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Was macht Oldschool-Rollenspiel regelmechanisch aus
Camo:
--- Zitat von: Zed am 19.09.2022 | 14:13 ---Um es nochmal auf den Punkt zu bringen:
Meine These ist: Die Prototypen des Rollenspiels D&D und AD&D 1 waren damals noch nicht wirklich gut designt. (Obwohl ich sie sehr gerne gespielt hatte und sie mich auch sehr stark geprägt haben.) Die für mich damals wie heute fragwürdigen Designentscheidungen, ich nenne sie mal Bugs, heutzutage zum Feature zu deklarieren, wäre für mich nicht nachvollziehbar.
--- Ende Zitat ---
Die waren damals schon Features, spätestens bei AD&D sollte das klar sowie allem nach der White Box, weil es halt genug andere Systeme gab, die es bewußt anders machten. Und nicht nur ein wenig anders sondern teilweise fundamental anders. Siehe Boot Hill, ein Spiel, dass von Gygax mitgeschrieben wurde und ein Jahr nach der White Box veröffentlicht wurde und auf Skills basierte. Ehrlich gesagt waren die meisten von TSR veröffentlichten Spiele ganz anders als D&D, von daher waren es bewußte Designentscheidungen. Bei der White Box war es anders... das war das erste... aber danach gab es genug andere, um zu sehen, dass und wie es anders ging. Das es nur wenig geändert wurde ist ein Zeichen für bewußte Designentscheidungen.
Und es ist völlig normal und auch in Ordnung, dass nicht jeder jedes Design mag... was aber kein Problem ist, weil es genug Alternativen gibt. Kann man natürlich "Bugs" nennen, sind es aber nachweislich nicht gewesen. Es ist beim Fußball ja auch kein Bug, dass man die Hände nicht nutzen darf... dafür gibt es dann andere Spiele, die das beinhalten. ;)
--- Zitat von: Zed am 19.09.2022 | 14:13 ---Ich halte es nicht für hilfreich, die teils strukturellen Schwächen eines Systems wegzureden mit „Setz Dich darüber hinweg!“; „In Erweiterung XYZ in der Zeitschrift Nr 37 wurde das ja schließlich verbessert“ oder „In dem Fall wäre das (heute untergegangene) ABC-System das bessere für Dich gewesen“: Letztlich sprechen wir ja von OSR, als das man heute (A)D&D noch nutzen kann. Da sollte der Anspruch wie an jedes System sein, dass man es auch ohne Tweaks und tiefstes Regelderivat-Spezialwissen schon mal gut spielen kann.
--- Ende Zitat ---
Tatsächlich sind die wenigsten Systeme heutzutage untergegangen. Oft gibt es neue Versionen, zum Teil werden aber die alten Editionen noch gespielt. Und ja, wenn man "OSR" nur auf (A)D&D beschränken will, hättest du recht. Sehe ich halt nicht so, für mich ist jedes alte System "old school", ich ignoriere nicht 90% der alten Systeme und erhebe eines über die anderen. Warum auch, dann würde ich mich ja selbst der Vielfalt berauben und müsste mich mit Systemen, die ich nicht unbedingt mag, zufriedengeben... was mich frustrieren würde. Das habe ich in den 80ern nicht gemacht, warum sollte ich es heute tun? Ergibt keinerlei Sinn, denke ich. Jeder wie er mag, aber ich schätze und bewahre die Vielfalt lieber, als ein System hervorzuheben und mich über die Schwächen zu ärgern. So gerne bin ich nun auch nicht frustriert.
--- Zitat von: Zed am 19.09.2022 | 14:13 ---Gibt es bei (A)D&D eine Textstelle, die das beschreibt, wie Du es zusammenfasst? Ich stimme Dir insofern zu, dass der Aspekt „Von der Nulpe zum Helden“ bei modernen OSR eine Konstituente zu sein scheint (Funnel als „Via Appia Antica“, bis es irgendwann mal eine Figur überlebt). Das wäre für mich ein Beispiel: Die tendenziell höhere Tödlichkeit in unteren Stufen bei alten Systemen würde ich heute auch als Designfehler werten.
--- Ende Zitat ---
Keine Ahnung, ob es diese Textstelle gibt. Aber allein die Beschränkungen der Charaktere auf niedrigen Stufen sprechen dafür, dass sie Anfänger sind und keine heldenhaften Veteranen. Ich stütze mich da auf die Spielerfahrung mit eigenen Gruppen als auch mit anderen, z.B. auf Cons in den 80ern. Die wenigsten haben ihre Stufe 1-Charaktere als "Veteranen unzähliger Schlachten" angesehen, meist begann man gerade auf Abenteuer auszuziehen.
Und warum Designfehler? Das sollte so sein, ist z.B. beim Warhammer-Rollenspiel noch deutlicher: Da kann - selbst ohne kritische Treffer - ein Hieb dem Gegner den Arm abschlagen. Und das ganze System bei D&D weist deutlich darauf hin, dass Kämpfe NICHT das Mittel der Wahl sind. XP durch Kämpfe sind weniger als XP durch Loot... das man auch dann bekommt, wenn man Gegner umgeht oder austrickst. Ich meine mich sogar zu erinnern, dass etwas Derartiges auch in den Regeln stand, mag aber gerade nicht nachschlagen. Kämpfe sind gefährlich, man musste GUT überlegen und einschätzen, ob man kämpfen wollte. Musste man ja aber nicht, gab ja eh kaum XP. Der Kosten-Nutzen-Faktor bei Kämpfen war also bewußt gering gehalten. Das ist weder ein Designfehler noch ein Bug, es war eine bewußte Entscheidung. Und "alles umklopfen, was man sieht" ist darum eine Entscheidung am Design der Regeln vorbei. Klar, kann man machen, aber... siehe die Bemerkung von mir von gestern bezüglich der Eigenschaften von Brot zum Einschlagen von Nägeln. Wenn man etwas tut, bei dem einem das Regeldesign nahelegt, dass es jetzt nicht sooo viel bringt, dafür aber hohe Kosten (Verletzungen, Tod) hat, sollte man sich nicht beschweren, wenn es tatsächlich nicht viel bringt, dafür aber hohe Kosten hat. Oder?
--- Zitat von: Zed am 19.09.2022 | 14:13 ---Wo ich Dir zustimmen würde, wäre der Aspekt „Aufgabenteilung“. Die war in den frühen Versionen strikter. Unser Kleriker bekam mächtig Gruppendruck, wenn er es wagte, mal etwas anderes als Heilungen zu prägen, denn er war der einzige, der es so richtig konnte. Das wurde erst in höheren Stufen, als er viel mehr Spellslots hatte, entspannter. – Wobei: Der Magier ab mittlerer Stufe mit evtl etwas Vorlaufzeit auch einen Dieb passabel ersetzte, einen Buffer und später auch einen Kämpfer, wenn es sein musste.
Was war es für eine Erleichterung, als mit der 3E der Kleriker jeden Zauber mit einem Heilzauber ersetzen konnte. Das befreite den Kleriker vom Gruppendruck auf eine sehr eingeschränkte Prägung.
Camo: Die alte, strikte Aufgabenteilung der Klassen (Ausnahme: Magier ab mittlerer Stufe), Bug oder Feature?
--- Ende Zitat ---
Das war definitiv so gewollt, also bewußtes Design. Funktionierte ja auch jahrzehntelang. Jede Klasse hatte ihre Aufgabe, die sie erfüllen sollte. Darin war sie gut, andere konnten das entweder gar nicht oder schlechter. Damit erfüllte man diese Aufgabe, wenn man sich für diese Klasse entschied. Denn wenn nicht jeder seinen Tel zum Gelingen beitrug, funktionierte das nicht, das Spiel war darauf ausgelegt, dass jeder seine Aufgabe erfüllte. Dafür wurden die Supporter dann auch beschützt, ohne dass darüber groß geredet werden musste... denn wenn sie starben, schwächte das die Gruppe. Heute fokussiert man sich mehr auf das Ausspielen des eigenen Charakters, die Gruppe kommt - wenn überhaupt - dahinter. Dafür muss halt der komplette Spielstil umgestellt werden und manchmal auch die Regeln. Womit wir wieder bei "Mein Magier stirbt an einem Dolchstich von dem kleinen Kerl da" sind... denn genau diese Gelegenheit sollte verhindert werden durch die "robusteren" Charaktere. tun sie es nicht, ist das Gruppenspiel schlecht und entspricht nicht dem, was sich die Designer vorstellten... womit das genutzte Gruppenspiel nicht zu den Regeln passt, weswegen man entweder das Vorgehen (Gruppenspiel an das Regeldesign anpassen) oder das Werkzeug (Regeln nutzen, die zum Gruppenspiel passen) ändern sollte. Ist ehrlich gesagt überall so, ob im Beruf oder beim Sport...
--- Zitat von: Zed am 19.09.2022 | 14:13 ---Zugestanden: Dein Breitenwissen ist auf jeden Fall größer als meins! Mein 16jähriges Ich wird sich aber nicht dafür verteidigen, dass es bis zu den 90er Jahren nur Kontakt mit DSA, D&D und dann mit ADnD ff hatte. Das alles war vor der Internetzeit, ich wohnte weit weg von Rollenspielläden und Cons. Nach meiner Erinnerung begann meine erste Bekanntschaft mit diesen Systemen 1984 in der von mir aufgezählten Reihenfolge. Ich kannte drei Rollenspielgruppen, zwei spielten DSA und wir spielten erst D&D, dann AD&D. Mein subjektiver Eindruck damals war, dass DSA und (A)D&D die Marktführer waren. Für meinen damaligen Eindruck ist es irrelevant, ob das der Realität entsprach.
--- Ende Zitat ---
Korrekt. Subjektiv ist nicht von den Fakten abhängig. Ich argumentiere aber objektiv, mit den Tatsachen, wie sie generell waren. Ich hab mit D&D angefangen, dann in AD&D reingeschaut, danach kamen Midgard, Traveller, Schwerter und Dämonen, Runequest und ein paar andere Systeme, bis DSA herauskam. Bis heute sind so über 200 Systeme in meiner Sammlung, wobei ich DSA in sämtlichen Editionen ebenso wie D&D in allen Ausführungen, ob mit oder ohne A als ein System zähle. Bummelige 80% davon hab ich angespielt, ob mit eigenen Runden, auf Cons oder als Demorunden in den verschiedenen Läden. Und das mache ich immer noch, gerade weil ich die Vielfalt mag und "DAS Lieblingssystem" für mich nicht existiert. Ich habe nur wenig Frust, weil ich mich nicht an einem System festhalte, wenn ich es nicht mag. Und ich grabe immer noch sehr gern die alten Systeme aus und stelle sie den neueren "Generationen" von Spielern vor... meist durchaus mit Erfolg. Und ich habe eher kein Problem, Spieler zu finden, eben weil ich oftmals zeigen kann, dass es mehr als dieses eine System und damit auch verschiedene Herangehensweisen an unser Hobby gibt. Selbst angeblich "unspielbare" Systeme (die wir damals viel und gern spielten, ohne erklärende Youtube-Videos oder Leute, die das schon länger spielten und es uns erklären konnten) funktionieren tadellos. Zumindest, wenn man es will.
--- Zitat von: Zed am 19.09.2022 | 14:13 ---Camo, anerkennst Du, dass der TE a u s d r ü c k l i c h nach Gründen gefragt hat, warum man k e i n OSR kaufen möchte, und dass ich zu der Frage richtig viel beitragen kann, vielleicht sogar mehr als Du 😊? Gerade in einem Diskussionsforum sollte Dich nicht überraschen, auf Gegenargumente zu stoßen. Bitte unterlasse mir erklären zu wollen, ob ich hier etwas beitragen kann oder nicht. Sollte ich mich im Ton vergreifen, dann sprich das gerne an, aber solange ich sachlich bleibe, erhebe Dich bitte nicht zum Thread-Sauberhalter.
--- Ende Zitat ---
Die Frage war tatsächlich reine Neugier, da ich dafür aber Anfeindungen bekomme, ziehe ich sie zurück. Entschuldige, dass ich fragte. Selbstverständlich bin ich kein "Thread-Sauberhalter", ich war nur neugierig. Ist aber wohl unerwünscht, merke ich mir. *schulterzuck*
--- Zitat von: Zed am 19.09.2022 | 14:13 ---Dann will ich Dich gerne noch auf ein paar Argumente und Beispiele von mir aufmerksam machen, auf die Du bisher noch nicht eingegangen bist. Mich interessiert sehr, ob und warum es für Dich ein (A)D&D-Bug oder ein Feature ist:
* "Drüber oder drunter würfeln? Warum mal so, mal so?" – Inkonsistenz, ob hoch oder niedrig Erfolg oder Misserfolg ist
* "Warum hier jetzt ein D6 oder ein D100 und nicht ein D20 wie sonst auch?" – ZB Geheimtüren aufspüren für Normalos, Elben und Diebe
* "Kann ich gar nicht klettern als Nicht-Dieb?"
* "Ich spiele einen Elb - echt naturverbunden. Und gerade ich darf kein Druide werden? Warum?" Sehr harte Level-Caps und Klassenverbote anstatt anders auszubalancieren
* "Wenn der Winzling mit seinem Dolch mich einmal trifft, dann kann ich mir höchstwahrscheinlich einen neuen Charakter basteln? Wirklich?" 2-3 hp für einen Magier der ersten Stufe, der seine zwei guten Werte auf Int und Ges gelegt hat
* "Warum darf ich nicht den Charakter spielen, der mir vorschwebt (zB Paladin), sondern muss den spielen, den die durchschnittlich gewürfelten Werte mir ermöglichen?" Teils enorm hohe Mindestattributsanforderungen anstatt sanfterer Balancierungsversuche
* "Also nochmal von vorne: Erst bin ich drei Klassenstufen Krieger. Dann vergesse ich alles, was mich ausmacht. Außer den Lebenspunkten. Dann beginne ich neu als Kleriker. Sobald ich die vierte Klerikerstufe erspiele, fällt mir alles aus meinem Kriegerleben wieder ein, bin aber zugleich so blockiert, dass ich nie wieder als Krieger aufsteigen könnte. - Was bitte ist die Logik dahinter?" – Charakter-mit-zwei-Klassen-Regelung: Mein Hauptzeuge, dass AD&D strukturelle Designfehler hat.
--- Ende Zitat ---
Da hast du schon Antworten bekommen... und ich möchte nicht weiter riskieren, deinen Unmut zu erregen. Das sind alles bewußte Design-Entscheidungen, auch wenn sie dir nicht gefallen. Wenn du das als "Bugs" deklarierst, setzt du deine Meinung als universellen Maßstab ein, was... komisch wäre. Aber natürlich soll das keine Kritik sein, wie käme ich dazu. ;)
Haukrinn:
--- Zitat von: tartex am 19.09.2022 | 16:21 ---Klar. Ich kenne nur das englische Original. Bei DSA1 kam sowas in den drei ersten Boxen noch gar nicht vor. Kiesow hat ja eigentlich auch später nur fleißig kopiert, was der RPG-Zeitgeist in den USA - sprich Dragonlance - so vorgab.
--- Ende Zitat ---
Doppelseitige Abbildung des Marktplatzes, lange Einkaufslisten inklusive Strohsack im Schlafsaal und Krug Dünnbier, und das alles schon im Buch der Regeln! Kein Vergleich zum puristischen AD&D1 Spielerhandbuch mit dem Charme einer öffentlichen Förderrichtlinie. ~;D
Tomas Wanderer:
@Camo
Wie kommst Du drauf, dass Boot Hill von 75 auf Skills basiert? Hab 1e sowie 2e und sehe da nichts, was man gemeinhin unter Skills versteht. Dagegen für die 3e von 90 würde es dann mMn zutreffen, die unterscheidet sich wesentlich von den anderen beiden.
Camo:
--- Zitat von: Tomas Wanderer am 19.09.2022 | 17:59 ---@Camo
Wie kommst Du drauf, dass Boot Hill von 75 auf Skills basiert? Hab 1e sowie 2e und sehe da nichts, was man gemeinhin unter Skills versteht. Dagegen für die 3e von 90 würde es dann mMn zutreffen, die unterscheidet sich wesentlich von den anderen beiden.
--- Ende Zitat ---
Scusi, dann hab ich das in den Jahrzehnten durcheinandergebracht. Der Rest bleibt davon aber unbetroffen.
Tomas Wanderer:
--- Zitat von: Camo am 19.09.2022 | 18:01 ---Scusi, dann hab ich das in den Jahrzehnten durcheinandergebracht. Der Rest bleibt davon aber unbetroffen.
--- Ende Zitat ---
War nur Interesse, stimme Dir grundsätzlich zu, dass frühe Ideen im Hobby nicht einfach als unausgereifte Prototypen angesehen werden können. Die wussten ganz genau, was sie tun. Ich mein, allein die Erfahrung durch die Organisation von Wargames, dies das.
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