor öffnete sich uns eine andere Welt. Zwar waren die Mauern immer noch trist und grau, aber der ganze Hof war sauber und ordentlich. Kein giftiger Schlick, kein Müll. Selbst die Luft schien hier etwas besser zu sein. Als eine der Riesentaranteln ihr Geschäft erledigte, huschte direkt ein Sklave heran und fegte es weg. Selbst Rüstung und Waffen der Wachen waren sauberer und sahen viel wertvoller aus. Wir wurden zu einem großen Gebäude in der Mitte des Hofes geführt. Auch aus dem dunklen Basaltstein erbaut, besaß es ein spitz zulaufendes Dach aus Holz. Wobei es eigentlich kein Holz sein konnte. Ich habe hier noch nicht einen Baum gesehen. Es musste wohl aus dem Stamm eines Riesenpilzes sein, der hier unten wächst. Große Runenbänder schmückten den Eingang zu dem Gebäude. Wir wurden noch bis zum Anfang eines Säulenganges geführt, dann mussten wir warten. Die Wache die uns bis hierher begleitet hatte, entfernte sich mit den Worten, den Grauwegur Rittern Bescheid zu geben. Auch hier gab es einige Wachen, jedoch hatten sie keine Wappen auf ihren Rüstungen oder Schilden.
Schon nach kurzer Zeit kam unsere Eskorte in der Begleitung einer weiteren Gestalt zurück. Der Nachtzwerg war komplett eingehüllt in eine der feinsten Rüstungen, die ich je gesehen habe. Der Harnisch war aus dem besten Ne’ilurum gefertigt und die einzelnen Teile der Platten geschickt miteinander verbunden. Ein konischer Helm bedeckte den Kopf, nur ein Augenschlitz blieb offen und auf der Stirnpartie prangerte das Wappen einer schwarzen Tarantelspinne. Die Gestalt wies uns militärisch zackig an ihr zu folgen, was wohl Halbohr, aber auch Bargh, sehr vertraut zu sein schien. Er stellte sich als Nebelritter vor, also der Grauwegur Ritter, der uns den Brief geschickt hatte. Während er uns weiterführte, begann er verschiedene Regeln aufzuzählen, wo Halbohr bestimmt begierig zuhörte. Ich selbst fand die ausgestellten Rüstungen wesentlich interessanter, an denen er uns gerade vorbeiführte. Ich sah keinen Duergar oder sonstige Wesen in den Rüstungen, aber dennoch war es, als ob sie mich hinter den leeren Augenöffnungen anstarren würden. Mehr im Hintergrund hörte ich, wie Nebelritter die Regeln für ein Treffen mit dem König erklärte. Wir durften den Ring von Grauwegur Rittern nicht betreten, sonst würden sie uns töten. Aber wir mussten unsere Waffen nicht abgeben und noch nicht einmal uns vor dem König verbeugen, wenn wir es nicht wollten. Ein merkwürdiges Volk, aber der Versuch diese Sitten zu verstehen würde sich vermutlich nicht lohnen. Sie würden sich vor Jiarlirae verbeugen, allesamt, und damit auch vor mir. Dann spielt es keine Rolle mehr, was sie wollen und was nicht.
Nebelritter führte uns zu einer großen Türe, die von Innen aufgezogen wurde. Dahinter eröffnete sich uns ein pompöses Gemach, ein großer Saal mit Säulen aus wertvollem Basalt. Fresken aus Alabaster zierten die Wölbungen und überall waren Vertiefungen mit gewaltigen funkelnden Edelsteinen. Doch trotz allen Prunkes: Die Formen die gezeigt wurden, die Fresken, die Säulen, alles war irgendwie gradlinig und nüchtern. Die Architekten und Künstler kamen nicht auf die Idee wirklich kreativ zu werden oder verspielte Ideen mit einfließen zu lassen.
Am Ende des Saals stand ein unverzierter Thron aus Basalt, der umringt wurde von vier weiteren Rittern, die ähnliche Rüstungen trugen wie Nebelritter. Es mussten dann also die anderen Grauwegur Ritter sein. Sie beschützten ihren König, Granryk von Werunstein. Der König sah müde aus, denn dunkle Augenringe lagen auf seiner fahlen Haut. Von den blauen Venen im Gesicht waren einige schon aufgeplatzt und unter seiner Rüstung drückten die Ansätze eines dicken Bauches. Das schüttere Haar wurde geschmückt von einer Krone, die aus wertvollen Feueropalen gefertigt war. Ich erinnerte mich an alte Legenden, dass er die Krone selbst aus einem Schatz der Dunkelelfen mitgenommen hatte. Zuvor sollte er ihre vorherigen Besitzer getötet haben. Es musste vor einer langen Zeit gewesen sein; vor vielen Jahren, als Granryk noch jung war. Auch die Kriegspicke, die er gerade verzückt streichelte, erkannte ich wieder. Die Waffe aus Mithril hatte sich in einer der vielen Gefechte den Namen Dunkelelfenschlächter verdient. Angeblich sei diese Waffe in der Lage, jeden Dunkelelfen mit einem Schlag niederzustrecken. Seit tausenden von Jahren tauchen immer wieder Geschichten von dieser Waffe auf und irgendwie hatte dieser König es geschafft, sie in seine Finger zu bekommen.
Halbohr begrüßte den König knapp und auch wir anderen neigten unsere Köpfe zum Gruß. Auf das Knie ließ sich keiner fallen. Dieser König war gut informiert. Er wusste über den Tempel des Jensehers und über die Machtübernahme von Germin Dunkeldorn durch das Recht des Zweikampfes. Auch war er nicht dumm. Ihm war sehr wohl bewusst, dass auch Urrungfaust das Ne’ilurum braucht was in Unterirrling abgebaut wird. Doch war er sich der Zukunft nicht so sicher wie Halbohr. Germin würde sich nicht lange halten können, wenn nichts unternommen werden würde. „Wir sind voneinander abhängig“, sprach der König. „Wir benötigen das Ne’ilurum aus Unterirrling und wir benötigen den Extrakt der Düsterheitpilze, den wir hier verkaufen. Aber es gibt Fanatiker, wie die Priester des Laduguer, die sich für schlechten militärischen Rat bezahlen lassen. Sie stellen sich als die einzigen Behüter der Duergar dar. Ich habe nach Runin’ore’Waere geschickt, um mir von ihm berichten zu lassen. Daraufhin wurde er ermordet. Der Tempel ist mächtig. Mächtig genug, um die Macht in Urrungfaust an sich zu reißen. Doch es würde in einem Gemetzel enden, was selbst die Priester sich nicht leisten können. Daher versuchen sie es heimlich zu machen. Seit Jahrhunderten gibt es zwei alte heilige Bräuche unserer Rasse: Zum einen der Kampf Mann gegen Mann, um Recht zu sprechen. Zum andern die Opferung von Missgeburten an die alten Götter, wobei es in Urrungfaust ja nur noch Laduguer gibt. Die schwachsinnigen Kinder der Duergar wurden seit jeher gesammelt, um sie dem dunklen Gott zu opfern. Es war unser alter Brauch, das Schwache und das, was abseits des Althergebrachten war, in unserer Rasse auszumerzen. Doch seit einiger Zeit gibt es keine dieser Kinder mehr. Sie wurden nach ihrer Geburt in Gefängnisse gebracht, doch von dort wurden sie geraubt. Man sagt ich hätte dies befohlen.“ Der König erhob sich von seinem Thron und ging einige Schritte auf uns zu. Trotz seines Alters bewegte er sich sehr elegant. „Doch ich sage euch, sie lügen. Sie versuchen meinen Ruf, meine Ehre als König zu zerstören. Sie sagen mir schlechte Dinge nach. Deswegen frage ich euch Halbohr. Es könnte eine gute Zukunft für Urrungfaust, Unterirrling und den Tempel des Jensehers geben. Handel, Reichtum und Ehre werden auf uns warten. Doch seid ihr bereit alles dafür einzusetzen?“ Halbohrs Antwort brauchte nicht lange, dann sprach der der grimme Elf mit dem verbrannten Ohr: „Wer nicht alles einsetzt, kann nicht alles gewinnen.“
„Hört gut zu. Ihr seid in der Stadt entdeckt worden, doch es ist nicht bekannt, dass ihr in meinen Palast gekommen seid. Der Junge der euch mein Papier gegeben hat, wird dabei kein Problem sein. Der Tempel Glammringsfaust liegt im Norden der Stadt. Doch es ist nicht nur ein Tempel, sondern eine Festung. Seit Jahrhunderten bilden die Priester von Laduguer Anhänger in der Kunst der Kriegstaktiken aus. Sie konnten in der langen Zeit die Verteidigung des Tempels perfektionieren. Es gibt eine Möglichkeit die Macht des Tempels zu brechen. Ihr müsst den Abt des Tempels töten, den Erzgraf von Düstergrau. Ihn und seine drei Schreckensritter, Hornbald den Grausamen, Laargyr den Dunklen und Daurgonn den Grauen. Das ist aber noch nicht alles. Einer der drei Türme ist über eine Brücke mit dem Moorund Stein verbunden, einer der beiden großen Tropfsteinzapfen in Urrungfaust. Dort befindet sich das Herz des Tempels und dort befinden sich auch die Antworten - warum der Tempel gegen mich vorgeht und keine Verhandlung möglich ist. Die Verteidigung des Tempels ist gut, doch er ist nicht uneinnehmbar. Die direkteste Möglichkeit wäre ein frontaler Angriff, das wäre jedoch einem Selbstmord gleich. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Ihr an einer der Zeremonien für die Bevölkerung teilnehmt. Doch ihr müsstet euch als einer der Unseren ausgeben, was so gut wie unmöglich ist. Die Priester des Tempels schaffen es, Verkleidungen und selbst Trugbilder schwarzer Kunst zu durchblicken. Eine dritte Möglichkeit, vielleicht die Beste, wäre Folgende: In dem Keller meiner Feste habe ich Meister der Alchemie beschäftigt, mit dem Brauen von Elmsflammwein. Diese Flüssigkeit brennt lange und heiß. Wenn man sie in höheren Konzentrationen entzündet, schafft sie ein Inferno, das selbst die Mauern des Tempels zum Schmelzen bringen kann. In dem Chaos, was sich dann ausbreitet, könntet ihr es schaffen, unbemerkt in den Tempel einzudringen.“
In meinen Gedanken breitete sich eine wohlige Wärme aus. Der zufällige Blick von Bargh zeigte, dass man es mir sogar ein bisschen ansehen konnte. Die Bilder von brennendem Mörtel und glühenden Metall blitzen in meinem Geist auf. Das Geräusch von berstendem Stein klingelte in meinen Ohren, als die Erinnerung an den Tempel der Ehre emporkamen. Wie wenig ich damals doch wusste und wie viel ich jetzt verstand. Wenn wir Erfolg hätten, versprach der König uns in seine Schatzkammer zu lassen. Er sagte, dass er dort mächtige Gegenstände, mit der Magie der Dinge, lagerten. Er erzählte uns von der nachtzwergischen Kunst dieser Magie, welche die unsichtbaren Strömungen in Edelsteine bannte. Das Versprechen nach Schätzen, egal ob Gold oder nachtzwergischer Magie, verblasste in Anbetracht unserer kommenden Taten. Ich würde ein weiteres Mal das ausbrennen, was diese Welt besudelt.
Jenseher:
Dieser Elmsflammwein war ein wunderbares Gebräu, viel besser als das, was die Priester vor Dreistadt lagerten. Nicht nur, dass es eine gehörige Explosion geben würde. Es würde auch danach noch weiterbrennen. Die armen Wichte, die nicht schnell genug in Deckung gehen oder einfach nur Pech haben würden. Sie werden die wahre Umarmung unserer Herrin empfangen und entweder frohlocken oder jämmerlich zugrunde gehen.
Nach zwei Tagen, in denen uns die alchemistischen Meister des Königs von Urrungfaust in den Geheimnissen des Elmsflammwein unterwiesen hatten, kam Grauwegur Nebelritter zu uns und sagte uns, dass alle Vorbereitungen abgeschlossen wären. Ein älteres Exemplar dieser Duergar, Skrugnar, holte uns ab und führte uns wieder aus dem Palast heraus. In den wenigen Tagen, die wir hier verbracht haben, hatte ich schon fast den widerlichen Gestank der verpesteten Luft vergessen. Doch schon bald, als wir die Straße auf der gegenüberliegenden Seite der Feste Blutsteinzitadelle wieder herabgingen, musste ich husten. Die Schlote der Stadt, mit ihren von Dunkelfeuer umhüllten Zinnen, stießen unablässig ihren beißenden Qualm in die Höhe.
Skrugnar führte uns auf einer breiten Prunkstraße, wenn man sie denn so nennen konnte. Denn auch diese Straße war langweilig. Zwar breit, jedoch ohne irgendwelche interessanten Spielereien, die so mancher Architekt in der richtigen Welt über uns hätte bauen lassen. Wir hatten uns dreckige und stinkende Laken übergeworfen. Es sollte wohl so aussehen, als ob wir zu einem Sklavenvolk gehören würden. Das war bestimmt Halbohrs Idee, der wohl wieder seine Freude daran hatte, dass ich wieder das kleine Sklavenmädchen spielen würde. Einer seiner Pläne, der ohnehin nicht aufgehen würde.
Die Straße führte über einen großen Markt, wo wir schon von weither die Rufe der Händler hören konnten. Tatsächlich wurde hier alles feilgeboten, was man sich vorstellen konnte. Sicherlich auch bessere Arbeiter für den Tunnel, den wir aus dem Tempel des Jensehers unter der Irrlingsspitze planten. Je weiter wir bergab gingen, desto nobler wurden auch die Gebäude. Zwar immer noch in Grau- und Dunkeltönen, doch konnte man hier und dort auch Erker und Säulen sehen, die so gar nicht in das übrige Bild der Stadt passten. Bestimmt irgendwelche „Andenken“ vergangener Raubzüge. Allerdings wurde auch der Gestank beißender, je tiefer wir kamen. Dieser Gestank kam nicht nur von den Essen, sondern eindeutig auch vom Arbolbaarer See. Die Straße führte schließlich zu einem gewaltigen Bollwerk. Es schien, als ob drei große Türme direkt aus den giftigen Fluten auftauchten, die mit einer großen Wehrmauer und anliegendem-innerem, massivem Gebäude verbunden waren. Überall in der Mauer waren Gatter, die ins Dunkle des Tempels führten. Ich sah auch jene Spinnenreiter, von denen uns bereits erzählt wurde. Auf den Mauern patrouillierten sie und kletterten selbst die senkrecht emporragende Mauer hinauf. Die Körper der Spinnen waren mit stählernen Platten gepanzert und grimmig saßen die Reiter in ihren Sätteln. Hinter dem letzten der drei Türme ragte der gigantische Tropfstein aus den Wassern des Sees auf und verschwand irgendwo im Dunkeln dieser Höhle. Dieser Tempel war wahrlich eine Festung, doch Stein kann Feuer nicht widerstehen. Auch Laduguer würde das bald schon erkennen.
Skrugnar führte uns an den Mauern vorbei zu einem verlassen aussehenden Haus, neben einem der Türme. Er zückte einen Schlüssel und wir schlüpften schnell hinein. Zwar waren wir bis zum Tempel in einem Strom von Passanten und Händlern gegangen, doch hier, etwas abseits, konnten wir einen unbeobachteten Moment abpassen. Skrugnar übergab uns noch den Schlüssel und verschwand dann wieder. Das Innere dieses Hauses sah so aus, als ob hier immer mal wieder jemand nur für kurze Zeit blieb. Schlicht und nichts beinhaltend, was gegen Langeweile helfen würde. Was schade war, denn wieder konnten wir nichts anderes tun als zu warten. Ich gab Lyrismar die Robe aus der Haut der Höllenhunde, die ich bei den Feuerriesen gefunden hatte. Sie würde ihn gegen das Feuer des Elmsflammwein schützen. Während er sie anzog, starrte ich wieder fasziniert auf seine, bis zu Kohlen verbrannte, Haut. Wie oft schon mag er sich wohl den flammenden Stab in sein Fleisch gebrannt haben? Auch jetzt schien er wieder etwas zu torkeln und seine Augen blickten verträumt ins Leere. Der große Krieger Bargh und auch Halbohr wirkten angespannt. Sie blickten durch die Schlitze der verschlossenen Fensterläden. Die Geräusche der Passanten außerhalb wurden untermalt von einem Klingen und Hämmern aus den Inneren von Glammringsfaust welches einherging mit dem Singsang von nachtzwergischen Gebeten.
Irgendwann hörten wir das deutliche Knarzen eines schweren Wagens. Eine riesige Kreatur mit grauer Haut, haarlosem Schädel und einer schweren silbernen Kette um den Hals zog schnaubend einen schwer beladenen Karren. Der war zwar mit einer Plane bedeckt, doch die Schnüre, die an der Seite herabbaumelten, sprachen Bände. Auch die Wachen des Tempels wurden unruhig. Sie riefen nach Verstärkung, doch der Riese machte sich schon daran mit einem großen Feuerstein Funken auf die Schnüre zu schlagen. Endlich, endlich würde es losgehen. Ich konnte es kaum erwarten und freute mich schon auf den Knall, der bald kommen müsste. Schnell fielen Bargh und ich in die Gebete ein, die wir schon vorher immer wieder im Geiste abspielten. Wir zogen uns aus dem Gang hinter eine Wand eines entfernteren Raumes zurück. Und es war auch gerade rechtzeitig. Eine kleine Säule aus Rauch war die einzige Vorwarnung, die die Wachen bekommen sollten. Mit einem ohrenbetäubenden Bersten versank die Welt um uns herum im Chaos. Alles schien langsamer um mich herum zu werden. Es blendete mich, als die Woge des Feuers empor brach und die Tür des Raumes aus den Angeln schmetterte. Da war ein donnerndes Krachen, als Stein und Holz in alle Richtungen flog. Ein Druck, der mich fast von den Füßen warf. Ich konnte nichts mehr hören. Es war, wie als ob ich mich unter einer gläsernen Glocke befinden würde. Die Schreie der Kreaturen waren wie aus weiter Entfernung, als sie bei lebendigem Leib ihre verkommenen Seelen dem Feuer hingeben durften. Es war wunderschön.
Wir sprangen aus einem Fenster des Hauses und sahen das Werk. Die ganze Straße lag in Trümmern. Große Brocken von Stein waren überall verteilt. Aus den eben noch uneinnehmbaren Mauern des Tempels quoll Rauch aus einem gewaltigen Loch. Grün-weißliches Feuer brannte überall. Ich bewegte mich wie in Trance. Alles um uns herum stand in Flammen, selbst der Stein glühte. Schnell hasteten wir über die Steine in das Loch hinein. Die Flammen brannten um uns herum, doch sie konnten uns nichts anhaben. Mein Geruchssinn funktionierte, doch auch mein Gehör kam bald wieder. So kam es, dass ich die brennenden Riesentaranteln erst riechen konnte, bevor ich ihre Schreie vernahm. Der Gestank von verbranntem Chitin und Fleisch vermischte sich mit dem beißenden Geruch des Elmsflammwein. Die Explosion hatte ein Loch in die Zuchtstallungen der Riesentaranteln gebrannt. Wir stiegen über kolossale Leichname dieser Monstrositäten hinweg. Durch die Flammen und den Rauch sah ich lebende Riesenspinnen, die sich vor dem Feuer in die Schatten zurückzogen. Die Vielzahl ihrer schwarzen Augen glitzerte im Dunkeln. Das lange Warten hatte sich ausgezahlt. Ich fühlte mich wie in einer Ekstase und lachte und frohlockte.
Schnell hasteten wir durch einige brennende chitinerne Gänge, bis eine Türe vor uns plötzlich aufsprang. Einige Nachtzwerge wollten wohl ihren Kameraden zu Hilfe eilen. Doch liefen sie direkt in die Klinge Barghs. Sein Schattenschwert schlitzte die Leiber auf und auch der Einhorn Dolch von Halbohr trank neues Blut. Wir konnten es uns nicht erlauben einen Sieg zu feiern. Lyrismar griff nur schnell den großen Schlüsselbund, den einer der Duergar bei sich trug und wir hasteten weiter. Die Schreie und das Chaos fielen immer weiter zurück. Selbst der Brandgeruch geriet leider schon bald in den Hintergrund und machte einem beißenden Schwefelgeruch von Schmieden und Essen Platz. Der Schlüssel öffnete uns mehrere Türen und so liefen wir weiter durch die dunklen hohen Hallengänge. Wir kamen zu einer größeren Kammer, die wohl als Kohlelager diente. Ein stählernes Gatter versperrte den Durchgang und hinter den Gitterstäben blickten uns Tempelwachen hasserfüllt an. Doch Bargh und Halbohr hatten schon vorher ihre Bolzen und Dolche mit tödlichem Gift unserer Göttin bestrichen. Als die Geschosse die Haut der Duergar verletzten, wurden ihre blauen Adern in Windeseile erst grün und dann schwarz. Sie schrien, als das Gift in ihre Muskeln drang und sie in eine unnatürliche verkrümmende Haltung zwang. Sie waren schon Tod, als sie auf den Boden aufschlugen. Die Gitterstäbe waren kein Hindernis für Bargh. Die Muskeln unter der schimmernden Mithril Rüstung spannten sich an und er bog die Eisenstäbe auseinander als ob sie Holz wären.
Hinter uns hörten wir weitere Stimmen. Sie hatten die ersten Toten entdeckt. Wenn wir es nicht mit dem ganzen Tempel aufnehmen wollten, mussten wir uns jetzt noch mehr beeilen. In dem Kohlelager war einer dieser Schächte, die wir schon in Unterirrling gesehen hatten und mit denen diese Kreaturen schwere Lasten noch oben und unten transportieren konnten. Doch konnten wir hier keinen Hebel oder anderen Mechanismus finden, mit dem man ihn in Gang setzen konnte. Mussten wir etwa wieder zurück? Der Geruch der Kohle, die auch deutlich nach Schwefel stank, setzte mir zu. Zurück konnte es nicht gehen, wir mussten weiter, immer weiter. Die Stimmen hinter uns waren schon sehr nah: „Eindringlinge! Ein Angriff!“ riefen sie. Ich zog meinen Säbel. Die Adern aus Ne’Ilurum in meinen Handschuhen pulsierten und ich konnte die Kraft spüren, die sie mir gaben. Nur aus dem Augenwinkel bemerkte ich, dass Bargh begann die steinernen Platten dieser Lastenkammer nach oben weg zu drücken. Ich war in Rage. Warum sollten nur Bargh und Halbohr den Ruhm für sich behalten. Vier Duergar rannten den Gang herauf in unsere Richtung, doch als ihr Blick auf das verbogene Gatter fiel, stockte ihr Lauf etwas. „Wo sind die anderen?! Bewacht den Tempel!“, schrie einer, der vielleicht ein Anführer dieses Trupps war. Ich stellte mich ihnen entgegen. Etwas ungläubig blickten die grauen Augen mich von unten an, doch bevor er irgendetwas sagen oder machen konnte, schlitzte ich ihm mit meinem Säbel den Bauch auf. Platschend fielen seine Gedärme auf den Boden. Dem zweiten schlitze ich die Kehle auf, so dass er röchelnd zu Boden sank. Die beiden dahinter wollten ihre Äxte auf mich schlagen, doch ich war viel zu schnell für sie. Plötzlich sanken auch sie zu Boden. Lyrismar stand neben mir. Ich hatte ihn gar nicht bemerkt, doch seine beiden Kurzschwerter sangen ihre eigenen Lieder von Tod und Verderben.
Währenddessen hatte Bargh sich den Steinplatten in der Decke des beweglichen Raumes gewidmet. Er hatte sie einfach mit der Faust zerschlagen und Halbohr zog sich in den Schacht nach oben. Doch weitere Tempeldiener oberhalb erwarteten ihn schon und schlugen mit Picken und Äxten auf ihn ein. Mit einer gehörigen Portion Glück schaffte es Halbohr jedoch den Angriffen auszuweichen und zog sich in den Gang darüber. Hier befand sich ein großer Raum mit zwei noch glühenden Hochöfen. Einer der Hochöfen brannte lichterloh, während der andere gerade ausgeräumt worden war. Die Gesichter der Nachtzwerge, die auf Halbohr einschlugen, waren von Ruß geschwärzt und sie trugen schwere lederne Schürzen. Ein etwas älteres Exemplar trug einen schwarzen Saphir mit dem eingebrannten Wappen des Tempels auf seiner sonst nackten Brust. Als ich mich selbst hochzog, sah ich gerade noch wie er mit einem dreckigen Finger auf Halbohr zeigte und einfach nur rief „Lasst sofort ein und legt eure Waffen nieder!“. Irgendetwas war in seiner Stimme, was diesem Befehl fast unwiderstehlich machte. Doch waren wir alle gesegnet und wandelten im Schatten von Jiarlirae. Unser Geist war gestärkt, selbst der von Halbohr. Er stieß die immer blutende Klinge seines Dolches dem Duergar von unten durch den Kiefer, auf dass er nie wieder seine Stimme erheben konnte. In dem Schein der Öfen und in dem ätzenden Dampf von Rauch und Schwefel schritt die Gestalt Bargh majestätisch an mir vorbei. Seine Klinge blutete Feuer und dieses Feuer war stärker als das der Essen. Es verschlang die verbliebenen Nachtzwerge. Dieser Tempel wird fallen. Laduguer wird fallen. Sie wissen es nur noch nicht.
Jenseher:
Wir keuchten alle von der Kletterei durch den Schacht und von der Anstrengung des Kampfes. Mein Kopf glühte. Ich wusste nicht, ob es von der Hitze der Hochöfen war oder von der stickigen Luft im Tempel Glammringsfaust. Beißender Rauch der Essen und Hochöfen lag in den Gängen und Hallen. Monumentale Hallen, die uns sagen wollten: „Ihr seid Abschaum! Nur wir Duergar sind würdig!“ Pah! Die Toten, die zu unseren Füßen lagen, erzählten uns das Gegenteil. Dennoch schwitzte ich unter meiner Maske. Die Gesichtshaut des Hügelriesenkindes klebte auf meiner Stirn sowie meinen Wangen und begann zu jucken. Ich wollte sie aber nicht abnehmen. Sie täten besser, wenn sie vor mir Angst bekommen. Vielleicht können sie dann ihr Heil in der Flucht suchen. Auch Bargh trug seine Maske. Die Schuppen des grünen Drachen hatte er wie Schindeln eines Daches übereinandergelegt und ein schwarzer Opal lag vor seinem eigentlichen Rubinauge.
Plötzlich hörten wir direkt vor uns und von der anderen Seite des Schachtes die Stöße eines Kriegshorns. Es waren mehrere kurze Töne, doch wir konnten nichts sehen. Ich spürte aber mit einem Male deutlich, dass irgendjemand widerliche Gesänge murmelte, die Laduguer preisen sollten. Diese Gesänge taten mir in den Ohren weh. Auch Halbohr schien die Gesänge zu hören und auch er mochte sie nicht. Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung für ihn, wenn er erkennt, dass er sich mit seiner ganzen Seele Jiarlirae hingeben muss. Jetzt nahm er einen seiner Dolche und schleuderte ihn in die leere Luft vor ihm. Ich dachte erst, er hätte komplett den Verstand verloren, doch der Dolch fand tatsächlich ein Ziel. Mitten in der Luft blieb er stecken. Man sah noch die klebrige dunkle Schicht, die auf der Klinge haftete. Doch schon als der Dolch stehen blieb flimmerte die Luft und es wurde eine riesengroße, rußverschmierte Gestalt sichtbar. Ja, König Granryk hatte erwähnt, dass diese Priester sich unsichtbar machen konnten. Und dass sie sich größer machen konnten, hatte ich ja schon selbst erfahren. Doch dieses Exemplar zuckte, als das Gift von dem Dolch seine Wirkung zeigt. Die blauen Venen verfärbten sich schwarz und die Kreatur begann nach vorne in den Schacht zu kippen. Mit einem Knirschen von Knochen schrumpfte sie in sich zusammen, als sie ihren letzten Atemzug aushauchte. Aus der Tiefe konnte ich noch den dumpfen Aufschlag hören, als der Nachtzwerg auf das Dach des Aufzuges krachte.
Da flimmerte die Luft nochmals und mehrere Reihen dieser widerlichen Abkömmlinge des stämmigen Volkes kamen zum Vorschein. Auch sie hatten sich vergrößert und hielten uns ihre langen Lanzen über den Schacht entgegen. Zumindest erklärt dies auch warum die Gänge hier alle so groß waren, viel größer als es für die Kreaturen überhaupt notwendig war. Nicht nur Lanzenträger wurden sichtbar, sondern auch eine Reihe die mit Armbrüsten auf uns zielte. Und gleichzeitig erschien eine weitere Gestalt, die uns mit donnernder Stimme befahl unsere Waffen in den Schacht zu werfen. Auch wieder dröhnte mein Schädel bei den Worten, doch ich hörte auch eine angenehme Stimme im Hintergrund meiner Gedanken. Natürlich verstand ich inzwischen, wem diese Stimme gehörte und konzentrierte mich auf diesen lieblichen Klang. Die Worte des Duergar waren kaum noch wahrzunehmen. Nur Lyrismar gehorchte dem Befehl. Der Anhänger Jiarliraes bewegte sich schlaksig mit seinen merkwürdig langen Beinen und Armen auf den Schacht zu und warf tatsächlich sein schwarzes Kurzschwert dort hinein. Hatte er die Stimme nicht gehört? Doch sollten sie für diese Anmaßung büßen. Bargh beschwor seine unheilige Magie. Er ließ das Fleisch eines der Armbrustschützen verfaulen. Ich brannte ihnen die Muskeln von den Knochen, als ich sie in gleißenden elektrischen Energien baden ließ. Doch sie ließen noch immer nicht nach. Die Gebete, die sie unablässig sprachen, konnte ich noch immer hören. Sie sollten aufhören damit! Lyrismar und ich beteten ebenfalls zu unserer Herrin und sie schenkte uns ihre Flammen. Lyrismar schleuderte mehrere brennende Kugeln auf die Priester und ich selbst schenkte ihnen eine Säule aus Flammen. Sie schrien, als sie darin zugrunde gingen. Nur ein älterer Priester atmete noch, als Halbohr über den Schacht und über die brennenden Leichen sprang, die wieder auf ihre eigentliche Größe schrumpften. Der Priester zog seine Picke mit grimmigem Gesichtsausdruck und erwartete Halbohr. Es war fast, als ob er mit ihm in einen Zweikampf treten wollte, wie es vor wenigen Tagen Germin Dunkeldorn und Firin’ore’Waere in Unterirrling gemacht haben. Doch Halbohr ließ sich nicht darauf ein. Ich musste etwas grinsen, während er die Gelegenheit nutzte als der Priester ausholte und ihm seinen Dolch aus dem Einhorn einfach in die Kehle stieß. Der Priester röchelte noch irgendetwas und sank dann auch in sich zusammen. Endlich waren auch die letzten Reste der Gebete und Gesänge verschwunden. Trotz der Erleichterung und des Sieges, wirkte Halbohr auffallend nervös. Hatte er vielleicht bemerkt, dass einer unsichtbaren Laduguer Anhänger durch die Schatten verschwunden war? Würden sie jetzt wissen, wer sie hier in ihren eigenen Hallen angriff?
Hinter dem Schacht war eine weitere Kammer, in dem die Duergar ihre stinkende Schwefelkohle lagerten. Doch dort war auch ein Raum in dem sie mit den Steinen und Metallen experimentierten. Irgendwelche Säuren versuchten sie mit dem Metall zu verbinden. Ich verstand nicht wozu das gut sein sollte und auch aus den Aufzeichnungen wurde ich nicht schlau. Doch ein kleiner Seitenraum war wesentlich interessanter. Lyrismar hörte hinter einer Wand ein leises Klopfen. Ich sah nichts und konnte auch nichts hören, doch als er auf ein Regal zeigte, merkte ich, dass es hinter dem Regal hohl war. Kleine Haken hielten das Regal in seinem Platz und als man diese entfernte, ließ es sich einfach zur Seite schieben. Dort hinter war ein weiterer kleiner Raum, in völlige Dunkelheit gehüllt. In der Mitte war etwas, das wie ein aufrechtstehender Sarg aussah; ein Sarg, der wie ein großer menschlicher Körper geformt war. In der Mitte war eine Axt aus puren Ne’Ilurum eingelassen an deren Knauf ein schwarzer, rötlich pulsierender Opal eingelassen war. Jetzt konnte ich es auch hören. Ein Ächzen und Stöhnen, aber wie als wenn es sehr weit weg war. Dennoch kam es deutlich aus dem Innern dieses Sarges. Drei große eiserne Schlösser hielten die den Sarkophag geschlossen. Lyrismar murmelte etwas davon, dass ihm die Stimme der Kreatur bekannt vorkam, auch wenn er sie nicht richtig zuordnen konnte. Er und Halbohr begannen die Schlösser zu öffnen.
Als sich quietschend die Scharniere öffneten, brach uns eine Woge von bestialischem Gestank entgegen. Der Geruch von Fleisch und Säure stieg uns in die Nase und ich hustete auf. In dem Sarkophag war eine Kreatur eingepfercht. Eine dämonenhafte Gestalt mit zerfetzten ledernen Schwingen, die aus der ledernen Haut des Rückens kamen. Leuchtende Augen blickten uns aus einem von Hörnern besetzten Schädel an. Die Gliedmaßen der Kreatur wurden verdreht, damit sie in diesen Sarg hineinpassten und zusätzlich drangen lange Spieße von der Innenseite durch den Körper des Wesens und hielten sie so fest. Als die Augen sich auf uns richteten, hörte ich eine Stimme in meinem Kopf. Aber keine angenehme Stimme. Es war eher ein Rasseln, das wie tausende scharfe Eissplitter durch meinen Kopf drang: „Lasst mich frei sterbliche Seelen und ich werde euch verschonen!“ Lyrismar zögerte nicht lange. Es war jedoch keine Angst die ihn dazu brachte, den Sarkophag wieder zu zuschlagen. Irgendetwas hatte er an dieser Kreatur erkannt. Sie schrie auf, als die Spitzen sich jetzt wieder durch ihr dunkles Fleisch rammten. „Ein Dämon aus den neun Höllen! Abscheulichkeiten, die versuchen durch feigen Handel und Verträge sich ihrer Haut zu erretten“, sagte Lyrismar voller Abscheu. Und ich konnte die Abscheu verstehen. Die neun Höllen wären ein Ort für Halbohr. Verträge über Verträge, Handel über Handel. Alles ordentlich festgehalten, nur um ein Schlupfloch in den Verträgen zu finden. Die Kreatur sollte hierbleiben und hier weiter ihr Dasein in endlosen Qualen fristen. Der Opal auf der Axt begann wieder zu pulsieren. Vielleicht versuchten die Duergar, die Macht dieses Teufels auszusaugen und in diese Waffe zu leiten. Sollten sie doch. Sie werden schon sehen was sie davon haben werden, wenn ich die Verträge, die sie schließen, verbrennen würde.
Wir verließen den Raum und gelangten zu einer Wendeltreppe, die weiter nach oben führte. Halbohr konnte schon am Fuß der Treppe die Rufe von Truppen hören, die sich dort oben positionierten. Aber es blieb uns keine Wahl. Die Treppe endete an einer Türe. Nachdem Bargh und ich den Segen unserer Herrin erbaten, stieß Halbohr die Türe auf. Wir kamen in einen kuppelartigen Gang, der auch wieder viel größer war als es für diese Wichte eigentlich notwendig sein müsste. Vielleicht wollten sie mit der Größe dieser Hallen andere beeindrucken. Und wie ich mir es schon dachte, wurden wir bereits erwartet. Von links und rechts schritten jeweils vier unheimliche, gerüstete Gestalten auf uns zu. Es waren wandelnde Ritterrüstungen, deren Augenschlitze, von einer unheimlichen Präsenz beseelt, rötlich glühten. Weiter rechts hatten sie mit Schilden eine große Barrikade aufgebaut. Halbohr und Bargh versanken ihre Klingen in die wandelnden Rüstungen. Die Schatten, die wie ölige Tropfen aus Glimringshert drangen, entzündeten sich in wohligem Feuer und zerschmetterten die ersten Rüstungen. Doch es kam kein Schrei von Schmerzen, nur ein leiser Seufzer und der Geruch von alter fauliger Luft, der aus dem Inneren hervordrang. Hinter den Barrikaden erklang ein lauter Ruf: „Jetzt! Lasst Feuer und Säure los!“ und über uns regneten zwei Gläser herab, von denen eines auf dem Boden und das andere an einer Wand explodierte. Und auch die widerlichen Gebete erklangen wieder. Ich hatte genug. Ich wollte dieser Priester zerstückeln, auf dass sie nie wieder meine Ohren mit diesem Klang besudeln. Ich flehte die Herrin an, dass sie ein Meer von Schattenklingen über die Priester kommen lasse, doch eine Flasche zerplatzte an der Wand über mir. Die Säure regnete auf mich hinab und brannte furchtbar in meinem Fleisch. Gleichzeit erschienen über uns und wie aus dem Nichts mehrere riesige Taranteln mit gepanzerten Reitern, die sich von der Decke auf uns fallen ließen und ihre gewaltigen Lanzen nach uns stießen. Die Klingen bohrten sich in Halbohr und auch in Bargh hinein. Doch das stachelte nur ihre Wut an. Ein erbitterter Kampf entbrannte. Nichts und niemand wurde geschont. Stahl traf auf Stahl und auf Fleisch. Jemand brüllte. Lyrismar konnte nicht schnell genug ausweichen und eine Axt der Rüstungen bohrte sich in sein Fleisch. Noch ein Brüllen. Dieses Mal von hinter den Barrikaden als weitere Fläschchen auf uns katapultiert wurden. Ich zog mich zurück zur Treppe. Von allen Richtungen drängten sie auf uns zu, von rechts, von links und von über uns. Ich hatte keine Angst, nein. Aber wie soll ich weiter die Wege Jiarliraes verstehen, wenn ich tot bin? Doch dann konnte ich Aufatmen. Wieder hörte ich das Brüllen eines Befehls, doch dieses Mal war es eindeutig das Kommando „Rückzug!“. Ich blickte aus der Öffnung. Bargh, Lyrismar und sogar Halbohr standen verletzt über zerstörten Rüstungsteilen und toten Leibern von Duergar und Spinnen. Jetzt liefen sie in Richtung der Barrikaden. Die Bastarde dieser Priester, die sich dort verschanzt hatten, wussten anscheinend, dass auch ihr Ende nahe war. Doch sie versuchten ihren Untergang noch etwas hinauszuzögern und zogen sich zurück.
Nochmals mehrere kurze Hornstöße und das dumpfe Zuschlagen einer schweren Türe. Wir mussten weiter und zwar schnell. Der Tempel musste brennen – besser jetzt, bevor alles zu spät ist.
Jenseher:
Mir brannte die Lunge von den Ausgasungen der Essen und dem allgegenwärtigen Gestank der über Urrungfaust und dem ganzen Arbolbaar See zu herrschen schien. Doch auch der Geruch der noch brennenden Leichname mischte sich dazu. Ich fand ihn fast schon lieblich. Mein ganzer Körper schmerzte. Dort, wo mich diese hinterhältigen Kreaturen mit ihrer Säure beworfen hatten. Feige waren sie. Hätten sie sich uns gestellt, hätte Bargh sie schon längst aufgeschlitzt. Jetzt war er damit beschäftigt uns den Weg zwischen den Barrikaden aus Schildern frei zu machen. Seine furchteinflößende Gestalt, größer als ein normaler Mensch jemals werden könnte, stieß die großen Schilde einfach mit seinem Ellbogen um, so dass sie krachend auf den Boden fielen. Ich konnte sein Gesicht hinter seiner grünen Drachenmaske nicht sehen, konnte mir aber vorstellen, dass er grimmig dreinblickte. Auch er wollte bestimmt nicht länger hierbleiben, als es notwendig war. Lyrismar dagegen schien entspannter. Seine bis zu Kohle verbrannte Gestalt hielt sich im Hintergrund, während ich mich wieder vorsichtig in den Gang bewegte. Seine violetten Augen blitzten wie zwei Edelsteine aus dem schwarzen Schädel hervor. Langsam bewegte ich mich zu Bargh, unter der Spinne hindurch die noch immer in einer Totenstarre über uns an der Decke klebte. Lyrismar ging zu Halbohr und horchte an der Türe aus der vor uns entwischt sind: „Daugronn der Graue und Hornbald der Grausame verteidigen ihre Türme. Der Befehl für euch ist die Position zu halten. Und sollten sie in den Turm von Laargyr dem Dunklen eindringen, dann folgt ihnen.“ Das waren also die drei Schreckensritter von denen der König uns erzählt hatte. Fehlt nur noch der Erzgraf von Düstergrau. Von ihm noch keine Spur.
Als ich gerade dabei war einer der Rüstungen zur Seite zu ziehen, stieß ich gegen eine Stelle der steinernen Wand. Es hörte sich irgendwie dumpf an, nicht wie normaler Stein. Ich winkte nach Lyrismar und zusammen fanden wir einen Riss, der sich wie eine Türe abzeichnete. Dort hinter lag ein verwinkelter Raum, der sich unter einer Treppe zu befinden schien. Dicker Staub und Spinnweben zeugten davon, dass wohl schon sehr lange niemand mehr hier gewesen war. Doch am anderen Ende konnte Halbohr auch wieder Stimmen hören. Duergar, die sich wohl versuchten abzusprechen, wie und wo sie uns aufhalten können. Eine alte Klappe führte nach außen und als Halbohr sie öffnete, konnten wir wieder einen flüchtigen Blick auf die Dunkelfeuer der Stadt Urrungfaust erhaschen. Ich fand es wenig interessant oder besonders, aber Halbohr steckte seinen verunstalteten elfischen Kopf heraus und schaute konzentriert in alle Richtungen. Als ob er etwas dort gefunden hatte, blickte er zufrieden in unsere Richtung und führte uns aus dem Raum heraus zu einer der Türen in dem Gang.
Alle Türen waren mit komplizierten Schlössern versperrt, doch Halbohr war sich seiner Sache sicher. Zum Glück für uns half Lyrismar ihm immer. Und das war auch Halbohrs Segen, denn bei einer Türe blitzte kurz eine Rune aus der Schrift der Nachtzwerge auf. Schnell zuckte seine Hand auf einen Funken der davon ausging und schaffte es wohl im letzten Moment, den Funken zum Ersticken zu bringen. Für einen Augenblick war seine Haut so blass wie die der Duergar. Wir fanden hinter den Türen mehrere Kammern und Hallen. In einer größeren Halle bauten sie offenbar jene Rüstungen zusammen, die uns angegriffen hatten. Große Teile von Plattenpanzern wurden mit Gliedern versehen, so dass man sie zusammenstecken konnte. Das Ne’ilurum, was in das Metall eingearbeitet wurde, glänzte gespenstisch. Auf der Innenseite der Rüstungsteile waren Runen eingearbeitet die ihrerseits auch leicht glühten wie heißes Eisen. Die Innenseite war zudem mit einer seltsamen schwarzen Substanz bestrichen. Auch weitere Räume dienten dem Bau dieser Kreaturen. Sie hatten es gewagt die heiligen Flammen Jiarliraes für diese Konstrukte zu missbrauchen. Alleine dafür wollte ich sie in den fauligen Wassern des Arbolbaar versenken. Sie hatten es nicht einmal verdient im Feuer zu sterben.
Wir fanden einen weiteren verborgenen Gang, der mit einem hölzernen Schrank verdeckt war. Als wir ihn zur Seite schoben, wurde mit einem Mal der Geruch von Säure ersetzt durch den Gestank von Fäule und Fäkalien. Der Gang führte uns zu einem kleinen Trakt mit einigen wenigen Zellen. In den Zellen blickten uns schwachsinnige Augen des Nachwuchses dieser Duergar an. Die Kinder in den Zellen wirkten zurückgeblieben und debil. Sie hausten dort auf dreckigem und schimmligem Stroh, inmitten ihres eigenen Urins und Kot. Doch der Sabber und die Art, wie sie mich mit ihrem dümmlichen Lächeln anblickten, sagte mir, dass sie sich gar nicht bewusst waren wo sie sind. Ein Mädchen klatschte mit ihren aufgedunsenen Händen in einer Pfütze herum. Woraus diese Pfütze bestand mochte ich mir gar nicht vorstellen. Ein anderes Ding, vielleicht gerade einmal neun oder zehn Winter alt, blickte mich direkt an. Ebenso debil grinsend wie die anderen zeigte es seine verfaulten Zähne, die aus einem aufgeblasenen, verformten Kopf wuchsen. „Mutter! Mutter! Essen! Hunger!“, strömten die abgehackten Worte aus dem Mund des Geschöpfes. Als ob ich ihnen etwas zu Essen geben würde. Aber ich dachte mir, dass sie vielleicht ganz passable Spielzeuge abgeben würden. Ich könnte ihnen bestimmt ein paar Kunststücke beibringen, so wie ich es mit Funkenträger vorhatte. Vielleicht mit ein bisschen Hilfe, könnte der schwachsinnige Junge auch in so einem schönen Licht strahlen, wenn auch nicht so lange. Vielleicht eine feurige Krone um seinen Kopf? Doch dann machte Bargh einfach alles kaputt. Er begann zu lachen. Er sagte, er wüsste gar nicht, dass ich Kinder hätte. Was fällt diesem Tölpel ein?! Vielleicht sollte er weniger trinken. Seinem Kopf scheint das nicht gut zu tun, Drachentöter hin oder her. Ich hatte nicht wenig Lust in seinem Gesicht ein kleines Andenken meines Säbels zu hinterlassen. Welch eine Frechheit. Ich spürte, wie ich vor Wut fast platzte. Mein Säbel zuckte wie von selbst zur Seite und die Spitze bohrte sich in die Brust dieses schwachsinnigen Jungen. Das half dann wenigstens ein bisschen meine Laune zu bessern, aber dennoch sollte Bargh sich von mir fernhalten.
Halbohr und Lyrismar unterhielten sich über diese Kinder. Es waren wohl die Kinder, die normalerweise öffentlich geopfert werden sollten, um Laduguer ruhig zu stellen. Es waren wohl die Kinder von denen uns der König erzählt hatte, dass sie aus den Kerkern der Stadt verschwunden wären. Vielleicht nutzten die Priester sie, um zu experimentieren. Oder sie wollen einfach nur den König der Stadt schlecht dastehen lassen. Für die Experimente sprach eine Art Tagebuch, das wir in einem anderen Raum fanden. Vermutlich ein neuer Rekrut für den Tempel hatte seine wenigen Gedanken dort aufgeschrieben. Er freue sich auf seine Aufgaben und dass er an Forschungen teilnehmen dürfe. Am Ende stand etwas, dass es von Laargyr, dem Dunklen, Anweisungen gab, dass diese Rüstungen nach einer neuen Prozedur angefertigt werden sollten und dass der Schmerz besonders lang und qualvoll sein solle, um die Rüstungen noch mächtiger zu machen. Dann hatten diese Kinder vielleicht doch noch einen Zweck. Ich stellte mir vor, wie sie diese schwachsinnigen Geschöpfe in diese Rüstungen sperrten, auf dass sie dort einen qualvollen Tod erfahren würden.
Weitere Türen zweigten von den Gängen ab. Eine war besonders gut gesichert mit direkt drei Schlössern. Zwei davon schafften Halbohr und Lyrismar auch zu öffnen, doch beim dritten versagten sie. Doch Bargh rammte sie einfach ein, so dass die stählernen Bolzen zerbrachen. Hinter der Türe führte eine Wendeltreppe weiter nach oben. Das Krachen des Schlosses drang tief durch die Tunnel und die Treppe und kündigte unser Kommen an. Der Ruf „Sie Kommen!“ war überflüssig. In dem ovalen Raum erwartete uns bereits ein ganzer Trupp von gepanzerten Kriegern und Priestern des Tempels. Der Raum war bestimmt einmal recht wohnlich eingerichtet, doch jetzt waren alle Tische leergeräumt. An den Wänden reihten sich die ausgestopften Köpfe von den verschiedensten Kreaturen aneinander. Da waren Köpfe die aussahen wie große Fische, Köpfe die wie die des Hügelriesen Nomrus aussahen, Köpfe mit der dunkelgrauen Haut der Dunkelelfen, Köpfe mit Tentakeln anstatt einem Mund und noch viele andere. Ein schwaches Licht glomm von leuchtenden Kristallen, die mit gemusterten Lampenschirmen abgedeckt wurden. Das Licht wurde von den Rüstungen der Gestalten schimmernd reflektiert. Es war als ob sie sich für diesen Moment herausgeputzt hätten. Über ihren Plattenpanzern und Harnischen trugen sie lange graue Mäntel mit silbernen und einige sogar goldenen Bommeln über den Schultern.
Eine der Gestalten in einem Harnisch brüllte „Angriff!“, doch ich wartete nicht so lange. Mit meinem Stecken der Blitze ließ ich sie schreien, als die Energie durch die Reihen fuhr. Ein jüngerer Priester begann Blut zu spucken. Vielleicht hatte er sich im Krampf seine eigene Zunge abgebissen und verschluckt. Auf jeden Fall fiel er tot um. Auch Lyrismar zögerte nicht. Er schleuderte eine seiner gewaltigen Magma Kugeln auf die Gruppe, die mit einem Bersten explodierte und den Raum in Flammen hüllte. Ich konnte die Nachtzwerge nur noch schwer erkennen. Die Gestalten flehten vor Schmerzen und ihr Fleisch begann durch die unheiligen Flammen zu schmelzen. Doch ihre Erlösung musste noch einige Momente auf sich warten lassen. Die Flammen verbrannten nicht nur ihr Fleisch, sondern ihre Lebenskraft selbst und verzehrten sie. Erst jetzt begann das Schreien langsam zu ersticken. Die jüngere Priesterschaft lag rauchend auf dem Boden, nur ein älterer Anhänger hielt sich noch auf den Beinen. Aber sein Amulett mit dem Diamanten darin glühte auf vor Hitze und seine Haut war aufgeplatzt und verbrannt. Jetzt stürmten auch Halbohr und Bargh nach vorne. Die Schneiden ihrer Klingen fanden ihre Ziele schnell und es dauerte nicht lange, bis auch der letzte Krieger in seinem Feldharnisch zu Boden ging.
Zum Verschnaufen blieb uns keine Zeit. Von unten hörten wir bereits weitere Stimmen die sich an unsere Fersen hefteten. Lyrismar verschaffte uns aber einen Vorsprung. Mit seiner von der Herrin geschenkten Magie erschuf er eine Mauer aus festem Eisen, mit der er die Treppe versperrte. Und so hasteten wir wieder weiter. Vorbei an einem Raum in dessen Mitte eine große Karte, nicht nur von Urrungfaust, sondern auch von weiteren Höhlen und Tunneln dieser Welt unter der eigentlichen Welt abgebildet war. Große Figuren standen darauf. Vielleicht spielten sie hier auch Spiele und diese Figuren gehörten dazu. Aber diese Duergar hatten keinen Sinn für Spiele, also war es wohl eher etwas Langweiliges, an dem Halbohr bestimmt Interesse haben könnte. Doch auch er hastete weiter. Wir kamen in eine weitere Halle, dieses Mal wesentlich größer. In der Mitte hatten sie ein übergroßes Abbild eines Nachtzwergen aus Stein gebaut der dort heldenhaft seine Axt empor hob. Ein unnatürliches Feuer brannte davor. Wahrscheinlich kein einfacher Nachtzwerg, sondern Laduguer höchstselbst. Trotz der Größe konnte diese Statue aber nicht darüber hinwegtäuschen, wie mickrig er eigentlich war.
An der Seite der Statue führten zwei Treppen nach oben und von dort konnten wir auch schon wieder weiteres Flüstern hören. Die Treppen endeten in einen weiteren Zellentrakt, doch diesmal riefen keine schwachsinnigen Sprösslinge nach Essen. Der Trakt endete in einem kreisrunden Raum, wo sie uns ein weiteres Mal erwarteten. Weitere dieser sich bewegenden Rüstungen stampften auf uns zu, doch waren diese viel größer. Und anstatt normaler Hände, endeten ihre Arme in Äxten und Picken. Dahinter hatten sie eine Maschine aufgebaut, die mehrere riesige Armbrüste auf einem drehbaren Gestell hatte. Die gewaltigen Bolzen blitzen in unsere Richtung. Einige der Duergar waren eifrig dabei den Apparat in die richtige Richtung zu drehen. Und untermalt wurde alles von den widerlichen Gesängen der Priester dahinter. Dieser Gesang bohrte sich in meinen Kopf und blutete in meinen Ohren. Ganz hinten, gerade noch zu sehen, war eine weitere Gestalt. Ein alter Duergar mit eingefallen Gesicht saß auf einer riesigen Panzerspinne. Schimmernde Rüstungsteile bedeckten sowohl Duergar als auch Spinne. Mit listigen blauen Augen blickte er uns aus der Entfernung an. Die Rüstungen stürmten voran. Der Gesang der Priester peitschte sogar diese leblosen Dinger an, als wenn sie auch unter einem Wutrausch stehen würden. Bargh und Halbohr schritten den beiden Rüstungen entgegen. Ein mächtiger Hieb von Bargh und die vielen Schnitte von Halbohr zogen tiefe Risse in das Ne’ilurum. Die Schattenklinge spie Feuer, doch die Flammen perlten einfach an dem Metall ab. Aber allein seine Kraft reichte schon aus um den Brustkorb des Panzers aufzusprengen. Ein bestialischer Gestank von totem Fleisch und faulen Knochen entwich. Und eine schwarze Flüssigkeit haftete innerhalb der Rüstungsteile. Die Priester begannen zu fluchen und ich trat auch nach vorne. Das Amulett, das ich von Neire bekommen hatte, wartete schon darauf, dass seine Magie entfesselt werden konnte. Erst nur ein leichtes Glühen, das schon bald zu einem hellen Leuchten wuchs. Donnernd entlud sich das Inferno, als eine Kugel aus Flammen, die dem Amulett entsprang, sich auf die Soldaten um die Armbrustmaschine ergoss. Doch schafften die meisten es noch im letzten Moment wegzuspringen. Die Feuer vergingen wieder und die Soldaten nutzten die Gelegenheit und zogen die Hebel der Maschine. Mit einem tiefen Surren schossen die Bolzen auf uns zu. Ich spürte ihren Luftzug, aber sie hatten sich nicht mich als Ziel ausgesucht, sondern Halbohr. Dieser taumelte schon zurück als die Axthand der Rüstung vor ihm in seine Schulter rammte. Dann hagelten die Bolzen auf ihn ein. Manchen konnte er noch ausweichen, doch einige drangen in seine Brust und warfen ihn nach hinten.
Auch Lyrismar war bereit. Er beschwor eine Wolke der Schatten die das Schlachtenglück wenden sollte. Die Wolke breitete sich um die Soldaten herum aus. In den Schatten wogten immer wieder kleine Flammen auf die sich in die Köpfe der Duergar einbrannten. Das Chaos breitete sich aus. Einem quoll Blut aus den Augen. Er stand jetzt nur noch regungslos da, die Wände anstarrend. Ich konnte durch die Schatten kaum noch etwas erkennen, aber ich hörte deutlich die Rufe von Angst, Erstaunen und Unglaube. „Hauptmann, was tut ihr?“ hörte man aus der Wolke, als der deutliche Klang von Stahl auf Stahl erklang. Die Wolke lichtete sich etwas und ich sah einen der Soldaten mit einem prächtigen Feldharnisch, gerade wie er seine Axt aus Mithril in einen der Schützen an der Armbrust rammte. Die Priester in der hinteren Reihe sahen wie aussichtslos es war. Sie suchten ihr Heil in der Flucht. Auch der Ältere hatte dies wohl erkannt. Er saß immer noch im Sattel seiner gepanzerten Spinne, doch die Flammen in den Schatten hatten auch sein monströses Reittier beeinflusst. Reglos hing die Spinne an der Decke, so dass ihm nichts anderes übrigblieb als einfach von oben herab zu springen und in einer Türe zu verschwinden. Auch die anderen Priester folgten ihm und ließen ihre Soldaten zurück. Bargh schlitzte dem Soldaten der sich immer noch nicht rührte den Bauch auf und Halbohr die Kehle des Hauptmanns. Die gepanzerte Spinne hatte sich inzwischen wieder herabgelassen, doch auch diese konnte nicht lange gegen uns bestehen. Denn Jiarlirae war mit uns und keine niederen Kreaturen konnten sich mit uns messen.
Wir mussten den anderen hinterher und zwar schnell. Keine Zeit um unsere Wunden in Ruhe zu versorgen, Tränke mussten reichen. Wir hörten die Priester wie sie vor uns liefen, das Krachen eines Gatters. Sie versuchten sich Zeit zu erschwindeln. Als wir an dem Gatter ankamen sahen wir sie noch dahinter, wie sie gerade eine Wendeltreppe nach oben liefen. Das Gatter selbst war mit einem weiteren dieser komplizierten Schlösser verriegelt. Hastig zogen Halbohr und Lyrismar ihre Dietriche und begannen es zu öffnen. Wieder flackerte kurz eine Rune über den Stäben auf und wieder wurde Halbohr aschfahl im Gesicht. Hätte er noch eine weitere falsche Bewegung mit den Dietrichen gemacht hätte sich die Magie dieser Rune entladen. Wer weiß was dann mit ihm passiert wäre. Doch auch Halbohr stand anscheinend in der Gunst unserer Herrin. Sie sandte uns Lyrismar und dieser schaffte es im letzten Moment die Rune zu zerstören. Wir mussten schnell weiter. Das Gatter ließ sich aufschieben und wir rannten die Treppe nach oben. Wir sahen keinen mehr, doch ihre Spuren fanden wir sehr schnell. Sie führten uns in ein großes Gemach, in der Form eines Fünfeckes. Ein dunkles Fenster bot einen Blick auf den Arbolbaar See. Bequeme Sessel standen hier und kleine Tische auf denen in Schalen getrocknetes Fleisch, Pilze und Karaffen mit Wein standen. Die Spuren führten weiter auf eine Türe zu. Wir folgten ihnen und betraten einen kleineren Raum, der völlig dunkel war. Kreisrund, ohne irgendwelche Fenster oder Ausgänge. Als wir in den Raum hineintraten fiel mit einem Krachen die Türe hinter uns zu. Ich warte schon darauf, dass die Priester sich uns stellen würden. Doch stattdessen veränderte sich der Raum selbst. Alles verschwamm vor meinem Auge für einen Moment. Ich kniff sie zusammen und versuchte mich zu konzentrieren. Als ich meine Augen wieder öffnete waren plötzlich sechs Türen in dem Raum. Alle gingen in verschiedene Richtungen. Sie versuchten uns mit billigen Augenwischereien abzuhängen. Aber auch das würde ihnen nicht gelingen. Schon bald werden wir ihnen wieder entgegentreten und sie werden ihren Kameraden folgen.
Jenseher:
Von den feigen Priestern des Laduguer war nichts mehr zu sehen und zu hören. Sie hatten uns hier in diesem völlig dunklen Raum zurückgelassen. Zumindest stank es hier nicht ganz so schlimm, wie bei den Hochöfen und Essen. Ganz schwach konnte ich noch irgendwelche Rufe hören. Vermutlich immer noch der verzweifelte Versuch die Verwüstung zu beseitigen und dem Chaos Herr zu werden. Dabei sollten sie inzwischen begriffen haben, dass es vergebene Liebesmüh war. Schließlich waren wir hier noch nicht fertig. Wir waren uns unserer Sache sicher und ich spürte Entschlossenheit. Doch wir mussten auch vorsichtig sein. Bargh suchte auf dem Boden nach Spuren. Es sah schon etwas lustig aus, den übergroßen und von Muskeln und Brandnarben übersäten Körper über den Boden wischen zu sehen. Aber ich war immer noch wütend auf ihn. Doch auch wenn sein Auge geschult war und er Spuren fand, konnte auch das uns nicht weiterhelfen. Die sechs Türen um uns herum sahen alle gleich aus und die Spuren schienen zu allen Türen gleichzeitig zu führen. Auch die Geräusche, die Halbohr und Lyrismar hörten, kamen aus allen Richtungen. Halbohr hing verbissen mit seinen Augen an den Schlössen. Eins nach dem anderen untersuchte er, doch nach jedem schien er sich immer unsicherer zu werden. Eine Panik beschlich mich. Die Hallen schienen mich zu erdrücken, die Geräusche aus der Ferne verrückt zu machen. Schließlich war ich es leid. Ich wusste welche Türe die richtige war. Ich hatte es einfach im Gefühl. Also zeigte ich Halbohr die Türe, doch auch hier traute er sich nicht. Letzten Endes blieb er vor einer der Türen stehen und zog sie auf. Endlich, dieses merkwürdige Drücken im Kopf ließ nach, als sich die Türe öffnete und einen kleinen Gang offenbarte, der an einer Treppe endete. Endlich ging es weiter, nach oben, wie es schien.
Halbohr schlich zu der Treppe. Doch als er gerade an der ersten Stufe ankam, erschien wie aus dem Nichts und um ihn herum die Schergen der Priester. Sie mussten sich im Dunkeln versteckt haben. Alle drei waren auf die Größe von fast vier Schritt angewachsen. Auch der Ältere mit dem haarlosen Schädel und der Hakennase war mit dabei. Dies war Laargyr der Dunkle, einer der Schreckenspriester wie sich noch herausstellen sollte. Er funkelte Halbohr aus zwei listigen blauen Augen an. Sie hatten es auf den elfischen Söldner abgesehen. Axt und Streitkolben rammten in seinen Körper und er schrie auf, noch bevor er reagieren konnte. Aber dadurch hatten sie uns im Rücken. Ich schleuderte ihnen meine Magie entgegen, Bargh und Lyrismar ihre Klingen. Lyrismar bohrte sein schwarzes Schwert einem vergrößerten Duergar in den Unterleib. Als er das Schwert wieder herauszog, änderte es seine Form. Aus der Schneide wuchsen kleine metallene Zähne. Lyrismar riss ein tiefes und grausames Loch in den Leib.
Als sie starben zogen sich unter einem Knacken ihre Knochen wieder zusammen. Jetzt lagen sie da. Die kleinen Wichte die sie waren und zuckten noch in ihrem eigenen Blut. Halbohr sah ziemlich übel aus. Die Wunden waren tief und ich war mir sicher, dass während des Kampfes seine Augen geflackert haben. Er war sicher wieder kurz davor einfach vor Ohnmacht zu Boden zu gehen. Aber langsam sah er es ein. Dass Jiarlirae mit uns ist und selbst ihn, der sie so oft geschmäht hatte, unterstützt. Bargh und ich waren ihre Werkzeuge und zusammen ließen wir die Wunden von Halbohr wieder schließen, untermalt von den Gebeten aus Halbohrs Mund, die wir mit ihm sprachen. Von unten konnten wir das rhythmische Schlagen hören, wie sie weiter versuchten die Wand aus Eisen zu überwinden. Das würde noch eine Zeit dauern, aber nicht mehr ewig. Wir mussten also weiter. Weiter nach oben.
Halbohr und Lyrismar schlichen vor und kamen in einen größeren Raum. Ein großes Fenster aus dunklem Glas zeigte ihnen die Stadt. Die Wand war bestückt mit silbernen Vertäfelungen, die Bilder einer gewaltigen Schlacht zeigten. Nachtzwerge gegen Dunkelelfen. Doch die Nachtzwerge waren nicht allein. Mit ihnen war eine gewaltige Kreatur im Bunde, die wie ein Drache aussah, auch wenn sie keine Flügel trug. Die silbernen Fresken zeigten das Feuer, das aus dem Rachen der Kreatur schlug und auf die Dunkelelfen niederging. Es war sehr detailliert dargestellt, wie sie brennend um ihr Leben liefen. Der Blick von Lyrismar war jedoch auf etwas anderes gerichtet. Im Raum waren nämlich noch zwei Frauen. Eine war menschlich, hatte ein schlankes Gesicht, grüne Augen und lange braune Haare. Die andere, eine Dunkelelfin, war kleiner, hatte spitze Ohren, weißes Haar, violette Augen und aschgraue Haut. Sie hatten beide kaum etwas an und der lüsterne Blick von Lyrismar sagte alles. Die Frauen schienen nur für diesen einen Zweck erzogen worden zu sein. Halbohr erzählte ihnen etwas davon, dass wir nicht die Eindringlinge wären und dass wir von Laargyr geschickt wurden, aber das konnte keiner glauben. Sie hatten bestimmt den Kampflärm von unten gehört; den Todesfluch, den Laargyr ausstieß, als er Meister Halbohr bei seinem Namen verfluchte. Dennoch schien es den beiden nichts auszumachen und Lyrismar zog schon die Dunkelelfin zu sich auf den Schoß. Er musste immer noch benebelt sein von seiner Schattenschimmeressenz. Wie sonst konnte er hier und jetzt, wo unten schon die Soldaten nachrückten, sich mit so einem Wesen die Zeit vertreiben. Als Halbohr uns von unten hinaufholte und ich den Raum betrat, räkelte sich die Dunkelelfin völlig nackt auf einem schwarzen Ledersessel. Lyrismar hatte seine Hosen hinabgelassen und sich von hinten über sie gebeugt. Seine fast völlig verbrannte Haut schien den beiden nichts auszumachen. Nur die nicht verbrannten Stellen zeugten von einstiger nobler Blässe. Der Anblick der rhythmischen Zuckungen war einfach widerlich. Er fing an zu keuchen, wie ein abgestochenes Schwein. Die Dunkelelfin setzte ihrerseits mit einem Stöhnen ein, als Lyrismar sie am Hals packte, sie an ihren langen, weißen Haaren zog. Ich muss gestehen, dass ich ihnen heimlich zuschaute. Was ich früher nur bei Pferden und Schafen beobachtet hatte und wovor ich mich einst ekelte, hatte hier etwas anziehendes für mich. Dann trat ich zu Bargh und begann auf ihn einzureden. Auf dass er nicht lüstern starre. Und nicht einmal Bargh war so plump sich mit ihnen einzulassen, auch wenn es die menschliche Frau bei ihm versuchte. Er vergnügte sich lieber mit den Weinkaraffen, die hier überall rumstanden. Vielleicht würden wir also erst mal nur zu dritt weitergehen.
Die Türe aus diesem Raum heraus war mit einem sehr komplizierten Schloss gesichert, doch Jiarlirae war auch dieses Mal mit uns. Wir hatten Laargyr einen Schlüsselbund abgenommen und einer der Schlüssel passte genau in das Schloss. Es gab ein leichtes Quietschen als sich die Türe öffnete. Nein, das war nicht die Türe, das Geräusch kam jetzt von der Dunkelelfin. Die Türe selbst ging fast lautlos auf. Lyrismar war offenbar fertig mit seinem Liebesspiel und hatte die Güte sich wieder zu uns zu gesellen. Als ich mich umdrehte bedeckte ich mir schnell meine Augen, denn er hatte sich noch nicht bekleidet. Er stank zudem furchtbar nach diesen Frauen. Die Türe führte uns zu einer kleineren runden Halle, an der sich wiederum weitere Räume anschlossen. Die Türe hinter uns verschlossen wir vorsichtshalber, denn das Schlagen von unten hatte aufgehört. Stattdessen waren Stiefelschritte zu hören, die näherkamen. Jetzt hatten wir wirklich keine Zeit mehr. Ein Raum enthielt eine sehr gut ausgestattete Bibliothek. Die Bücher waren interessant, doch ein schmierig beschriebenes Blatt war noch interessanter. Vielleicht hatte sich jemand hier betrunken und versucht seine wirren Gedanken auf Papier festzuhalten. Der Schreiberling erwähnte, dass alte Geschichten aus den Büchern getilgt wurden. Offenbar meinte er die Kriege gegen die Dunkelelfen. Vielleicht waren die Krieger der Duergar doch nicht so ehrenhaft, wie sie immer so gerne tun. Bemerkenswert war auch, dass der Schreiber sich fragte, ob es noch Horte in der Umgebung von Urrungfaust gäbe. Meinte er Horte dieser Drachenkreatur? Vielleicht waren andere Drachen am Krieg beteiligt? Es wurden ebenfalls die Steuern erwähnt und dass sie gierig einbehalten würden. Damit konnte er nur den König von Urrungfaust meinen. Steht der König immer noch mit der Drachenkreatur im Bunde? Oder mit seiner Brut? Ich hatte mal etwas gelesen von einer Stadt der Dunkelelfen die Thysbryr’Il’Dith genannt wurde. Diese Stadt war die Hauptstadt ihres Reichs und wurde vernichtet, in einer großen Schlacht. Ich schätze, dass diese Ereignisse etwa 200 Jahre in der Vergangenheit lagen.
Nachdem wir einige kostbare Bücher mitgenommen hatten, erkundeten wir die anderen Räume. Die Schritte der Stiefel wurden immer lauter. Nicht mehr lange und die Nachhut würde da sein. Vielleicht hätten wir sie einfach erwarten sollen. Je weniger diesem Laduguer huldigten, desto besser. Aber ja, es würde nicht bei diesen bleiben. Immer mehr würden kommen und irgendwann würden sie uns überrennen. Ein weiterer Raum enthielt ein nobles Gemach. Große, schwere Sessel aus einem schwarzen Leder standen um einen prunkvollen Thron herum. Der Thron allerdings war nicht so langweilig, wie die sonstigen Sachen der Duergar. Die Verzierungen waren verspielt und er sah nicht wirklich praktisch aus. Vielleicht irgendein Schatz, den sie aus ihren Kriegen mitgenommen haben. Für einen Schatz sprachen auch die drei großen Truhen, die an der Wand standen. Auch waren überall Gefäße auf Tischen verteilt, in denen Körperteile eingelegt waren. Einige Innereien, aber auch Hände und Köpfe waren zu sehen. Ich konnte erkennen, dass es auch Dunkelelfen waren, die ihre Körper bestimmt sehr gerne zur Verfügung gestellt hatten. In einem Gefäß lag etwas, dass ich erst für ein Stück Fleisch hielt, ähnlich einer Wurst. Aber dann trat Lyrismar neben mich und das Bild, als er sich mit den beiden Frauen vergnügt hatte, kam wieder hoch. Er fragte, ob sie diese Körperteile essen würden. Wer weiß? Wer immer nur an Arbeit denkt und keine Freuden kennt, der ekelt sich vor nichts und isst vielleicht auch so etwas. Wir schafften den Inhalt der Truhen in das Labor, was Ortnor uns netterweise überlassen hatte, und gingen in den nächsten Raum. Diesmal war der Raum etwas kleiner und gefüllt mit dem modrig-süßen Geruch eines Parfüms, welches sie hier unten wohl sehr gerne verwenden. Warmer Dampf von Waschzubern füllte den Raum. Die Kohlebecken unter den Zubern verhießen ein bequemes Bad. Doch die Ketten mit Widerhaken sagten etwas anderes. In den Ketten hingen, wie in einem Regal, weitere Frauen. Sie waren nicht tot, sondern wanden sich und jammerten vor Qualen. Die nackten Körper waren übersät mit Narben der Folter. Sabberfäden hingen von ihren Mündern herab. Sie konnten die Qualen vielleicht nicht mehr aushalten und beschlossen sich in den Wahnsinn zu flüchten. Doch vielleicht waren es auch Drogen. Auf einem Tisch lagen etliche Stücke einer Wurzel, die mir bekannt vorkam. Es war eine der Zutaten für den Grausud, den Neire immer bei sich hatte. In einem Waschzuber lag eine weitere Frau, eine von den Dunkelelfen. Auch für sie war es keine Erholung. Die Ketten und Haken waren durch ihre Haut getrieben und hielten sie in einer verkrümmten Haltung, so dass sie sich nicht rühren konnte. Ihr Augen waren klarer als die der anderen, aber als sie versuchte zu sprechen kam nur ein unverständliches Würgen heraus. Ihre Zunge war nicht mehr da, ebenso wenig wie ihre Zähne. Offenbar war sie zu gesprächig für Laargyr. Das Gesicht, trotz der Spuren der Folter, hatte etwas Erhabenes. Bargh schien das Gesicht von irgendwo zu kennen, aus einem Buch über alte Adelsgeschlechter der Dunkelelfen. Ein weiteres Gemach durchsuchten wir noch, jedoch sahen wir dort nur Kojen, auf denen hübsche menschliche und dunkelelfische Sklavinnen ruhten. Ihre träumenden Augen erinnerten mich an den vernebelten Blick von Lyrismar.
All diese Kammern brachten uns jedoch nicht näher zu unserem Ziel, bis wir durch Zufall an die Decke der Eingangshalle blickten. Dort bildete sich ganz schwach die Kontur einer Luke ab. Wir hatten wieder vergessen, dass es für die Kreaturen der Nachtzwerge natürlich ist, sich auf mehrere Meter zu vergrößern. Die Schritte wurden immer lauter und wir konnten schon ihre Stimmen hören. Bargh breitete seine dunklen Rabenfedern aus, die er durch sein Spiel mit dem Schicksal erhalten hatte. Kraft seiner Schwingen begab er sich langsam zur Decke. Die Stimmen waren jetzt ganz nah. Sie waren direkt hinter der Türe, wo wie die beiden Dirnen zurückgelassen hatten. Doch wie dankten die Frauen es uns, dass wir sie nicht direkt umgebracht hatten? Schon nach dem ersten lauten Wort, plapperten sie direkt heraus, dass es Meister Halbohr war, der hier vorbeikam. Natürlich hatten sie ihn erkannt. Sein Gesicht und sein Ohr kannte inzwischen wohl jeder. Ich wusste, dass sein Handel mit den Dämonen nicht gut für uns gewesen war. Aber wir hatten noch Zeit. Sie fingen an sich zu streiten. Einfach durch die Türe zu gehen war ihnen verboten. Sie hatten Angst obwohl es doch offensichtlich war, welchen Weg wir genommen hatten. Bargh griff in dem Moment nach der Klappe und riss sie aus der Öffnung. Krachend fiel sie zu Boden. Die Stimmen in dem anderen Raum stockten für einen Moment. Die Entschlossenheit wuchs. Einer von unseren Verfolgern bezeichnete sich als Grimringwächter, ein anderer als Runenweber. Es waren wohl militärische Ränge dieser Priester. Sie sagen, dass sie Kraft ihres Ranges wohl Zutritt hätten zu den Kammern. Was ihnen aber nicht helfen würde, denn sie hatten nicht den Schlüssel. Sie entschieden gegen ein Aufbrechen der Türe und schickten nach Daurgonn dem Grauen und Hornbald dem Grausamen für den Schlüssel. Weitere Zeit für uns, dachte ich mir. Das Schicksal sowie Flamme und Düsternis sind uns wohl gesonnen bei unserer Aufgabe.
Bargh ließ ein Seil herunter und während die Verfolger immer noch diskutierten, kletterten wir die Luke herauf. Sie öffnete sich in eine große, halbkreisförmige Halle, die mit Säulen gestützt wurde. Vor jeder Säule stand in ewiger Wachsamkeit eine riesenhafte Rüstung mit Äxten und Schwertern statt Händen. Überall lagerten in Kisten Massen von Erzen und Mineralien, wobei keine Kiste Ne’ilurum enthielt. Dafür aber die große doppelflügelige Türe, die aus dem Saal herausführte. Diese war aus purem Ne’ilurum. Ein meisterhaftes Schloss sicherte das Portal und weder Halbohr noch Lyrismar konnten dem Schloss habhaft werden. Doch auch hier half uns Laargyr ungewollt. An seinem Schlüsselbund befand sich ein weiter Schlüssel, der in das Schloss passte. Knirschend drückte Halbohr die Türe auf. Ich blickte verstohlen auf die Rüstungen und wartete darauf, dass sie sich in Bewegung setzten. Ich sah, dass auch Bargh und Lyrismar meinem Blick folgten, doch nichts passierte. Nicht die kleinste Regung. Schnell huschten wir durch das Portal und folgten dem Tunnel dahinter in die Dunkelheit. Der Tunnel war lang, viel länger als der Tempel sein konnte. Dies musste der Weg zu unserem Ziel, dem Morund Stein sein. Und ein sanftes rötliches Glühen kündigte ihn beeindruckend an.
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