Autor Thema: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve  (Gelesen 2652 mal)

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Offline Max Sinister 2

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OK, ich weiß, für viele hier ist Gleichverteilung (1W6, 1W20...) gut genug, und die meisten anderen sind mit einfachen Glockenkurven-Verteilungen (nW6 usw.) auch glücklich, und die DRASTIC-Leute sagen sowieso "Ich spiele meinen Charakter, und mein SL schummelt!"

Aber ich hab nun mal ein paar Statistik-Vorlesungen gehört, und mag auch, was Geistesgrößen wie Benoit Mandelbrot (Stichwort Chaostheorie) und andere zum Fach gesagt haben.

Und bei letzterem habe ich ein Beispiel gefunden, das hier recht am Platz ist:

Kurt und Zacharias spielen ein Münzwurfspiel: Einer von beiden wirft eine Münze so lange, wie seine Seite (Kopf für Kurt und Zahl für Zacharias, deshalb heißen die beiden auch nicht Peter und Paul) kommt. Anschließend gewinnt er vom anderen 1 Euro, wenn beim ersten Mal schon die falsche Seite kam; 2 €, wenn seine Seite nur beim ersten Mal kam und dann nicht mehr; 4 €, wenn sie zweimal kam; usw.

Preisfrage: Wieviel Geld müsste er als "Eintritt" für dieses Spiel zahlen, damit es fair für beide ist? (Die Münze ist fair.)

Tipp: Man muss nur den Erwartungswert berechnen. Wenn das Spiel auf einen Wurf beschränkt wäre, wäre der: 50% von 1€ + 50% von 2€ = 1,50 €. Soweit, so uninteressant. Aber wenn es keine wie auch immer geartete Obergrenze gäbe: Wie hoch wäre er dann?

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Ein ähnliches System gibt es auch mit den offenen Würfen in Rolemaster. Wenn ein Wurf nach oben/unten offen ist, hat man eine Chance von je 5%, dass man nochmal würfeln muss, und das Ergebnis aufaddiert/abgezogen wird. Und wenn der W100 dann wieder 96-100 ergibt, muss man nochmal würfeln und wieder aufaddieren/abziehen, ud so theoretisch weiter bis in alle Ewigkeit.

Und in Earthdawn sind alle Würfe nach oben offen. (Früher hatte ich mal eine Tabelle dazu erstellt.)

Irgendwie hatte ich das richtige Gefühl, als ich diese zwei Mechanismen aus unerfindlichen Gründen besonders interessant fand...

Offline fivebucks

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #1 am: 1.10.2022 | 23:56 »
Ich hatte mal was, wo wenn man das Maximum eines Wurfes geworfen hatte man danach einen Würfel höher werfen darf.

Also entweder: Münze, W4, W6, ... physische Würfel nutzen.

Oder einen elektronischen Zufallsgenerator nutzen, W2, W3, W4, W5, ...

Offline Rorschachhamster

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #2 am: 2.10.2022 | 01:09 »
Als Fan von einfachen Würfelmethoden bin ich da etwas skeptisch.  ;D
Was mir jenseits der Glockenkurve einfällt, ist der Wurf mit zwei ungleichen Würfeln. Die Begegnungstabellen aus dem Monterhandbuch 2 von AD&D nutzen W8+W12 - diese erzeugen ein Plateau, wo 9-13 die gleiche Wahrscheinlichkeit (Anydice sagt 8 1/3%) haben. Deswegen W8+W12 und nicht 2W10. Das ist praktisch eine abgeschnittene Glockenkurve.  :)
Rorschachhamster
DMG Pg. 81 " The mechanics of combat or the details of the injury caused by some horrible weapon are not the key to heroic fantasy and adventure games. It is the character, how he or she becomes involved in the combat, how he or she somehow escapes — or fails to escape — the mortal threat which is important to the enjoyment and longevity of the game."

Online 1of3

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #3 am: 2.10.2022 | 06:37 »
Explodierenden Würfel (ED, SR, SW) haben durchaus endlichen Erwartungswert und Varianz.

Hast du eine Frage? Worüber möchtest du reden?

Online Ainor

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #4 am: 2.10.2022 | 09:51 »
Kurt und Zacharias spielen ein Münzwurfspiel: Einer von beiden wirft eine Münze so lange, wie seine Seite (Kopf für Kurt und Zahl für Zacharias, deshalb heißen die beiden auch nicht Peter und Paul) kommt. Anschließend gewinnt er vom anderen 1 Euro, wenn beim ersten Mal schon die falsche Seite kam; 2 €, wenn seine Seite nur beim ersten Mal kam und dann nicht mehr; 4 €, wenn sie zweimal kam; usw.

Funktioniert mit Geld. Aber welche Grösse gibt es im Rollenspiel die unendlich werden könnte ?
Nimm einen Trefferwurf gegen RK 50. Mit dem oben beschriebenen "Würfel" ist die Wahrscheinlichkeit mindestens 50 zu erreichen 1/64. Solange die RK endlich ist ist auch die Wahrscheinlichkeit sie zu treffen endlich.
Ebenso beim Schaden solange eine endliche Zahl reicht um den Gegner zu erlegen. 
(und natürlich auch sonstigen Mindestwürfen).
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Online Weltengeist

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #5 am: 2.10.2022 | 11:05 »
Hast du eine Frage? Worüber möchtest du reden?

Die Frage habe ich mir auch gestellt: Was genau ist hier die Frage?

Das obige Beispiel ist übrigens nicht ursprünglich von Benoit Mandelbrot, sondern stammt von Nikolaus Bernoulli (frühes 18. Jahrhundert) und ist als St. Petersburger Spiel (auch: St. Petersburg-Paradoxon) bekannt. In klassischen Einführungen zur Wahrscheinlichkeitsrechnung kommt es tatsächlich nicht so häufig vor, eher schon in Vorlesungen zur Entscheidungstheorie, weil es eine gute Motivation liefert für die Frage, warum Menschen oft nicht nach Erwartungswert entscheiden.
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Online Ainor

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #6 am: 2.10.2022 | 12:40 »
Ich glaube das Petersburger Spiel ist für uns weniger relevant. So wie ich den Eingangsbeitrag verstehe geht es um die Frage: warum Glockenkurven und nicht andere Verteilungen ?

Explodierende Würfel geben ja eine Verteilung die einer stufenweisen Exponentialverteilung ähnelt (mit Gleichverteilung auf jeder Stufe). Entsprechend könnte man auch die Stufen weglassen (notfalls mit d100 oder d1000 und einer Tabelle). Das hat (bei normalem Wurf gegen Mindestwert) gegenüber der Glockenkurve zwei nette Vorteile:

- Für jede Schwierigkeitsstufe nimmt die Erfolgswahrscheinlichkeit um einen konstanten Faktor ab, anstatt dass die Kurve in der Mitte steiler und danach flacher wird. 

- Jede Schwierigkeitsstufe ist im Prinzip erreichbar.

Hab mal eine kleine Grafik angehängt.

Der Hauptnachteil ist vermutlich dass sie mit physischen Würfeln umständlicher durchzuführen ist.
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Offline Max Sinister 2

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #7 am: 6.10.2022 | 04:09 »
Nochmal Crosspost:

Warum mir diese seltsamen Verteilungen so wichtig sind? Ich mag auch guten Fluff, aber eben auch guten Crunch, und Potenzverteilungen sind sehr crunchig. Und sie kommen häufig im echten Leben vor. Bekanntestes Beispiel: Ungleichverteilung der Einkommen/Vermögen. 1% der Leute besitzt 50% vom Geld, oder noch mehr.

Und solche Verteilungen gelten z.B. auch für:
- Größe von Ländern
- Größe von Religionsgemeinschaften, nach Anhängern
- Anzahl der Exemplare pro Spezies
- Anzahl der Bücher in Büchereien (dürfte auch für magische gelten)
usw.

Ich würde wirklich gerne einmal eine Welt sehen, die nach diesen Kriterien erstellt ist. Momentan müssen die Autoren ja schwer improvisieren, wenn sie dem SL z.B. eine Möglichkeit anbieten, auszuwürfeln, wieviel Schätze auf einem Stück Land vergraben sind. Mit 1W20 oder 3W6 kommt man da kaum weiter, wenn man eine Spanne von "eine Kupfermünze" bis "Smaugs Hort mit 20 Tonnen Gold" hat.

Man kann zwar improvisieren, nach dem Motto "wirf W100, bei einer 100 würfel nochmal auf der Tabelle für große Schätze; wenn nochmal 100 kommt, würfel auf der für riesige Schätze...", aber trotzdem.

Mit der Potenzverteilung ergibt vieles auf einmal deutlich mehr Sinn.

Samael

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #8 am: 6.10.2022 | 06:22 »
Ich will im Rollenspiel aber den fetten Schatz finden, und nicht die Realität simulieren, wo ich ihn nicht finde… :)

Verknüpfte Zufallstabellen sind übrigens tatsächlich z B in Schatz- und Begegnungstabellen von oD&D / AD&D zu finden.

Online Weltengeist

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #9 am: 6.10.2022 | 06:41 »
@Max Sinister:

Natürlich kann jeder seine eigenen Vorlieben haben. Und natürlich kommen Long-Tail-Verteilungen IRL an vielen Stellen vor. Aber bei dem, was man am Rollenspiel am häufigsten würfelt - der Simulation von Erfolgen bei feststehender Kompetenz nämlich - tut sie das nicht. Wenn du wenig Ahnung von Physik hast, machst du nicht an einem guten Tag die Erfindung, die dich zum Nobelpreisträger macht. Und wenn du schlecht Tennis spielen kannst, schlägst du auch an deinem besten Tag keinen Weltranglistenspieler. Wenn überhaupt, dann kann man bei feststehender Kompetenz an einem schlechten Tag auch mal einen beliebig blöden Fehler machen. Aber beliebig gut wird man leider nicht...

Edit: Das soll jetzt nicht heißen, dass man das im Rollenspiel nicht benutzen darf. Systeme mit explodierenden Würfeln wie Savage Worlds erzielen ja genau solche Verteilungen. Aber man sollte dann nicht mit Realismus argumentieren, sondern damit, dass man Spaß daran hat, wenn auch mal völlig unerwartete Dinge passieren (auch wenn das im wirklichen Leben nicht passieren würde).

Edit 2: (weil es mich gerade über dem Frühstück beschäftigt) Nach meiner Erfahrung finden die meisten Rollenspieler solche Verteilungen genau so lange geil, wie sie zu ihrem Vorteil sind. Sprich: Solange sie selbst noch die Luschen spielen, finden sie es cool, dass die (wenn auch kleine) Chance besteht, dass sie einen schwarzen Drachen besiegen können. Später, wenn ihre SCs zu Cracks geworden sind, sind sie natürlich vehement dagegen, von einem beliebigen Luschen-Goblin weggehauen zu werden ;). Man müsste sich beim Einsatz solcher Verteilungen also überlegen, dass sie für und gegen die Spieler wirken können. Wenn sie tatsächlich bereit sind, das zu akzeptieren, dann go for it.
« Letzte Änderung: 6.10.2022 | 07:18 von Weltengeist »
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Offline Dimmel

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #10 am: 6.10.2022 | 07:09 »
Nochmal Crosspost:

Warum mir diese seltsamen Verteilungen so wichtig sind? Ich mag auch guten Fluff, aber eben auch guten Crunch, und Potenzverteilungen sind sehr crunchig. Und sie kommen häufig im echten Leben vor. Bekanntestes Beispiel: Ungleichverteilung der Einkommen/Vermögen. 1% der Leute besitzt 50% vom Geld, oder noch mehr.

Und solche Verteilungen gelten z.B. auch für:
- Größe von Ländern
- Größe von Religionsgemeinschaften, nach Anhängern
- Anzahl der Exemplare pro Spezies
- Anzahl der Bücher in Büchereien (dürfte auch für magische gelten)
usw.

Ich würde wirklich gerne einmal eine Welt sehen, die nach diesen Kriterien erstellt ist. Momentan müssen die Autoren ja schwer improvisieren, wenn sie dem SL z.B. eine Möglichkeit anbieten, auszuwürfeln, wieviel Schätze auf einem Stück Land vergraben sind. Mit 1W20 oder 3W6 kommt man da kaum weiter, wenn man eine Spanne von "eine Kupfermünze" bis "Smaugs Hort mit 20 Tonnen Gold" hat.

Man kann zwar improvisieren, nach dem Motto "wirf W100, bei einer 100 würfel nochmal auf der Tabelle für große Schätze; wenn nochmal 100 kommt, würfel auf der für riesige Schätze...", aber trotzdem.

Mit der Potenzverteilung ergibt vieles auf einmal deutlich mehr Sinn.

Wenn es nur um Gold geht, reicht dann nicht sowas wie w20^w10 oder sowas, was von 1 bis sehr vieler Goldmünzen reicht?

Aber es geht wohl eher um Zufallstabellen, dann hilft das wohl nicht wirklich 🙁

Offline Boba Fett

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #11 am: 6.10.2022 | 08:53 »
So wie ich den Eingangsbeitrag verstehe geht es um die Frage: warum Glockenkurven und nicht andere Verteilungen ?

Das kann ich zumindestens für mich selber beantworten:
Ich möchte eine schnell kalkulierbare Erfolgs-Wahrscheinlichkeit und eine einfach verständliche Wahrscheinlichkeitsverteilung im Spiel.
Und das möchte ich als Spieler und auch als Spielleiter (und da auch für meine Spieler).

Plump ausgedrückt (und nur ein Beispiel, hängt Euch also nicht daran auf):
Wenn ich über einen Abgrund springe, möchte ich ungefähr wissen, wie hoch dich Chancen stehen, heil drüben anzukommen und auch, wie hoch die Chancen stehen, dass ich in die Tiefe stürze.
Ich möchte das abschätzen und sagen können "Nee, ich such mir eine alternative Lösung!" oder "Jau, das mach ich!"
Und ich möchte das schnell abschätzen können, damit das Spiel nicht durch langwierige Kalkulation stockt.

Deswegen sind lineare Systeme und einfache Glockenkurven ideal für mich und irgendwelche anderen Lösungen (z.B. 3W20+Poolpunkte; Würfel auf Tabellen, die auf Tabellen verweisen) eher ungünstig.
« Letzte Änderung: 6.10.2022 | 08:56 von Boba Fett »
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Online Ainor

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #12 am: 6.10.2022 | 08:59 »
Und solche Verteilungen gelten z.B. auch für:
- Größe von Ländern
- Größe von Religionsgemeinschaften, nach Anhängern
- Anzahl der Exemplare pro Spezies
- Anzahl der Bücher in Büchereien (dürfte auch für magische gelten)
usw.

Also normalerweise erstellt man Welten so weil man sich an der Realität orientiert. Aber all das sing ja keine dinge die normalerweise ausgewürfelt werden.
Es gibt halt eine Große Bibliothek.Niemand fragt wieviel Bücher die genau haben.


Ich würde wirklich gerne einmal eine Welt sehen, die nach diesen Kriterien erstellt ist. Momentan müssen die Autoren ja schwer improvisieren, wenn sie dem SL z.B. eine Möglichkeit anbieten, auszuwürfeln, wieviel Schätze auf einem Stück Land vergraben sind. Mit 1W20 oder 3W6 kommt man da kaum weiter, wenn man eine Spanne von "eine Kupfermünze" bis "Smaugs Hort mit 20 Tonnen Gold" hat.

Da sind wir wieder beim Geld, un wie Samael sagt: D&D Schatztabellen hatten immer schon so eine Verteilung.

Aber die von dir Erwähnten Glockenkurven werden ja nicht für die Anzahl von Objekten verwendet, sondern für Erfolgsprobem.
Es wird zu viel darüber geredet wie gewürfelt werden soll, und zu wenig darüber wie oft.
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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #13 am: 6.10.2022 | 09:06 »
Das kann ich zumindestens für mich selber beantworten:
Ich möchte eine schnell kalkulierbare Erfolgs-Wahrscheinlichkeit und eine einfach verständliche Wahrscheinlichkeitsverteilung im Spiel.

Für Lineare Systeme: ja. Für Glockenkurven: nein. "Für jeden Punkt Erschwerniss halbiert sich die Erfolgswahrscheinlichkeit" finde ich deutlich einfacher als:
"von 6 auf 7 sinkt die Erfolgswahrscheinlichkeit um 5 prozentpunkte, von 11 auf 12 sinkt sie um 12,5"
Es wird zu viel darüber geredet wie gewürfelt werden soll, und zu wenig darüber wie oft.
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Offline Boba Fett

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #14 am: 6.10.2022 | 09:12 »
Mit der Potenzverteilung ergibt vieles auf einmal deutlich mehr Sinn.

Ja, aber die Frage ist doch, ob die Prozentverteilung linear ist.
Nur weil 1% der Leute 50% des Reichtums besitzen, bedeutet das ja noch nicht, das 2% dann entsprechend 100% besitzen.
Diese Dinge sind nicht linear verteilt.
Ausserdem sagen sie auch nicht viel über die Situation aus, wenn man die Bezugsdaten nicht kenn.
Wenn eine Nation so reich ist, dass es auch dem ärmsten Bürger sehr gut geht, spielt das weniger eine Rolle, als wenn 60% der Bevölkerung am Verhungern sind.

Und dazu kommt die Frage, inwiefern dies in einer individuellen Situation eines Rollenspiels diese Situation beeinflusst.
Wenn Smaug 20t Gold hat, und die Gruppe nur wenige Kilo klauen kann, wird die Wirtschaft deswegen nicht maßgeblich beeinflusst.
Wenn sie einen LKW dabei haben, wird es (vielleicht) zu einem Verfall des Wertes von Gold kommen...

Und ob sich dadurch irgendwelche Erfolgschancen im Rollenspiel beeinflussen, ist auch noch eine Frage.

Dazu kommt: Möchte man eine "realistische" Weltsimulation anstoßen und darin Rollenspiel machen?
Oder möchte man ein Abenteuer spielen, und die Welt soll insofern plausibel wirken, dass man sich nicht an all zu offensichtlichen Unlogiken stößt?
Ich möchte die Frage ohne Bewertung stellen - beides hat seine Reize.
Ich hätte für den ersten Ansatz vielleicht die Lust und das Interesse dazu, aber einfach nicht genügend (Frei-)Zeit in meinem Leben.
Und ich würde das auch nicht alleine simulieren wollen und habe da niemanden, den das sonst soweit interessiert, dass er/sie sich engagieren würde.
Und ich denke, das geht vielen so.
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Offline Max Sinister 2

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #15 am: 20.10.2022 | 07:02 »
Ja, aber die Frage ist doch, ob die Prozentverteilung linear ist.
Nur weil 1% der Leute 50% des Reichtums besitzen, bedeutet das ja noch nicht, das 2% dann entsprechend 100% besitzen.
Diese Dinge sind nicht linear verteilt.

Davon habe ich erstens kein Wort gesagt, und zweitens ist das interessanteste an der Potenzverteilung ja gerade, dass sie eine typische Nichtlinearität in der realen Welt gut beschreibt!

Und deshalb werden bei einer Simulation, die auf Potenzverteilungen Rücksicht nimmt, Dinge möglich, die mit normalen Glockenkurven, geschweige denn linearen Verteilungen nie möglich wären!

Eigentlich wollte ich das Thema weiter diskutieren, aber hier scheint nicht das richtige Interesse zu sein.

Offline tartex

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #16 am: 20.10.2022 | 07:44 »
Edit: Das soll jetzt nicht heißen, dass man das im Rollenspiel nicht benutzen darf. Systeme mit explodierenden Würfeln wie Savage Worlds erzielen ja genau solche Verteilungen. Aber man sollte dann nicht mit Realismus argumentieren, sondern damit, dass man Spaß daran hat, wenn auch mal völlig unerwartete Dinge passieren (auch wenn das im wirklichen Leben nicht passieren würde).

Würde das Realismus-Argument bei explodierenden Würfeln aber auch nicht ausschließen wollen. Bei Savage Worlds explodiert dafür wahrscheinlich zu viel, aber generell spricht doch einiges für seltene riesige Ausreißer.
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Offline Max Sinister 2

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #17 am: 23.10.2022 | 06:20 »
Also normalerweise erstellt man Welten so weil man sich an der Realität orientiert. Aber all das sing ja keine dinge die normalerweise ausgewürfelt werden.
Es gibt halt eine Große Bibliothek.Niemand fragt wieviel Bücher die genau haben.

Den SCs kann es vielleicht egal sein. Vielleicht glauben sie sogar IC, wenn ein NSC groß angibt, sie hätten sechs Millionen Bücher. Aber der SL sollte schon genauer Bescheid wissen.

Und bei SCs kann der SL ruhig zu ihren Gunsten (oder im Gegenteil?) Würfe modifizieren, aber wenn es um die Ereignisse im Hintergrund geht...

Online Ainor

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #18 am: 23.10.2022 | 11:21 »
Den SCs kann es vielleicht egal sein. Vielleicht glauben sie sogar IC, wenn ein NSC groß angibt, sie hätten sechs Millionen Bücher. Aber der SL sollte schon genauer Bescheid wissen.

Und bei SCs kann der SL ruhig zu ihren Gunsten (oder im Gegenteil?) Würfe modifizieren, aber wenn es um die Ereignisse im Hintergrund geht...

Also ich muss als SL nicht wissen wieviele Bücher genau in einer grossen Bibliothek sind. Und für Dinge die tatsächlich einer Exponentialverteilung folgen und relevant sind, also z.B. Grösse von Siedlungen oder Schatzhorten, wird diese (in Tabellenform) ja benutzt.

Andererseits sind viele Dinge die für SCs relevant sind z.B. wie weit kann ich Springen, wie weit landet mein Pfeil vom anvisierten Ziel, etc, eher normalverteilt weshalb man das für normale Erfolgswürfe verwendet. Wenn du mehr Exponentialverteilung im Rollenspiel haben willst dann solltest du nach mehr Beispielen suchen wo sie anwendbar ist und wo das Resultat für SCs relevant ist.   


Ja, aber die Frage ist doch, ob die Prozentverteilung linear ist.

Ich glaube hier gibt es ein Missverständniss zwischen Prozentverteilung und Potenzverteilung (bzw. Exponentialverteilung).
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Offline Max Sinister 2

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #19 am: 25.10.2022 | 08:35 »
Gut, sagen wir Pareto-Verteilung statt Potenzverteilung, dann gibt es keine Verwechslungen mehr mit "Prozentverteilung" und Exponentialverteilung (was wieder eine andere Statistik ist als eine Pareto-V. Exp' sind für die Verteilung von Abständen (wie lange, bis man in der Großstadt von einem Taschendieb beklaut wird?), Pareto für Verteilung von Vermögen und so.

Ach ja, @Weltengeist: Ich hab nicht behauptet, das Münzspiel wäre von Mandelbrot selber! Ich bin nur in seinem Buch zum ersten mal darauf gestoßen.

Und was die Simulation von Physik, Tennis usw. angeht: Ja, ich verstehe dein Problem, und weiß auch, mit welchen statistischen Verteilungen man sowas modellieren könnte. Zumindest besser als mit linearen Verteilungen oder gewöhnlichen Glockenkurven. Allerdings frage ich mich mittlerweile: Warum sollte ich das verraten?

Ich bin nach vielen Jahren in die RPG-Communitys zurückgekehrt, aber muss sagen: Ich habe mich nie von Sprüchen a la "Warum RPG-Design machen? Da gibts kein Geld, keine Frauen, nur das Stigma der Geekiness" abschrecken lassen. Aber wenn ich Ideen vorstelle, die wirklich etwas neues zu bieten haben, die nicht nur ein x-ter Aufguss sind a la "Bei meinem Heartbreaker werden die Eigenschaften mit 2W6 + W10 - 3 ausgewürfelt, sowas gabs noch nie!" - dann erwarte ich, dass sich zumindest ein paar Leute davon angesprochen fühlen, die auch merken "Hey, das ist interessant, damit könnte man in RPGs was neues anstellen", und das auch sagen. Und wenn ich stattdessen auf Leute treffe, die mich falsch verstehen, oder die meinen "gibts doch schon längst", wenn es sowas eben noch nicht gibt - dann vergeht mir echt der Spaß an meinem Hobby. Glückwunsch.

Online Ainor

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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #20 am: 25.10.2022 | 10:05 »
Gut, sagen wir Pareto-Verteilung statt Potenzverteilung, dann gibt es keine Verwechslungen mehr mit "Prozentverteilung" und Exponentialverteilung (was wieder eine andere Statistik ist als eine Pareto-V. Exp' sind für die Verteilung von Abständen (wie lange, bis man in der Großstadt von einem Taschendieb beklaut wird?), Pareto für Verteilung von Vermögen und so.

Im Prinzip ja, aber ich gehe mal davon aus dass niemand die Absicht hat im Rollenspiel stetige Verteilungen zu verwenden. Das wesentliche ist dass Pareto und Exp dieselbe Form der Kurve haben (Wahrscheinlichkieiten nehmen für höhere Werte immer ab).

Und was die Simulation von Physik, Tennis usw. angeht: Ja, ich verstehe dein Problem, und weiß auch, mit welchen statistischen Verteilungen man sowas modellieren könnte. Zumindest besser als mit linearen Verteilungen oder gewöhnlichen Glockenkurven.

Ich glaube nicht dass man das so allgemein sagn kann. Und "besser" bedeutet im Rollenspiel nicht immer "näher an der Realität". Der Aufwand muss dem Vorteil angemessen sein.


dann erwarte ich, dass sich zumindest ein paar Leute davon angesprochen fühlen, die auch merken "Hey, das ist interessant, damit könnte man in RPGs was neues anstellen", und das auch sagen. Und wenn ich stattdessen auf Leute treffe, die mich falsch verstehen, oder die meinen "gibts doch schon längst"

Offensichtlich haben sich ein paar Leute angesprochen gefühlt. Aber Potenzgesetze sind nunmal hinlänglich bekannt.
Wenn du nun sagst "damit sollte man in RPGs was anstellen" ist das nunmal nichts auf dass noch nie jemand vorher gekommen ist. Die interessante Frage ist: wie kann man das im Rollenspiel sinnvoll weiter verwenden ? Und dazu hast du nichts gesagt.

Ich bin kürzlich auf ein System gestossen dass anscheinend in diese Richtung denkt:
https://en.wikipedia.org/wiki/Mayfair_Exponential_Game_System
Vielleicht gibt es dort ja interessante Antworten auf die Frage.
Es wird zu viel darüber geredet wie gewürfelt werden soll, und zu wenig darüber wie oft.
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Re: Statistik: Verteilungen jenseits der Glockenkurve
« Antwort #21 am: 25.10.2022 | 10:08 »
Wahrscheinlichkeitsrechnung halte ich für Rollenspiel-Design generell für ziemlich uninteressant, weil isolierte Würfe praktisch keine Rolle spielen. Die Frage ist vielmehr: Woher wissen wir, dass jetzt gewürfelt wird? Was bewürfeln wir? Was passiert dann? Wann würfeln wir das nächste mal?

Wenn du in diesem Sinne etwas findest, was nicht in dieser Liste ist, werde ich jauchzen und jubilieren. Bei jener Heartbreaker-Vorstellung würde ich eher bedauern, dass das wieder ein Würfel-mal-auf-Spiel mit Bewegen-und-Zielen-Kampfsubystem ist, also schon lange bevor es darüber geht, welche Wahrscheinlichkeiten da mitspielen.