Interessant, in der Diskussion geht es ja zum Teil überraschend stark an die Grundlagen ...
GURPS habe ich ja seit der deutschen Ausgabe damals bei Pegasus nicht mehr gespielt (und damals auch kaum, war aber schon ein großer Fan des SPACE-Sourcebooks, und damals war die Idee des Universalsystems für mich auch noch was ziemlich Neues und Spannendes). Das Resolutionssystem gefällt mir bist heute, auch der Realismusorientierte Kampf (auch, wenn ich da schon den Crunch im Grundregelwerk etwas zu heavy für mich fand, mit den verschiedenen Schadenstypen und dem Abgleiten-Wert für Rüstungen).
Letztendlich hat mich GURPS an zwei Punkten verloren, die auch in der Diskussion angesprochen werden:
1. Detailversessenheit insbesondere bei Ausrüstung - das war für mein Gefühl früher noch nicht so präsent, inzwischen scheint mir das das Kernimage von GURPS zu sein (früher habe ich es eher mit historischen Quellenbüchern assoziiert). Das ist einfach etwas, das mich echt abschreckt. Natürlich kann man den Kram einfach ignorieren, aber so praktisch bin ich eben nicht gepolt ...
2. Ich fand ab einem gewissen Punkt immer, dass mir das Kaufsystem bei der Erschaffung der Charaktere eher im Wege steht, als mich zu unterstützen. Klar sind die Vor- und Nachteile eine schöne Anregungsliste, aber wenn man ein Charakterkonzept umsetzen will und das Punktekonto am Ende stimmen soll, dann muss man sich (so erinnere ich mich zumindest) doch oft ziemlich verrenken, mal abgesehen von der Mühsal, herauszufinden, ob bestimmte Sachen wie "schlechte Manieren" jetzt ein ernsthaft punktewerter Nachteil sind oder nur ein Quirk.
Beispiel: Ich wollte mal spaßeshalber eine Star-Trek-Crew erstellen, und mir ist klar geworden, dass der Captain 70 CP allein für seinen militärischen Rang hätte aufwenden müssen. Nach Regeln wäre das dann bei einer 100CP-Runde also faktisch ein 30CP-Noob auf dem Platz in der Mitte geworden. Gerade Soziale Vor- und Nachteile wie Ränge, Mitgliedschaften oder Primitivität in Punktewerte zu fassen, bringt einfach immer das Problem mit, dass ihr realer Wert im Spiel wahnsinnig Kampagnenabhängig ist. Mein Eindruck dazu war, dass man am Ende im Dienste einer Pseudoobjektiven Balance am Charakterkonzept rumdoktort und dabei eigentlich künstliche Hürden erschafft. Wenn der Star-Trek-Captain am Ende theoretisch den anderen Crewmitgliedern Befehle geben kann, ist das dann im Spiel jemals ein realer Vorteil? Doch höchstens, wenn man übelstes PvP spielt, was bei Star Trek nun so gar nicht passen würde ...
Wahrscheinlich kann man auch einfach sagen: Jeder baut sich seinen Charakter zusammen, wie er Sinn ergibt, wie viel Punkte dann letztendlich auf dem Bogen stehen, ist nicht so wichtig, sodass der Captain dann halt auf dem Papier ein 170CP-Charakter ist, faktisch aber auch ein 100CP-Charakter. Aber wenn man's frei Schnauze macht, dann brauche ich das Punkte-Klein-Klein für Vorteile und Nachteile erst gar nicht.
Wenn GURPS es schaffen würde, klar zwischen spielmechanisch relevanten Werten und Vor- und Nachteilen zu unterscheiden, die mal ins Spiel kommen und mal nicht und (ähnlich wie Fate-Aspekte, auch, wenn ich kein großer Fate-Fan bin) einfach dann irgendeine Ressource generieren, wenn sie tatsächlich im Spiel zum Nachteil gereichen, dann fände ich's schon wieder ganz interessant.
Ansonsten: GURPS war für mich auch lange das Spiel, das Quellenbücher zu interessanten und oft auch nicht so mainstreamigen Literaturvorlagen geliefert hat (Uplift, Book of the New Sun). Das ist leider auch nicht mehr so. Discworld war da glaube ich so ziemlich das letzte dicke Ding, was sie aufgefahren haben. Ein GURPS Bas-Lag, GURPS Alliance Space, GURPS Books of Babel oder GURPS Imperial Ra'adch würde ich mir (genau wie damals Discworld) ganz unabhängig vom System sicher zulegen.