Autor Thema: Hintergrundwissen: Wie gehen andere mit Geheimnissen um?  (Gelesen 1424 mal)

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Offline Zed

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Ein wichtiger Spaßfaktor bei Settings ist für mich in Filmen, Serien und Romanen, wenn die Hauptfiguren mit der Zeit herausfinden, wie die Welt hinter dem Vorhang eigentlich aufgebaut ist. Ob in der „Unendlichen Geschichte“ oder in „Matrix“ oder in „Lost“: Nach und nach enthüllen sich dort die wahren Ursprünge, Beziehungen und Pläne in der Welt. Für den „Herrn der Ringe“ gibt es das "Silmarillion" als Offenbarung. Ich kenne nicht viele Fantasy-Settings gut, ich spielleitere mein eigenes seit über 25 Jahren, und dort hat meine Gruppe nun bald alle wichtigen Geheimnisse enthüllt.

Aber vielleicht will ich einiges publizieren, und ich frage mich? Wie machen das andere?

Wenn man beim Publizieren die Rätsel einfach nicht erklärt und Leerstellen lässt, dann kann das unbefriedigend für manche sein, denen nicht recht einfällt, was hinter der Leerstelle stecken könnte.

Wenn man das Rätsel der Spielleitung als Hintergrundinfo erklärt, dann gibt es das Risiko, dass die Spielgruppe die Lösungen zu früh erfahren und sei es in Foren wie diesen.

Wie lösen die Profis diesen Konflikt? Numenera zB scheint mir ein Setting zu sein, dass mit vielen Geheimnissen jongliert.

Offline Auribiel

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Re: Hintergrundwissen: Wie gehen andere mit Geheimnissen um?
« Antwort #1 am: 18.04.2022 | 17:03 »
Ich kann nur für mich sprechen:

Wenn ich SL bin, dann will ich so früh als möglich die Geheimnisse hinter dem Vorhang wissen, um sie sinnvoll einbauen zu können. Sonst passiert es beim improvisieren, dass man eins der Geheimnisse sprengt.

Mit den Spielern zusammen (oder kurz vorher) die Geheimnisse entdecken geht nur, wenn man eine weitgehend gerailroadete Kampagne spielt.

Für Spieler: dann muss man sich aus den entsprechenden Forenteilen raushalten, wenn man Spoilerpanik hat.


25 Jahre altes eigenes Setting hört sich gut an!  ;)
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Offline nobody@home

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Re: Hintergrundwissen: Wie gehen andere mit Geheimnissen um?
« Antwort #2 am: 18.04.2022 | 17:23 »
Wenn ich jemals was veröffentlichen wollte, würde ich eventuelle "Settinggeheimnisse" wohl einfach ganz traditionell in den SL-Teil packen und 'ne halbwegs originelle "Spieler, haltet eure Nasen draußen, wenn ihr keine Spoiler wollt"-Warnung dazuschreiben. Ansonsten würde ich mir keine großen Gedanken machen -- Geheimnisse vor den Spielern zu haben, ist mir einfach nicht sooo wichtig, und wenn ich ernsthaft Angst haben müßte, daß ein "zu frühes" Aufdecken derselben spontan das ganze Spiel zerschießt, dann wäre das Problem für mich weniger die Geheimhaltung als die Tatsache, daß anscheinend der Rest meines Materials noch nicht robust genug ist.

Und wenn's mir primär eh nur darauf ankommt, daß die Charaktere nicht wissen sollen, woran sie sind, dann sind wir im Zweifelsfall letztendlich auch nur wieder beim alten Thema "Spieler- und Charakterwissen trennen". Das kann man ggf. durch geeignete Spielmechanismen unterstützen.

Offline Zed

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Re: Hintergrundwissen: Wie gehen andere mit Geheimnissen um?
« Antwort #3 am: 18.04.2022 | 17:46 »
@nobody

Es geht mir nicht um Geheimnisse in Abenteuern, sondern um Geheimnisse, die das Setting betreffen.

Es geht mir um Geheimnisse dieser Dimensionen:

Beispielsweise tauchte in unserer Spielwelt vor 2000 Jahren eine "Krankheit", so die bis heute anerkannte Arbeitshypothese, auf. Aufgrund dieser Krankheit bleiben einige Kinder von humanoiden Völkern im Alter von 3 bis vier Jahren im Wachstum zurück, nur ihre Haut wächst noch ein wenig weiter. In meiner Gruppe gibt es einen solchen Aran, einst Elb und als Prinz Erbe seines Elbenreiches, doch mit Ausbruch der "Krankheit" für unwürdig befunden. Der Wald brannte daraufhin ab und Aranil ging auf Wanderschaft.

Die Aranti, wie sie genannt werden, sind nicht nur sehr magieaffin, zeitgleich zu dem Auftauchen dieser "Krankheit" manifestierten sich in unserer Welt auch zum ersten Mal psionische Fähigkeiten, derer Meister die Aranti sind.

Aranti pflanzen sich nicht auf natürliche Weise fort, ihre Anzahl (geschätzt: 1500) nahm weder zu noch ab. Auch andere Aranti wissen nichts von ihrem Ursprung.

Die Geschichte des Ursprungs der Aranti hat meine Gruppe, in ihren 25 Spieljahren rekonstruiert, und aktuell erfolgt eine der großen, finalen Bedrohungen für die Welt aus dieser Geschichte. Viele Hinweise erkämpfte die Gruppe sich über die Zeit hinweg, sie setzten die Puzzleteile zusammen, und jetzt ergibt alles Sinn.

Wie handhaben Splittermond, Numerera, die Vergessenen Reiche und andere Settings derartige Geheimnisse?

Offline tartex

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Re: Hintergrundwissen: Wie gehen andere mit Geheimnissen um?
« Antwort #4 am: 18.04.2022 | 18:00 »
Seien wir uns ehrlich bei den meisten Nischenprodukten (alles was nicht D&D, DSA, CoC oder WoD ist), kriegt der Spielleiter doch selbst bei explizitem Betteln die Spieler seltenst dazu irgendwas zum Setting zu lesen.

Die Gefahr, dass so zu viel gespoilert wird, schätze ich daher gleich 0 ein.

Ein anderer Ansatz wäre es - wie es z.B. Mekton Empire macht - für jedes Settingrätsel 4 Lösungen anzubieten und der SL sucht sich eine davon aus. Darunter waren übrigens immer noch ein drei leere Zeilen im Buch, wo der Spielleiter eine andere Lösung eintragen konnte. (Ich glaube nicht, dass letzteres viel genutzt haben, aber es hat doch klar gemacht, dass das Setting für alles offen ist.)
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Offline tartex

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Re: Hintergrundwissen: Wie gehen andere mit Geheimnissen um?
« Antwort #5 am: 18.04.2022 | 18:04 »
Wenn du dein Setting veröffentlichen willst, denke ich sowieso, dass du mit dem sofortigen Anbieten spannender Auflösungen von Mysterien viel mehr Erfolg haben wirst, als das 1000ste Setting zu bringen, das sich in schwammigen Allgemeinheiten verliert. Wer will denn noch ein weiteres mal sowas kaufen?
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Offline Doc-Byte

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Re: Hintergrundwissen: Wie gehen andere mit Geheimnissen um?
« Antwort #6 am: 18.04.2022 | 19:41 »
Ich kann das Problem nachvollziehen, allerdings bin ich auch der Ansicht, dass man als SL zu Beginn einer Kampagne alle wichtigen Geheimnisse kennen sollte, damit man von Anfang an damit bzw. darauf hin planen kann. (Wenn man sie aufgreifen möchte.) Sobald die erst mal irgendwo nachzulesen sind, wird es sicher immer Spieler geben, die sich nicht davon fernhalten, aber eigentlich verderben sie sich ja so vor allem selbst den Spaß, da muss man vielleicht entspannt bleiben und sagen, dann ist das halt so.

Was du theoretisch machen kannst (und viele Verlage ja auch tun), ist ein reines SL-Buch / eBook / whatever rauszubringen, wo noch mal dick "Spieler Finger wech!" - oder so in der Art ;D - drauf steht. Mehr kannst du dann kaum tun, es sei denn, du würdest die Geheimnisse erst nach und nach veröffentlichen, was mMn aber echt nicht sinnvoll wäre. - Also gut, du könntest vielleicht alle, sagen wir mal, 3 Monate ein neues Geheimnis veröffentlichen - So als Abomodell vielleicht. ~;D

Ich hab jetzt nicht so die krassen Geheimnisse in mein Setting eingebaut, aber es gibt schon ein paar SL-Infos, die ich aber mit Setting und Regelwerk in einem Buch stehen habe. Ich hab mich dazu entschieden, die drei Abschnitte durch Icons oben am Seitenrand auf einen Blick kenntlich zu machen, denn mir war auch bewusst, dass Spieler sonst auch mal schnell beim Blättern versehentlich im SL-Kapitel landen könnten. Zusätzlich hab ich aber auch immer das jeweilige Kapitel mit am Seitenrand stehen. Da müsste man dann schon echt viel nebenher gebechert haben, um an der falschen Stelle zu landen. ;)
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Re: Hintergrundwissen: Wie gehen andere mit Geheimnissen um?
« Antwort #7 am: 18.04.2022 | 21:54 »
Wie lösen die Profis diesen Konflikt? Numenera zB scheint mir ein Setting zu sein, dass mit vielen Geheimnissen jongliert.

Geheimnisse gehören für mich dieser Tage primär in Romane und Erzählungen, während ich für Spielmaterial den Weg von Malmsturm am sinnvollsten erachte: Es gibt einen ganzen Batzen Hintergrundmaterial, der vor allem die Imagination affiziert, und den alle Beteiligten gefälligst lesen können und auch irgendwie sollen– mit genügend Leerstellen für die individuelle Spielgruppe. In einigen Szenarios wird das insofern weiterentwickelt, als dass für die Geheimnisse verschiedene, optionale Lösungen angeboten werden.

Persönliche Erfahrung klärte mich darüber auf, dass die kreative Freude an Geheimnissen bei extrem bekannten Hintergrundwelten (die ausreichend leere Flecken hatten) am größten war, während sie sich bei geheimniskrämerischen Homebrews und umfassend beschriebenen Welten minimal hielt.

Ein paar Gedanken dazu:

Geheimnis vs. unbeantwortete Frage:
Ein Geheimnis ist ja mehr als eine unbeantwortete Frage – in etwa vergleichbar mit dem Unterschied zwischen Geräuschen und Musik. Um eine Melodie wahrzunehmen, dafür müssen zwei Differenzen verschiedener Ordnung gebildet werden: die Differenz Geräusch-Nichtgeräusch und die nächsthöhere Melodiefolge-Geräusch. Um zwischen einem Geräusch und einer Melodie unterscheiden zu können, dafür wird mehr vorausgesetzt.
Bezogen auf Setting-Geheimnisse hieße das, dass das Spielmaterial genug Rüstzeug mitbringt, damit die Spieler in der jeweiligen Situation eine unbeantwortete Frage von einem Geheimnis unterscheiden können und dementsprechend fühlen, denken und agieren. Damit das funktioniert, musst du dieses Setting-Element im Voraus schon modelliert haben beziehungsweise in deiner Hintergrundweltbeschreibung den Spielern eine Methode an die Hand geben, um Geheimnisse auch in diesem Spiel als solche zu erkennen. Sonst verpufft alles und zerfasert im Nebel.

Potenzielle Geheimnisse vs. absolute Geheimnisse:
Malmsturm z.B. macht mit seinem Setting und der Weise seiner Aufbereitung ("Stimmen aus ...", "Schriften aus..."; Zeichnungen uvm.), selbst ein Panorama potenzieller Geheimnisse auf. Dass sie potenziell und nicht absolut sind, ist m.E. ein weiterer wichtiger Faktor, der die Modellierung von Geheimnissen (siehe oben) unterstützt.

Konzeptionelle Schwerpunktsetzung:
Vielleicht ist noch grundsätzlich interessant zu reflektieren, welcher Aspekt der Geheimnisse besonders hervorstechen soll: liegt die Freude im Kreieren von offenen Fragen, oder soll es primär um das Auflösen von Geheimnissen gehen? Beides stellt jeweils eigene Forderungen an die Umsetzung.

Offline Zed

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Re: Hintergrundwissen: Wie gehen andere mit Geheimnissen um?
« Antwort #8 am: 19.04.2022 | 17:09 »
Seien wir uns ehrlich bei den meisten Nischenprodukten (alles was nicht D&D, DSA, CoC oder WoD ist), kriegt der Spielleiter doch selbst bei explizitem Betteln die Spieler seltenst dazu irgendwas zum Setting zu lesen.

Eine wichtige Anmerkung! Danke an tartex und die Euch anderen Hilfreichen!

Bleibt für mich nur die Frage, wie Settings mit ausgefeilten Hintergründen vorgehen, wie Numenera, Splittermond oder auch DSA. Wer kann mir dazu noch etwas sagen?

Offline Ma tetz

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Re: Hintergrundwissen: Wie gehen andere mit Geheimnissen um?
« Antwort #9 am: 19.04.2022 | 18:05 »
DSA beschreibt erst das Allgemeinwissen und hat dann noch ein Kapitel mit den Tatsächlichen Hintergründen.

Hexxen 1733 hat sogar zwei Bücher. Eine Regionalbeschreibung (z.B. Regionalia deutsche Lande) für den Spieler (Volksglauben/Allgemeinwissen) und eine für den Spielleiter (Hard Facts, die dem Volksglauben auch widersprechen können).
Ihr interessiert Euch für den Schatten des Dämonefürsten? Dann kommt zur Höllenpforte (Discordserver).

Offline Horadan

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Re: Hintergrundwissen: Wie gehen andere mit Geheimnissen um?
« Antwort #10 am: 23.04.2022 | 11:55 »


DSA beschreibt erst das Allgemeinwissen und hat dann noch ein Kapitel mit den Tatsächlichen Hintergründen.

Das macht Splittermond auch so.

Offline Zed

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Re: Hintergrundwissen: Wie gehen andere mit Geheimnissen um?
« Antwort #11 am: 23.04.2022 | 14:57 »
Danke für Eure Antworten, Meinungen und Ideen!