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[Deadlands] Savage West Solo Play

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Zeit für ein bißchen lustiges Miniaturen-Rumschieben, da kommt richtig "Great Rail Wars"-Stimmung auf wie in den Neunzigern! Da ich mittlerweile Zombicide: Dead or Alive rumstehen habe, brauch' ich nur passende Figürchen für meine Wild Cards auszuwählen. Von links nach rechts: Rex W. Shadrack (dargestellt von der Miniatur von Grayson, ich habe nur den Zylinder von der Miniatur von Raines abgesägt und ihm angeklebt, damit er den richtigen Style wahren kann), May B. Wickett (dargestellt von der Miniatur von Bloody Mary), und Luca Byrd (dargestellt von der Miniatur von Tripps, der ebenso auf Terence Hill basiert wie Byrd, nur eben auf dessen Rolle Trinity und nicht Nobody!).



Hier die Spielaufstellung zu Beginn von Runde 1

Als Voodoo-Oberschurke muss die Miniatur von Mitchell aus der "Running Wild"-Erweiterungsbox herhalten. Die Deputies, erkennbar an ihren schicken, braunen Bases, sind übrige Survivors aus den Zombicide-Spielen. Die Papp-Geländestücke nehme ich aus meiner geliebten "Iron Kingdoms Entfesselt"-Einsteigerbox, die passen prima für den Weird West.



Sundown ist vermummt und beritten, und hat seine willenlosen Zombos eine Schlachtlinie bilden lassen


In der Zwischenzeit erreichen also Byrd und Shadrack den Südausgang von Syracuse, wo die Dünenfelder beginnen, welche hinter dem Arkansas River noch imposanter werden. In der flimmernden Sonne stinken die Leiber der Horde von Walkin' Dead, die ihnen entgegen schlurfen, fast unerträglich. Byrd ist der einzige, der den Furcht-Wurf packt, Rex und die eben noch so wackeren fünf Deputies müssen auf der Furcht-Tabelle würfeln. Goddamn, für Shadrack ist der blasphemische Anblick zu viel, und er entwickelt eine Phobie gegen tote Menschen! Die Deputies erwischen es besser, sie werden nur Vulnerable durch den Schrecken, perplex lassen sie die Schießeisen sinken.

Runde eins
Byrd sieht von der Seite in Shadracks aufgestörtes Gesicht, klapst ihm auf die Schulter, und sagt: "Kommen Sie, Shadrack, jetzt heizen wir den Häßletten mal so richtig ein!"
Sein Support-Wurf gelingt, dann prescht er mit eingezogenem Kopf los, auf die nächste Deckung zu, in Schußreichweite. Zwei der Deputies folgen ihm zögerlich, alle schmeißen sich in den Sand und zielen.
Shadrack reißt sich zusammen, gestikuliert den übrigen drei Hilfssheriffs zu, sie sollen einen Flankenangriff von links machen, dann stakst er schwankend los, stellt sich breitbeinig hin, und zieht eine seiner Smith & Wesson American. Er hält den Abzug gedrückt und schlägt wiederholt mit der freien Handkante gegen den Hahn (sein neues Fan the Hammer-Vorteil), um alle Kugeln in die nahende Zombiemeute zu entleeren. Seine neue Phobie macht es ihm unmöglich, zu treffen, nur ein Zombie kriegt einen Streifschuss. Ich gebe ihm einen Benny zum Ausgleich wegen dem neuen Nachteil.

Maskiert mit Hut und Poncho prescht Mister Sundown auf seinem Pferd vor, dreht eine Runde um die Felsen, und gibt einen Schuss auf Shadrack ab, während er seine vorrückenden Horden befehligt. Er schießt knapp am Ziel vorbei, und verschwindet wieder zwischen den Felsen. Aber der Rosenkranz aus Hühnerknöchelchen am Revolver und die untersetzte Statur sprechen eine klare Sprache, wer es ist. Am Ende der Runde sind die Walkin' Dead am Zug, und rennen mit Heißhunger auf Gehirne los, nun kaum noch lethargisch! Sie erreichen jedoch noch keinen der Verteidiger der Stadt.

Zwischen Kampfrunden erscheinen W4 weitere Untote, so lange Sundown im Spiel ist, und zwar auf einer der sechs Positionen an der Spielfedkante, diesmal der sechs.

Runde zwei
May B. auf ihrer Flucht bekommt nun ebenfalls eine Aktionskarte, so wie ihr Verfolger.

Byrd und seine zwei Jungs schießen aus dem Dreck aufspringend auf die herannahenden Spukgestalten, aber nur Byrd erledigt eine. Shadrack fannt die zweite Pistole leer, für die erneut magere Ausbeute von einem Kill und einem Streifschuss. Seine drei Gewehrschützen durchlöchern zwei der Angreifer. Sundown schießt im Wegreiten einen von Byrds Hilfssherriffs an, und stoppt bei seiner neuen Gruppe auf Position sechs, um sie anzuführen.

In diese Situation stolpert May B., die dem Schusslärm gefolgt ist.



Sie schießt einen der von Shadrack gestreiften Untoten nieder, er dreht sich zu ihr um, und sieht Unsicherheit in ihrem Blick, und den Wunsch, ihm seinen Verrat heimzuzahlen. In dem Moment tritt jedoch hinter ihr Fast-Shuffle Jones aus den Schatten, und greift mit der stählernen Automatenhand nach ihr! Er würfelt dabei jedoch einen Kritischen Misserfolg, und sein grausiger Maschinenarm erleidet eine Fehlfunktion: Der Ghost Rock-Boiler zischt und qualmt, und die Roboterhand rastet in der Bewegung ein! May fährt mit wirbelnder Mähne zu ihrem Angreifer herum, und schaut so überrumpelt wie er selbst. Der Arm ist nutzlos bis er repariert wird, Schwein gehabt.


Fast-Shuffle Jones' (kurzer) Showdown mit May B.. Leider habe ich keine passende Miniatur mit Steampunk-Cyberarm, aber der Rest des Outfits stimmt.

Die Zombies erreichen Shadrack und einer kratzt ihm über den Arm und versucht ihn zu beißen, neben Byrd wird einer der Deputies zu Boden gerissen und tot gebissen, schreiend wie am Spieß! Vier weitere Zombies rücken nach, wieder auf der Sechser-Markierung, wo Mister Sundown steht.


Runde drei
Sundown gibt seinem Pferd die Sporen und reitet vor seiner Horde her, rasselt mit den Hühnerknöchelchen in Richtung Byrd, und eine Strahl dunklen Feuers erfasst diesen! Byrd schmeißt einen seiner vielen Bennies ab, um den Schaden zu absorbieren, nur seine Hutkrempe und die Mantelaufschläge sind versengt. Sundown zielt neu, tänzelt auf dem scheuenden Ross zurück, um wieder ausser Sicht zu kommen.

May B. sieht mit sadistischem Lächeln Fast-Shuffle Jones an, nun ist sie am längeren Hebel. Sie verpasst ihm einen Blitz mit der freien Hand, der über all seine Metallteile tastet und in seinem Boiler Funken schlägt. Der Huckster kippt nach hinten über in seinen qualmenden Stiefeln!
"Wo kommen Sie denn wieder her?!", freut sich Byrd mit überraschtem Grinsen, als May an seiner Seite erscheint.
Er schießt gleichzeitig auf Sundown, der den Schaden absorbiert, und nur ein Loch in seinen dunklen Poncho gebrannt bekommt. Shadrack derweil ist ohne geladene Pistolen, und feuert einen dünnen Energiestrahl aus der einen Pistolenmündung, durchlöchert den Kopf des einen Zombies die an beiden Seiten an ihm reißen damit. Der andere Zombie verbeißt sich in Shadracks Arm und dieser kassiert zwei Wunden! Shadrack schreit gellend, und ruft dann Byrd zu, "bringen Sie endlich Sundown zu Fall!"

Runde vier
Mit seinen letzten Reserven und hohen Abzügen durchlöchert Rex Shadrack den zweiten Zombie, sprengt dessen Kiefer durch den Bolt in tausend Stücke und hat den verletzten Arm nun wieder frei.
"Ja, arbeite ja dran, Herrgott nochmal", knurrt Byrd als Antwort, während graue Hände nach seinem Kragen greifen, und feuert erneut auf Sundown, trifft, und zieht ihm seinen letzten Benny ab, der Voodoo-Houngan nimmt diesmal zwei Wunden.
May B. rückt vor, und lehnt sich an der anderen Seite gegen den Felsen, an den heran gepresst auch Byrd steht. Sie kneift ein Auge zu, zielt mit ihrem Colt Army, und der Treffer hebt den Reiter aus dem Sattel, das erschrockene Pferd bäumt sich auf.

Der Rest des Gefechts
Zombies wegballernd geht Byrd rückwärts, und erreicht Shadrack, haut ihm freundschaftlich mit dem Ellenbogen in die Seite, und lacht ihn an: "Haben Sie das gesehen, Chefchen? Die Kleine hat Sundown umgepustet!"
Ich verwende Byrds neuen Common Bond-Vorteil und gebe Shadrack einen seiner Bennies, damit der wieder einen hat.

In den nächsten zwei Runden schießen die Wild Cards und ihre verbleibenden Deputies alle übrigen Zombos zusammen, unter Aufbietung all ihrer übrigen Bennies und Powerpunkte. Syracuse ist erfolgreich verteidigt!


Im Ortseingang stolpert Byrd fast über den qualmenden Fast-Shuffle Jones, der im Staub liegt, wahrscheinlich nicht tot, aber durch den Elektroschock ohnmächtig. Der Boiler in seiner Schulter schlägt noch vereinzelt Funken.
"Na sieh' mal einer an, haben Sie den etwa unterwegs auch auf den Gänseblümchen-Express geschickt, Miss Wickett?!"
"Was blieb mir anderes übrig?", zischt sie verärgert, und wischt sich eine verschwitzte Lockensträhne aus der Stirn, "sie waren ja entgegen ihrer großen Fressen am Ende keine Hilfe dabei!"
Byrd tut entrüstet: "Jetzt seien Sie aber nicht unfair, wir wären natürlich sofort zu Ihrer Rettung geeilt, nachdem wir Mister Sundown losgeworden wären!"
Shadrack hält sich den aufgebissenen Arm im Gehen und wankt an den beiden vorbei, Blutströpfchen färben den Sand rot, wo er läuft.
"Hätten Sie wirklich in Kauf genommen, dass der Kerl sich mich krallt, damit Sie und Sneyers nicht auffliegen, Shadrack?", fragt May B. durch gefletschte Zähne, nur halblaut, damit die Deputies sie nicht hören. Ihr Pistolenlauf qualmt noch leicht, sie hat ihn nicht auf Shadrack gerichtet, aber erhoben.
"Glauben Sie das bloss nicht, Wickett. Ich habe versucht, den Halunken einzuschüchtern, da ist jedes Mittel recht. ... Hätte ja auch fast geklappt. Sie haben ja durch ihre Bestürzung erstklassig mitgespielt", sagt Shadrack schwach, ohne sich im Vorbeigehen nach May umzudrehen.
"Na kommen Sie, Chefchen, wir bringen Sie mal eben rüber zum Onkel Doktor, der soll Ihnen die Bisswunde wieder zunähen. Der kennt sich bestens aus mit Gäulen und Ferkeln, heißt es, Sie werden da in besten Händen sein!", und er hakt Shadrack unter um ihn zu stützen. "Kommen Sie, Miss Wickett, ich wette Bürgermeister Sneyers gibt einen aus zur Feier des Tages!"
May B. geht den beiden nach, kurz fühlt sie sich bescheuert, dass sie Shadracks Bluff in der Hotellobby für bare Münze genommen hat. Der alte Fiesling sieht wirklich schwer verletzt aus, und sie hat ihn als Verräter bezichtigt statt ihn zu stützen wie Byrd. Dann fühlt sie wieder einen leisen Zweifel. Ist es denn klug, seine Worte jetzt gerade für bare Münze zu nehmen?
Byrd dreht sich nach ihr um, und sagt schmunzelnd: "Und schlurchen Sie mal nicht so hinter uns her, schlurchen Sie lieber vorne weg! Wer weiß, wie viele zerknirschte Verflossene Sie noch haben, die Sie uns wegzaubern wollen, da will ich Sie doch lieber im Blick behalten, okay?"

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Shadracks zwei Wundlevel müssen weg, glücklicherweise gibt's tatsächlich ein kleines Doctor's Office in der Stadt, und dank Winfred Sneyers' Einfluss werden meinen SCs dort keine unliebsamen Fragen gestellt. Der Doc nimmt all seine Konzentration zusammen, um die widerliche Bisswunde zu säubern und zu nähen, und Shadrack verliert beide Wundlevel. Nur eine Naht und ein sauberer Verband bleiben vorerst als Andenken, aber die mentalen Narben, die der arme Kerl davongetragen hat sind schlimmer, er ist immer noch leichenblass und schweigsam — bei seinem speziellen Lebenswandel ist seine neuentwickelte Phobie vor toten Menschen ein bißchen scheiße!



Natürlich wollen daraufhin laut dem Würfelorakel die aufgescheuchten Leute von Syracuse wissen, was vorhin abgegangen ist. Es hat sich sogar eine Menschentraube von Neugierigen um die Arztpraxis versammelt. Die überlebenden Deputies haben mittlerweile getratscht, und das Gerücht geht um, dass die Horde aus den Sanddünen nicht etwa aus Banditen bestand, sondern wandelnden Kadavern. Der elegante Anzugträger Mister Sundown wird auf einem Karren in die Stadt gefahren, und selbst jetzt noch im Tode hilft ihm sein Äußeres dabei, die Leute zu täuschen: "Dieser junge Gentleman kann wohl kaum in einen Überfall auf die Stadt verwickelt gewesen sein, noch dazu wenn Teufelskunst dabei im Spiel gewesen sein soll! Seht ihn Euch nur an!", hört man die Schaulustigen sagen.

Der Schmierfink von der Syracuser Tageszeitung verlangt außerdem zu wissen, was der stadtbekannte Unsympath Fast-Shuffle Jones mit dem allen zu tun hatte. Immerhin hatte der Kerl dem Syracuse Journal im Vorhinein eine dicke Story versprochen, bevor er das Gespräch mit meinen SCs gesucht hatte.

"Was machen wir mit den ganzen Pappnasen da draußen?", fragt May B. flüsternd, während sie durch die vergilbten Gardinen des Doctor's Office nach draußen späht.
Sie und Byrd warten im vorderen Teil des Hauses und haben die Versammlung davor mit einem mulmigen Gefühl beobachtet. Byrd fällt auf, dass May sogar ihre Hände auf den Pistolengriffen hat. Jetzt gerade nach dem Überfall auf die Stadt achtet niemand darauf, dass Syracuse eigentlich eine Waffenfreie Zone ist.
"Kommen Sie nicht auf vorschnelle Gedanken, Miss Wickett! Bestimmt wollen die Damen und Herren da draußen unserem armen Shadrack nur frohe Genesung wünschen und so! Schauen Sie mal, die Dicke da vorne hat glaube ich sogar einen Präsentkorb dabei! Na, wenn das mal keine Gastfreundschaft ist!"
May B. wirft Luca einen befremdeten Blick zu. Ebenso halblaut entgegnet sie, "Wie können Sie denn jetzt schon wieder in der Laune zum Blödeln sein? Wenn Shadrack und ich jetzt doch noch auffliegen, was ist dann, hä? Oder Sneyers höchstpersönlich? Sie müssten doch mittlerweile zumindest eine Ahnung haben davon, was es bedeutet, mit solch einem Geheimnis zu leben wie unsereins! Sie dämlicher Wichser."
Byrds stahlblaue Augen verraten nicht, was er wirklich denkt, er raunt aber gut gelaunt zurück: "Na na na, wer wird denn fluchen! Lassen Sie jedenfalls mal brav ihre Schießeisen in den Holstern, das sind ja keine Manieren, Miss! Ich rede mal mit denen."
"Nein, lassen Sie Sneyers das machen! Der wird besser wissen, welchen Tenor man jetzt anschlagen muss."
Aber Byrd hat ja den Nachteil Overconfident, ich gebe ihm dafür einen Benny, er winkt schmunzelnd ab als hätte May B. ein Späßchen gemacht, und geht pfeifend nach draußen vor die Tür. May schaut ihm wütend nach und zischt eine Profanität.

"Hallo Ihr lieben Leute!", grölt Byrd freudig, als er die Tür aufreißt und aus der Arztpraxis gestiefelt kommt, und die Umstehenden fahren zusammen. Aus dem Augenwinkel sieht er noch einmal kurz May B.s spähenden Blick hinter der Gardine, und er zwinkert ihr zu.
"Mister Shadrack kriegt grade seine letzten Stiche, Compadres, dann isser wieder ganz der Alte! Unser guter Bürgermeister Sneyers hat am heutigen Tage dafür gesorgt, dass diese prächtige Stadt weiter prächtig sein darf, und nicht von den Stinkstiefeln der Bayou-Vermillion-Eisenbahn überrannt wird. Das geht natürlich auch auf die Kappe von unseren wackeren Hilfssheriffs, die zweifelsohne der Stolz dieser Stadt sein sollten!"
Byrd schaut in fragende Gesichter und große Augen.
"Mister, stimmt das, dass die Eisenbahn verdammte Wandelnde Tote gegen uns geschickt hat?", platzt einer der Bürger heraus.
Ein anderer fällt ein: "Die Gefallenen da draußen sehen aus ... als wären sie schon lange tot gewesen, als sie vorhin hier angekommen sind!"
Dann zetern alle durcheinander und stellen Byrd ihre Fragen gleichzeitig, ein einziges Stimmengewirr.
Byrd lacht amüsiert und winkt ab, und ruft: "Liebe Leute, das ist doch Unfug! Das letzte Mal, als ich mich informiert hab', konnten tote Hombres jedenfalls nicht loslaufen. Schuld ist Mister Sundown, der kleine Lackaffe von der Bayou Vermillion! Der hat seine Horde doch wohl tagelang durch das Wirbelsturm-Gebiet hierher latschen lassen ohne jede Pause! Und meine Fresse, wie die nach Schweiß gestunken haben, yee-haww! Leute, mal keine Panik jetzt. Ich und Mister Shadrack kennen den fiesen Gartenzwerg Sundown schon seit wir ihn bei Dodge City aufgehalten haben, wo er übrigens gemeinsame Sache gemacht hat mit keinem geringeren als dem Outlaw Marlon Varville. Da haben seine bösen Pläne auch schon nicht gefunzt! Wer's nicht glaubt, kann ruhig bei Gelegenheit mal Wyatt Earp fragen, und den langen Arm des Gesetzes in Dodge!"

Ich würfle für Byrd, und bekomme trotz seinem Gratis-Reroll durch seinen Charismatic-Vorteil nur eine 5. Das Gezeter wird deutlich weniger, aber verebbt nicht. Die Leute sind zu verstört und wollen offensichtlich lieber für voll genommen werden.

"Was will Ihren Informationen zufolge die Bayou Vermillion-Eisenbahn von Syracuse, Mister?", fragt lautstark der Zeitungsmann vom Journal, mit gezücktem Notizblock.
"Und was ist mit dieser Missgeburt Fast-Shuffle Jones? Ist der ebenfalls in den Eisenbahnkrieg verwickelt?!", will ein anderer Städter wissen.
Byrd hebt abwiegelnd die Hände: "Die Bayou-Vermillion-Heinis wollen nur, dass Ihr nicht ihren Rivalen helft, Leute! Wenn's nach denen geht, könnt Ihr für immer ein vermaledeites Kuhdorf bleiben, ohne Eisenbahnanbindung, und Euch in Euren Sanddüne zu Tode langweilen! Lieber wollte Sundown Eure Stadt abfackeln als zuzusehen, wie sie eine Haltestelle auf den Gleisen seiner Gegner wird!"

Ich würfle erneut Persuasion, und erziele eine sieben, schon besser; für die Damen in der Menge zählt außerdem Luca Byrd's Attractive-Bonus auf den Wurf, und für die ist es somit das benötigte Raise.


In der Zwischenzeit kommt Sneyers in den Praxisraum hinten im Gebäude, wo Shadrack noch zusammengesunken in seinem Stuhl sitzt, den Arm frisch verbunden, und etwas groggy von Betäubungsmitteln, seine langen Beine von sich gestreckt erinnert er an eine ausgebuddelte Vogelscheuche. Doctor Miller ist gerade abgezogen, um seine Instrumente zu reinigen und seine Rechnung zu schreiben. Der Bürgermeister hat kurz mit ihm geredet und sich versichern lassen, dass alles glatt gegangen ist. Miller muss immer ein wenig aufgemuntert werden, wenn er es mit Verletzungen aus Krawallen und Schießereien zu tun bekommt, das hat er gar nicht gern.
Sneyers tupft sich den Schweiß von der Halbglatze, sein teurer, hellgrauer Anzug ist durchgeschwitzt von der drückenden Nachmittagshitze. Besorgt mustert er seinen alten Kameraden.
"Als dann, als dann! Wie geht's uns jetzt so, Rex, alter Junge!"
Shadrack knurrt undeutlich etwas.
"Hier, wir nehmen jetzt einen. Ein guter Schluck auf diesen Schrecken", sagt Sneyers, und schenkt zwei Whiskeygläser voll, er hat eine Flasche vom richtig guten Zeug dabei.
"Ich trinke doch nicht mehr, Sneyers, wissen Sie noch?", grummelt Shadrack leise.
"Papperlapapp, das haben Sie früher in Utah auch manchmal gesagt, hat uns trotzdem nicht abgehalten, oder?"
"Damals habe ich getrunken, um zu verdrängen. Jetzt muss ich kürzer treten. Das Trinken würde mir mein Ende bereiten, wenn nicht die gottverdammten Walkin' Dead und das Reckoning schneller dafür sorgen!"
Sneyers zuckt die Schultern und trinkt sein Schnapsglas aus.
"Was machen wir jetzt mit Ihnen, Rex? Nachdem die kleine Lady aus Ihrer Truppe den verflixten Fast-Shuffle ausgeschaltet hat, wird der Court ein ganzes Weilchen brauchen, um sich neu zu organisieren. Wer weiß, ob Amblin und seine Leute überhaupt noch hierher kommen."
"Verdammter Court, wir hätten Jones und seinen Hosenscheißern direkt zu Amblins Aufenthaltsort folgen können, wenn nicht Sundown auch noch aufgekreuzt wäre ..."
Sneyers schenkt sich nach: "Sehen Sie's positiv, Rex! Von der Bayou Vermillion haben wir vorerst das Letzte gesehen in Syracuse. Wahrscheinlich hat Mister Sundown am heutigen Tag nicht einmal auf direkten Befehl von Baron LaCroix gehandelt, sondern wollte einfach die großen Zahlen an Walkin' Dead nicht vergeuden, die er im Orkangebiet zusammengeschart hatte! Warum nicht einen schnellen Sieg für seine Eisenbahngesellschaft erringen, so lange er so viele Schergen hat, ganz außerhalb der Reihe? Das bedeutet, Sie und ihre Leute können sich ungestört vom Acker machen."
"Was ist, wenn Amblin doch hier einreitet? Was ist, wenn er diese ominösen Sesselfurzer aus der verschollenen Kutsche mittlerweile gefunden hat, und die ihn jetzt in den Court aufnehmen, gleich hier in Ihrem Syracuse?"
"Ha, das glauben Sie doch selbst nicht, Sie alter Paranoiker! Nachdem Ihre Miss Wickett mal eben Fast-Shuffle Jones umgepustet hat, wird dem Court mein liebes Syracuse viel zu heiß sein. Und meine Männer werden in nächster Zeit äußerst wachsam sein, worauf sie Gift nehmen können!"
Unwillkürlich wandert Shadracks Blick bei diesem Stichwort begierdevoll zu dem zweiten Whiskeyglas, das unberührt wartet.



Sneyers folgt seinem Blick, und er keckert: "Jetzt werden Sie aber nicht sprunghaft, alter Junge, Sie haben mich eben sehr eindringlich davon überzeugt, dass sie Abstinenz üben sollten! Kommen Sie, meine Hausbar umfasst jede Menge nichtalkoholische Getränke!"
Unwillig murrt Shadrack, als der Bürgermeister ihm aus dem Stuhl aufhilft, nichtalkoholische Getränke verlocken ihn so gar nicht.


So weit, so gut! Sneyers' Leute fackeln die Kadaver der Walkin' Dead ab und verscharren sie, bevor das Syracuse Journal noch weitere eigene Untersuchungen anstellt, oder gar die Männer in Schwarzen Dustern auf dem Plan erscheinen. Das Sheriff's Office hat einen Gefallenen zu beklagen, aber danke Byrds Auftritt herrscht gerade die Meinung vor, es seien nur die Great Rail Wars gewesen, die ihren Schatten voraus werfen, nicht ein Zombie-Phänomen. (Dass beides stimmt, ist den Bürgern nicht klar!)

Joycelyn wird im Hotel eingesammelt, und klebt sich erneut an May B. wie eine Klette, sie berichtet wortreich aber leise der Hexe davon, welche Sorge sie um sie gehabt hatte. Immerhin wäre sie, Joycelyn, dann endgültig allein hier draußen gewesen, wenn Jones mit seinem perfiden Entführungsplan Erfolg gehabt hätte!

Shadrack ist scheinbar der einzige, der sich heute Nacht nicht besaufen will, die Saloons an der Hauptstraße füllen sich bei Dämmerung bis zum Überlaufen.

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Die Saloons an der Hamilton Street machen heute ordentlich Umsatz


Meine Wild Cards sitzen mit Sneyers an seinem Stammtisch auf einer kleinen Empore in der größten der Bars, und beobachten das bunte Treiben, abgeschirmt von Sneyers Männern.
"Sehen Sie nur, all diese verstörten Gesichter!", sagt dabei Joycelyn nachdenklich zu May B., "sie lachen und feiern Ihren Sieg, aber tief drin fürchten sie, dass die Eisenbahnkriege bald erneut ihre Stadt erreichen!"
"Das ist auch nicht unwahrscheinlich", entgegnet May B. düster, "wenn das Katastrophengebiet östlich von hier halbwegs aufgeräumt sein wird, werden alsbald Black River und Union Blue hier aufkreuzen, und dann fliegen wieder blaue Bohnen."
Joycelyn seufzt, "So wie in Barricade! Ich bin so froh, das wir dort heil rausgekommen sind!", und zu Byrd sagt sie, "Und Sie haben die braven Leute vorhin glauben machen, dass kein Teufelswerk im Spiel war? Na, man denke nur, wie die Stimmung hier ansonsten wäre!"
Byrd zwinkert fröhlich Joycelyn zu, und sagt leise: "Genau! Darum schlage ich vor, dass sie die vielen Bitten erhören, im Verlaufe des Abends doch noch ein kleines Ständchen zu bringen, Miss Lancaster! Und im Zuge dessen berichten Sie, was wirklich passiert ist da draußen bei den Dünen!"
Joycelyn schaut ihn aus ungläubigen Augen an: "Aber Sie haben doch extra dafür gesorgt, dass solche Gerüchte sich legen! Die Leute von Black River haben mir immer eingeschärft, man dürfe über derartiges keinesfalls sprechen! Wollen Sie, dass Mister Sneyers es mit den Texas Rangers oder den Pinkertons zu tun bekommt?!"
Byrd zuckt gemächlich die Schultern und lehnt sich in seinem Stuhl zurück: "Die Gerüchteküche brodelt sowieso. Wir hatten ein Aufgebot an Hilfssheriffs bei uns da draußen, die alles mit eigenen Augen gesehen haben. Sundowns Untote, und seinen schwarzen Feuerstrahl, mit dem er mich rösten wollte. Diese Kerle werden nicht schweigen können. Nicht langfristig. Einen von denen haben die Untoten einfach gefrühstückt, vor unser aller Augen, Herrgott nochmal!"
Shadrack hustet und schüttelt sich bei der Erinnerung daran.
"Aber wollen Sie, dass erneut Panik ausbricht?", haucht die Sängerin.
"Nein, i wo! Ich sehe das folgendermaßen: Die eine Hälfte der Syracuser glaubt nicht an Untote. Die andere Hälfte schon! Wenn es heute Abend Ihnen gelingt, meine verehrte Joycelyn, diese zweite Hälfte davon zu überzeugen, dass Syracuse die wackersten Hilfssherriffs im Westen hat, und die alles untote Gelöt restlos weggepustet haben, dann können auch die wieder ruhig schlafen!"
Joycelyn sieht fragend zu Bürgermeister Sneyers. Der Dicke schaut nachdenklich, dann nickt er: "Nun ja, Syracuse kann gute Nachrichten gebrauchen, um die aufgekratzten Gemüter zu beruhigen. Und Hand aufs Herz, Miss Lancaster, wenn Sie bereit sind, uns ein oder zwei Ihrer berühmten Lieder zu singen, wird man sich in diesem Saloon ewig daran zurück erinnern! Dafür würde mein Freund der Ladeninhaber glattweg seine Seele verpfänden!", und er kichert koboldhaft, "nur lassen Sie bloss alles weg, was die braven Leute darauf bringen könnte, jemand hier an diesem Tisch hätte okkulte Fähigkeiten! Meine Wähler wollen mich lieber wegen meiner strategischen Fähigkeiten wiederwählen, denke ich!"


Also lasse ich Joycelyn einen Performance-Wurf machen, nachdem sie sich mit der Hauskapelle abgesprochen hat. Sie singt eine ihrer berühmten Schnulzen aus Chicago, und ein Wanderlied. Mit ihren Vorteilen Very Attractive und Fame kommt sie auf eine 14, und wird von frenetischem Applaus überschüttet, die Leute stehen bis auf die nächtliche Straße, nur um ihre Stimme zu hören. Das bereitet ihr die Bühne für ihre anschließende Verlautbarung: Sie bedankt sich mehrmals, auch natürlich bei Bürgermeister Sneyers der durch sein beherztes Agieren den feigen Angriff der Bayou Vermillion abgewendet hat. Ihre Stimme zittert vor Nervosität, aber dies wird von der Menge als charmant wahrgenommen.

Mit Byrds Support-Wurf und ihren Boni von ihren Vorteilen, und unter Einsatzes letzten Bennies kommt Joycelyn auf eine neun bei Persuasion, davon muss ich noch eins abziehen für Syracuses derzeitiges Furcht-Level von drei. Übrig bleibt genau ein Raise. Die meisten Leute beömmeln sich im weiteren Verlauf des Abends über die abergläubische Sängerin, die scheinbar an Mississippi-Voodoo zu glauben scheint und an wandelnde Tote — aber tief drin sind sie alle überzeugt davon, dass das alles stimmt, und dass dank Sneyers, den Deputies, und den Fremden in der Stadt dieses Übel im Qualm erstickt worden ist vor den Toren ihrer Stadt. Gruppen schließen sich zusammen, die überlegen, wie man die große Joycelyn Lancaster zum längeren Gastieren im schönen Syracuse überreden könne. Die überlebenden Deputies werden spät in der Nacht auf Schultern die Hamilton Street entlang getragen.

Meine Wild Cards bekommen alle einen Punkt Conviction, und machen sich früh am nächsten Morgen davon, während die Leute von Syracuse, Kansas, noch ihren Kater ausschlafen.

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Advances:
Erstmal haben die drei Revolverhelden sich einen neuen Advance verdient. (Joycelyn ist neu in der Truppe und braucht noch ein paar Sessions bis sie advanct, sie ist den anderen drei sowieso meilenweit hinterher.)
Byrd: Quick Draw-Vorteil
Shadrack: Shooting ➜ W12
May B.: Rapid Fire-Vorteil

Wie der Vorteil Quick Draw in dieser Kampagne funktioniert, habe ich hier schon mal beschrieben:
https://www.tanelorn.net/index.php/topic,122886.msg135081432.html#msg135081432




Am frühen Morgen machen sich die Wild Cards also an die Abreise aus der Stadt, auf von Bürgermeister Sneyers gestifteten Pferden.

Bleibt noch zu klären, ob meine Wild Cards an dieser Stelle den letzten benötigen Hinweis kriegen für ihre
Queste: Herausfinden, was Ernest Amblins geheime Pläne sind (Clue Target: 2\3)?

Ich würfle auf meiner Clue-Tabelle, und bekomme eine 19, ein klares Ja! (Hier gibt die Tabelle sogar eine Chance auf einen zusätzlichen Wurf, der mir obendrein einen weiteren Hinweis bescheren kann für künftige Questen, aber dieser Zusatzwurf geht knapp daneben, also bleibt's bei dem einen Clue.)
Also:


Meine vier Wild Cards sitzen schon in den Sätteln, und Sneyers hat seinen Stallburschen weggeschickt, damit sie ungestört noch einmal reden können.

"Bevor ich's vergesse, Leute: Meine Jungs haben zwischen hier und Dodge zwischenzeitlich bereits was zutage gefördert. In der Nacht kam ein Kurier nach Syracuse zurück geritten, um davon Meldung zu machen. Ich hab' vorhin erst mit ihm geredet. Ein paar Saloonmädchen in einem der Flüchtlingstrecks aus dem Orkangebiet da draußen wussten ziemlich viel über Ernest Amblin! Die haben meinen Reitern gegenüber ausgepackt, dass ihrer Ansicht nach ein gewisser geheimer Court existiert, quasi als exklusiver Verband von Pokerspielern, und dass Amblin bereits Teil davon ist, und zwar schon seit Jahren!"
"Was?!", entfährt es Shadrack.
"Ja ja, und jetzt haltet Eure Hüte fest, Compadres: Der Court hat scheinbar verschiedene Ebenen. Diejenige, auf der Amblin sich befindet, ist die der normalen Laufburschen und Büttel. Er arbeitet die ganze Zeit daran, in einen streng geheimen, inneren Kreis aufgenommen zu werden. Alle Mitglieder sind nach aufsteigenden Zahlenwerten gegliedert! Die beiden Saloonmädchen waren nur Zweier, also reine Handlangerinnen. Ernest Amblin ist eine 10, und damit direkt davor, in diesen inneren Kreis von Eingeweihten aufgenommen zu werden! Mehr war nicht herauszubekommen. Ich gehe also davon aus, dass der Herr Professor und seine Begleiter in dieser gesuchten Wells-Fargo-Kutsche Ränge über 10 haben, und dass sie Amblin ebenfalls dorthin befördern sollten in Barricade!"
"Wo genau haben Ihre Reiter diesen Flüchtlingstreck gefunden, Winfred? Wie finden wir den wieder?", fragt Shadrack begierig.
Sneyers schüttelt bedauernd den großen Kopf, und antwortet, "Vergessen Sie's, die beiden leichten Mädchen haben schließlich die Biege gemacht, buchstäblich ... wie Schatten. Das waren Hucksterinnen, wenn auch gewiss Amateure. Meine Männer sind keine Helden, okay? Die wussten gar nicht, wie ihnen geschieht. Und die beiden Flittchen sind mittlerweile über alle Berge. Die findet keiner wieder, Rex. Meine Leute haben vorher allerdings einen Namen rausgehört, vor dem die beiden scheinbar Angst gehabt haben: Ein gewisser Madden. Das könnte durchaus der Name eines der Machthaber im Court sein, hypothetisch."
Shadrack sieht gehetzt May B. an: "Glauben Sie nicht, Ihre Wildnisexpertise kann diese beiden Informantinnen aufspüren, wenn wir ins Katastrophengebiet zurück reiten, Miss Wickett? ... Ich verfüge über eine Kartenlegetechnik, mit der ich Ihre Fähigkeiten punktuell noch erheblich steigern kann!"
May sieht Shadrack skeptisch an: "Meine sogenannte Wildnisexpertise reicht nur, um Moorhühner zu jagen. Und ich gehe ganz bestimmt nicht mit Ihnen zurück in Richtung Osten, wo Dodge City liegt und die Eisenbahnen auf mich lauern. Sie haben einen Sprung in der Schüssel."
Sneyers pflichtet ihr bei: "Vergessen Sie's, Rex, altes Haus. Wir bleiben bei unserem ursprünglichen Plan. Meine Reiter suchen weiter nach Spuren von Amblins Missetaten, und Marshal Barker kann ihn womöglich auf dem normalen Weg dingfest machen. Aber nach dem Krawall gestern und Fast-Shuffles Ableben wird Amblin mit seinen sauberen Freunden sowieso einen großen Bogen um Syracuse machen. Seien Sie mal froh, dass wir alle so gut aus der Sache rausgekommen sind gestern!"
Rex Shadrack schweigt bedrohlich und sieht kurz so aus, als würde er explodieren, dann atmet er tief durch und nickt. Er schüttelt seinem alten Kameraden die Hand: "Danke, Winfred. Ich weiß sehr zu schätzen, was Sie in den letzten Tagen alles für uns getan haben!"
Sneyers keckert fröhlich: "Ganz meinerseits, mein Lieber, ganz meinerseits! Freue mich schon auf das nächste Mal! Aber jetzt sehen Sie zu, dass Sie Land gewinnen, bevor die Stadt erwacht! Die Damen, Mister Byrd, ich empfehle mich!"




Auf der Sandstraße nach Westen kommen die vier Reisenden gut voran auf ihren neuen Pferden. Alles ist menschenleer.
"Wir hätten gestern zusehen sollen, dass wir den ollen Fast-Shuffle Jones auch zu Doc Miller schaffen nach dem Gefecht", sinniert Byrd in seinem Sattel, "vielleicht hätte der ihn nochmal aufpäppeln können. ... Wäre doch interessant gewesen!"
Shadrack reitet neben Byrd her, er hält die Zügel in der gesunden Hand, und mustert den anderen Mann düster.
"... Na ist doch wahr, schauen Sie nicht so böse, Chefchen. Erstmal wäre es christlicher gewesen, verflucht nochmal! Und dann hätten wir ihn hinterher schön gemütlich ausfragen können. Nach all dem, was Sie so dringend über den Court wissen wollen."
"Ich glaube kaum, dass der Doktor den Kerl auch nur angefasst hätte. Er ist ein "Scrapper" — so nennt man solche wie ihn in Salt Lake City. Halbbekloppte mit Maschinen als Protesen. Kein Wunder, dass Jones in Syracuse den falschen Arm immer unter seinem Poncho versteckt gehalten hatte. Die Bürger werden aber trotzdem dann und wann einen Blick auf seinen Arm erhascht haben, und darum wollten sie nichts mit ihm zu schaffen haben."
May B. lächelt schief und sagt, "Doc Miller hätte dankend abgelehnt, wenn wir mit dem angekommen wären, und hätte uns womöglich direkt zur Schmiede weiter geschickt, wie?"
Byrd lacht leise.
Shadrack grummelt, "Ach, der hat doch schon auf dem Schlachtfeld ins Gras gebissen. Und selbst wenn noch was zu retten gewesen wäre, Byrd, hätten Sie dem Herrn Doktor zu erklären gehabt, wie es sein kann, dass Jones vom Blitz getroffen werden konnte — ganz ohne ein Gewitter!"
"Das ist so kurios, dass es schon wieder normal erscheint. Mir wäre schon was eingefallen!"
"Quatschen Sie nicht rum. Diese Art von Erklärungsnot kann einen den Kopf kosten!", schnarrt Shadrack, "das war alles haarscharf gestern. Hätte auch übel ausgehen können für mich, Sneyers, oder Wickett!"
May B. murmelt, "viel eher hätten wir dem Dreckskerl seinen künstlichen Arm abschrauben sollen, als er da lag ..."
Byrd dreht sich im Sattel nach ihr um, und zieht die Augenbrauen hoch: "Pardon, ich höre wohl schlecht? Wer wird denn gleich ans Abschrauben denken?"
May zuckt die Schultern: "Ich mein' ja nur. Sowas ist bestimmt ein Vermögen wert, auf dem Schwarzmarkt. Hätten wir verscherbeln können, samt Ghost-Rock-Brenner. Der Dreckskerl braucht ihn schließlich nicht mehr. Gucken Sie mich nicht so an, Sie verschissener Moralapostel, ich bin nun mal völlig blank!"
Shadrack stellt fest, "Der Arm bringt Ihnen vermutlich einen Dreck, weil es ein Geheimnis ist, wie man sowas verpflanzt. Aber Jones' Leute, die hätten wir uns krallen müssen. Sie haben doch gesagt, Wickett, der Fluchtwagen war voll mit seinen Spießgesellen. Bestimmt haben ein paar überlebt, als Sie deren Wagen aus der Kurve fliegen lassen haben. Die hätten wir wiederfinden müssen, dann hätten wir sie verdammt nochmal gründlichst ausquetschen können. Wahrscheinlich wissen die weniger als Jones und Amblin selbst, aber immerhin könnten die Amblins Versteck außerhalb der Stadt kennen!"
Byrd sagt, "Warum hatte auch keiner von uns diese Spitzenidee gestern Nachmittag."
Shadrack murrt, "Ich war nun mal abgelenkt durch die Verwundung! Sie beide hätten ja auch mal Ihre Hirne benutzen können, statt das Denken immerzu mir zu überlassen!"
"Ich benutze gleich mal mein Hirn, um Ihnen von hinten einen Blitz in die Niere zu jagen, Sie Großmaul!", zischt May B. wütend.
Byrd rollt theatralisch die Augen: "Nicht doch, Sie beide, nicht schon wieder Streit! Es ist so ein hübscher Morgen! Sehen Sie, wie schön die Sonne lacht! Da müssen Sie beide mal Ihre Schnauzen halten und sich einfach mal freuen! ... Ist doch nicht so schlimm, dass Sie jetzt keinen zum Ausquetschen da haben, Shadrack! In Denver finden wir bestimmt wen, der zum Court gehört, und der sich total gerne bereit erklärt, sich von Ihnen malträtieren zu lassen!"
May B. legt den Kopf schief und mustert den Huckster von hinten, und fragt, "Wie sind Sie überhaupt auf diese Gruppe gekommen, Shadrack? Ich habe schon kapiert, dass sie einen Hass auf alle möglichen Eisenbahngesellschaften haben, und auf die Regierungen wohl sowieso. Aber warum ist der Court in Ihren Augen gefährlicher als all die anderen?"
Shadrack dreht sich nach ihr um, und erwidert den forschenden Blick. Nach einem Moment lässt er sich zu einer vorsichtigen Antwort hinreißen: "Meine Recherche nach dem Court ist nur eins meiner vielen Eisen im Feuer. ... Die Herrschaften hatten mich aufgesucht, als ich noch in Utah für die Wasatch-Eisenbahn gearbeitet hatte. Sie waren eigentlich der Spur meines Lehrmeisters gefolgt, aber der hatte zu diesem Zeitpunkt gerade das Zeitliche gesegnet. Also kamen sie auf mich, und haben vorgegeben, mir diskret Hilfe anzubieten. Meine okkulten Einblicke waren damals neu, ich war verwirrt und überfordert. Ich erschauderte vor der möglichen Tragweite des Ganzen. Dieser entsetzlichen Mächte, die beim Reckoning entfesselt wurden. Fast hätte ich in das Angebot dieser Aasgeier eingewilligt. Eine Geheimorganisation, die Huckstern überall im Weird West Hilfe gibt und Vernetzung ermöglicht, einen Wissensaustausch? Das klang verlockend! Kurz darauf habe ich alldieweil über ... unabhängige Kontakte in der okkulten Unterwelt von einigen der tatsächlichen Projekte des Court gehört. Ihre Wirtschaftsinteressen, und ihre arkanen Interessen. Mir ist eiskalt geworden. Nicht auszudenken: Fast hätten die mich geködert, als ich die Hoyle'schen Techniken gerade erst entdeckt hatte."
May B. fragt gedämpft, "Also ist der verschissene Court für Sie sowas ähnliches wie für mich Black River?"
Shadrack schüttelt leicht den Kopf: "Nein, Miss Wickett. Der Court, die Black River, die Bayou Vermillion, die Wasatch, und zahlreiche andere die hier nicht genannt werden sollten, die sind alle gleich schlimm. Allen muss Sand ins Getriebe gestreut werden, so schnell es irgendwie geht. Für das Wohl des gesamten Landes."
"Klingt, als seien Sie auf einem Kreuzzug, der ein wenig zu groß ist für einen allein", stellt May B. fest.
"Wissen ist Macht, hat Nostradamus gesagt, Miss Wickett. Aber es verpflichtet einen eben auch zum Handeln. Eine Lektion, die auch Sie gelernt zu haben scheinen, in der Wildnis hinter Barricade, oder irre ich da?"
Byrd mischt sich ein: "Und wieso überhaupt allein? Mister Shadrack hat doch jetzt uns beide, seine lustigen Gefährten! Ach so, und nicht zu vergessen Miss Lancaster. Mit meinen schnellen Friedensstiftern und zwei Damen, die sich an Liebreiz gegenseitig überbieten, kann quasi ja überhaupt nichts schief gehen!"
"Ihr Hauptattribut sind leider weniger die schnellen Friedensstifter, als das noch schnellere Plappermaul, Mister Byrd!", stellt Shadrack fest, "so dankbar ich ehrlicherweise für Ihre Hilfe bin seit New York City, muss ich doch künftig um mehr Verschwiegenheit bitten! Zumindest, wenn Sie gedenken, weiter mit mir zu kollaborieren nachdem wir Denver erreicht haben."
Byrd lächelt breit, schließt pantomimisch seine Lippen ab und wirft den imaginären Schlüssel weg. Shadrack rollt die Augen, und drückt seinem Pferd die Hacken in die Seiten, um sich an die Spitze zu setzen. Byrd zwinkert May B. zu.

Schalter:
Die Reise nach Westen führt die Trails entlang nach Colorado, der einzige nennenswerte Halt unterwegs ist die florierende Stadt Pueblo. Das sind satte 170 Meilen, also mindestens fünf Tage im Sattel. (Für geübte Cowboys kein Ding, aber meine Wild Cards haben allesamt Riding nur auf W4.) Nach Pueblo ist es nicht weit bis Colorado Springs, und von dort kann mein Aufgebot die Eisenbahn nach Denver nehmen, ohne Angst vor allzu vielen Häscherinnen von Black River zu haben. (Die Gleise gehören an diesem Punkt bereits der Denver Pacific-Eisenbahn, die nicht in die Great Rail Wars verwickelt ist.)

Denver ist ihrer aller vorläufiges Ziel, und sie müssen dort entscheiden, ob sie gemeinsam weiterreisen werden, und was sie sich als nächstes vornehmen.

Ich gebe meinem Aufgebot noch keine neue Queste, das sollte warten, bis sie Denver erreicht haben. Es ist wohl mal Zeit für ein bißchen mehr Charakterisierung, und meine Wild Cards haben ja auch viel zu besprechen, und jetzt gerade viel Zeit, um das zu tun!

Reisetag 1
Ich erwürfle einen GM Move und bekomme Foreshadow Trouble. Aha, sehr gut, einer meiner Lieblings-Moves!
Außerdem ziehe ich eine Karte für Reisebegegnungen wie im Deadlands-Regelwerk beschrieben (Seite 97). Nur Hofkarten bedeuten Encounter, und ich bekomme eine Kreuz vier. Alles was heute passiert, ist demnach folgendes:

In den sandigen Hügeln bei Syracuse wirbeln Reiter Staub auf, den man von Ferne sehen kann. Sie reiten in gemessenem Tempo, als hätten sie es nicht sehr eilig. Die Staubwolke bleibt aber konstant auf derselben Höhe, den ganzen Tag lang. Vielleicht nur Zufall, aber vielleicht werden meine Wild Cards auch verfolgt, von Hombres, die das Jagdttempo erst erhöhen wollen, wenn ihre Ziele schön weit weg von der Siedlung sind ...!

Zur Mittagszeit sucht meine Gruppe sich ein schattiges Wäldchen am Wegrand, und Byrd macht sich freudig daran, aus Gemüsekonserven und Pökelfleisch etwas am Lagerfeuer zu kochen.
Joycelyn wirkt reichlich jammerig, sie fühlt sich nicht eben wohl mit der Perspektive, eine Woche im Sattel zu verbringen, immerhin war ihre letzte solche Reise (bei ihrer Flucht aus Barricade) ein Desaster. Am Feuer sortiert sie ihre Einkäufe, die sie in Syracuse gemacht hat: "Unfasslich, dass diese Dinge die Gesamtheit meines derzeitigen irdischen Besitzes repräsentieren! Und ich dummes Ding hatte schon in Barricade gedacht, ich sei schlecht ausgestattet, aber da hatte ich immerhin noch meine ganzen Koffer! Wenn ich geahnt hätte, was als nächstes auf mich wartet ..."
"Warum schleppen Sie überhaupt all diese Sachen mit?", traut sich May B. zu fragen, und hält fünf verschiedene Größen von schimmernden Hornkämmen hoch. Sie gibt sich nach wie vor Joycelyn gegenüber etwas schafhaft.
Diese seufzt tief: "Ach Miss Wickett, ich wünschte, ich hätte Ihre Haare. Sie sind unverwüstlich. Sehen Sie mal, ich habe ja nicht einmal eine Lockenschere in Syracuse kaufen können! Ich werde binnen weniger Tage aussehen wie ein Wischmopp."
May betrachtet Joycelyns Klimbim fasziniert, aber traut sich nicht, weitere Fragen zu stellen.
"Wenn wir endlich, endlich Denver erreichen, werden die Leute dort glauben, ich bin ein Waisenmädchen, eine Bettlerin", seufzt das Showgirl, und beendet ihre kleine Bestandsaufnahme.
"Dann entschuldige ich mich jetzt schon einmal für das nicht standesgemäße Mahl, Miss Lancaster! Habe immerhin so viel Majoran rein getan wie ich hatte!", verkündet Byrd.
"Machen Sie Witze, Mister Byrd? Das riecht großartig, was Sie da kochen!", säuselt Joycelyn, sie hat ganz schön Kohldampf.
Byrd rührt mit breitem Schmunzeln in seinem Topf und denkt sich seinen Teil, der Schürzenjäger.
May B. wirft ihm einen genervten Blick zu, und rückt unwillkürlich etwas näher an Joycelyn heran, beginnt ihr energisch zu helfen dabei, ihre Handspiegelchen und Schminkdöschen und so weiter wieder in ihrer Satteltasche zu verpacken, die Hexe wirkt beinahe ein wenig besitzergreifend, irgendwie als sei die Sängerin ihr Privateigentum.

Der Rest des Tages vergeht ereignislos. Natürlich teilen Shadrack, Byrd, und Wickett Schichten ein für die Nachtwache, denn sowohl das Getier der Wildnis als auch die ominösen Verfolger könnten die Dunkelheit nutzen, um zuzuschlagen. Machen sie aber nicht, zumindest nicht heute.



Reisetag 2
Die heutige Encounter-Karte ist eine Pik vier, also wieder alles ruhig. Dann und wann passiert das Aufgebot ein einsames Farmhaus oder überholt ein Fuhrwerk.



Joycelyn hat die Nacht über schlecht geschlafen in ihrem ungewohnten Schlafsack, und ist heute noch langsamer zu Pferde als gestern. Das blöde Vieh scheint auch so gar nicht so zu wollen wie sie will. Noch dazu nieselt es heute, und allen ist kalt. Als Joycelyn endgültig runter ist mit den Nerven, verlangt sie lautstark nach May B., und diese hat schließlich Erbarmen, steigt wortlos ab, und führt ihrer beider Pferde eben an den Zügeln.
"Aber Miss Wickett, so kommen wir doch auch nicht voran!", ruft Byrd nach einer Weile, "Sie müssen schon wieder aufsteigen! Sonst dauert die Strecke ja noch viel länger!"
"Lassen Sie mich in Ruhe! Es geht halt gerade nicht anders, sehen Sie doch!", gibt May wütend zurück.
Kalter Nieselregen tropft von den Hutkrempen der vier. Shadrack reitet ein Stück vor, um auf einer Anhöhe zu versuchen, einen genaueren Blick auf die Verfolger zu erhaschen. Byrd lässt sich schließlich so weit zurückfallen, dass er wieder neben den Pferden der beiden Frauen her reiten kann. Joycelyn ist in sich gekehrt, sie scheint vollends mit dem Gedanken daran beschäftigt zu sein, dass sie für solche Strapazen nicht gemacht ist. May B. stapft stoisch dahin mit den Zügeln der beiden Gäule in der Hand. Byrd nutzt das langsame Tempo, um im Sattel auf seiner Mundharmonika zu üben, er spielt echt schlecht, aber immerhin leise.
Schließlich wendet May B. sich nach Byrd um, und will wissen: "Was hatte das eigentlich vorgestern zu bedeuten? Abends in der Hamilton Street, meine ich. Warum wollten Sie, dass die Städter doch noch die Wahrheit hören? Und warum sollte ausgerechnet Joycelyn erzählen?"
Byrd schaut sie offen an und hört auf, Quietschtöne zu produzieren: "Miss Lancaster ist eben diejenige von uns mit dem größten Showtalent! Außerdem, wenn ich mich vor die Leute gestellt hätte, wäre ich nur ins Prahlen gekommen! Das geht ruck-zuck bei mir, schon schweife ich ab, ich kann nicht anders! Und Miss Lancaster hat das weltspitzenklasse gemacht, müssen Sie zugeben."
"Ja, aber was sollte das überhaupt? Sie reisen hier mit einer Hexe, und Shadrack und Sneyers sind Huckster. Die normalen Leute wissen nicht, was Manitous und die Ewigen Jagdgründe sind, die halten uns einfach für Teufelsanbeter. Wenn das schlecht gelaufen wäre, hätten die Leute in Syracuse uns in dieselbe Schublade gesteckt wie Fast-Shuffle Jones, den sie für ein Ungeheuer gehalten haben! Haben Sie nicht gehört, wie viele Fälle von Lynchjustiz es in den letzten Jahren hier draußen im Weird West gab?"
Byrd hebt die Schultern, und sagt, "Hatten Sie denn nicht das Gefühl, die armen Tröpfe in Syracuse hatten ein Recht darauf, zu erfahren, was vorgestern wirklich geschehen ist? Na ja, nicht unbedingt, was unser Aufgebot betrifft, oder ihren Bürgermeister ... das ist ja zugegeben in der Tat ein wenig figilinsch ... Aber zumindest, was Sundowns untote Horde betrifft ...?"
"Bah, wegen mir ist das unerheblich. Je mehr die Menschen die Kraft des Okkulten fürchten, desto stärker sind meine Hexenkünste."
"Aber Sie haben ja gesagt, Sie wollen Ihre Hexerei jetzt gegen das Reckoning einsetzen, Miss May! Weiß ich noch ganz genau. Sie sagten, Sie wollten versuchen, sie umzulenken."
"Und Sie sehen da einen Zusammenhang?"
"Na was weiß denn ich? Sagen Sie's mir! ... Aber wie fanden Sie das denn neulich, Miss Lancaster? Hat Ihnen Ihr kleiner Auftritt gefallen?"
Joycelyn schaut nun doch auf, und sagt sofort: "Ja, natürlich! Haben Sie gesehen, wie die Saloongäste mich angeschaut haben, nachdem ich zu Ende berichtet hatte? Als wäre ihnen allen ein riesiger Stein vom Herzen gefallen! ... Haben Sie mitbekommen, dass die später noch Samuel und Joe und Mister Hoover und die anderen Hilfssheriffs auf ihren Schultern die Hauptstraße hinauf getragen haben, wie in einem Festumzug? Das hätten sie wahrscheinlich sogar mit Mister Sneyers gemacht ... wenn der nicht so ein Dickerchen wäre!", und sie kichert.
 Byrd strahlt May B. an: "Sehen Sie, Miss May? Ende gut, alles gut. Und niemand ist dabei aufgeflogen, oder gelyncht worden."


Reisetag 3
Weiterhin kommt kein Encounter laut Kartenziehung. Mein Aufgebot erreicht Colorado, ein neugegründeter Staat, auf den sowohl die Union als auch die Konföderation Anspruch erheben, aber bevor nicht der Bürgerkrieg entschieden ist, wird auch diese Frage ungeklärt bleiben.

Das Wetter ist gestern Abend wieder besser geworden, und auch Joycelyn und ihr Pferd scheinen sich aneinander gewöhnt zu haben. Heute kommen die Wild Cards wieder zügiger voran. Noch etwas schläfrig reiten die vier unter dem rötlichen Sonnenaufgang dahin.
Joycelyn hält sich weiterhin an May B.s Seite, und schaut hilfesuchend in Richtung der Hexe, wann immer es auch nur bedrohlich im Unterholz am Wegrand knackt.
"Haben Sie heute Nacht besser geschlafen, Joycelyn?"
"Puh, es war grauslich! Feucht und kalt, und alle paar Stunden kreucht irgendetwas im Gebüsch zum Lagerfeuer und macht Lärm! Wie haben Sie's nur ausgehalten auf dem Hügel bei Barricade in ihren Zelten? Das einzige, was mich derzeit bei Laune hält ist die Perspektive, dass in Pueblo und Colorado Springs Hotelbetten auf uns warten!"
May B. denkt an das Zeltlager der Wichita Witches zurück. Eigentlich fand sie es da ziemlich nett, zumindest, wenn nicht Ivanka Darrow gewesen wäre.
"Was mache ich denn mit Ihnen, wenn wir Denver erreicht haben?", fragt sie, und fügt unsicher hinzu: "Sie können nicht einfach zurück in Ihr voriges Leben in Chicago. Black River wird Sie dort erneut kontaktieren, und dann geht für Sie alles von vorne los."
Joycelyn hebt verächtlich ihre Stupsnase: "Ich muss ja keinen neuen Tournee-Vertrag mit ihnen unterschreiben! Und dafür, dass der alte Vertrag geplatzt ist, können die Damen mich kaum belangen. Es ist ja nun nicht meine Schuld, dass ein Wirbelsturm meinen Einsatzort weggefegt hat."
"Sie stellen sich das ... etwas einfacher vor, als es ist, glaube ich. Erinnern Sie sie daran, wie boshaft Miss Darrow war, wenn wir anderen nicht gespurt hatten?"
"Dieses Biest, mit Verlaub!"
"Ganz genau. Aber gegen Violet Esperanza und die anderen Chefinnen war Miss Darrow lammfromm. Die häuten Sie und rösten Sie auf kleiner Flamme, wenn Sie aussteigen wollen, Miss Lancaster."
Joycelyn wirft May B. einen erschütterten Blick zu. May beißt sich auf die Zunge, sie hätte vielleicht nicht ganz so bildhaft werden müssen. Nicht, dass es so weit hergeholt war.
"Sie beschützen mich doch, während wir miteinander unterwegs sind, Miss Wickett?", haucht Joycelyn eingeschüchtert.
May nickt schnell: "Ja, natürlich. Sie können sich auf mich verlassen."
"Ach, ich bin so froh. Ehrlich gesagt, dachte ich, dass ich in ein großartiges Abenteuer aufbreche, als ich Black River zugesagt hatte, für sie in Kansas aufzutreten. Großartig, und lukrativ! Hinaus in den Weird West, von dem so viel in den Zeitungen zu lesen ist. Bisher war jedoch das meiste von dieser Reise ein einziges Schrecknis! Sie, May, sind mein einziger Lichtblick dabei gewesen."
May B. hofft, dass sie nicht errötet, und fragt schnell, "Aber jetzt, nachdem Ihr Abenteuer nicht sehr lukrativ war, was wollen Sie denn jetzt?"
Joycelyn zögert, und sagt schließlich, "Mir weiterhin einen Namen machen. Aber es ist eigentlich nicht so wichtig, wo. Ehrlich gesagt bin ich mir unsicher geworden, ob ich tatsächlich in das Showgeschäft im Back East zurückkehren will, oder vielleicht tatsächlich hier draußen bleiben. Es muss ja nicht gleich die Wildnis sein wie hier gerade! ... Aber wie ist Denver denn so? Ich habe viel Gutes darüber gelesen!"
May zuckt nachdenklich die Schultern: "Alle Schienen führen nach Denver, heißt es. Das Eisenbahnrennen wird sich vielleicht dort entscheiden. Black Rivers verdeckte Agentinnen werden jetzt schon da sein. Mit ähnlichen Machenschaften, wie wir sie vor hatten in Barricade! Ich muss noch weiter weg, mal sagen, Kalifornien. ... Das Land, wo Gold und Ghost Rock auf der Straße liegen!"
Die beiden wechseln einen Blick.
"... Wenn Sie wollen, nehme ich sie mit dahin!", endet May.


Reisetag 4
Die Encountertabelle gibt nach wie vor nichts her, Colorado wird langsam hügeliger, erscheint weitgehend ausgestorben. Auch die unbekannten Verfolger haben seit Tagen nicht von sich hören gemacht ...
Shadrack und Byrd stehen nebeneinander in den vertrockneten Büschen und pissen.
"Hab' lange nicht mehr so viele Tage hintereinander auf 'nem Gaul gesessen! Oho, urinieren Sie mal nicht auf diesen Ast da, der passt gut in meine Liege! Den baue ich gleich mit ein!"
"Sie haben meiner Ansicht nach schon genug Zeit damit verplempert, an Ihrem Sattel rumzubasteln, Mister Byrd. Sie sollen auf dem Gaul reiten, nicht drauf liegen!"
"Am besten wäre eine Trage, die kann der alte Zosse einfach ziehen. Hatte ich mal, das war prima. Da konnte ich ordentlich Schlaf nachholen auf längeren Reisen! Das geht aber nur, wenn das Pferd den Weg genau kennt."
"Trage, ach Du meine Fresse. sehen Sie zu, dass Sie nicht runterfallen aus diesem dämlichen Liegestuhl, den Sie sich da zusammenbasteln. Das Ganze hier dauert schon lange genug. Wenn Sie diesen Ritt durch Ihre Possenreißerei noch mehr in die Länge ziehen, lasse ich Sie zurück."
"Ich find's wunderbar, wenn nur nicht die wunden Waden wären! Und wir haben ja sogar was Hübsches zum Gucken, Shadrack, während wir durch die malerische Landschaft ziehen!"
"So hübsch diese Gesichter auch sind, Byrd! Vergessen Sie nicht, Miss Lancaster verlangsamt uns alle durch ihre schlechten Reitkünste und ihre fortwährenden Befindlichkeiten. Und wenn Miss Wickett nicht wäre, hätten wir nicht die Black River-Truppen zu fürchten, und die Rothäute, mit denen sie sich in Barricade angelegt hat! Wer weiß, welche von ihren Feinden es sind, die uns seit Syracuse mit Abstand nachfolgen."
Sie hören auf zu pissen und gehen zu den Pferden zurück, Byrd kramt noch den Ast hervor, um ihn in seinen Liegestuhl mit einzubauen, dann holt er zu Shadrack auf:
"Och, jetzt seien Sie aber nicht unfair, Chefchen. Könnten auch welche von unseren Feinden sein! Der Court, Späher von Bayou Vermillion, möglicherweise gar Überbleibsel der Varville-Gang!"
Bevor sie aufsitzen, wechseln sie einen Blick.
"Da hilft keine falsche Bescheidenheit, Mister Shadrack ...!"
"Wollen Sie sagen, wir waren insgesamt erfolgreich damit, viele von den Machtgruppen, die wir hassen, ordentlich zu ärgern?"
Byrd grinst breit: "Yup! Hand auf's Herz und ganz ehrlich: Ist doch irgendwie gut!"
Sie lachen, und und schwingen sich in die Sättel.



Reisetag 5
Wieder kein Encounter laut Tabelle, was ist da los. Dann mache ich mal wieder einen GM Move: Reveal a New Detail Hm! Was für ein Detail ist das denn? Mein Kartenorakel sagt dazu, a Large Plot Arc, also einer der größeren Handlungsbögen.

Mittlerweile war es tagelang wieder trocken, und mit derselben Abstand wie nach Syracuse sieht man im Verlauf von Tag fünf erneut die Staubwolke der Verfolger über dem sandigen Trail aufsteigen. Während einer Rast sitzt Shadrack auf einem felsigen Hügel in seinem Sattel und versucht verdrossen etwas hinter ihnen auszumachen. Er mischt gedankenverloren dabei seine Spielkarten, wahrscheinlich hat er seine Sinne verstärkt. Die anderen drei warten darauf, dass das Wasser für den Kaffee auf dem Lagerfeuer zu kochen beginnt, und kommen ihm nach.
"Irgendwas entdeckt, Chefchen?"
"Hätten wir mal ein verdammtes Fernglas dabei", murrt er, "keine Ahnung, was das für welche sind. Jedenfalls sind sie immer noch hinter uns, mit demselben Abstand wie ursprünglich. Das passt mir nicht."
May B. späht ebenfalls hinunter zwischen die spärlich begrünten Hügel, und wirft einen Benny ab, um ihre Gabe zu aktivieren. Sofort zuckt sie zusammen. Shadrack und Byrd sehen sie alarmiert an.
"Was ist denn da?", raunt Byrd, "sehen Sie etwa wieder was, was wir nicht seh'n?"
"Manitous!" keucht May B. erschrocken, "Wie eine bleiche Wolke ... sie umschwärmen diese Reiter. Wie als wären sie ganz heiß darauf, von denen beschworen zu werden! Sowas habe ich schon gesehen, an Orten, wo viel Aufruhr in der Geisterwelt ist, zum Beispiel in Wichita ..."



"Also Huckster! Dann hat Amblin seine Männer schneller zusammengetrommelt als erwartet, und wir müssen nur auf sie warten, um sie in die Mangel zu nehmen!", grummelt Shadrack, seine Stimme klingt entschlossen.
"Huckster, oder Wichita Witches, oder gar Sioux-Schamanen!", zischt May B. und zwingt sich, den Blick von den fliegenden, gespenstischen Leibern abzuwenden, "und zwar nicht irgendwelche. Ernest Amblin hat keine Wolke von Manitous um sich versammelt, und nicht einmal Otavana. ... Es muss jemand sein, der jetzt gerade für sie ... eine konstante Quelle von Möglichkeiten ist! Wie ... ein Fahrkartenverkäufer für Zugreisende ..."
"Hübscher, thematischer Vergleich!", lobt Byrd, "also was, lauern wir ihnen auf?"
"Nein, nicht unter diesen Umständen", sagt Shadrack grimmig, aber seine Hände zittern, "wir brauchen eine Rückversicherung, und einen Plan. Wir müssen mindestens Pueblo erreichen, um zuschlagen zu können, oder noch besser, Denver."


Am späten Abend treffen meine Wild Cards in Pueblo, Colorado, ein, ein niedliches Städtchen von knapp derselben Größe wie Syracuse. Es gibt keine Zuganbindung und daher sind die Eisenbahnkriege weit fern. Dafür müssen Güter mit der Postkutsche hergebracht werden, und dergestalt sind die Preise für Waren aller Art ordentlich gesalzen.

Byrd und Wickett sind seit Barricade total blank, und beschließen, in eine der spätabendlichen Pokerrunden einzusteigen, um ihre Reisekasse aufzubessern. (Papa Shadrack hat auch klar gemacht, dass er nicht gedenkt, weiterhin die Hotelkosten für die ganze Reisegruppe zu tragen, der Geizkragen.) Dafür nehme ich die Gambling-Regeln aus der Skill-Beschreibung (SWADE-Grundbuch, Seite 30). Byrd kommt auf eine fünf, May B. hat richtig Schwein und erreicht 17. Die Kartenhaie im Casino haben einen W8, aber unterbieten beide Resultate. Bei einem Einsatz von 10 Dollar gewinnt Byrd 30, und May B. geht mit 150 Dollar vom Pokertisch weg. Das hat sich gelohnt! Nun hat sie aber den Nachteil Outsider, und Pokerspieler im Weird West stehen leider nicht im Ruf, eine solche Schlappe mit Anstand hinzunehmen, noch dazu von einer Anfängerin. Um die anschließenden Vorwürfe der Falschspielerei abzuwiegeln, muss sie Persuasion würfeln (ihr -2 für Outsider und +2 für Very Attractive heben sich dabei gegenseitig auf). Sie kommt auf eine neun, was ein Raise ist. Byrd verfolgt verschmitzt das Schauspiel, wie May B. freundlich aber bestimmt alle Vorwürfe und Fremdenfeindlichkeiten von sich weist — und die Herren dabei in honigsüßer Stimme auch noch beleidigt, ohne dass sie es merken.



Und wo wir grade beim Aufbessern der Reisekasse sind, Joycelyn tut selbiges im Saloon um die Ecke, mit einem Performance-Wurf (SWADE-Grundbuch Seite 32). Sie ist clever genug, unter falschem Namen aufzutreten, um keine leicht nachvollziehbare Spur für Verfolger zu hinterlassen, verzichtet also auf den Bonus von ihrem Fame-Vorteil. Mit einem Erfolg verdient sie 50 Dollar in Gage und von Spenden aus einem Hut der herumgereicht wird, und noch dazu ein paar Blumen und einen (übermäßig spontanen, aber von Herzen kommenden) Heiratsantrag eines Angetrunkenen.

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