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[Deadlands] Savage West Solo Play
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Architekt Bower sind also letzte Nacht unten in Barricade die Pläne für den möglichen Schienenverlauf der geplanten Black River-Strecke abhanden gekommen. Wahrscheinlich wurde er absichtlich betrunken gemacht. Ein paar Lieferanten von der berühmten Steampunk-Erfinder-Firma Smith & Robards waren mit am Tisch, war das reiner Zufall?
Wenn May B. die Pläne von den Lieferanten vor deren Abreise zurückholen kann, ohne dass Ivanka Darrow von der ganzen Sache erfährt, wird May B. den Architekten Bower zum Verbündeten bekommen, denn er vermutet, sein Leben hängt davon ab — nicht nur sein Ruf — dass dieser hochpeinliche Schnitzer nicht herauskommt! May B. ist in Begleitung vom zerknirschten Bower also zur Big Barricade Bar zurückgekehrt, und trifft dort auch die beiden uniformierten Lieferanten von Smith & Robards bei einem ausgiebigen Brunch an.
Ich notiere mir hierfür eine neue
Queste: Bowers gestohlene Pläne zurückbekommen, ohne dass die anderen Wichita Witches etwas davon mitbekommen (Clue Target: 4).
Dann also weiter mit dem Spielbericht.
Während May B. unschlüssig rumsteht, wo wir sie zuletzt gesehen haben, mache ich mal einen GM Move, und bekomme: Advance a Plot. Gut, dass ich schon ein paar Ideen für Plots zusammengesammelt habe.
Dabei sieht sie, dass ein dunkelhäutiger Teenager mit langen schwarzen Haaren vom Rand der Menge ebenfalls zusieht. Er wird von den Weißen gemieden. Hin und wieder fasst er auch May B. ins Auge. Merkwürdig, dass ein weiterer Indianer sich alleine hierher verirrt hat, und dieser scheint außerdem kein Halbblut zu sein wie May B. es ist, sondern ein Stammesangehöriger, er ist zwar gekleidet wie ein Bauernjunge, aber trägt sogar einen Medizinbeutel in seinem Hemdausschnitt ...
May B. hat aber keine Zeit, dem nachzugehen; sie verwickelt sich im Gedränge in ein Gespräch mit Umstehenden (sie würfelt dafür Persuasion, aber trotz ihrem Misserfolg macht ihr Very-Attractive-Bonus das Ergebnis zu einem knappen Erfolg), und scheinbar ausgelassen lachend lässt sie sich wie zufällig auf einen der beiden freien Stühle am Tisch der Kuriere fallen, und während sie das andere Gespräch wie zufällig beendet, sagt sie im Beisatz zu den beiden Uniformierten, "es macht Ihnen doch nichts aus, dass ich mich kurz dazu setze, Misters? Mir tun gar so arg die Füße weh!"
Die Orakelwürfel ergeben, dass die beiden keine Indianer mögen, also kommt May B.'s Outsider-Nachteil zum Tragen bei Interaktionen mit ihnen. Die Reaktionstabelle ergibt, dass sie auf Anhieb Unkooperativ der Fremden gegenüber sind. Mein fetter Persuasion-Wurf von 15 verbessert allerdings trotz dem Outsider-Abzug dies für den Rest dieser Szene um gleich zwei Stufen, auf Kooperativ. Den Rest wird der Beguile-Hexenspruch erreichen, wenn sich alles so fügt, wie gedacht.
Die beiden Kuriere pausieren also ihre angespannte Konversation, und tun so, als würden sie einfach der Darbietung beim Piano lauschen, während die schöne Dunkelhaarige sich an ihrem Tisch ausruht. May B. schaut einen der beiden nervös von der Seite an, und lächelt schnell, als er ihren Blick auffängt. So weit, so gut. Sie weiß aber nicht, wie sie einen von ihnen allein stellen kann, um ihn zu behexen.
Für den Moment des Zögerns mache ich erneut einen GM Move, und bekomme: An NPC Takes Action.
Bower erscheint in diesem Moment ungeduldig ebenfalls an dem Tisch, und tippt sich an den Melonen-Hut: "Ah, die Herren von gestern Abend! Gut genächtigt?", er lässt sich seine Nervosität jedoch nicht anmerken.
Die Kuriere erwidern den Gruß schlecht gelaunt. Sie haben sichtlich keinen Bock auf Stress mit Bower, das sieht May B. ihnen an. May will ihrerseits auch, dass Bower sich verpisst, er sollte doch draußen warten! Heimlich wirft sie ihm einen finsteren Blick zu, der ihn verscheuchen soll. Aber bleibt dieser Blick auch heimlich? Ich mache einen Stealth-Wurf dafür, der jedoch misslingt, und einer der Kuriere fängt erneut ihren Blick auf.
"Kennst Du den da, Mädchen?", fragt er, beinahe lauernd.
May B. sieht ihn an, und schüttelt zuerst den Kopf, nickt dann aber: "Der ist neu in der Stadt, so wie Sie. Ich weiß, dass der ein Mistkerl ist. Kennen Sie den etwa auch?"
"Flüchtig", murmelt er und kaut an seinem Rührei.
"Darf ich Sie dann was fragen?", flüstert May B. ihm zu.
Die beiden wechseln einen forschenden Blick miteinander.
"Aber draußen ...? Hier ist es zu laut, und überhaupt zu stickig!"
"Meinetwegen", sagt der Angesprochene, und die Kuriere wechseln vorsichtig einen Blick miteinander, der Angesprochene steht auf.
"Lass' Dich von der Indianerbraut aber nicht abmurksen", murmelt der Schnauzbart unwirsch.
May B. dirigiert den Kurierpiloten durch die Hintertür zur Rückseite des Saloon, wo aus dicken Holzbalken ein Unterstand für Pferde und Sättel zusammengezimmert ist und Kräuterbündel in der Sonne trocknen. Hier ist mal wieder niemand. May B. hat in den letzten Tagen bereits Zeit gefunden, die düsteren Ecken der neuen Stadt schon einmal auszukundschaften.
"Was willst Du denn? Was ist denn nun mit dem Kerl?", fragt der Kurier misstrauisch.
"Er scheint mir einfach immer so biestig drein zu gucken, wenn er mir über den Weg läuft. Denken Sie, er führt etwas Böses im Schilde für unsere kleine Stadt ...? Es gibt so viele Fremde hier, die in alle möglichen Machenschaften verwickelt zu sein scheinen seit Neuestem!", raunt May B. konspirativ, "Mein Muhme Lucinda hat mir genau erklärt, wie das laufen kann. Über kurz oder lang kommen noch mehr solche Gestalten wie er hierher, in teuer aussehenden Anzügen, wie man sie in der Großstadt trägt. Und ehe man sich's versieht, sind die Preise alle doppelt so hoch wie vorher!"
"Du hast 'ne Meise, Du kleine Landpomeranze. Ich geh' dann mal wieder rein ..."
"... Sogar die Preise für Tätowierungen. Hier, wie diese, sehen Sie mal", und May schiebt ihren Rocksaum hoch, und zeigt ihrem Gegenüber das kleine Pentagramm-Tattoo, das auf ihren Knöchel tätowiert ist. (Das ist ihr Trapping für die Verwendung ihrer Power.)
Er macht große Augen. Der Beguile-Hexenspruch wirkt mit Raise auf ihn, und seine Reaktion verändert sich zu Hilfreich, er entflammt geradezu vor Hingabe.
Jede Hexe braucht ein gescheites Pentagramm-Tattoo.
"Der Macker braucht wohl einmal eine handfeste Abreibung! Unerhört ist das, dass er die Ehre Deiner Stadt infrage stellt, Mädchen! Ich kümmere mich augenblicklich drum. Aber ... aber zuerst sagst Du mir mal schön Deinen Namen!"
May B. ordnet ihren Fransenrock und ihre schwarzen Locken, und beginnt zu grinsen. Dann haucht sie, "danke!", und sagt, "aber das wird doch gar nicht nötig sein! Viel mehr helfen würden mir die Papiere, die er immer mit sich herumschleppt. Einer wie der ist doch bestimmt reich und wichtig. Und mein liebe Muhme Lucinda braucht etwas, das sie in Dodge City zu Geld machen kann, sonst drehen ihr die Kerle von der Stadtverwaltung hier den Hals um wegen ihrer Bauschulden! Könnten Sie ihm diese Papiere nicht abnehmen? Dann würde es den Richtigen treffen. Und dann könnte ich seine biestigen Blicke künftig auch leichter ignorieren. ... Mein Name ist May."
"Ach?! Nichts leichter als das! Diese Papiere befinden sich ja bereits in meiner Hand!", ruft der Behexte, und er lacht triumphierend.
May B. blinzelt ihn aus großen Augen an, in gespielter Ungläubigkeit. "So ...?"
Er küsst tölpelhaft ihre Hand: "Gordey Thompson, Miss May. Auch wenn Du keine Weiße bist: Betrachte mich als Deinen Beschützer, zumindest so lange ich hier in Barricade bin!"
"Oh, Gordey! Sie sind ja ein Samariter!", raunt May B., ohne ihr Grinsen zu verbergen.
Laut Würfeltabelle ist dies mein erster Hinweis: Ich weiß jetzt, dass die Kuriere tatsächlich die verlorenen Unterlagen ergattert haben. (Clue Target: 1\4)
☆
Während Kurier Gordey zurück zu seinem Kollegen geht um gedämpft auf diesen einzureden, verschwindet May B. zielstrebig im Gedränge an der Bar, und stellt dort den finster dreinblickenden Cyril Bower zur Rede.
"Was sollte das, Bower? Sie machen noch alles kaputt. Sie pfuschen mir in meine Künste! Ich hab' Ihnen gesagt, sie sollen draußen warten!"
"Was hat da denn so lange gedauert? Sie haben ja mit denen am Tisch nicht mal geredet, als ich dazu kam!"
"Halten Sie die Schnauze, Sie wissen ja nicht mal, wie das alles funktioniert!", zischt May aufgebracht, "ich hab' Ihre blöden Pläne bereits."
"Oh?! Ist das so?", fragt Bower verblüfft.
Derweil an dem Tisch scheinen die beiden Kuriere einen kleinen Disput zu haben. Der andere will wohl das Fundstück von letzter Nacht nicht einfach so herausgeben.
"Können Sie mit dem Zweiten nicht dasselbe machen wie mit dem Ersten?", flüstert Bower unsicher.
"Und am Ende pusten die sich gegenseitig die Rübe weg. Sie sollten doch wissen, wie Männer sind, wenn sie übermäßig auf dieselbe Schnecke scharf sind, sie sind doch selbst einer! Nee nee, immer eins nach dem anderen", raunt die Hexe.
Sie lässt abermals Bower einfach stehen, und schlendert am Tisch der Uniformierten vorbei, demonstrativ, geht nach draußen. Gordey Thompson folgt ihr sofort.
"... Ich habe vorhin gar nicht gefragt, ob ich Dich zu etwas einladen darf!", sagt er enthusiastisch.
"Nein nein, schon in Ordnung, Mister Thompson. Was ist mit Ihrem Kollegen?"
"Oh, dieser Esel. Er hat die Unterlagen nicht mehr! Er hat sie schon unseren anderen Mitarbeitern übergeben. Die fliegen noch heute nach Salt Lake City zurück, wir erst in ein paar Tagen! Er fand, es sei eilig! Wir sind Gyrocopter-Piloten, musst Du wissen, Miss May."
May B. schaut säuerlich, und pustet sich eine schwarze Strähne aus der Stirn.
"... Ich zahle Dir einfach, was die Papiere Dir eingebracht hätten! Smith & Robards hat uns für die letzte Auslieferung gerade ausgezahlt. Dann trifft es zwar nicht diesen unmanierlichen Architekten, aber ich poliere ihm hinterher die Fresse, oh pardon, na Du weißt schon. Höchstpersönlich!"
May B. hebt abwehrend die Hände: "Sie sind zu gut, Mister Thompson. Nein, keine solchen Grobheiten! ... Aber diese fliegenden Maschinen, wo sind die abgestellt?"
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Gordey Thompson beschreibt voller Stolz, dass die Auto-Gyros außerhalb der Siedlung gelandet sind, weil sonst ihre mächtigen Rotoren alles hier mit Staub bedecken würden und kein Wäschestück auf der Leine ließen. Er will sie May direkt zeigen und deutet in die Richtung, aber sie sagt: "Ich würde mich nicht einmal in die Nähe eines solch unheimlichen Wunderwerkes wagen! Ich muss auch schleunigst an mein Tagewerk zurück, sonst setzt es von der Muhme und der Stiefmutter was mit der groben Kelle! Treffen Sie mich heute Nacht um zehn im Saloon, dann reden wir weiter!"
Diese Aussicht erfreut Gordey Thompson, reicht ihm laut den Orakelwürfeln aber nicht, er will May direkt zu ihrer (angeblichen) Arbeit begleiten. Sie redet auf ihn ein, bis er von ihr ablässt, und besänftigt ihn mit Versprechungen eines augelassenen Abends im Saloon. Mit einem Persuasion-Erfolg wird er endlich abgewimmelt.
☆
May B. schleicht sich raus aus der Stadt, und entdeckt zwischen den Felsen und verfallenen Blockhäusern am Stadtrand tatsächlich einen gut verborgenen Platz, wo zwei Gyrocopter parken.
Der bekannte Gyrocopter, ein Fluggerät, mit dem Smith & Robards die meisten ihrer Express-Lieferungen machen
Zwei weitere Leute in derselben graublauen Uniform von Smith & Robards bewachen die Flugmaschinen, ein Mann und eine Frau, in ihren Holstern stecken jedoch nicht irgendwelche Sechsschüsser, sondern Gatling-Pistolen.
"Verwünscht!", zischt May B. halblaut.
Die berüchtigte Gatling-Pistole von Smith & Robards kann in den falschen Händen großen Schaden anrichten
Zeit für einen GM Move. Diesmal ist es: Foreshadow Trouble.
Neben May B. landet in dem Moment ein großer Rabe auf einem heißen Stein, und schaut sie an. Sie erschreckt, und weicht unwillkürlich zurück. Das Tier scheint gar keine Angst zu haben!
"Kusch!", sagt sie halblaut, aber der Rabe verharrt, mustert sie genau.
"Was bist Du denn für ein Rabe, der keine Angst vor Menschen hat? ... Du machst besser den Abflug, Brotkrumen habe ich keine!"
Der Rabe krächzt in tiefer, lauter Stimme. May B. ignoriert ihn, und er sieht zu, wie sie ihren mitgebrachten Pistolengurt umlegt. Sie guckt ihn wütend an, als er näher hüpft.
"Verrat' mich bloß nicht, mit Deinem dämlichen Gekrächze!", raunt sie in seine Richtung, dann schleicht sie los zwischen die Felsen, näher an die beiden Maschinen.
Sie erzielt ein Raise bei Stealth gegen das Notice der Wachen, und umrundet den Landeplatz. Laut Orakelwürfel sind die Papiere von Bower nicht offen zu sehen. Als sich die Wachen endlich zu einer gemeinsamen Raucherpause in den Schatten verziehen, schleicht sie auf allen Vieren kriechend näher, und beginnt den vollbepackten Gyrocopter zu durchstöbern.
Die Clue-Tabelle liefert eine 20, das bedeutet ein Hinweis und noch dazu ein zweiter Wurf auf derselben Tabelle als Bonus! Der zweite Wurf beschert mir ebenfalls einen Hinweis, so dass ich jetzt drei von vieren habe (Clue Target: 3\4).
Das sind auf jeden Fall Bowers Ledermappe mit seinen Plänen, und dazu eine Notiz auf Packpapier: "Denver Pacific-Eisenbahn". Tatsächlich, das ist der Beweis, die Luftikusse von Smith & Robards wollten die Pläne ihren Eisenbahner-Kumpanen in Salt Lake City weitergeben.
Jetzt heißt es nur noch wegkommen, mit einem Stealth-Wurf. ... Patzer! Die Augen auf die rauchenden Kuriere im Schatten geheftet, schaut May nicht nach vorne, und wirft ein kleines blechernes Beistelltischchen mit jeder Menge Werkzeugen und Ersatzteilen um, die scheppernd zu Boden poltern!
In der Hocke wirbelt May B. herum, reißt eine Hand hoch und zeichnet mit zitternden Fingern eine okkulte Glyphe vor sich in die Luft und wirkt dadurch Protection, reißt gleichzeitig den einen Colt Army aus dem Holster und feuert auf eine der beiden gezogenen Gatling-Pistolen der alarmierten Kuriere. Tatsächlich trifft sie ihr Ziel, und die glänzende Bündellauf-Pistole wird der Wächterin aus der Hand geschleudert. Mit eingezogenem Kopf huscht die Hexe dabei in Richtung der schützenden Felsen. Während die Kurierin fluchend hinter ihrer Waffe her rennt und sie aufliest, feuert ihr Kollege eine Salve, verfehlt die Flüchtende jedoch auf die weite Distanz. May B. erreicht die Deckung, wirft sich bäuchlings ins Gras, und kriecht mit rasendem Herzen weiter.
Machen wir mal eine Chase-Sequenz; so lange May nicht entdeckt wurde, sind Notice beziehungsweise Stealth die verwendeten Skills fürs Manövrieren.
Die Kuriere suchen fieberhaft nach der Diebin und machen sich daran, aufzuholen. Eine Complication lässt sie jedoch gleich wieder zurückfallen: Ein Klappern und Krachen vom Landeplatz suggeriert ihnen, dass noch mehr Diebe dort unterwegs sind, und sie halten sich damit auf, nach dem Rechten zu sehen — dabei ist es nur das Beistelltischchen, das ganz umgefallen ist. Pures Glück für die Wichita-Hexe. Allerdings ereignet sich für sie in dieser Runde ebenfalls eine Complication: Ihr Stoffschuh verfängt sich in einem der Stolperdrähte, welchen die Kuriere zwischen den Felsblocks platziert haben um ihren Landeplatz zu sichern! Sie reißt ihren Fuß los und löst ein schrilles Alarmklingeln aus! Die Wächter mit ihren Pistolen im Anschlag schließen sofort wieder auf. Die Lippen fest aufeinander gepresst kriecht May B. weiter so schnell sie kann. Die Wirkungsdauer ihres Protection-Hexenspruchs beginnt auszulaufen. Die Sucher erhalten einen Joker als Aktionskarte, und holen zu ihrer Zielperson auf, nun ist sie entdeckt! May B. schreit heiser auf, rappelt sich auf und rennt offen weg. Damit erreicht sie jedoch das Ende der Chase-Kartensequenz, und die Salven der Gatling-Pistolen verhallen hinter ihr, als sie zwischen den Felsen der Hügelflanke außer Sicht verschwindet.
☆
Über Umwege schleicht sie sich zurück nach Barricade. Jetzt muss sie nur noch zusehen, dass Bower seine Unterlagen zurück kriegt, ohne dass jemand in der Stadt Verdacht schöpft. Noch ist die Luft dafür aber nicht rein!
Sie wartet ein Weilchen und beobachtet die staubigen Straßen aus dem oberen Stockwerk eines Heubodens, wo sie schon mehrmals heimlich eingestiegen ist um zu spionieren. Sie sieht die Kuriere aufgeregt eintreffen, und der Town Marshal befragt die Uniformierten zu dem Pistolenlärm beim Landeplatz. Gordey Thompson sieht aus, als wisse er schmerzlich genau, was gespielt wird, aber er würde seine Angebetete nie verraten, so lange er behext ist — also bis Sonnenuntergang (denn so lange wirkt diese Power).
Als es endlich ruhiger wird auf den Straßen, und alle Smith & Robards-Leute zusammen mit einigen bewaffneten Siedlern zum Landeplatz losgezogen sind, wagt May B. sich wieder herunter, und in die Big Barricade Bar. Das ist laut Hinweis-Tabellenwurf mein letztes Puzzlestück (Clue Target: 4\4)!
Hier drückt sich also immer noch Bower herum, stark schwitzend unter seiner Melone wegen Sommerhitze und Nervosität. May setzt sich zu ihm, und übergibt unter dem Tisch die Mappe. Bower zuckt zusammen vor Überraschung, blättert dann mit flinken Fingern unauffällig durch die Seiten.
"Wie haben Sie das geschafft, Miss Wickett?!"
"Sehen Sie zu, dass Sie in den nächsten Tagen den Hackfressen von Smith & Robards nicht wieder vor die Füße laufen. Sie bleiben besser in Ihrem Hotelzimmer, bis die alle davongeflogen sind!"
Bower sieht May B. von der Seite an, und flüstert: "Miss Wickett! Wie kann ich Ihnen danken? Kein Wort zu Ivanka Darrow, bitte! Dies muss unter uns beiden bleiben!"
Sie nickt ihm zu, und sagt halblaut: "Merken Sie sich gut, wie das heute ausgegangen ist. Ab jetzt stehen Sie in meiner Schuld! ... Ich verzische mich jetzt, zurück zum Zeltlager oben. Wenn Miss Darrow fragt, wo ich war, sage ich nur, ich hab' mich in Barricade herumgetrieben."
"Danke, Miss Wickett!"
"Erinnern Sie sich ja dran, Mister Bower!"
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Das Städtchen Barricade wurde gegründet auf einer Stelle, wo ein paar tollkühne Unionssoldaten vor 20 Jahren die namensgebende Barrikade errichtet hatten, im Kampf gegen Widerstand leistende Indianer. In den letzten Jahren ist Barricade schlagartig gewachsen und kurz davor, eine jener Boomtowns zu werden, für die der Westen berühmt ist. Die Minen am Stadtrand sind zwar bereits fast alle vollständig ausgebeutet, aber Farmer und Viehhändler sind längst dabei, an die Stelle der Schürfer zu treten, was die Stadt weiter am Leben hält. Sollte Barricade eine Zuganbindung bekommen, wäre die Bedeutung der Siedlung langfristig gesichert, und ebenso ihr weiteres Wachstum. So kurz hinter Dodge City ist jedoch fraglich, welche der Beteiligten im Eisenbahnrennen zuerst Präsenz zeigen wird in Barricade, und welche dann schließlich das Wegrecht von der Stadt verliehen bekommen wird, um Gleise zu verlegen und eine Bahnstation zu bauen.
Die Stadt Barricade ist jedenfalls die erste, in der sich May B. frei bewegen darf seit sie in Mina Devlin's Internat für junge Mädchen aufgenommen worden war. Dies erscheint ihr insgeheim, wie als hätte sich plötzlich eine schillernde Welt der Vergnügungen vor ihr eröffnet.
☆
Wenige Tage nach den anderen Schaustellern ist bereits eine weitere kleine Truppe mit eigenen bunten Planwagen unter großem Hallo in der Stadt eingetroffen. Die farbenfrohen Banderolen an den Planwagen geben sie als eine Gruppe von bekannten Sängerinnen aus Back East zu erkennen, und die zentrale und jüngste Figur darin, Joycelyn Lancaster, ist eine tatsächliche Berühmtheit aus dem großen Chicago. Das Städtchen Barricade ist ganz offenkundig derzeit viel beachtet, und manche sprechen davon, dass Kapital und Zivilisation auf dem Vormarsch sind, und Einzug halten würden, wenn es bald eine Zuganbindung geben würde. Es ist allerdings alles andere als ein Zufall, dass sich eine Größe des Showgeschäfts wie Joycelyn Lancaster gerade hierher verirrt, nach Barricade, Kansas ...
May B. ist kurz darauf wieder unten in der Stadt, nachdem die Gyrocopter von Smith & Robards endlich beide wieder lärmend verschwunden sind. Am heutigen Nachmittag ist May's Ziel allerdings weniger konspirativ, sie begleitet nämlich auf Wunsch von der Anführerin Ivanka Darrow einfach die große, schweigsame Skandinavierin Hilda, um ein paar Besorgungen in den Drug Stores der Stadt zu machen. Hilda bewegt sich zielstrebig und scheinbar freudlos durch die belebten Straßen, May B. hängt mal wieder hinterher, trödelt wie ein kleines Mädchen.
Hilda Swansson
Da mein vorangegangenes Abenteuer abgeschlossen ist, würfle ich nach den Regeln im One Page Solo Engine einen neuen Abenteuereinstieg aus:
Plot Hook: Recover something valuable from Outlaws to advance a Plot Arc.
Die Outlaws sind in diesem Fall eine auf ersten Blick eigentlich manierliche Gruppe von Cowboys, die innerhalb des Stadtgebietes kein Wässerchen trüben kann. Ihre mafiösen Geschäfte sind viel weitverzweigter, denn sie haben einen gefährlichen Auftraggeber, der hier in der Stadt residiert. Das Wertvolle, das es zurückzugewinnen gilt, ist diesmal nicht etwa ein Objekt, sondern das Vertrauen von Joycelyn Lancaster in die Richtigkeit ihres eigenen Hierseins.
Random Event: Mystical Deception of social History.
Das Treiben der Schausteller geht gut voran, und hat das Interesse eines der schattenhaften Elemente der Stadt geweckt. Ein örtlicher Mystiker und Betrüger hat seinerseits durch das ganze Aufsehen um die Gründung der Stadt Einblicke in das Regiment von Unionssoldaten bekommen, und hat ein paar eigene Recherchen betrieben, und er weiß nun, dass diese Soldaten mitnichten gänzlich im Jenseits weilen ...
Set the Scene: Hostile Forces oppose you. Daraus machen wir:
Der Betreiber von Kingsley's Küchenzelt, dem bisher einzigen Restaurant in Barricade, hat sich eine hochmoderne Feldküche von Smith & Robards hinstellen lassen, mit der er sein Angebot schlagartig expandieren will. Die Kurierpiloten sind zwar jetzt wieder weg, aber ein paar Leute vermuten zurecht, dass May B. neulich an der Schießerei mit denen beteiligt war. Kingsley ist reichlich rassistisch eingestellt allen Ureinwohnern gegenüber, und will May B. nun aus der Stadt haben, und zwar mit Einschüchterung oder Gewaltanwendung.
May B. ist gerade vor den frisch angeklebten Plakaten an einer der Bretterwände stehen geblieben und bewundert das Portrait von Joycelyn Lancaster. Ivanka Darrow hat im Zeltlager schon lang und breit von Joycelyns Eintreffen gesprochen, aber May hat die junge Sängerin noch nie selbst gesehen. Das Plakat ist aufwendig gestaltet und wirkt sehr glamourös, sie wird sofort neugierig darauf, die Show zu sehen.
Hilda ist aus dem Drug Store gekommen und drückt wortlos May eine der Packpapiertüten mit Einkäufen in die Hände. Sie betrachtet ihrerseits das Plakat.
"Ah", macht sie nur, als wäre damit alles gesagt.
"Sie sieht toll aus, nicht? Hat Ivanka Dir verraten, wann wir sie treffen werden, Hilda?"
Die Skandinavierin schüttelt das weißblonde Haupt. "Komm' Du jetzt", sagt sie schließlich mit ihrem schweren Akzent.
"Hey, Ihr beiden!", erklingt in dem Moment eine tiefe, verärgerte Stimme.
Die beiden Frauen drehen sich um, etwas alarmiert (sie müssen schließlich derzeit noch befürchten, dass Black Rivers Geschäfte auffliegen könnten, bevor die Eisenbahngesellschaft das Wegrecht bekommt und die Kontrolle über Barricade erlangen kann). Es ist Hank Kingsley, bärenstark, gewichtig, und glatzköpfig abgesehen von seinem rotbraunen Lockenbart, zusammen mit einigen seiner Kumpane.
"Wann sind wir Euch eigentlich endlich los? Hat es nicht gereicht, hier in der Stadt fast zersiebt worden zu sein? Ist das möglich, dass Ihr einfach darauf wartet, persönlich beim Schopfe gepackt und vor die Stadt befördert zu werden?"
Der Dicke würfelt für seinen Einschüchterungsversuch, und hat eine 7 bei Intimidation; May und Hilda kommen beide nur auf eine 4 um zu widerstehen, und werden dadurch Distracted. Unsicher weichen sie zurück, May B. bringt nur heraus, "Lassen Sie uns verdammt nochmal in Ruhe, Mister!"
"Na großartig, die eine kriegt ihr Wikinger-Maul gar nicht erst auf, die andere flucht, sobald die kleinste Gelegenheit sich ergibt! Das sieht einer Rothaut ähnlich. Alles an Dir sieht übrigens nach Rothaut aus! Da, ich habe es gesagt! Du bist doch nur hier in unserer Stadt um Ärger zu machen!"
Kingsley würfelt einen neuen verbalen Angriff, wieder mit Erfolg. Stoisch weicht Hilda weiter zurück, jetzt ohne ihren Kampfesmut (aber man sieht es ihrem strengen Gesicht nicht an). May B. gibt einen Chip aus und verbessert ihr Wurfergebnis, so dass Kingsley immerhin kein Raise gegen sie erzielt.
"Wir haben ihnen überhaupt nichts getan. Und mein Vater ist weiß wie ein Gänseblümchen!"
"Da hört Ihr's Ihr Leute, sie sagt es selbst! Und Deine Mutter, was Kleine, die kommt wohl aus einer Apachen-Höhle? Hört Ihr, sie hat Indianer-Blut in sich! Es ist Zeit, dass die hier verschwinden, allesamt!"
May B. packt endlich einen der Spirit-Würfe gegen die Einschüchterung, und entschließt sich, jetzt mal den Spieß umzudrehen. Sie schiebt den Hut in den Nacken, drückt unvermittelt dem behäbigen Kingsley ihre Einkaufstüte in die Hände, und ohrfeigt ihn schallend. Kingsley ist nicht etwa der Wind aus den Segeln genommen, er wird noch mehr rot im Gesicht, lässt die Tüte fallen, die im Dreck zerplatzt, Einkäufe verteilen sich über die Straße. Einer seiner Begleiter packt May fest am Arm. "Jetzt reicht's! Wir schmeißen Euch jetzt aus der Stadt, höchstpersönlich!"
May reißt sich von dem anderen los, packt den Dicken am Hemdkragen, windet sich dabei halb an ihm vorbei, schiebt ihm dabei ihre Wade in die Kniekehle, und bringt ihn geschickt zu Fall. Er verliert die Balance und landet mit dem Arsch voran mit lautem Platschen in einer Pferdetränke.
Ein paar Leute trauen sich, aufzulachen. Erste der Umstehenden fangen bereits an, die Einkäufe aus dem Staub aufzulesen, sie sind recht peinlich berührt von der Szene.
Kingsley merkt aber nicht, dass er sich zum Affen macht. Er rappelt sich triefend auf, und brüllt mit irrer Lautstärke: "Mit den feinen Leuten von Smith & Robards hat sie sich angelegt, und jetzt mit mir! Aber dies ist eine anständige Stadt! Hier ist kein Platz für Halbwilde!"
Beide Wichita-Hexen sind derart von dem Gebrüll eingeschüchtert, dass sie im Laufschritt das Weite suchen. Man hört noch, wie murrende Umstehende Hank Kingsley sagen, er solle sich mal langsam beruhigen.
An der Stelle passt ein GM Move gut. Ich würfle, und bekomme das Resultat: Cause Harm. Der Ruf der verdeckten Agentinnen nimmt also hierdurch Schaden.
Ein paar der Städter, die die unschöne Sache beobachtet haben, holen zu May und Hilda auf, tragen ihnen eine Handvoll von ihren verlorenen Einkäufen nach. Sie sind etwas pikiert über Kingsley, immerhin sind May und Hilda ein paar der hübschesten Frauen in der Stadt.
"Lassen Sie sich doch von dem nicht ins Bockshorn jagen, Fräuleins!", sagt ein strohblonder Cowboy mit schiefen Zähnen, "der will nur seinem Ärger Luft machen! Der hat Angst, nächstes Mal machen die tollen Flugmaschinen einen weiten Bogen um die Stadt, anstatt hier zu landen, weil man sie verprellt hat."
"Kommen Sie mit, wir laden Sie zu einem Kaffee ein", sagt hilfreich sein Begleiter.
"... Waren Sie das, die Hank Kingsley gerade gebadet haben?", fragt noch eine andere Stimme, "dabei ist doch heute gar nicht der Monatserste!"
Deputy Quinn Franklin, einer der örtlichen Law Dogs
Hilda und May drehen sich um, und sehen einen der Deputies auf sich zu kommen, ein Kerl namens Quinn Franklin, der stets aussieht wie frisch aus dem Ei gepellt in seinem dunkelblauen Gehrock und staubfreien Hut, dessen Leder immerzu wie frisch poliert wirkt.
"Er hat uns verwechselt, glaube ich", murmelt May B. genervt.
Franklin bleibt vor den beiden stehen und misst sie mit Blicken ab.
"Ich habe es gehört. War ja laut genug, das Gebrüll von ihm. Sie sind nicht die erste Squaw, die seinen Unmut abbekommt, wissen Sie."
Hilda schweigt stoisch weiter, dies scheint eher die andere Hexe zu betreffen. May B. sieht Deputy Franklin böse an, und sagt dann, "Squaw oder nicht, wir wurden gerade auf eine Tasse Kaffee eingeladen ... also dann guten Tag ..."
Franklin senkt die Stimme, er schaut fast entschuldigend drein, als er sagt, "Wir sind eine Stadt, wo nicht bei hellem Tageslicht auf der Straße gerauft und geschrieen wird. Klar soweit? Sie sollten wirklich jetzt gehen."
May B. blinzelt ihn verdattert an. "Höre ich falsch? Der Typ hat doch angefangen! Jagen Sie den doch weg, ja?"
"Oh, mit Hank Kingsley und seiner lauten Fresse habe ich als nächstes ein Hühnchen zu rupfen, keine Sorge. Hier wurden aber leider schon mehrmals gewisse Gerüchte rumgetratscht über Ihr Hiersein, Miss. Ein paar so schöne Frauen, die immer nur kurz in Barricade vorbei kommen, zum Einkaufen oder so. Die restliche Zeit verbringen sie in den Hügeln, in irgendeinem Planwagen oder Zeltlager, was weiß ich ... Und keine Ehemänner ... da wundern sich die Leute schon."
"Das ist lächerlich", zischt May, "da sind Sie aber schön auf dem Holzweg."
"Dann gehören Sie ja vielleicht zu einer der Gruppen, die in Barricades Zukunft investieren wollen! Ich habe gehört, mehrere Eisenbahngesellschaften haben bereits Pläne, hier ihre Gleise zu verlegen ..."
Schnippisch hebt May B. das Kinn und lässt Deputy Franklin einfach stehen.
Der strohblonde Viehtreiber und sein Kumpel dirigieren die beiden Frauen in die Big Barricade Bar, und bestellen am Tresen Kaffee. Eine Traube von Leuten kommt mit herein, und zerreißt sich gutgelaunt das Maul über Hank Kingsleys ungewolltes Plantschen in der Pferdetränke. Endlich war mal wieder was los auf diesem Kuhdorf. Hilda schickt mit wenigen (aber gestrengen) Worten May B. los, um zu schauen, ob noch was von den von ihr verlorenen Einkäufen auf der Straßenkreuzung liegt. Wenn der tobende Küchenchef weg ist, solle sie dort alles aufsammeln.
"Ich kann doch jetzt nicht gehen. Die Kerle schenken uns Kaffee!", murrt May.
"Bis es fertig serviert ist, Du bist wieder zurück! Geh."
Ich erwürfle mir einen GM Move und bekomme diesmal ein Random Event: Physical Revealing of Mystical Equipment.
May schnaubt, und stapft angepisst zurück zur Schwingtür. Dabei sieht sie einen Typen, der mit der Menge ebenfalls in den Saloon herein gekommen ist: Während er neugierig umher schaut, hält er Spielkarten zwischen den Fingern — die einen Augenblick später wieder spurlos verschwunden sind! May B. weiß genügend über die Welt des Okkulten, um einen Huckster zu erkennen wenn sie einen sieht. Sie schaut ihm überrascht ins Gesicht. Er wendet ihr den Kopf zu, tippt sich an die Hutkrempe. Ob er gemerkt hat, dass das Mädchen die ominösen Spielkarten in seinen Händen verschwinden gesehen hat? Sein Blick ist durchdringend, geradezu stechend. Sie weicht vor ihm zurück, eilt nach draußen. Sobald sie und Hilda wieder oben auf dem Hügel mit dem Lager sind, sollte Ivanka Darrow davon erfahren, dass ein unbekannter Huckster in der Stadt ist! May B. weiß nicht allzu viel über Hoyle's Schüler (sie hatte kein Raise bei ihrem Occult-Wurf), aber sie weiß sehr genau, dass diese vermeintlichen Kartenspieler berüchtigt dafür sind, Ärger zu stiften.
Als May B. an der Straßenkreuzung dabei ist, die Reste der Einkäufe aufzulesen, setzt gerade die herausgeputzte Erscheinung von Joycelyn Lancaster ihr hochhackiges Schühchen auf dem hölzernen Bürgersteig auf, aus dem Kleidergeschäft kommend, und umschwärmt von ihren Kolleginnen und Leibwächtern. May B. lässt die staubigen Mehlpakete sinken und bestaunt sie mit offenem Mund, Joycelyn sieht genauso aus wie auf ihren Plakaten, die neben May an der Bretterwand kleben. Ihre Wangen haben immer noch das Zartrosa aus Chicago, ihre blonden Korkenzieherlocken umfallen ihr Gesicht perfekt frisiert, sie wirkt wie ein zierliches Püppchen, aber gleichzeitig äußerst selbstsicher. Huldvoll wie eine kleine Königin sieht sie sogar über die Kuhfladen hinweg, über die sie auf dieser Straße hinweg steigen muss, als würde der Dreck dieses Städtchens nicht einmal existieren.
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Wieder auf dem Hexenhügel berichtet May B. ängstlich Ivanka Darrow von dem Huckster, der sich für das Aufsehen interessiert hat, das ihr und Hilda vorhin zugeschrieben wurde. Scheinbar hat er ja einen seiner Zaubertricks verwendet, um irgendetwas zu erreichen, daher die verschwindenden Karten! Ivanka hört grimmig zu, und erteilt ihren drei Hexen den Auftrag, ab jetzt ein Auge auf den Fuzzi zu haben, wann immer sie unten in der Stadt sind.
"Ihm direkt das Messer auf die Brust zu setzen brauchen wir aber nicht! Vielleicht ist das nur ein Amateur, dann hätten wir dadurch ihm unsere Gegenwart verraten, für nichts und wieder nichts!", beschließt sie.
☆
Am Abend befielt Ivanka Darrow ihren Mädels, ein großes Lagerfeuer aufzuschichten: Die frisch eingetroffene Miss Lancaster soll ohne ihre Mannschaft heimlich zum Zeltlager auf dem Hügel kommen, um mit den Wichita Witches die Pläne für die Übernahme der Stadt zu besprechen. Ivanka verrät den dreien, was die Aufgabe der angeheuerten Sängerin eigentlich sein soll: Joycelyn Lancaster ist ursprünglich vor einem halben Jahr in Chicago den Agentinnen von Black River ins Auge gesprungen. Diese haben seither Joycelyn geködert und dazu verleitet, statt in Chicago nun hier draußen im Westen mit ihrer Show aufzutreten, aber von nun an, um als verdecktes Werkzeug der Eisenbahnintrigen zu fungieren. So soll das auch hier in Barricade laufen.
Ein GM Move gibt an: Foreshadow Trouble.
Rita Silver erspäht vom abendlichen Hügel aus eine zierliche Gestalt in einem Rüschenkleid, die auf das Zeltlager zuhält. An einem der Gatter am Ortsausgang wird sie jedoch aufgehalten von mehreren Männern in Arbeitsanzügen.
Rita winkt May B. heran und raunt, "sieht irgendwie aus, als würden die unserer feinen Dame auf die Nerven fallen. Die fragen sie bestimmt, was sie so allein in der Wildnis will. Sollen wir besser Ivanka sagen, dass wir runter gehen und die Typen aufmischen?"
May B. schaut ratlos Richtung Stadt. "Wäre das nicht ein umso deutlicherer Hinweis darauf, dass sich hier unser Lager befindet? Für meinen Geschmack wissen das ein wenig zu viele Leute da unten bereits. Inklusive dem grosskotzigen Kingsley."
Rita hat sich gerade erhoben und ihren Pistolengurt umgeschnallt, da löst sich die Traube am Gatter aber schon auf, und die Sängerin geht weiter, sie scheint ihren Charme spielen gelassen zu haben, und den Städtern irgendeine Lügengeschichte erzählt zu haben.
(Dies sind übrigens die Gangster des Gegenspielers in diesem Abenteuer, die ihrerseits eine kleine Nachforschung unternehmen.)
Als Joycelyn auf dem bewaldeten Hügel eintrifft, wirkt sie weniger selbstsicher als vorhin in der Stadt. Sie hat ihre Kolleginnen und Leibwächter im Hotel gelassen, ohne zu sagen, wohin sie heimlich geht. Sie kennt bereits andere Wichita Witches, aber ihrem Gesicht ist deutlich zu entnehmen, dass sie den Eisenbahnerinnen noch nicht so ganz traut. Zurecht natürlich.
🌵 Joycelyn Lancaster
Attributes: Agility d8, Smarts d6, Spirit d6, Strength d4, Vigor d6
Skills: Athletics d8, Common Knowledge d4, Fighting d4, Intimidation d4-2, Notice d6, Performance d10, Persuasion d8, Riding d4, Stealth d6, Thievery d4
Pace: 6, Parry: 4, Toughness: 5
Hindrances: Loyal (Black River Railroad), Mild-Mannered, Tenderfoot
Edges: Fame (Chicago show star), Luck, Very Attractive
Gear: Show dresses, derringer pistol
Schalter:
Die Frauen versammeln sich also um das Feuer. Ivanka Darrow schlägt einen strengen Ton an, während sie berichtet, was ihre Anführerinnen in Memphis sich für Barricade ausgedacht haben: Joycelyn wurde hierher beordert, um mit ihrer Show zu gastieren, um einen ganz bestimmten Zuschauer von sich einzunehmen: Sie soll den Bürgermeister Hooverson in sich verliebt machen. Damit könnte das Wegrecht durch diese Stadt der Black River-Eisenbahn zugespielt werden, und Gewalt durch die Wichita Witches würde hierfür unnötig. Ivanka zeigt eine Fotografie von Hooverson herum, er ist einer der reichsten Männer der Gegend. Joycelyn beäugt das Foto zurückhaltend, ihr ist anzusehen, dass sie eben immer noch wie ein Showstar denkt, und noch nicht wie eine Verschwörerin, und sich noch nicht ganz an ihre neue Rolle als verdeckte Agentin der Eisenbahngesellschaft gewöhnt hat.
"... Was ich bei der Sache nicht kapiere, ist, warum wir ihn nicht einfach behexen", traut Rita sich zu sagen, "ich kann das, und May könnte es ebenfalls versuchen. Hätten wir schwarze Magie benutzt, hätten wir schon längst damit anfangen können, Bürgermeister Hooverson einzuwickeln."
Ivanka bedeutet ihr herrisch, zu schweigen: "Du, Rita, überlässt im Zweifelsfall das Denken lieber den Pferden, die haben größere Köpfe als Du. Eure Hexenkünste sind ja schön und gut, aber so ein Zauber hält immer nur bis die Sonne sinkt oder steigt, und muss ständig erneuert werden. Wir brauchen hier was Langfristigeres, um Hooverson gefügig zu halten. Außerdem will ich, dass ihr drei Hexen Euch weiterhin bedeckt haltet! Ihr drei seid mein As im Ärmel, wenn die dumme, junge Joycelyn hier versagt, und es doch zu Gewalt kommt. Verstanden?"
Rita nickt demütig, sie scheint etwas zerknirscht.
Ivanka setzt ihre Mädels ins Bild über Hooversons Gewohnheit, allen öffentlichen Aufführungen in Barricade beizuwohnen, und darüber, dass er vor seiner Heirat in seiner Zeit im Dienste der Unions-Armee als schlimmer Schürzenjäger und Charmeur bekannt war. Sie macht mehrmals klar, dass sie, Ivanka Darrow, die unangefochtene Anführerin der Witches-Truppe hier ist, und von Joycelyn Lancaster ebensolchen Gehorsam einfordert, wie von den drei anderen Versammelten. Sie ist ganz schön gemein zu allen, so wie sonst eigentlich nur Rita gegenüber.
"... Wenn das alles hier klappt, dann lassen Violet Esperanza und Mina Devlin persönlich Dollars auf uns regnen! Wenn Ihr aber versagt, dann habt Ihr meine Peitsche zu fürchten!", fasst Ivanka schließlich zusammen. Alle stoßen mit einem Glas Whiskey auf das Gelingen ihrer Übernahme der Stadt an. Die Stimmung ist eher verbissen als fröhlich.
May B. mustert Ivanka während ihrer gestrengen Ausführungen, und versucht, ihr plötzlich so ruppiges Verhalten zu ergründen. Hilda sieht irgendwie wissend aus trotz ihrer verschlossenen Miene — sie wird ihren Empathy-Hexenzauber verwendet haben, um zu erspüren, was in der Anführerin vorgeht. Was Hilda schon weiß, kann May B. nur mit einem Notice-Wurf erahnen, aber sie erzielt ein Raise und begreift: Ivanka tut nur so raubeinig, aus einer Bewunderung heraus, die sie nicht zeigen kann; womöglich hat sie sich heimlich verguckt in die junge Sängerin, und ist aufgrund ihrer zwiespältigen Gefühle extra fies der Neuen gegenüber.
☆
May B. sieht an den nächsten Abenden mehrere der Auftritte von Joycelyn Lancaster an, die Big Barricade Bar ist dabei jedes Mal zum Brechen voll, und die Stimmung ist prächtig.
May empfindet einfach nur Neid und Verblüffen gegenüber Joycelyns Showtalent und Charisma. Die Hexe denkt zurück an die glamourösen Bühnenstars, die sie in Wichita so sehr verehrt hat, aber Joycelyn stellt diese alle noch in den Schatten. (May B. zweifelt an sich selbst diesbezüglich, und fühlt sich etwas klein. Sie wagt nicht, mit der Sängerin zu reden, nicht nur, damit ihre Verschwörung nicht auffliegt, sondern auch, weil sie sich schlichtweg nicht traut.)
An einem dieser Abende unterhält sich Joycelyn nach ihrer Show noch lange mit Hooverson und seinen Geschäftsfreunden an deren Tisch. May B. kann demnach bei Ivanka melden, dass der Herr Bürgermeister wahrscheinlich bereits angebissen hat ...
Da könnte man ja mal wieder einen GM Move machen, ich bekomme: Reveal a New Detail.
Schließlich ist auch der gutangezogene Kartenhai und vermeintliche Huckster von neulich im Saloon zu sehen. May B. fragt heimlich herum, und versucht, näheres über den Fremden herauszubekommen. Sie erfährt, dass es sich um einen gewissen Ernest Amblin handelt, der nach und nach die diversen Glücksspielschuppen der Stadt abgrast, bis keiner dort mehr mit ihm pokern will, weil er zu gut ist, und alle Gegenspieler bis auf die Unterhosen auszunehmen pflegt. Während ihres restlichen Erkundungsganges beobachtet also May diesen Spieler, und ist sich sicher, dass er nicht nur zum Pokern hier ist – er wirft deutlich ein Auge auf Joycelyn. Sein Blick sieht irgendwie berechnend aus. May B. hat Angst, dass er ein verdeckter Rechercheur einer anderen Eisenbahngesellschaft, oder — noch schlimmer — ein Pinkerton-Agent sein könnte ...
🌵Ernest Amblin
Attributes: Agility d6, Smarts d8, Spirit d8, Strength d6, Vigor d8
Skills: Athletics d6, Common Knowledge d8, Fighting d6, Gambling d10, Intimidation d6, Notice d8, Persuasion d8, Shooting d6, Spellcasting d10, Riding d6, Stealth d8, Survival d6, Taunt d6, Thievery d6
Pace: 6, Parry: 7, Toughness: 7 (1)
Hindrances: Greedy (Major), Habit (Minor: Gambling addiction), Ruthless (Minor)
Edges: Arcane Background (Huckster), Attractive, Card Sharp, Guts, New Powers x2, Power Points x2, Rich, Streetwise, Strong-Willed
Powers: Boost/Lower Trait (pin an illusory red/black poker card to recipient), Confusion (flashing poker card images), Elemental Manipulation (fan something with a hand of cards), Energy Weapon (ghostly razor sharp poker cards), Sloth/Speed (pin an illusory red/black poker card to recipient), Stun (revealing a killer poker hand), Telekinesis (phantom fingers)
Power Points: 20
Gear: Leather clothes (Armor 1), pistol, knife, decks of cards, pocket watch, ammunition, trail rations, $720.
Amblin hat dank seiner Schergen ausspioniert, was es mit Joycelyn und Black River auf sich hat. Er beginnt nun ungesehen, Elemental Manipulation und Telekinesis zu verwenden, um Joycelyn auf der Bühne bei ihren Auftritten zu sabotieren. Manchmal stolpert sie an unpassender Stelle als hätte ein Unsichtbarer ihr ein Bein gestellt, ein paarmal hindern sogar scheinbare Geisterhände sie daran, die Bühne überhaupt zu betreten. Anfangs lacht das Publikum noch, bald aber werden auch die Zuschauer verunsichert. Joycelyn verliert über die nächsten Tage hinweg vor Angst, sich auf diese unüberschaubare Welt des Okkulten eingelassen zu haben, ihr Vertrauen in die ganze Sache, und redet Cyril Bower und Hilda gegenüber von einem Rückzug nach Back East, zur Not sogar entgegen der direkten Befehle von Black River ...
☆
Rita, May B. und Hilda bekommen von Ivanka den Auftrag, Ernest Amblin schleunigst aus dem Bild zu entfernen. Ob absichtlich oder nicht: Er könnte mit seinen Zaubertricks das Vorankommen der heimlichen Schachzüge von Black River vereiteln.
Dies ist eine neue
Queste: Joycelyns Glauben an die Richtigkeit ihres Hierseins wiederherstellen (Clue Target: 3)
Das Ganze ist abgeleitet aus dem Plot Hook, den ich für diese Story ausgewürfelt hatte, siehe oben.
An diesem Sonntagmorgen ist alles still & friedlich in Barricade ... noch.
Am heutigen Sonntagmorgen marschieren die drei Hexen Seite an Seite in die Stadt herab, ihre Waffen umgegurtet, aber unter ihren dünnen Staubmänteln verborgen. Die gottesfürchtigen Siedler von Barricade sind in der Kirche, also ist das kleine Triple Ace Casino fast ausgestorben, abgesehen von Ernest Amblin in seinem Maßanzug und ein paar wenigen anderen. Amblin legt gelangweilt Patiencen vor sich aus, als die drei Frauen seinen Tisch umringen. Desinteressiert schaut er zu ihnen auf, seine Reaktion ist vorerst Neutral.
Machen wir mal einen kleinen GM Move, es wird erneut: Reveal a New Detail.
Ein paar Cowboys an der Bar wenden sich jedoch dem Tisch zu, wirken sprungbereit. May und Rita erkennen in einem von ihnen einen der Kerle wieder, die Joycelyn Lancaster davon abhalten wollten, neulich zur Unterredung auf den Hexenhügel zu gehen. Das scheinen also die Männer von Amblin zu sein.
"Einen gesegneten Sonntagmorgen, die Damen!", wünscht Amblin mit einem gewinnenden Grinsen, und lehnt sich in seinem leicht knarrenden Stuhl zurück.
"Dass Sie das sagen können, ohne rot zu werden", raunt Rita fast tonlos und starrt ihn von oben herab an.
"Ich kann! Ich bin nur deswegen nicht in der Kirche, weil ich gestern beim Abendgebet schon alle Angelegenheiten mit dem Herrn erledigt habe. Ich will ihn nicht heute morgen schon wieder mit wiederholten Anfragen belästigen. ... Warum sind Sie nicht bei der Predigt?"
Ritas Blick verfinstert sich noch mehr: "Hören Sie auf, rumzulabern. Sie sind hinter Joycelyn Lancaster her. Wir interessieren uns sehr dafür, dass ehrbare Frauen in diesem Kaff anständig behandelt werden. Sie halten sich ab sofort besser von ihren Auftritten fern."
Amblin wiedersteht Ritas Einschüchterungsversuch.
Er hebt die Schultern und entgegnet äußerst gelassen: "Oho? Ich habe ihr doch gar nichts getan! Ich bin nur einer von Zig Leuten, die ihre Vorstellungen genießt."
"Sie stören die Vorstellungen, Sie dämlicher Trickbetrüger", knurrt Rita leise.
Rita Silver, eine Hexe, die übrigens echt keinen Spaß versteht
"Ach, sie meinen den Spuk der letzten drei Tage ...! Ist mir ebenso ein Rätsel wie den anderen guten Leuten hier. Vielleicht ist ja Miss Lancaster diejenige, die am dringlichsten in die Kirche gehen sollte, statt Sonntags lange zu schlafen ... sie könnte darum beten, dass der Herrgott geben möge, dass die Geistererscheinungen wieder ein Ende finden!"
Er würfelt ein Taunt-Ergebnis von 17! Rita würfelt dagegen, und ist gänzlich aus der Reserve gelockt davon, Ernest Amblin hat zwei Raises. Das bedeutet, dass sie die Nerven verliert! Sie greift blitzschnell unter ihren Mantel und zieht wutentbrannt ihren Colt Peacemaker, hält ihn dem Spieler unter die Nase: "Wir wissen, dass Du lügst, Du Scheißhausratte! Wir wissen, was Du bist!"
Amblin hebt die Hände und lacht leise: "Aber Miss, Waffengewalt? Hier im Casino, in dieser Stadt, die eine Waffenverbots-Zone ist?!"
Sein neuerlicher Taunt ist etwas kraftlos diesmal, aber dennoch hat er Recht. May B. sieht sich alarmiert um, und sieht den Barkeep und die anderen Gäste groß gucken. Gleich rennt wahrscheinlich jemand los zum Town Marshal! May sieht Rita an, will ihr die Hand auf den Waffenarm legen, um sie zu besänftigen, aber Rita Silver ist womöglich Fanatikerin genug, um dann May B. in ihrem Zorn in die Hand zu ballern.
"Wir sollten das draußen klären", zischt May deshalb.
"Etwa zu einem Duell? Mit schönen Frauen?! Welche Art von Kräftemessen sollte das denn sein?", lacht Ernest Amblin.
Dann beginnt er geschickt seine Karten zu mischen, und scheinbar wird die Atmosphäre im Casinoraum für eine Sekunde noch drückender, eine unsichtbare Kraft packt auf einmal Ritas Colt, und zwingt sie, ihn wieder in den Holster zurück zu stecken. Schweißperlen erscheinen vor Anstrengung auf Ritas Stirn, sie kämpft gegen die Kraft an, aber unterliegt. Für die Umstehenden sah es so aus, als habe sie mit sich gerungen, und dann zögerlich ihre Waffe von selbst wieder weggesteckt. (In Wirklichkeit war es Amblins Telekinesis!)
"Sehr gut ... Gehen Sie jetzt lieber zum Büro des Marshal und geben Sie ihr Schießeisen ab ...", wispert Amblin in fester Stimme.
Vor Zorn bekommt Rita keinen Piep heraus (sie will ihn ihrerseits noch einmal einschüchtern, aber würfelt dabei einen Patzer).
May B. versucht, zu retten was zu retten ist: "In Ordnung, wir gehen. Aber sie begleiten uns bitte hinaus, Mister Amblin."
Sie würfelt einen Persuasion-Erfolg, und er erhebt sich, setzt mit überzogener Galanterie seinen Hut auf, bedeutet den Frauen, "nach Ihnen bitte!", was natürlich keine der drei riskieren will. Im Weird West einem Feind den Rücken zu kehren könnte ein fataler Fehler sein. Seite an Seite verlassen sie also das Triple Ace Casino.
May B. gibt draußen Hilda ihren Pistolengurt, so dass Ernest Amblin es sieht, dass sie nun unbewaffnet ist, und dirigiert wortlos den Fremden in die dunkle Gasse zwischen dem kleinen Holzhaus und dem großen Zelt daneben.
"Glauben Sie nicht, ich wüsste nicht, dass Sie noch einen Derringer in ihrem Stiefel versteckt haben!", raunt May.
"Selbst wenn ich den weggegeben hätte, Miss ... ich bin niemals wirklich unbewaffnet. Ich stecke voller Tricks."
"Großartig. Ich übrigens auch", zischt sie ärgerlich, "sehen Sie sich diesen mal an!", und sie hebt ihren unteren Rocksaum, entblößt ihren einen Fussknöchel.
Amblin zieht die Augenbrauen hoch: "Aber Miss! Jetzt verstehe ich gar nicht mehr, was sie wollen ..."
May legt sich verspielt den Finger auf die Lippen und bedeutet ihm, zu schweigen: "Sehen Sie sich nur die Tätowierung an", raunt sie, und behext ihn.
"Hat der Herr mir also doch ein Zeichen geschickt an diesem Sonntag! Ein leibhaftiger Engel!", grinst der Kartenhai.
"Vergib', dass ich so offen rede", säuselt May B., "aber wir müssen keine Feinde sein. Bitte verpfeife meine Freundin nicht wegen ihrer Pistole, ihr Temperament ist doch nur mit ihr durchgegangen."
"Verständlich ... stets in Deiner Gegenwart zu sein, dürfte sie konstant zur Weißglut bringen, so schön wie Du bist!"
"Danke, Ernest! Ich darf doch Ernest sagen! Wir waren nur neugierig, was Du im Schilde führst. Ein so ressourcenreiches Mannsbild erregt schon einmal Aufmerksamkeit in einer Kleinstadt wie dieser, nicht wahr?"
"Nun, ich bin höchst erfreut darüber, mit den berühmten Wichita Witches persönlich reden zu können. Man hat viel von Eurer Zunft gehört. Natürlich nur Gerüchte! Ich gehe doch Recht in der Annahme? Wie ist Dein Name, Ihr drei Grazien habt Euch eben ja gar nicht vorgestellt?"
May B. schenkt ihm ein dunkles Lächeln, und raunt, "... weiter! Ich heiße May B. Wickett. Angenehm, dass wir uns endlich genauer kennenlernen. Wir hielten uns bisher fälschlicherweise für Rivalen, womöglich ziehen wir aber ja eigentlich am selben Strang!"
"Unsere Arbeitgeber sind durchaus Rivalen. Und zwar außerordentlich Erbitterte! Ich nehme an, May B., Sie waren schon einmal in Dodge City! Ich stehe meinerseits auf der Gehaltsliste von Union Blue. Ja ja, ich bin als Vorhut hierher geschickt worden, um Leute wie die Wichita Witches in Barricade aufzuspüren."
May B. hält sich die Hände vor den Mund, als sei sie erschrocken, "Oh nein! Welch ein Missgeschick!"
Amblin macht eine wegwerfende Handbewegung: "Insgeheim halte ich ehrlich gesagt meine Auftraggeber für Hampelmänner, ich will nur deren Geld."
"So? Ein Huckster, dessen Künste nur von den Eisenbahnern eingekauft wurden?"
"Unsereins bringt eben Glück! Miss Wickett, mein werdendes kriminelles Fürstentum wird sehr viel lukrativer sein als das bisschen Klimpergeld, das mir Union Blue hinwirft."
Gespielt schnippisch versetzt May: "So einer bist Du also! Und kann man Dich mit einem besseren Angebot kaufen?"
"Nicht mit Geld! Mit Deiner Gunst aber, Miss Wickett! Sei' die Meine, und Du kannst jederzeit über mich verfügen!"
"Ernest, so stürmisch?"
"Ich habe Dir gesagt, ich errichte ein kriminelles Fürstentum. Nun, es hat noch keine Fürstin, die an meiner Seite regieren kann!"
"Immer eines nach dem anderen, Ernest. Wir haben uns ja gerade erst kennengelernt!"
"Das genügt mir nicht!", gurrt er, packt ihr Handgelenk.
Sie entzieht sich, und säuselt böse, "Nun, beweise mir vorerst Deinen Anstand, und gib' mir etwas Zeit! Wir werden uns sehr bald besser kennenlernen ...!"
Wir würfeln mal einen GM Move, und dieser ergibt: An NPC Takes Action – upps, inflagranti erwischt, sozusagen.
"He, Ihr beiden da in der Gasse! Rauskommen! Und keine Tricks, Ihr Turteltäubchen!", befielt plötzlich eine Stimme von der Straße.
May B. und Amblin kommen aus der dunklen Gasse als wäre nichts gewesen, May etwas aufgestört, Amblin mit einem maximal selbstgefälligen Schmunzeln.
Es ist der stadtbekannte Saubermann Deputy Quinn Franklin, der mal wieder auf dem Plan erschienen ist.
"Ich muss die Damen leider allesamt ins Office bitten! Für das Tragen von Waffen in der Stadt gibt es ein Bußgeld!"
Amblin hebt beschwichtigend die Hand: "Alles nur ein Missverständnis, Deputy. Ich zahle für die Damen, ich habe mal wieder eine meiner Glückssträhnen, und bin derzeit sehr gut bei Kasse."
May B. küsst dem Behexten kokett auf die Wange, er kneift ihr daraufhin neckisch in die ihrige. Sie beherrscht sich, und sieht davon ab, ihm acht bis sechzehn Rippenschläge zu verpassen für diese Frechheit – immerhin zahlt er ja das Bußgeld.
Wir konsultieren mal unsere Clue-Tabelle, und die ergibt, dass diese Interaktion bereits der erste Hinweis war beim Versuch, den Gegenspieler von seinen Machenschaften abzubringen (Clue Target: 1\3).
Schalter:
Nachdem May B. sich zum Mittagessen einladen lassen hat, gelingt es ihr endlich, den behexten Amblin abzuwimmeln.
An einem der Gatter der Viehweiden am Stadtrand treffen die drei Wichita Witches sich wieder. Rita wirft May einen wütenden Blick zu und beendet ihre gelangweilten Schießübungen, sie hat gelegentlich auf entlaufene Hühner geballert, mit einiger Treffsicherheit, wie die Kadaver bestätigen. Alle drei lehnen sich an das Holzgatter.
May B. berichtet nervös, was sie vom liebestollen Kartenspieler erfahren hat.
Rita will wissen, "Hat er noch irgendwas über seine vermaledeiten Eisenbahner-Kumpane gesagt? Wann rücken die hier an?"
"Beim Essen hat er nur noch davon erzählt, was für ein genialer Kartenhai er ist, und in welchen Boomtowns er schon welche tollen Typen beim Pokern abgezogen hat."
Rita schnaubt: "Komm' schon, Mädchen! Wir sind hier im Krieg! Er muss doch noch was Wissenswertes rausgerückt haben!"
"Nee, er ist bezirzt, nicht hypnotisiert! Du weißt, wie dieser Hexenspruch funktioniert, Rita", murrt May.
"Ja, das weiß ich. Und heute Abend ist Schluss mit der Wirkung, dann besinnt er sich auf die Schnepfen, denen er sonst eigentlich den Hof macht! Du musst ihm also heute noch befehlen, irgendwas zu holen, von weit außerhalb der Stadt, von weit weg. Mindestens Dodge City. Als Liebesbeweis! Lass' Dir verreckt nochmal was Glaubwürdiges einfallen. Dann braucht er eine Weile, um zurückzukommen."
"Gute Idee", kommentiert Hilda.
"Wenn er davon zurückkommt, wird er seinen Spießrutenlauf mit der armen Joycelyn aber direkt wieder aufnehmen. Damit ist uns auch nicht geholfen. Die wird noch Tage oder Wochen brauchen, bis der Bürgermeister ihr wirklich aus der Hand frisst! Und ich kann nicht diesen Amblin jeden Tag neu behexen. Irgendwann fliegen wir damit auf, wenn wir es übertreiben! Die Städter verdächtigen uns teilweise jetzt schon!", protestiert May.
"Hasenfuss", murmelt Rita, und spuckt in den Staub.
Ein ungemütliches Schweigen macht sich breit, während die Sommersonne auf die drei am Gatter hernieder brennt.
"... Was ist denn mit seinen Untergebenen?", fragt May schließlich, etwas verzagt.
Ich begegne diesem Problem mit Networking, weil May B. keinen Research-Skill hat. Sie macht sich schließlich auf in die Big Barricade Bar, und sucht das Gespräch mit einigen der Cowboys, die sie in Amblins Nähe gesehen hat. Dass ihr Boss May seit heute Vormittag schöne Augen macht, ist ein prima Aufhänger, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen und weiteres erfahren zu wollen. Für Gangster sind die Typen eigentlich auch recht höflich. Sie selbst haben mit Union Blue oder den anderen Eisenbahnen nichts zu tun, sie arbeiten nur exklusiv für Ernest Amblin.
Amblin's Cowboys sind eigentlich ganz manierlich, wenn sie in der Stadt sind – und glücklicherweise redselig
Laut Clue-Tabelle bekomme ich hier den zweiten Hinweis:
Amblin hat seit Tagen in der Big Barricade Bar eigentlich Hausverbot, weil es mehrmals Streit um mögliches Falschspiel gab.
"Mister Amblin, der geschickte Hund, er schummelt sich einfach immer trotzdem hier rein, wenn Miss Lancasters Auftritte losgehen, weil dann ist es immer so voll, dass der Türsteher nicht auf ihn achtet!", kichert einer der Cowboys redselig.
May spielt ihre Rolle weiterhin, und verabschiedet sich schließlich.
Nicht, ohne dem Barkeep heimlich fünf Dollar zu geben, damit seine Rausschmeißer künftig genauestens auf Amblin achten!
Dann muss May sich nur noch Joycelyn selbst vornehmen, aber genau das traut sie sich einfach nicht. Die Sängerin ist kleiner und obendrein etwas jünger als May B., achtzehn oder neunzehn, aber wirkt so unerreichbar, dass May sich nicht einmal vorstellen kann, auf sie einzuwirken. Sie selber ist immerhin nur ein suspekt aussehendes Halbblut aus Little Rock, weiter nichts. Aber es gibt ja noch Cyril Bower! Die beiden haben sich mehrmals ganz gut unterhalten an den Abenden in der Bar nach Joycelyns Shows. Immerhin sind sie derzeit die einzigen beiden Agenten von Black River in der Stadt, die nicht die Hexenkünste der Wichita Witches beherrschen, deswegen scheinen sie einen Draht zueinander zu haben.
Und immerhin schuldet Bower meinem SC noch einen Gefallen, seit dem ersten Abenteuer! May B. sucht also Bower in seinem Hotel auf, und fordert ihn auf, Joycelyn darüber aufzuklären, dass die Problematik mit Amblins Trickserei und scheinbarem Spuk während ihrer Auftritte mittlerweile gelöst sei.
"... Schärfen Sie ihr ein, dass sie keine Angst zu haben braucht vor Magie. Nicht alle Magie ist schlecht!"
Cyril Bower zwirbelt süffisant seinen kleinen schwarzen Schnurrbart, und versetzt: "Willst Du damit sagen, Miss Wickett, Deine Künste und die der anderen drei dort oben auf dem Hügel seien so frei von Schlechtigkeit?!"
May B. blinzelt ertappt, "Na ja, eigentlich ... so habe ich noch nie darüber nachgedacht ..."
"Wie auch immer. Wir nehmen ja alle gewisse Schwierigkeiten auf uns, auf dem Weg zum Erfolg! Denk' nicht weiter darüber nach. Und das Gespräch mit der jungen Miss Lancaster übernehme ich selbstredend, wenn Du wünschst."
Laut meiner Clue-Tabelle ist das der dritte Hinweis, also kann ich meine Queste hiermit beenden:
Architekt Bower vermittelt dem jungen Showstar, dass sie forfahren kann mit dem Plan; der fiese Huckster Amblin wird nicht mehr in die Big Barricade Bar gelassen, und wundert sich im Nachhinein, woher diese heftige, kurzzeitige Obsession, die er für das Black River-Mädchen empfunden hatte, überhaupt kam.
Amblins Pläne hier sehen im Übrigen nicht vor, die Unterwelt mit Union Blue oder mit Black River zu teilen. Er versucht insgeheim seit längerer Zeit, in eine berüchtigte Geheimgesellschaft aufgenommen zu werden, welche im okkulten Untergrund nur als "der Court" bekannt ist, und seine Gang arbeitet ihm in Barricades Umland dabei zu. Sein Interesse lässt sich jedoch von Joycelyn umlenken und richtet sich künftig mehr auf die Wichita Witches ...
Advance:
May B. bekommt nach diesem Abenteuer ihren nächsten Advance. Ich lasse sie in ihren okkulten Studien vorankommen, und gebe ihr den Vorteil New Powers, und suche Boost/Lower Trait & Sloth/Speed für sie aus.
Früher oder später müssen die Wichita Witches bestimmt noch richtig Ärger machen in Barricade, da helfen die neuen Zaubersprüche sicherlich
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