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[AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea
Jenseher:
Ihre Reise hatte sie in den Tunnel des Jarl Gramnir zurückgeführt. Sie hatten das abgelegene Tal in den Abendstunden erreicht und den geheimen Eingang wiedergefunden. Je höher sie gestiegen waren, desto schlimmer war die Kälte geworden, die ihnen entgegengekrochen kam. In der kleinen Steinkammer vor dem Gemach des Jarls hatten sie schließlich die beiden Säulen hinabgezogen, die dort in der Decke versteckt gewesen waren. Nachdem beide Säulen eingerastet waren, hatte der Zwischenraum der Stäbe angefangen zu flimmern. Im schwarzen Gestein war plötzlich ein Glühen von rötlichen Adern zu sehen gewesen. Aus dem Schimmer des Portals war ihnen warme Luft entgegengeströmt, die nach Schwefel und verbrannten Gasen roch. Dann hatten sie sich ein letztes Mal angeschaut. Bargh, Zussa, Neire und Zack. Mit aufmunternden Worten waren sie durch das Portal geschritten. Doch Zack war ihnen nicht gefolgt. Der Tiefengnom wollte wohl andere Wege gehen. Auf der anderen Seite schlug ihnen eine Hitze entgegen. Die Luft war erfüllt mit Asche, die in ihren Augen brannte. Es herrschte ein beißender Gestank von fauligem Gas und von Schwefel. Dunkelheit war mittlerweile eingekehrt, doch der Himmel war von Schwaden verborgen. Die Landschaft um sie herum war wellenhaft und von tiefen Rissen durchzogen. Hier und dort sahen sie ein rötliches Glühen, wie von unterirdischen Lavaflüssen. Der Boden vibrierte ständig. Ein dumpfes Grollen, wie auch ein Zischen, war zu hören. „Dort schaut… ein Eingang zwischen zwei schwarzen Säulen.“ Neire wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, die die brennende Asche in seinen Augen verursachte. Die Asche vermischte sich mit den Tränen zu schmutzigen Schmieren. Mit seiner verbrannten Hand zeigte er auf den Hügel aus schwarzem Gestein, der sich vor ihnen auftat. Bargh wollte sich aufrichten, aber er wurde von einem Husten heimgesucht. Nur langsam gewann der Krieger Fassung und begann die Stehlen in den Fels zurück zu drücken, der hinter ihnen aufragte. Sie sahen, dass das Portal sich geschlossen hatte. Die Stehlen waren im Stein verschwunden. „Wir werden uns diese Öffnung anschauen. Folgt mir. Jiarlirae ist mit uns. Ich spüre sie an diesem Ort“, sprach Bargh und zog Schwert und Schild. Im Schutz der Schatten Glimringsherts näherten sie sich dem Portal. Als sie an die Öffnung kamen, offenbarte sich ihnen ein Blick in das Innere des Hügels. Der Tunnel, der dort hinein führte, war etwa vier Schritt breit und acht Schritt hoch. Es schien, als wäre er mit einem härteren, dunkleren Gestein ausgebaut worden. An den Wänden waren Gasfackeln zu sehen, die in einer rötlichen Flamme mit leichtem Grünton brannten. Sie sahen keine Bewegung und schlichen in den Berg hinein. Die Luft war hier noch wärmer. In einiger Entfernung bemerkten sie eine Öffnung und hörten dahinter das Knarzen von Holz. Augenblicklich setzte sich Bargh in Bewegung und stürzte den Gang hinab. Als er an der Öffnung ankam, trat ihm eine Kreatur entgegen. Der Riese hatte eine aschgraue Haut und war knappe fünf Schritt groß. Definierte Muskeln spannten sich, als er die riesige doppelschneidige Klinge hob. Aus dem rundlichen Gesicht blickten Bargh zwei schwarze Kugelaugen abfällig an. Gekleidet war die Gestalt in einen Schienenpanzer aus dicken Metallbändern. Ihr dunkles Haar und ihre Rüstung waren von einer Schicht Ruß besetzt. Noch bevor die Kreatur reagieren konnte, ließ Bargh seine Klinge hervorschnellen. Wieder und wieder schlug er auf das Wesen ein, das nach dem dritten Hieb zusammenbrach. Gemeinsam zogen sie den schweren Leib in die Kammer, aus der der Riese aufgetaucht war. Zussa verweilte an der Tür und horchte. Sie waren sich nicht sicher, ob sie bereits entdeckt worden waren.
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„Lasst uns Jiarlirae um Hilfe bitten. Lasst uns unsere heiligen Gebete anstimmen. Seid ihr bereit Mädchen?“ „Natürlich bin ich bereit. Worauf wartet ihr noch Bargh. Was trödelt ihr noch hier noch herum?“ Neire musste sich ein Lächeln verkneifen, als er Zussas Antwort auf Barghs Frage hörte. Zussa erinnerte ihn an die Furchtlosigkeit der Kupfernen Krieger in Nebelheim. Oder war ihre bockige Art mit Gefahren umzugehen schon eine verrückte Laune? Nein, es musste ihr Vertrauen in die Göttin Jiarlirae sein. Es musste das sein, was sie im Tempel des Jenseher und im Portal dort hinter gesehen hatte. „Wir sollten jedenfalls nicht zu lange warten. Irgendwann werden sie einen durch den Tunnel schicken. Wir haben keine andere Wahl.“ Neire versuchte sein Zittern zu unterdrücken. Er wollte nicht zeigen, dass er Angst hatte. Nachdem sie sich sicher gewesen waren, dass sie noch nicht bemerkt worden waren, hatten sie den Raum mit dem toten Riesen wieder verlassen. Sie waren dem Gang bis an eine Abbiegung gefolgt. Dahinter hatten sie eine breite, aber unglaublich viel längere Halle gesehen. Die hohe Decke war von schwarzen Obsidiansäulen gestützt worden, die teils die Formen von Kriegern hatten. Rote Wandbehänge mit Stickereien von Kämpfern hatten einige Bereiche der Wände geschmückt. Auch hier hatten die Gasfackeln einen Teil der Halle erhellt, während die Säulen lange Schatten gezogen hatten. In der Mitte der Halle hatten sie zwei Riesen mit jeweils zwei Köpfen gesehen. Die beiden waren in einer Unterhaltung vertieft gewesen – in einer bellenden Sprache, von der Neire einige Wörter verstehen konnte. Am gegenüberliegenden Ende der Halle hatten sie Stufen gesehen, die auf eine Empore hinaufführten. Dieser Bereich war aus einem rötlichen Marmor gewesen und es hatte dort ein Thron aufgeragt. Auf dem Thron hatten sie eine hässliche Gestalt gesehen. Fettmassen hingen von einem muskulösen Körper hinab. Ein rundes breites Gesicht, grauer Hautfarbe hatte verfaulte Zahnstümpfe und eine einst gebrochene – jetzt schiefe – Nase offenbart. Die Gestalt war von fünf Riesen aschender Haut umringt gewesen, die teils in Kettenhemden, teils in Schienenpanzer gekleidet waren. Ein Riese war größer und muskulöser gewesen und hatte einen Kriegshammer getragen. Bargh nickte Neire und Zussa zu und begann seinen Choral anzustimmen. Neire betete die Worte mit. Auch Zussa stimmte nun ein und wirkte ihren Zauber. Neire spürte die Kraft von Flamme und Düsternis, die Bargh und Zussa riefen. Doch es tilgte nicht seine Angst. Er spürte, dass dieser Ort anders war. Er spürte, dass sie nicht scheitern durften. Dann schritt Bargh voran und Neire folgte ihm. Ein gutes Stück weit drang er in die Halle vor, dann hörte sie die Rufe der zweiköpfigen Reisen. Neire konnte wieder Brocken aus der Sprache der Orks erkennen. Etwas wie „Alarm“ und „Angriff“. Die doppelköpfigen Riesen drehten sich zu Bargh. Ihre niederträchtigen Augen brannten vor stupider Boshaftigkeit. Neire versuchte sich zu konzentrieren. Er zitterte vor Furcht. Vom Thron her hörte er ein Lachen und sah, dass der fettleibige Anführer auf Bargh zeigte. Die fünf Riesen um ihn herum zogen ihre Waffen und schritten auf Bargh zu. Der Anti-Paladin drang jetzt in den Nahkampf mit dem ersten doppelköpfigen Riesen. Angestachelt durch die Gebete schwang Bargh übermütig Glimringshert. Die Klinge stach tief in den Leib und der erste Riese hauchte sein Leben aus. Bargh wendete sich der zweiten Kreatur zu. Dann war die Luft von einem schneidenden hellen Ton erfüllt. Neire hatte seine Zauberformeln gefunden. Die Lanze, die er beschwor, war wie ein unsichtbares Feld von Macht. Es durchbrach die beiden Schädel und Zähne des zweiten Riesen und die Kreatur gab ein kreischendes Heulen von sich. Ihre vier Augen zerplatzten und die grausame Magie löschte ihr Leben aus. Neire sah, wie Bargh sich den Riesen zuwendete, die vom Thron kamen. „Zurück Bargh, zurück“, schrie Neire und bewegte sich in Richtung Zussa. Bargh folgte ihm. Das Lachen, das vom Thron kam, hatte aufgehört und so erwarteten sie den Kampf. Die Riesen rückten in einer Formation auf sie zu. Vorsichtig und bedacht. Neire und Zussa nutzten die Gelegenheit. Neire beschwor einen Kugelblitz aus bläulich-gleißendem Licht. Er schlug in den ersten Riesen und sprang dann auf den nächsten weiter. So ging es fort, bis der Blitz die Gestalt am Thron traf. Fast gleichzeitig erhob Zussa ihren Stecken und rief einen Blitzstrahl hervor. Die Riesen zuckten auf und brüllten vor Schmerz, doch sie stellten sich Bargh entgegen. Noch bevor sie ihn erreichen konnten, beschwor Neire ein weiteres Feld der Macht. Zwei Riesen erreichten den Kampf nicht mehr. Zu tief waren ihre Wunden, die Neires und Zussas Magie gerissen hatten. Mit fast spielerischen Schnitten tötete Bargh die drei verletzten Kreaturen. Jetzt sah Neire, dass die fettleibige Gestalt ihren Verstand verloren hatte. Mit Schaum vor dem Mund kam sie auf Bargh zu gerannt. Bargh hob sein Schild und sein Schwert und begann zu lachen. „Kommt her, Bastard!“ Der heilige Krieger Jiarliraes verhöhnte den Thronsitzer in seinem Mordrausch. Doch auch der letzte Riese, im wallenden silbernen Seidenumhang, war schwer verwundet. Noch einmal zuckten die Blitze aus Zussas Stecken durch seinen Körper und er begann zu stolpern. Doch er biss die Zähne zusammen, erreichte Bargh und erhob sein Schwert. Neire kamen die Bewegungen jedoch langsam und schwach vor. Bargh machte einen Ausfallschritt und durchschnitt den Bauch der Gestalt. Die hässliche Kreatur brach mit einem dumpfen, fleischigen Geräusch zu Boden und bewegte sich nicht mehr. Jetzt blickte sich Neire hastig um. Er zitterte am ganzen Körper. Er sah keine weiteren Gegner, doch er hörte die Stimmen und Schreie durch die Tunnel hallen. Sie würden kommen, sie hatten sie bemerkt, da war er sich sicher. Sie würden ihnen keine Gnade zeigen. Doch sollten sie fliehen? Welches Schicksal hielt Jiarlirae bereit?
Jenseher:
Sie waren tief in die fremden Hallen des riesigen Schlackeberges eingedrungen. Die Luft war warm und die beißende Asche raubte ihnen die Atemluft. Doch ihre Gebete, die sie als heilige Gesänge auf die alte Chaosgöttin angestimmt hatten, gaben Zussa, Bargh und Neire Kraft. Trotzdem wichen sie langsam zurück in den Tunnel, aus dem sie hergekommen waren. Neben dem ständigen Vibrieren des Untergrundes, konnten sie die rhythmischen Schritte hören, die sich mit dumpfen Rufen mischten. Sie ließen die letzte der großen, obsidianenen Säulen hinter sich. Das Gewölbe hatte enorme Ausmaße, so dass das rötliche Licht der Gasfackeln die Höhen über den Pfeilern nicht ausleuchten konnte. In der Ferne konnten sie noch die leblosen Körper der erschlagenen Riesen erkennen. Am Eingang des Tunnels kniete sich Bargh nieder und zog seinen Rucksack von den Schultern. Neire und Zussa kümmerten sich zuerst um die Wunden des Kriegers, dann um ihre eigenen Verletzungen. Als Bargh den Rucksack wieder schulterte, sahen sie die beiden Wachen der Riesen in den Saal vordringen. Es war ein älterer Krieger mit einem Speer, der von einem jüngeren Schwertträger begleitet wurde. Der Jüngere, bestimmt einen Kopf kleiner als der ältere Riese, begann mit seinem Schwert auf die toten Leiber zu zeigen und Entsetzen, vielleicht auch Furcht, war in seinen zusammengekniffenen, schwarzen Augen zu sehen. Der Ältere, der eine Rüstung aus Metallbändern trug, murmelte grimmige Befehle. Er versuchte zu flüstern, doch die Worte drangen dumpf und mahlend aus seinem Brustkorb. Der jüngere Riese, der keinen Helm trug und von dessen Kopf rötliches Haar hinabfiel, blickte sich nochmals hastig um. Die Dunkelheit um Bargh verschleierte aber ihre Umrisse und so setzten sich die beiden Wachen langsam in Bewegung. Angestachelt durch die Gebete und das jüngste Gemetzel drehte Bargh seinen von Asche und Schweiß bedeckten haarlosen Schädel zu Zussa und flüsterte: „Jetzt! Wir müssen zuschlagen. Sie haben uns nicht bemerkt.“ In Zussas grünen Augen war ein Funkeln von Wahnsinn zu erkennen und sie lächelte. „Lasst sie uns töten. Jiarlirae ist bei uns.“ Bargh stürmte bereits vor und begann die Kreaturen anzugreifen. Mit mehreren gezielten Schlägen machte er den alten Wächter nieder. Die Augen des jungen Riesens weiteten sich vor Furcht, als er den letzten Befehl des seines sterbenden Altvorderen entgegennahm und die Flucht ergriff. Bargh rammte ihm seine Klinge in den Rücken, doch der schwer verwundete junge Riese schleppte sich tapfer weiter. Dann wurde er rücklings von Zussas und Neires grausamer Magie getroffen. Jaulend und wimmernd hauchte er sein Leben aus. Bargh lachte tief auf und wollte sich gerade umdrehen, da stürmten zwei weitere Wachen aus dem zweiten Tunnel hervor. Beide hatten Speere, die sie zweihändig führten. Auch diese Wachen machten einen unerfahreneren Eindruck. Obwohl sie bereits muskulöse Körper besaßen, waren sie, mit einer Größe von vier Schritt, nicht ganz so imposant wie ihre ausgewachsenen Artgenossen. Sie hatten Bargh noch nicht bemerkt und starrten erstaunt auf die Leichen der Halle. In diesem Moment hörten sie alle die Stimme und konnten erkennen, dass auf der gegenüberliegenden Seite der Halle einer der Vorhänge zurückgezogen worden war. Dahinter war eine Gestalt erschienen, die die Größe der männlichen Exemplare hatte. Grau-dunkle Haut hing in Falten hinab und wurde größtenteils von Wildlederfällen überdeckt. Der Kopf der Riesin starrte Zussa hasserfüllt und dümmlich aus dunklen Schweinsaugen an. Verfilzte rötliche Haare standen vom hässlichen Schädel ab, auf dem Geschwüre zu sehen waren. Die Brüste der Gestalt baumelten offen und obszön zwischen den Fellen. Die Brustwarzen waren jedoch auf Bauchhöhe zu sehen. Die Riesin bellte Kommandos in Richtung der beiden Wachen, bevor sie sich hinter den Vorhang zurückzog. In den Augen der beiden jungen Krieger war jetzt eine Furcht zu sehen, als sie sich umblickten. Dann begannen sie sich in den Tunnel zu laufen. „Zussa, Neire, folgt mir. Sie ergreifen die Flucht, um vielleicht Verstärkung zu holen.“ Die Worte von Bargh drangen durch die Halle. Der Krieger setzte sich augenblicklich in Bewegung und blickte sich nicht um. Bargh wusste, dass er sich auf seine beiden Mitstreiter verlassen konnte. So stürzte er hinein in den langen Säulengang. Beide Krieger hatten sich noch nicht umgedreht. Bargh fiel ihnen in den Rücken und stieß mit seinem Schwert zu. Doch er hatte seine Geschwindigkeit unterschätzt. Sein Schwertstreich ging ins Leere und er stolperte – drohte gar auf seine Klinge zu fallen. Der Aufschlag war hart und sein Schwert wurde unter seinem Schild begraben. Er blickte auf und sah, dass eine der beiden Wachen sich jetzt umgedreht hatte. Der Riese blickte auf ihn hinab, doch er wollte nicht recht triumphieren. Zu verunsichert war er durch die aufgeschlitzten Leichen und die Worte der Frau. Bargh nutzte den Moment, richtete sich auf seinem Schild auf und schwang sein Schwert. Der erste Streich drang tief in das Bein. Der zweite Streich schlitzte den Bauch der Kreatur auf. Gedärme quollen hervor, als der Riese seinen Speer fallen ließ und versuchte wabernde rote Masse in den Körper zurückzudrücken. Doch er wurde schwächer, sein Blick glasig; dann brach er zusammen. Bargh lachte laut und zeigte auf den fliehenden Riesen. „Tötet ihn, zögert nicht. Er will vielleicht Hilfe holen.“ Nur einen Moment später drangen rötlich-glühende Kugeln in die Kreatur. Neire und Zussa ließen ihre Magie wirken. Die Gestalt schleppte sich tapfer weiter. Schritt für Schritt. Sie wurde von einer weiteren Welle arkaner Zaubermacht niedergemacht.
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„Dort! Die Spuren sind frisch und führen hinter diese Türe.“ Bargh, Neire und Zussa waren der hässlichen Riesin hinter den Vorhang gefolgt, den Bargh mit einem Schwerthieb waagerecht durchtrennt hatte. Dort hinter hatten sie einen hohen Gang entdeckt, der sie an mehreren Türen vorbeigeführt hatte. Bargh war fündig gewesen, als er nach Spuren gesucht hatte. So standen sie vor der einflügeligen Tür, hinter der sie gedämpfte Stimmen, ein Knurren und ein Hecheln hören konnten. Bargh nickte seinen Mitstreitern zu, dann riss er die Tür auf. Vor ihnen eröffnete sich ein weiterer hoher Gang, der, von rötlichen Gasfackeln erhellt, in einen größeren Raum führte. Am Ende des schwarzen Tunnels sahen sie mehrere schwarze Riesenhunde, deren Augen rötlich glühten. Aus ihren Nasen und Mäulern quoll dunkler Rauch. Hinter den Hunden waren vier große Riesen zu sehen, die Speere und Äxte trugen. Bargh schritt langsam in den Tunnel hinein. Die Hunde warteten nicht auf ihr Kommando, sondern stürmten bereits auf ihn zu. Doch die Luft vor ihm wurde plötzlich von einem hochfrequenten Fiepen durchzogen. Er sah, dass Neire neben ihn getreten war. In einem waagerechten Strahl, der von Neire ausging, flimmerte die Luft. Die Welle erreichte augenblicklich die Feuerhunde. Es waren die Geräusche von kackenden Knochen und zerfetzter Haut zu hören. Augen platzten auf und fünf der sechs Monstrositäten sackten tot zu Boden. Der letzte Hund schleppte sich auf gebrochenen Pfoten weiter voran. Als er Bargh erreichte, tötete er die Kreatur mit einem Hieb. Jetzt stürmten die Riesen näher. Wut war in ihren Augen zu erkennen, doch auch eine Vorsicht, wie auch ein ungläubiger Hass. Bevor die Krieger reagieren konnten, zog Zussa ihren Stecken und ihre Gegner wurden in gleißendes, elektrisches Feuer gehüllt. Als der Blitz erstarb, schleuderte einer der Riesen seinen Speer nach Zussa, doch das gefährliche Geschoss schlug in eine Wand. Die Riesen erhöhten ihre Geschwindigkeit und stürmten auf Bargh zu. Noch einmal zuckte die Luft vor Bargh auf. Diesmal waren es elektrische Flammen aus einem invertierten, gänzlich schwarzen, Licht. Zwei der Riesen starben im Antlitz der Entfesselung blendender Macht. Den letzten beiden Wachen stellte sich Bargh im Nahkampf. Seine Klinge Glimringshert gebar Feuer und bevor sie ihn angreifen konnten, streckte er sie nieder. Bargh drehte sich lächelnd zu Neire und Bargh. Der Geruch von verschmortem Eisen und Fleisch zog durch den Tunnel. Doch wo war die hässliche Riesin? Sie musste sich hier verstecken. Bargh bewegte sich vorsichtig voran. Er kontrollierte sein Keuchen. Der Raum, der sich dort auftat war mit vielen noblen Fellen eingerichtet. Auf einer Anhöhe aus Stein war eine Reihe verschiedenster Schädel aufgebaut. Bargh sah keine Bewegungen oder sonstige Lebenszeichen. Seine wachsamen Augen konnten jedoch eine versteckte Türe entdecken. Sie befand sich im linken Teil der Wand. Er bewegte seine Schritte zu diesem Bereich und drehte sich zu Neire und Zussa um, nachdem er den Boden betrachtet hatte. „Schaut! Die Spuren dieses wandelnden Abschaumes. Sie verschwinden an dieser Wand. Es zeichnet sich eine Türe ab.“ Bargh betrachtete seine Mitstreiter. Zussa warf ihr rotes Haar zurück und lächelte boshaft-verrückt. Neire hatte seinen Tarnmantel zurückgezogen und strich sich die gold-blonden Locken aus dem von Asche verschmiertem Gesicht. „Worauf wartet ihr noch Bargh. Sie soll uns nicht entkommen.“
Jenseher:
Alles war so schnell gegangen. Sie hatten nicht lange verweilt, in dem fürstlichen Gemach. Die hohe Halle, ausgelegt von noblen Fellen, war vom Geruch des Todes erfüllt gewesen. Als Bargh die geheime Türe geöffnet hatte, hatte Neire Zussa die Worte zugeflüstert: Wo die hässliche Riesin wäre; dass diese mit ihr hätte spielen wollen; ob denn Zussa auch mir ihr spielen wolle? Daraufhin hatten sie ein fernes Geräusch aus dem Tunnel gehört, der sich hinter der geheimen Türe auftat. Sie alle waren hastig gefolgt. Zussa hatte auf Neires Aussage hin verrückt gekichert und fratzenhaft ihre Augen verdreht. So waren sie schließlich um eine Ecke gestürzt, hinter der sie das Licht des Thronraumes durch eine weitere, halb geöffnete, Geheimtüre sahen. Die dumpfen, stapfenden Schritte der hässlichen Riesin waren jetzt deutlich zu hören. Ihr Keuchen hallte wider, als sie über den karmesinroten Marmorboden des Thronbereiches stolperte. Bargh stürmte ihr mit schweren, metallenen Schritten seiner Panzerrüstung hinterher. Die fast fünf Schritt große Gestalt blickte sich jetzt um. In ihren schweinsartigen Augen ihres, sich rattenhaft zuspitzenden Gesichtes war eine Art Furcht zu sehen. Große hässliche Warzen bedeckten die aschgraue Haut ihrer linken Gesichtshälfte und verfilzte rötliche Haare standen vom Schädel ab. Ihr disproportioniert-großer Schädel wendete sich jetzt wieder in Richtung Halle. Als wollte sie dort etwas ergründen. Nur einen Augenblick später hatte Bargh die Riesin eingeholt. Er hieb mit Glimringshert auf ihre Wade und die Klinge brachte einen Schweif von Feuer und aufgehacktem, verkohltem Fleisch. Ein Wimmern ging von der Riesin aus, die ihre Schritte verlangsamte und sich humpelnd umdrehte. Sie war in verschiedenste Felle gehüllt und trug einen silbernen Streitkolben, mit ovaler, dornenbesetzter Spitze. Trotz der Angst in ihren Augen war dort auch Hass zu sehen. Bevor Bargh seine Klinge ein weiteres Mal heben konnte zischelte Neire. „Wartet Bargh. Wartet auf meinen Befehl. Vielleicht will sie ja doch mit Zussa spielen.“ Bargh duckte sich hinter sein Schild und um ihn herum waberte die Dunkelheit. Sie alle sahen, wie die Riesin zitternd den silbernen Streitkolben aus ihrem Gürtel zog und zum Schlag ausholte. Tränen der Verzweiflung - oder war es Hass – rollten lautlos über ihre Wangen hinab.
Neire schälte sich hervor aus den Schatten. Er griff mit den Händen nach dem Mantel. Wie als ob sich ein Portal öffnen würde, wich die Düsternis. Hervor streckte er seinen gold-blonden Lockenschopf, der von der silbernen, schlanken Krone mit dem walnussgroßen, bläulich-schimmerndem Diamanten geschmückt wurde. Er kümmerte sich nicht um sein ascheverschmiertes Gesicht. Er lächelte die Gestalt an, als er sich verbeugte. Er blickte hinweg über ihre Hässlichkeit. Über die Warzen und Geschwüre. Über den disproportionierten Schädel und die verschrumpelten Brüste, deren Brustwarzen dort unanständig auf Bauchhöhe hinabbaumelten. Als Neire sich wieder aufrichtete, war die Welt um ihn herum in einen blutroten Glanz gehüllt. Er spürte den Klang seiner zischelnden Worte, als er im alten Reimschema der Yeer’Yuen’Ti zu ihr sprach. Er benutze die Zunge der gemeinen Menschen und hoffte, dass sie ihn verstand. „Haltet ein oh edle Riesin. Ihr müsset doch von edlem Blute sein. Es ist offensichtlich. Ihr müsset nicht sterben.“ Die verletzte Gestalt entspannte sich zunehmend, als sie fasziniert in Neires Augen blickte. Sie wählte ihre Worte so, als würde sie hier und dort suchen. Als würde ihr die Sprache nicht vollkommen bekannt sein. „Ja, ich Königin. Ich Königin Hulda.“ Neire verbeugte sich ein weiteres Mal. Dann zeigte er mit seinem von dunklen Brandwunden vernarbten Arm auf die fettleibige Leiche des Riesen, den sie auf dem Thron hatten sitzen sehen. „Ihr müsst wissen, wir sind eure Freunde und wollen euch nicht wehtun. Ihr seid verraten worden von diesem dort.“ Königin Hulda folgte der Richtung von Neires Fingerzeig. Dann wandelte sich ihr Gesicht in ein niederträchtiges Grinsen, das ihre fauligen Zähne offenbarte. „Haha, er nicht mich verraten. Er viel zu dumm, viel zu fett. Er dort, fett und dumm, mein König.“ Neire sprach jetzt mit Engelszungen, als er sich leichtfüßig auf Königin Hulda zubewegte. „Und wie ist der Name eures einst wundervoll fetten und dummen Gemahls?“ Hulda hatte ihren Streitkolben in den Gürtel gesteckt und beugte sich zu Neire hinab. Es gab ein seltsames Bild vor dem Thron, vor den dunklen obsidianenen Säulen, als die hässliche Riesin von imposanten Ausmaßen zu dem zierlichen, schönen Jüngling sprach. „Sein Name… Dunrok Isenbuk. Er fett… ja, er dumm… ja, aber er stark. Er guter und großer Krieger, ja!“ Königin Hulda lachte hinterlistig, blickte aber hin und wieder ängstlich in Richtung Bargh. Neire dachte nach. An das Portal, durch das sie gekommen waren. An die älteren Spuren im Gletscher des Jarls, die sie in der Nähe des Portals gefunden hatte. „Königin Hulda. Ihr müsst sicherlich weise sein. Sagt, hattet ihr Besucher in euren Hallen? Hattet ihr Besucher in letzter Zeit?“ Hulda nickte vehement, bevor sie antwortete. „Ja, Besucher waren hier. Besucher sind hier.“ „Und wer hat euch besucht in eurem Palast, oh Königin Hulda?“ Königin Hulda hatte ihr niederträchtiges Grinsen abgelegt, doch ihre Gedanken schienen zu wandern und sie kniff die Augen zusammen. „Kleine Riesen Besucher hier. Kleine Riesen, dumm und fett. Denken, sie wären stark, aber nein. Sie nicht stark. Sie nur viele. Sie kamen aus den kleinen Bergen.“ Königin Hulda sprach jetzt schneller, als wolle sie ihrem neuen Freund ihre Sichtweise auf die jüngeren Entwicklungen darlegen. „Da waren auch große Riesen. Kalte Riesen. Sie aus hohen Bergen, aus kalten Bergen. Sie groß und stark, aber dumm.“ Neire nickte anerkennend und fragte. „Diese Riesen. Sind sie noch hier oder haben sie euch wieder verlassen?“ „Nein und ja. Dumme, fette, kleine Riesen weg. Kalte Riesen noch hier, sind Besucher.“ Neire untermalte seine nächste Frage mit pantomimischen Gesten eines Gelages. „Und eure Gäste. Feiern sie Feste mit euch?“ Königin Hulda schien zu überlegen, schüttelte dann aber den Kopf. „Nein, feiern keine Feste. Oh nein! Sie hier, empfangen Befehle. Bauen Armee, dann angreifen. Sie erhalten Bezahlung. Wir erhalten Bezahlung. Gute Bezahlung. Die aus dem Dunkeln. Sie auch hier. Auch Gäste. Sie zahlen gut. Sie sehr klein, aber sehr schlau. Sie so klein wie ihr.“ Sie schaute dabei Zussa und ihn an. Nur als ihr Blick Bargh streifte, verzog sie wieder ihr Gesicht. Neire ahnte bereits, was mit den Wesen aus der Dunkelheit gemeint war. „Sind es Dunkelelfen? So werden sie genannt. Sie kommen aus der großen Tiefe. Der ewigen Nacht dort unten. Sagt euch der Name Eil’serv etwas?“ Falten bildeten sich im hässlichen Gesicht von Hulda, als sie ihren Kopf schüttelte. „Wem dienen sie? Dienen sie der Spinnengöttin?“, fragte Neire, während er Bargh und Zussa immer wieder Blicke zuwarf. „Nein, Spinnengöttin, dienen nein. Sie dienen anderem Gott. Gott kein Name.“ Neire erinnerte sich zurück an das, was er über das Haus Eil’serv gehört hatte. Erneut fragte er Hulda. „Sagt, Königin Hulda, dienen sie dem elementaren Gott?“ Jetzt verengten sich Huldas Augen und sie nickte vehement. Doch sie schaute sich misstrauisch um, als sie flüsterte. „Ja, Elementegott, sie dienen.“
Sie hatten sich weiter mit Hulda unterhalten und sie nach ihren Gemächern gefragt. Hulda hatte bereitwillig geantwortet und sich bereiterklärt sie dort hinzuführen. Sie hatte ihnen auch von ihren Mägden erzählt, die dort wachen würden. Ihr Weg hatte sie durch die noch ungeöffnete Tür, hinter dem von Bargh durchschnittenen Vorhang geführt. Nachdem Hulda das hohe Portal geöffnet hatte, sahen sie jetzt einen weiteren, von Gasfackeln erhellten, Gang. Allerlei Kisten und Säcke standen hier herum. Vier weibliche Riesen hatten sich im Gang aufgebaut und erwarteten sie mit gezogenen Schwertern. Die Mägde waren muskulöser als Hulda, trugen lederne Harnische wie Kleider und blickten misstrauisch sowie fragend in Huldas Richtung. Zwei der Kriegerinnen besaßen langes, wallendes, rot-blondes Haar, während die beiden anderen kurze schwarze Haare hatten. Gerade als Hulda ihre Hand beschwichtigend erhob, zischelte Neire die Worte. „Hulda, sie respektieren euch nicht mehr. Befehlt ihnen sich niederzuknien und ihre Waffen zu senken.“ Hulda nickte und bellte fremde, barsche Worte. Eine der Riesinnen zögerte zwar, aber dann knieten sie alle nieder und steckten ihre Waffen in ihre Scheiden. Neire zeigte auf die zögernde Kriegermagd und sprach: „Diese, sie hat euch verraten. Geht, Königin und tötet sie. Ihr müsst es tun.“ Wieder spürte Neire die Macht der Augen des Jensehers, als sich Hulda in Bewegung setzte. Sie zog ihren Streitkolben, doch ihre Untergebenen blickten zu Boden. Als Hulda vor der knieenden Riesin ankam, holte sie aus und hieb auf den Kopf. Es gab ein Knacken von Knochen und Blut spritzte auf, als der Streitkolben auf den Schädel prallte. Hulda schlug noch ein weiteres Mal zu, bevor ihre Mägde reagieren konnten. Doch war es ihre verbliebene Kraft – ein letzter Funken eigenen Willens - mit der sie den Schlag in Leere lenkte? Hulda stolperte und mit der Wucht ihrer übermenschlichen Stärke rammte sie sich Streitkolben in ihr noch nicht verletztes Bein. Die Wunde war grausam und reichte bis auf das Schienbein. Hulda begann zu schwanken und brach im Tunnel zusammen. Jetzt stürmten Bargh und Zussa nach vor und vollbrachten ihr blutiges Werk. Keine der Mägde sollte leben.
Sie hatten nach dem kurzen und blutigen Kampf gegen die Mägde die Wunden der Königin verbunden. Dann hatten sie sie auf ein Bett gezogen, obwohl Zussa maulend widerspenstige Worte von sich gegeben hatte. Nachdem sie die Gemächer der Mägde und der Königin nach Schätzen durchsucht hatten, hatten sie die Königin nach dem Gemach ihres Gemahls und seinen Schätzen gefragt. Die Königin war jedoch kaum aus ihrem Koma erwacht, hatte unverständliche Worte gemurmelt und mit ihrem Arm in die Richtung der mit Fellen ausgelegten Halle gezeigt. Auf dem Weg dorthin hatte Zussa dann leise grollende Stimmen und Schritte gehört, die aus dem Bereich der Thronhalle kamen. Sofort flüsterte Zussa: „Neire, Bargh, ich höre Stimmen aus der großen Halle. Seid vorsichtig.“ Zussa sah, dass Bargh augenblicklich reagierte. Er drehte sich um, hob sein Schild und sein dunkles Schwert und schritt in die Richtung des Geräuschs. Sie folgte Bargh. Auch Neire schloss sich ihnen an. Als sie das Loch im Vorhang erreichte, sah Zussa, dass aus dem gegenüberliegenden Tunnel fünf Riesen in die Halle vordrangen. Im Licht der Gasfackeln war die aschgraue Haut der Kreaturen zu erkennen, die etwa fünf Schritt aufragten und in metallene Bänderpanzerrüstungen gekleidet waren. Doch Zussa bemerkte, dass hier etwas anders war. Die vorderen drei Riesen bewegten sich in einer Art Formation. Zu jeder Seite flankierte ein Krieger den Trupp mit einem Schild. Hinter den drei Vorderen, gingen zwei größere und ältere Riesen, die mit langen Speeren und grausamen Schwertern bewaffnet waren. Die beiden Älteren trugen zudem eine kupferne Symbolik aus metallenen Bändern am Gürtel, die vielleicht ihren Rang kennzeichnete. Zussa konnte erkennen, dass der Dreiertrupp auf den Leichnam ihres toten Königs Dunrok Isenbuk zugegangen war. Sie hörte ein Gemurmel und konnte Gesichter erkennen, in denen sich ein erschrockenes, aber kontrolliertes Grauen abspielte. Zussa wollte gerade reagieren, da hörte sie Neire zischeln, dass sie auf sein Zeichen warten sollen. Sie konnte Neire nicht sehen, doch sie spürte ihn an ihr vorbei und in die Halle schleichen. Nur kurz musste sie warten, dann hörte sie ein Kreischen in der Luft, das sich durch die Halle ausbreitete und sich deutlich von dem ständigen Vibrieren im Stein abzeichnete. Der Dreiertrupp wurde von der Welle von Macht erfasst, die Neire dort beschworen hatte. Jetzt trat Bargh in das Loch des Vorhangs und brüllte Verwünschungen. Der Dreiertrupp und einer der Lanzenträger setzten sich augenblicklich in Bewegung. Der fünfte schaute sich suchend um. Auch Zussa sah die Feinde, die sich auf Bargh zubewegten. Vier gegen einen, dachte sie sich. Ich muss die Kraft der Göttin beschwören. Ich muss Jiarlirae anflehen. Zussa fing an zu beten. Sie begann die Kräfte von Flamme und Düsternis zu bündeln. Sie spürte die Geheimnisse des Abgrundes, zum Greifen nahe. Dann waren die Riesen vor Bargh und griffen an. Alles um Zussa herum versank in einem Gewühl von Chaos und Blut. Vor sich sah sie Bargh immer wieder zuschlagen und sein Schild erheben, um Angriffe abzuwehren. Zwischen den Angriffen und in das Gemetzel hinein, zuckten die magmahaften Flammen von Neires grausamer Magie. Und Zussa wusste, dass sie Bargh beistehen musste. So hob sie grimmig ihren Stecken mit dem glühenden Kristall. Sie beschwor Blitze und glühende Geschosse. Denn der dunkle Krieger vor ihr wurde von schmetternden Hieben verwundet. Hiebe, die einen normalen Menschen getötet hätten. Doch Zussa frohlockte als Bargh sich immer wieder erhob, wenn er getroffen wurde. Er war kein normaler Mensch. Er war Bargh, der unheilige Ritter ihrer Herrin, er war über die Ebenen gereist und er hatte Dämonenfürsten gedient, er trug die Klinge Glimringshert, er brachte Feuer und Düsternis, er war der Drachentöter.
Jenseher:
Sie drangen tiefer vor in die schwelende Hitze des rumorenden Schlackebergs. Die Wände flimmerten und Schweiß lief ihnen in ihre Augen. Bargh hatte die Tür in den geheimen Tunnel hinter Zussa und Neire verschlossen, nachdem er ihre Spuren verwischt hatte. Sie wussten, dass sie hier ein besonderes Geheimnis entdeckt hatten, waren sie doch von einem versteckten in einen geheimen Bereich gelangt. Der Tunnel vor ihnen war in vollständige Dunkelheit gehüllt. Sie sahen in einiger Entfernung übergroße Stufen in die Tiefe hinabführen. Bargh war wieder vorgegangen und kniete sich nieder, um auch diesen Ort nach Spuren abzusuchen. Neire und Zussa horchten. Dann erhob sich der zweieinhalb Schritt große unheilige Krieger und murmelte leise Worte: „Spuren führen hier hinein und heraus. Große Stiefelabdrücke, wie von diesem König Dunrok. Doch ich habe auch andere Spuren gefunden. Sie deuten auf ein vierfüßiges Wesen mit Krallen hin.“ Bargh bewegte sich jetzt leise und vorsichtiger vorwärts. Auch Zussa und Neire war eine gewisse Anspannung anzusehen. Dann strich sich Zussa ihr schweißdurchtränktes, rot-gelocktes Haar zurück, um abermals ihr Ohr freizumachen. „Bargh, Neire, hört ihr das?“ Flüsterte sie. „Es ist ein Kratzen auf Stein, aus weiter Ferne.“ Sie schritten vorsichtig den Tunnel entlang und die Stufen hinab. Jetzt hörten alle die Geräusche. Vor ihnen eröffnete sich eine hohe natürliche Höhle. Von hier und dort hörten sie ein Zischen, wie von Gas, doch das Kratzen und Knirschen von Zähnen war laut zu hören. Hinter einer Ecke und in einem kleineren Seitentunnel sahen sie das monströse Wesen, das dort mit dicken eisernen Ketten an die Wände gefesselt war. Die Kreatur bewegte sich auf vier muskulösen, angewinkelten Beinen und hatte einen Körper von fast neun Schritt Länge. Es besaß Tatzen-artige Füße, messerscharfe Krallen und ein braun-rotes Fell. Metallbänder schnürten den Torso ein und bereiteten der Kreatur sichtlich Schmerzen. Aus dem Rumpf erhoben sich eine Vielzahl von Hälsen, acht an der Zahl, die in Drachenköpfen endeten. Als ob die Köpfe sich selbst verspeisen wollten, schnappen sie nach ihresgleichen. Nachdem Bargh die Kreatur sah, zögerte er keinen Moment. Er hob Glimringshert und stürmte auf das Wesen zu. Einige Köpfe drehten sich zu ihm herum und begannen zu fauchen. Bargh erblickte ein glühendes Inneres aus dem Rauch aufstieg. Dann hob er sein dunkles Schwert und bedrängte die Kreatur. Die Schatten blutende Klinge fuhr durch die Luft und brachte das Feuer seiner Herrin. Ein Regen von Blut benetzte sein Gesicht, als er vier Hälse abtrennte. Dort, wo sein Schwert gewirkt hatte, wuchs augenblicklich Narbengewebe nach und begann die Blutung zu stoppen. Bargh holte ein zweites und ein drittes Mal aus. Mit jedem Hieb trennte er zwei weitere Hälse vom Rumpf. Das Brüllen der Kreatur fand ein jähes Ende, als die zwei letzten Köpfe auf den Boden fielen. Wellen von Zuckungen gingen noch über den Leib, als wollte dieser davonlaufen. Doch die Bewegungen waren unkoordiniert und erstarben. Dann sackte der gewaltige Leib in sich zusammen. Bargh keuchte auf und kniete sich nieder. Er hörte die Stimme von Neire hinter ihm. „Jiarlirae ist groß und wird euch mit Geheimnissen beschenken. Eure Taten sind groß, Bargh. Seht ihr nicht das Glitzern aus der Höhle? Die Truhen? Es sind die Schätze von Dunrok Isenbuk.“
Bargh ächzte. Er zog sich den letzten der langen Dolche aus seiner Seite. Er spürte die Wirkung des Pergaments, das ihm Neire geben hatte. Die dunklen Ränder an den Dolchen deuteten auf ein getrocknetes Gift hin, doch die alten Worte, die er auf dem Schriftstück gelesen hatte, bewahrten ihn vor Schlimmerem. Bargh richtete sich langsam auf. Es war die letzte Truhe, die er geöffnet hatte. Dort waren beim Öffnen die Dolche hervorgeschossen. Zuvor hatte er seinen beiden Begleitern gesagt, sie sollten Abstand von ihm nehmen. Dann hatte er sich den Kisten gewidmet. Er hatte sich hinter die Truhen postiert und sie rücklings geöffnet. Ein alter Lehrmeister hatte ihm einst diese Herangehensweise verraten. Bargh verwarf die Gedanken an den Lehrmeister. Mochte er doch in der Hölle verrotten. „Es ist die letzte Truhe. Sie ist geöffnet. Kommt her und schaut sie euch an. Es droht keine Gefahr mehr.“ Bargh rief in das dunkle Gewölbe hinein und schon kam Neire herbeigelaufen. Zussa spielte weiter gelangweilt und drehte mit staksigen Schritten Kreise. Sie sprach dabei Worte, die er gegen das dumpfe Rumoren und das Zischen hören konnte. „Ja, Bargh der Drachentöter. Jaja. Hat sich geopfert und alle Truhen geöffnet. Sehr fein. Und jetzt sind wir alle sicher, sooo sicher.“ Bargh knirschte mit den Zähnen. So sehr er das hübsche Bauernmädchen mit den Sommersprossen und den grünen Augen auch mochte, so wenig mochte er ihre jugendlichen Gefühlsanwandlungen. Wieder dachte Bargh zurück. Wie sie das geköpfte Wesen gehäutet hatten. Wie Neire ihm dabei geholfen hatte. Zussa war bereits dort ziellos durch die Höhle geschritten und hatte gebetet. Daher hatte er sich nicht um sie gekümmert. Doch jetzt begann sie wieder Luftlöcher zu starren. „Zussa, Mädchen! Kommt verdammt nochmal her. Hattet ihr nie einen Lehrmeister?“ Er sah, dass Zussa aufhorchte und gespielt widerwillig zu ihnen kam. „Ja, jetzt wo ihr fragt Bargh. Ich hatte einen Lehrmeister. Sein Name war Hilbart. Er konnte mir nicht viel beibringen, nur Lesen und Schreiben… Doch er schlug mich immer mit seinem Stock, dieser Bastard.“ Bargh musste grinsen, als er für einen Augenblick seine Gedanken schweifen ließ. Er sah Hilbart vor sich. Wie er knallend und klatschend den Stock auf Zussas nackten Hintern schnellen ließ. Er musste auflachen, doch da waren wieder die Schmerzen an seiner Seite. Als ob Zussa seine Gedanken ahnte, verzog sie das Gesicht. „Aber wieso wollt ihr das wissen, Bargh?“ „Ein Lehrmeister hat euch anscheinend noch nie Zucht und Ordnung beigebracht. Was sind schon ein paar Stockschläge, eh? Nichts im Vergleich zu dem, was ich durchgemacht habe.“ Bargh sah, dass auch Neire jetzt in sein Lachen einfiel. Der Jüngling richtete sich von der Truhe auf und warf die gold-blonden Locken zurück. „Es muss euch wahrlich gereizt haben, Bargh. So wie ihr mit ihm geredet habt in der Adlerfeste – ja gereeedet…“ Neire verzog beim letzten Teil des Satzes spöttisch das Gesicht und machte die Bewegung des tödlichen Schwertstoßes mit seinem eleganten Degen nach. „Aber Bargh, davon habt ihr mir noch nichts erzählt, davon weiß ich ja noch nichts. Wer war euer Lehrmeister? Was hat er mit euch gemacht? Was habt ihr mit ihm gemacht?“ Jetzt zog Neire Zussa näher und zeigte ihr die Truhe. Das Lächeln in dem von Asche besudelten Gesicht des Jünglings war tief und innig. Es ließ selbst Zussa erröten. „Das ist eine Geschichte für einen anderen Tag, meine liebe Zussa. Schaut was wir hier gefunden haben. Was für Kostbarkeiten dies sind. Jiarlirae hat uns nicht umsonst hierhin geführt.“ Bargh bemerkte, dass Zussa erst jetzt das Glitzern von Juwelen, von Gold und von Silber wahrnahm. So lachten und so scherzten sie, als Zussa ihnen weitere Geschichten erzählte. Geschichten von ihrem alten Lehrmeister. Gemeinsam brachten sie die Schätze in Ortnors altes extradimensionales Versteck. Bargh jedoch dachte an den Tempel des Jensehers. An die Aufgabe die vor ihnen lag. Und er dachte an Halbohr. Er zweifelte an den Worten des Söldners. Doch Neire hatte bis jetzt in allem Recht gehabt und er hatte sich vielleicht getäuscht in dem grimmigen, einohrigen Elfen.
Sie hatten danach den geheimen Bereich des Königs Isenbuks verlassen und waren in sein Gemach zurückgekehrt. Gerade als Bargh die Tür zugezogen hatte, war Neires Stimme zu vernehmen gewesen. „Bargh, Zussa! Geräusche… Schritte, die sich entfernen.“ Wie aus dem Nichts ragte plötzlich der von Brandwunden gänzlich entstellte linke Arm Neires hervor. Der Jüngling zeigte auf den Ausgang des von Gasfackeln erhellten Gemachs. Bargh war dann vorangestürmt, mit gezogenem Schwert. Neire und Zussa waren ihm gefolgt. Sie alle hörten, dass die fliehenden Schritte schneller wurden. Als sie um eine Ecke bogen, sahen sie die Umrisse einer Gestalt, die sich durch das Loch im großen roten Vorhang bewegte. Bargh beschleunigte seine Schritte nochmals. Als er sich unter dem Vorhang hinweg duckte, konnte er erkennen, dass die Gestalt langsamer wurde. Zwischen den Leichnamen der großen Halle kam sie zum Stehen. Sie drehte sich zu ihm und erhob ihre Hände. Im Vergleich zur Größe des Gewölbes, den obsidianernen Säulen und den sich türmenden Leibern der toten Riesen kam sie Bargh klein und zerbrechlich vor. Von der Größe eines heranwachsenden Kindes, war die Frau, gehüllt in dunkle, enge Leder- und Stoffkleidung. Hier und da ließen Aussparen vernarbtes Gewebe erkennen. Ihr hübsches Gesicht war rundlich und von aschgrauer Haut. Rötliche Augen musterten Bargh wachsam, aber nicht ängstlich. Sie trug einen Gürtel mit einem Wappensymbol und ein vernarbtes Zeichen im Fleische ihrer Schulter. In der rechten Hand hielt sie ein Langschwert, von dem Bargh einen rötlichen Schimmer um eine Linie von Ne’ilurum sehen konnte. Sie steckte ihr Schwert in die Scheide, die sie am Gürtel trug und hob ihre Hände. Als Bargh seine Schritte verlangsamte, begann sie zu sprechen. „Haltet ein Krieger. Ich bin euch nicht feindlich gesonnen.“ Bargh war von der Grobschlächtigkeit ihrer Stimme überrascht, die nicht zu ihrem Aussehen passte. Sie war mittlerweile in Reichweite seines Schwertes und er baute sich über ihr auf. „Was macht ihr hier in dieser Halle. Wer seid ihr? Sprecht oder sterbt durch mein Schwert!“ Neire und Zussa waren jetzt zu ihm aufgeschlossen, aber die Fremde betrachtete Bargh mit einem Lächeln. „Ihr seid ein prachtvolles Exemplar eines Männchens.“ Als Bargh bedrohlich sein Schwert erhob, führte sie hastig aus. „Mein Name ist Triel da'Aleval, aus dem Haus Aleval. Ich bin als Kundschafterin gekommen. Aber ich sehe, ihr habt es mir viel leichter gemacht, wenn ihr diese Riesen getötet habt.“ Jetzt trat Neire hervor und musterte Triel mit einem Lächeln. Über seinen Augen war ein rötlicher Schimmer, als er die Kräfte des Jensehers beschwor. „Ich sehe, ihr seid allein hier, Triel Aleval. Doch ihr könnt uns vertrauen. Wir könnten eure Freunde sein, ihr müsst uns nur vertrauen.“ Eindringlich schaute er die fremde Frau an. Triel erwiderte seinen Blick, wie in einer Trance, doch dann schüttelte sie ihren Kopf. „Was immer ihr versucht, ihr solltet es lassen.“ Neire zischelte bei Triels Antwort boshaft und stampfte mit einem Fuß auf den Boden. „Ihr stellt uns keine Forderungen. Wieso sollten wir euch nicht töten? Hier und jetzt. Ihr gehört der verabscheuungswürdigen Rasse der Dunkelelfen an. Ihr betet zu schwachen Göttern.“ Auch Bargh begann sich bei Neires Worten wieder bedrohlich aufzubauen. „Sagt es nur Neire, gebt nur den Befehl und ich werde sie hier und jetzt ausweiden.“ Zussa begann in diesem Augenblick zu lachen und erntete einen tiefbösen Blick von Triel. „Wartet, ihr müsst das nicht tun. Unsere Wege führen uns vielleicht in die gleiche Richtung. Zumindest eine Zeitlang. Wäre es nicht unsinnig, sich nicht gegen diese Kreaturen zusammenzuschließen?“ „Wem dient ihr. Wer ist eure Herrin? Welchen Göttern huldigt ihr. Ist es die Spinnengöttin?“ Neire zischelte die letzten Worte mit starkem Nebelheimer Singsang. Es dauerte einen Augenblick bis Triel antwortete. Ihre Bewegungen und Sprache wurden mechanisch. Sie legte den Kopf schief und brachte einen monoton gesprochenen Satz hervor. „Ich diene nur meiner Herrin, der Matriarchin von Aleval. Ich diene nur Matriarchin Xune da'Aleval.“ Neire war erbost über diese Antwort und starrte Triel hasserfüllt an. Das Schweigen, das in dem riesenhaften Gewölbe herrschte, wurde durch die Stimme von Zussa durchbrochen. Das Mädchen, das um einiges größer als die Dunkelelfin war, bewegte sich auf Triel zu und zeigte auf ihr Gesicht. Zussa versuchte dort die Haut von Triel zu berühren. Als wolle sie fühlen, ob diese echt wäre. „Schaut, sie hat diese seltsame schwarze Haut. Als ob sie sich mit Farbe angemalt hätte. Wie dieser Atahr damals. Wie habt ihr das gemacht Triel? Was ist das für eine List?“ Sie hörten ein Zischen, als Triel den Arm von Zussa zurückstieß und antwortete. „Lasst das Mädchen. Was tut ihr überhaupt hier? Wie viele Winter habt ihr schon erlebt?“ Zussa trat zurück bei der Frage und zog einen Schmollmund. Sie murmelte leise Verwünschungen. „Sie will nur mit euch spielen Triel. Und ihr solltet sie lassen. Denn oftmals täuscht der äußere Eindruck. Nur eines ist sicher… es ist immer die eigene Schuld, nicht Jiarlirae zu dienen.“ Wieder war da diese mechanische Antwort, die Triel emotionslos abspulte. „Ich diene meiner Matriarchin. Sonst niemandem.“ „Dann dient ihr eben, verdammte Hexe. Ihr werdet es schon sehen. Ich werde sie aufschlitzen und in ihrem Blut baden. Wen ich meine? Wer es sein wird? Wer weiß das schon?“ Zussa blickte boshaft in Richtung Triel und fauchte die Worte in sichtlicher Erregung. Jetzt mischte sich Bargh wieder ein und seine Stimme schwoll, tief und laut: „Schluss mit dem Ganzen. Schluss mit den Drohungen. Entweder wir knüpfen sie jetzt auf oder wir lassen es. Gehen wir nach links oder gehen wir nach rechts… der Spaß endet hier und jetzt: Entscheidet!“
Barghs Worte hatten Wirkung gezeigt. Zussa und Neire hatten ihre kindischen Drohungen und Schmähungen eingestellt, doch Zussa hatte kein Wort mehr gesagt. Als Triel sie abermals nach den getöteten Riesen gefragt hatte und eine Anspielung auf ihre Taten in der Halle des Nomrus und den Eishöhlen des Gramnir gemacht hatte, hatte Neire das weitere Gespräch unterbunden. Barsch hatte er auf die Geheimnisse von Jiarlirae verwiesen und erwähnt, dass er der einzige Prophet der Schwertherrscherin auf dieser Welt wäre. Zudem hatte Neire wieder versucht Triel zu beleidigen. Er hatte die dunkelelfischen Götter verspottet und vom ewigen Ruhm Nebelsheims erzählt, dass vor Äonen den Krieg gegen das Dunkelelfenreich gewonnen hatte. Nur auf den Blick von Bargh hin hatte Neire seine Rede beendet. Von Neire war dann aber der Vorschlag gekommen, die verletzte Königin Hulda aufzusuchen. Neire hatte darauf bestanden, dass Triel der Königin Fragen stellen solle. So waren sie in den Gang vor dem Gemach Huldas zurückgekehrt und hatten gesehen, dass die Königin noch immer auf einer der Pritschen ihrer Mägde ruhte. Neire hatte Hulda sanft geweckt und ihr freundliche Worte zugemurmelt. „Königin Hulda, schaut, wen wir euch mitgebracht haben. Habt ihr dieses Gesicht schon einmal gesehen, in diesen Hallen?“ „Nein, nicht gesehen. Doch sie… klein und dunkel, wie andere Gäste.“ Neire schaute Triel an und zwinkerte ihr zu. „Hätte die Königin etwas anderes gesagt… hättet ihr gelogen, wäret ihr jetzt schon tot.“ „Wieso sollte ich euch anlügen. Wieso sollte ich überhaupt lügen?“ antwortete Triel amüsiert. „Nun, Dunkelelfen lügen, das ist bekannt… So soll es also sein. Stellt eure Fragen an Königin Hulda. Doch adressiert sie mit dem größten Respekt.“ Triel verzog bei Neires Ankündigung das Gesicht, doch dann begann sie zu fragen. „Königin Hulda, eure Majestät, wie viele meiner Art sind eure Gäste und wo halten sie sich auf?“ Triels Grimasse hatte sich jetzt in ein Grinsen verändert, als sie, betont überzogen, die Königin adressierte. „Sie, wie ihr. Aus Dunkel, aus Immernacht. Sie unten, tiefer. Sie drei.“ „Sagt euch der Name Eilserv etwas, eure Majestät. Kennt ihr sie, die dem Gott des elementaren Bösen dienen?“ Huldas Gesicht hatte sich beim Namen Eilserv in Runzeln von alter Haut verwandelt. Doch als Triel das Wappen von Eilserv in die Luft zeichnete und vom Elementargott sprach, nickte Hulda. Wieder blickte sich die Königin der Riesen um und wählte ihre schwachen Worte betont leiser. „Ja, sie… haben dieses Zeichen. Sie dienen bösem Elementegott. Sie drei, sie in der Tiefe.“ „Königin Hulda. War bei den Dreien eine Dunkelelfin, die sich Eclavdra nannte?“ Erst schwieg Huldra, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Nein, keine Eclavdra. Nein.“ „So sagt mir meine Königin. Wofür die Krieger. Wofür zieht ihr in den Krieg? Was ist der Grund?“ Hulda fing bei dieser Frage an zu lachen. Ein Lachen, das schnell zu einem Röcheln erstarb, als sie schmerzhaft anfing zu husten und die Wunden an ihren Beinen betrachtete. „Krieger sammeln. Dunrok Isenbruk großer Anführer. Krieger Menschen schlachten. Menschen schwach. Krieger Dörfer schlachten. Drei aus Immernacht bezahlen… uns bezahlen. Bezahlen sie uns gut… bezahlen sie viel Gold.“ Jetzt war die Unruhe in Triels Augen zu sehen. „Aber wieso? Wieso bezahlen sie euch für diesen Krieg. Was ist der Grund?“ War es der fehlende Respekt gegenüber der Herrscherin oder die Frage, auf die Königin Hulda keine Antwort wusste? Das Lächeln auf dem Gesicht der Riesin erstarb, als sie ihren Kopf auf das Lager zurücksinken ließ und in einen tiefen Schlaf überging. Für einen Augenblick betrachteten sie die verletzte, hässliche Königin der Riesen, dann verließen sie das Gemach.
Jenseher:
Triel hatte die Tunnel erkundet, die unerforscht vor ihnen lagen. Die Dunkelelfin war lautlos in der Dunkelheit verschwunden. Sie war jedoch immer wieder zu ihnen zurückgekehrt und hatte von den Räumen berichtet, die sie erspäht hatte. Nachdem sie die kolossale Halle mit den Obsidiansäulen verlassen hatten, waren sie in eine Küche gelangt, die hastig verlassen worden war. Sie hatten dort ein Lager von Bier- und Weinfässern geplündert. Dann hatte Bargh Spuren von fünf Paar riesenhaften Stiefeln entdeckt, die in die von Gasfackeln erhellten Tunnel führten. Sie hatten sich daraufhin entschieden den Spuren zu folgen, um die Geflüchteten abzufangen, bevor sie um Hilfe erbitten konnten. Doch ihr Weg hatte sie tiefer und tiefer in den Schlackeberg geführt und schließlich waren sie an einen hohen Tunnel gelangt, der über Treppenstufen in das Untere führte. Hier hatten sie sich entschieden die Verfolgung aufzugeben und sich weiter den unerforschten Gemächern zu widmen. Bargh hatte, unter Berufung seines alten militärischen Wissens, darauf hingewiesen, dass sie sich den Rücken freihalten sollten. So waren sie durch Gemächer gelangt, die alle verlassen waren. Teils hatten diese Wohnhöhlen wohl zu Wachen gehört, teils zu Frauen und Kindern der Riesen. Alle waren entweder geflüchtet oder hatten sich ihnen im Kampf gestellt. Vor einer noch geschlossenen, sieben Schritt hohen Steintüre, hatte sie Triel dann zur Stille ermahnt. Sie hatte Geräusche gehört und sie flüsterte jetzt: „Dort hinter der Türe. Ein Hecheln und ein Schnappen. Ein Bellen und Knurren. Geräusche, wie von großen Hunden.“ Bargh blickte wortlos und grimmig in die Runde, während der dunkle Krieger Neire und Zussa zunickte. Dann begann er langsam das Portal aufzudrücken. Nur einen Augenblick war das Knirschen der Türe prominent, dann hörten sie alle die Geräusche dahinter. Es drang ihnen ein übler Geruch entgegen – von nassem Hundefell, dreckigem Stroh und von Fäkalien. Sie sahen einen sich verzweigenden hohen Gang. In der Dunkelheit waren riesenhafte spielende Hunde zu sehen, die sich ansprangen und mit ihren Zähnen fletschten. Rote Paare von Augen glühten in der Düsternis und Dampf drang aus ihren Mäulern. Die Kreaturen hatten das Geräusch vernommen und fingen wild an zu bellen. Ihr Spiel änderte sich augenblicklich in wilde Angriffslust, als sie über verwestes Fleisch und die Reste von Körperteilen hinwegsprangen. Bargh machte einen Schritt in den Raum und hob sein Schwert, die Meute erwartend. Dann erfror neben ihm die Luft und ein Kegel von Eis breitete sich aus. Neire, in der Dunkelheit nicht zu erkennen, hatte einen Spruch einer Schriftrolle aus dem Schatz von Dunrok Isenbuk rezitiert. Das Jaulen des Teils der Meute, die sich für den linken Gang entschieden hatte, schwoll für einen Moment, doch dann brachen die Tiere zu Boden; wurden dahingerafft von der immensen Kälte. Als der zweite Teil des Rudels im rechten Tunnel auftauchte, wurde in der Dunkelheit ein weiteres Portal aufgestoßen und in dem Licht des dahinterliegenden Gemachs tauchte eine fast fünf Schritt große Gestalt auf. Gekleidet in einen Waffenrock, war ihr nackter Oberkörper zu sehen, unter dessen Fettmassen sich Muskelberge zogen. Verfilztes, langes rotes Haar fiel abstehend von einem grobschlächtigen Gesicht aschgrauer Haut. Die Gestalt trug eine Peitsche in der rechten Hand, durch deren Leder rostige Nägel getrieben waren. Sie blickte ungläubig auf die bellende Meute, unfähig die Dunkelheit um den unheiligen Krieger zu durchdringen. Dann führte sie ihre linke Hand an den Mund und blies in eine kleine Pfeife. Ein hoher Ton schallte durch das Gemach und die zotteligen schwarzen Bestien verlangsamten ihre Schritte. Doch nur für einen Augenblick, denn sie hatten ihre Beute gewittert und hörten nicht auf ihren Herren. Bargh schien die Situation zu erahnen. Er machte einen weiteren Schritt nach vorne und er lachte den Riesen aus. Die kleinen schwarzen Augen des Monstrums wandelten sich in pure Wut. Jetzt ließ die Kreatur ihre Peitsche klatschen und stürmte heran. Ein weiteres Mal erfüllte grausame Magie die Luft, als Zussa mit dem Stecken Blitze hervorrief. Vier der sechs Hunde starben in dem gleißend weißen Feuer, das auch ihren Herrn einhüllte. Die letzten beiden Hunde wurden mit gezielten Hieben von Bargh niedergemacht, der dann mit dem Riesen zusammenstieß. Doch auch diesmal war der unheilige Krieger schneller. Unbarmherzig schlug er zu mit Glimringshert. Er brachte die Worte seiner Schwertherrscherin: Flamme und Düsternis. Das schwarze Schwert zerschnitt Fleisch wie Bein und die degenerierte Kreatur hauchte ihr Leben aus.
Neire starrte in den langen Tunnel, aus dem sie die Stimmen gehört hatten. Nachdem sie die Gemächer des Hüters der Höllenhunde geplündert hatten, waren sie durch weitere Kammern gekommen. Sie hatten eine gewaltige Waffensammlung entdeckt, in der sich auch zwei Ballisten befunden hatten. Dann hatte sie Triel auf ein leises, tiefes Murmeln hingewiesen, das sie aus noch einem unerforschten Tunnel gehört hatten. Sie waren daraufhin an eine scharte Ecke im Tunnel geschlichen, doch Triel hatte geflüstert, dass das Murmeln plötzlich aufgehört hatte. Neire war im Schutz seines Mantels vorangegangen. Am Ende des von Gasfackeln erhellten Ganges sah er drei kolossale Kreaturen vor einem Gewölbe lauern. Es waren zwei jüngere und ein älterer. Einer der jüngeren Riesen stand in erster Reihe und hatte einen schwarzen Felsklotz geschultert, der ein kleineres Haus in Trümmer hätte legen können. Der ältere Riese hatte graues Haar, das unter seinem Rundhelm hervorstand. Zudem trug er ein kupfernes Wappensymbol an seinem Gürtel. Neire zitterte, als er begann die arkanen Formeln zu murmeln. Er hatte den Spruch noch nie vorher gewirkt und war sich seiner Fähigkeiten nicht sicher. Er mahnte sich zur Hast, denn er bemerkte mit einem Schaudern, dass der jüngere Riese mit dem Langschwert in seine Richtung zeigte. Doch es war zu spät. Die letzten Worte gingen über seine Lippen und die Nussschalen knackten, als sie zu Staub zerfielen. Für einen Augenblick zeigte der Gegner noch in seine Richtung. Dann erhob der ältere plötzlich seine Axt und rammte sie dem jüngeren in die Rippen. Ein Aufkeuchen von Schmerzen war zu hören. Die Klinge drang tief in sein Fleisch. Schrecken zeigte sich in den Augen des Jüngeren. Dann drehte er sich um und kehrte Neire seinen Rücken zu. Auch der andere jüngere Riese drehte sich um und starrte. Ein Kampf auf Leben und Tod entwickelte sich zwischen dem Axt- und dem Schwertträger. Der unbeteiligte Riese ließ den Steinbrocken fallen und zog sein Schwert. Beide Riesen fügten sich grauenvolle Wunden zu. Dann rammte der ältere seine Axt in den Hals des jüngeren. Blut spritzte auf und der jüngere brach, gurgelnd fluchend, in sich zusammen. Der verbliebene jüngere nahm nun den Kampf auf, der nur kurz währte. Er war unverwundet und schneller als der Alte. Er rammte sein Schwert durch die Brust seines einstigen Kameraden, vielleicht Vorgesetzten. Doch als der Alte zusammenbrach schrie nicht er. Von dem jüngeren war ein Heulen zu hören. Ein Heulen, das sich in ein hasserfülltes Brüllen wandelte. Der jüngere fuhr jetzt herum und starrte hasserfüllt, aber ängstlich in den Tunnel. Neire zog sich in die Schatten zurück und verschwand hinter der Ecke zu seinen Kameraden. Aus der Dunkelheit schälte sich plötzlich sein lächelndes Gesicht. Unschuldig eingerahmt von gold-blonden Locken. Mit blauen, glitzernden Augen schaute er seine Mitstreiter erfreut an. „Ihr habt ein kleines Schauspiel verpasst, meine Freunde. Sie dachten sie lebten hier, mit Feuer und Dunkelheit. Doch heute sind wir hier und wir lassen sie tanzen mit Flamme und Düsternis.“ Neire hatte seine Worte kaum beendet, da hörten sie die stapfenden Schritte, die sich ihnen durch den Gang näherten. Sie vernahmen einen Schrei, der sich mehrfach überschlug. Es war die Angst vor dem Ungewissen sowie ein Grauen in der Stimme zu hören. Doch da war mehr; da der Hass der vielen Formen, der die Kreatur zum Handeln zwang. Es war das Chaos von Flamme und Düsternis, die Essenz seiner Göttin.
Der Kampf war kurz und grauenvoll brutal gewesen. Der letzte Riese war in ihren Hinterhalt gestürmt und sie alle hatten ihn angegriffen. Viele Schnitte hatten seinen Körper überzogen. Dann war der gewaltige Krieger zusammengebrochen. Blut hatte sich wie eine Pfütze ausgebreitet im Tunnel. Sie hatten die Leichname und das Gemach durchsucht, das keine weiteren Ausgänge hatte. Weitere Reichtümer hatten sie in Ortnors Labor verstaut. Dann waren sie in einen noch unerforschten Bereich vorgedrungen. Sie waren in eine riesige Halle gelangt, die mit Prunkvorhängen eines Krieges geschmückt war. Hinter einem Seitenvorhang war eine weitere Türe zu sehen gewesen. Dort hatte sie Triel ermahnt leise zu sein. Sie hatte deutlich schabende Geräusche hinter diesem Portal gehört. Nachdem sie die Türe leise geöffnet hatten, waren Neire und Triel in das Gemach dahinter vorgedrungen. Es war ein Raum mit dunklen Möbeln und Tischen gewesen, doch die Einrichtung hatte Menschengröße gehabt. Lebensmittel lagen auf dem Tisch, neben Notizzetteln, die die Runen der Nachtzwergensprache trugen. Zwei kleine eisenverstärkte Holztüren waren mit Riegeln von außen gesichert. Sie erinnerten an kleine Gefängniszellen. Als Triel und Neire sich auf die linke der Türen zubewegten, verstummte augenblicklich das Geräusch. Es war eine Stimme zu hören, die alt und gebrechlich klang. In der gemeinen Zunge der ersten Menschen hauchte sie: „He dort, ist da wer? Helft mir. Lasst mich hier raus, wollt ihr denn bitte?“ Neire hatte ein kleines Guckloch in der Türe erkannt, aus deren Innerem sanftes Licht strömte. Er schlich sich vorsichtig heran und schaute in das Innere. Die Kreatur, die dort in einem eingerichteten Gemach stand, wirkte gelangweilt. Der alte Mann war dürr und knochig. Er war kaum mehr als einen Schritt groß. Ein kahler Schädel thronte über einem markanten Gesicht. Sein langer weißer Bart war in Zöpfen geflochten und ragte ihm bis auf Gürtelhöhe hinab. Gekleidet war er in dunkle Gewänder aus Leinen und Leder. „Ich… ich weiß, dass ihr hier seid. Kommt schon, erbarmt euch und helft mir.“ Neire starrte noch immer auf die Kreatur, deren Gesichtsausdruck nicht zu ihrer Stimme passte. Dann antwortete er. „Ich kann euch helfen, doch wer seid ihr und was macht ihr hier?“ Die Gestalt fing an zu grinsen und schaute zur Türe. Doch der Nachtzwerg konnte ihn anscheinend nicht sehen. „Mein Name ist Umbari und ich bin hier gefangen. Er hält mich hier gefangen – König Isenbuk. Ich bin sein Sklave.“ Neire zog seinen Kopf zurück in die Schatten und lugte aus seinem Mantel hervor. Grinsend nickte er Triel zu, sich zu verstecken. Er spielt ein Spiel mit uns. Nun wir wollen ein Spiel mit ihm spielen. Neire bewegte den schweren Riegel als er sprach. „Wartet Umbari. Ich werde die Türe öffnen.“ Neires Blick entging allerdings nicht der versteckte Mechanismus, der ein Öffnen der Türe auch von innen erlaubte. „Ihr seid also Umbari. Es freut mich euch kennenzulernen.“ Als die Tür aufschwang und das Licht in den dunklen Saal drang, wirkte Umbari gänzlich anders. Jetzt war er in sich zusammengesunken und seine Hände zitterten. Neire fuhr fort. „Der König Isenbuk schickt mich. Er möchte euch sprechen. Ihr sollt mir folgen.“ Umbari hob unterwürfig den Kopf und blickte ihn verzweifelt an. „Will er mich töten? Nein, das soll nicht mein Schicksal sein. Ihr müsst mich befreien. Ihr seid der Neue? Wer seid ihr? Hat er euch auch versklavt? Dann lasst uns lieber fliehen. Fort von hier. Hinfort von diesem schrecklichen Ort.“ Neire versuchte ein aufkommendes Grinsen zu unterdrücken, als er das Spiel von Umbari sah. Er erhob seine Stimme zur Antwort. „Wohin sollten wir denn fliehen? Und wie schnell müssten wir laufen? Nein wir haben doch alles hier und der König beschützt uns. Ich bin der neue Sklave und man nennt mich Triel.“ Als Triel in den Schatten hinter Umbari ihr Gesicht zu einer raubtierhaften Fratze verzerrte, musste Neire fast lachen. Dann sah er, dass Umbari sich plötzlich aufrichtete. Er wirkte nicht mehr gebrechlich und antwortete mit charismatischer Stimme: „Eine Probe mein Junge. Eine Probe. Doch ich sehe, ihr seid auf unserer Seite. König Isenbuk ist stark und er wird siegen. Er will mich sprechen? Habt Dank für euer Kommen, habt Dank. Dann lasset uns keine Zeit mehr verlieren.“ Neire lächelte bei Umbaris Worten. Der Nachtzwerg, der im Lichte der Tür stand, verschwamm in diesem Moment in chaotischen Farben von Purpurrot. Neire trat einen Schritt auf ihn zu, als er versuchte Umbari zu umgarnen. Er hob seine Hand. „Ja Umbari. Lasst uns keine Zeit mehr verlieren. König Isenbuk erwartet euch. Doch vielleicht… vielleicht könnten wir Freunde sein.“
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