Medien & Phantastik > Lesen

Reading Challenge 2023

<< < (35/36) > >>

boeseMuh:
#10 Licht der Phantasie von Terry Pratchett.
Wie der erste Band sehr unterhaltsam, aber etwas flach. Insgesamt ein schönes Leseerlebnis.

#11 Jeremy James oder Fische spielen keine Geige
Kurzweilige Familiengeschichten aus der Sicht des älteren Sohnes. Ich fand es super, in manchen Geschichten hab ich mich ziemlich genau wiedergefunden.
Nettes Buch für zwischendurch.

Mit Nr. 12 wird es knapp. Ich hab The Sicilian von Mario Puzo angefangen, aber bis zum 31. wird das wohl nix mehr.

Alter Weißer Pottwal:
Ich hab dieses Jahr jetzt 30 Bücher geschafft. Morgen geht es in Urlaub, vielleicht schaffe ich ja bis zum 31.12. 23.59Uhr noch Nummer 31. Wobei 30 eine schöne Runde Zahl ist.

Überblick:
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)01. Dian Fossey - Gorillas im Nebel
02. Stéphane Hessel - Empört Euch!
03. Ulrich Schädler - Globusspiel und Himmelsschach. Brett- und Würfelspiele im Mittelalter
04. Ulrich Vogt - Der Würfel ist gefallen: 5000 Jahre rund um den Kubus
05. Rüdiger Nehberg - Dem Mut ist keine Gefahr gewachsen
06. Gerald Hüther, Christoph Quarch - Rettet das Spiel!
07. Frank Schätzing - Der Schwarm
08. Robert A. Heinlein - Starship Troopers
09. Rüdiger Nehberg - Die Wüste Danakil
10. Jerzy Kosinski - Willkommen, Mr. Chance
11. Joe Abercrombie - Blutklingen
12. Jack London - Wolfsblut
13. Alain Hohnadel - Die Zitadelle von Bitsch
14. Gerard Mordillat - Die belagerte Festung
15. Joe Abercrombie - Schattenklingen
16. Hugo Rahner - Der spielende Mensch
17. Alfons X. "der Weise", Ulrich Schädler - Das Buch der Spiele
18. Emmanuel von Croÿ - Nie war es herrlicher zu leben. Das geheime Tagebuch des Herzogs von Croÿ, 1718–1784
19. Walter Tauber - Das Würfelspiel im Mittelalter und in der frühen Neuzeit
20. Fritz Leiber - Der unheilige Gral (Die Abenteuer von Fafhrd und dem Grauen Mausling 1)
21. Rüdiger Nehberg - Abenteuer Urwald
22. Betty Wagner & Pascal Schotten - Atmosphäre der Akzeptanz
23. Rosemary Sutcliff - Der Adler der Neunten Legion
24. Mark Twain - Schreckliche deutsche Sprache
25. Margit Auer - Verschwörung am Limes
26. Rosemary Sutcliff - Der silberne Zweig
27. Deborah Feldman - Unorthodox
28. Hank Moody - God Hates Us All
29. Rüdiger Nehberg - Im Tretboot über den Atlantik
30. Noah Gordon - Der Katalane

Abgebrochen: Robert Jordan - Der Schatten erhebt sich (Das Rad der Zeit 4)
Was war denn euer "Buch des Jahres"?

Bei mir muss ich sagen, dass es gerell kein überragendes Bücherjahr war. Daher fällt es mir schwer da eins rauszusuchen. Es war halt auch viel Fachliteratur dabei.
Ich würde dann aber Rüdiger Nehberg - Dem Mut ist keine Gefahr gewachsen nominieren. Die meisten anderen Bücher waren zwar interessant, aber eben nicht so fesselnd. Wahrscheinlich hätte ich auch noch Deborah Feldman - Unorthodox nehmen können, aber ich find die Frau so unsympathisch (und Nehberg so sympathisch), dass sie da den kürzeren zieht. Dabei ist das Buch auch wirklich fesselnd und sehr scharfsinnig und intelligent geschrieben.

 Bei rein fiktiven Geschichten hätte ich Joe Abercrombie - Blutklingen ausgewählt. Lowlight war Frank Schätzing "Der Schwarm" und das mit meiner Affinität zum Meer. Ist fast unglaublich, aber da musste ich mich echt durchquälen.

Die Rad der Zeit-Reihe hab ich leider wieder nicht geschafft. sobald ich das anfange zu lesen sagt eine Stimme in meinem Kopf immer, wie viel das noch ist und demotiviert mich total...

Niniane:
Becky Chambers – Unter uns die Nacht (Wayfarer 3)
Nachdem ich „Zwischen zwei Sternen“ irgendwann gelangweilt an Kindle Unlimited zurückgegeben habe, habe ich mir dann den dritten Band der Serie ausgeliehen. „Unter uns die Nacht“ spielt auf einem der Generationenschiffe der Exodaner, die scheinbar ziellos durchs All dümpeln und fokussiert sich auf wenige Bewohner dieser Schiffe sowie ihren Alltag.
Das ist alles eigentlich ziemlich trivial, aber ich mag solche Episodengeschichten, wo sich die Wege der Protagonist:innen ab und an kreuzen. Spannend ist auch die Betrachtung der Exodaner durch die Augen einer außerirdischen Besucherin, die dem Schiff einen Forschungsbesuch abstattet.
Auch wenn nicht viel passiert (es gibt zu Anfang im wahrsten Sinne des Wortes einen großen Knall und später einen kleinen Höhepunkt), das Buch ist einfach mit soviel Liebe für seine Charaktere geschrieben worden, dass man sie schon nach dem ersten Auftritt einfach alle mögen muss und ihr Schicksal verfolgt.

5 von 5 Generationenschiffen

Catherine Ryan Hyde – Meilenweit bis ans Ziel
Lewis ist jung, schwul, gerade von seinem Freund verlassen worden und arbeitslos, Chester ist alt, homophob und ein richtiger Stinkstiefel, der bisher jede Pflegekraft vertrieben hat. Leider sind die beiden Nachbarn und als Chesters Tochter bemerkt, dass Lewis es irgendwie schafft, mit Chester klarzukommen, engagiert sie ihn als Pfleger für den alten Mann.
Als Chester es nicht schafft, Lewis ebenfalls zu vertreiben, vertraut er ihm an, dass er nochmal seine Ex-Frau in Arizona sehen will, bevor er stirbt. Lewis und Chester brechen in Chester altem Wohnmobil auf und lernen sich unterwegs besser kennen und entwickeln sogar so etwas wie eine Freundschaft.
Die Tatsache, dass ich 3 Stunden für das Buch gebraucht habe, zeigen schon, woran es der eigentlich sehr schönen Geschichte mangelt: Tiefgang. Wir erfahren wenig über Lewis’ Vergangenheit und die Beziehung zu seinem Ex (der zieht im ersten Kapitel einfach aus und ist dann weg), über Chesters Vergangenheit abgesehen davon, dass er kein guter Ehemann war, und das Liebesdreieck zwischen Chester, seiner Ex-Frau und seinem besten Freund. Immerhin die Entwicklung der Freundschaft zwischen Chester und Lewis ist glaubhaft und mit dem nötigen Pacing beschrieben, aber vom Rest hätte ich mir das tatsächlich auch gewünscht.

3,5 von 5 Wohnmobilen

Christopher Tauber & Hanna Wenzel - Rocky Beach. Eine Interpretation
Justus, Peter und Bob sind erwachsen geworden und haben (zum Teil) Rocky Beach verlassen und Karriere gemacht. Dennoch führt ihr Weg sie wieder zurück in die alte Heimat, wo sie wieder gemeinsam einen Fall aufklären müssen.
Mehr kann man zum Inhalt dieser Graphic Novel nicht sagen, weil es sonst spoilert. Nur soviel: Es mag nicht jedem gefallen, wie die drei (Jugend-)Helden stellenweise demontiert werden, und ich hatte massive „Watchmen“-Vibes an manchen Stellen. Nicht nur die drei Fragezeichen sind erwachsen geworden, ihre Geschichten sind es auch.

5 von 5 Visitenkarten

Dora Heldt - Wir sind die Guten
Der pensionierte Kommissar Karl Sönnigsen könnte sich eigentlich gemütlich zurücklehnen, wohnt er doch dort, wo andere Leute Urlaub machen. Aber dann passiert ein Mord auf Sylt, und Karl wird von einer Bekannten gebeten, das Verschwinden ihrer Mieterin aufzuklären. Da die Dame nicht gemeldet war und schwarz gearbeitet hat, ist das eher ein Fall für Karl und seine Freunde als für die Polizei.
Ermittelnde Rentner:innen sind ja seit Brindlewood Bay stark im Kommen, und ich könnte mir vorstellen, dass „Wir sind die Guten“ auch einen guten Fall für BB abgäbe – Verdächtige gibt es genug. Die Geschichte selbst ist gut geschrieben, allerdings sind die Renter:innen teilweise arg klischeemäßig geschrieben und ihre lustige Runde wirkt gegenüber dem eigentlichen Fall und dessen Schilderung manchmal etwas deplatziert lustig. Aber alles in allem ein netter Krimi für Zwischendurch.

3,5 von 5 Lupen

Emily Lloyd-Jones - Drowned Woods
Ich habe ja eine Schwäche für britisch-keltische und walisische Mythologie, und wenn mir die noch in einer netten Fantasygeschichte angeboten wird mit einer weiblichen Hauptfigur und einem Heist, dann kaufe ich das blind. Hier geht es um Mer, die von ihrem alten Mentor aufgesucht wird, um sich an dem Fürsten, der sie wegen ihrer magischen Fähigkeiten versklavt hatte, zu rächen und dabei auch noch reich zu werden.
Was soll ich sagen? Ich habe mich durch kein Buch in diesem Jahr mehr gequält als durch dieses, denn es fängt stark an und dann passiert – nichts. Es gibt Blabla, einen furchtbar fiesen Fiesling, der sich aber als Luftnummer entpuppt, lauter merkwürdige Gestalten, die alle ihre eigene Agenda haben, die aber nicht zündet, weil die Figuren vorher nur eine Randnotiz waren, und immer wieder Rückblenden, die irgendwann so zufällig sind, dass man nicht mehr weiß, was wann passiert ist. Aber irgendwie wollte ich auch wissen, wie es ausgeht, und bei einem E-Book ist zum Ende blättern irgendwie auch doof. Immerhin ist der Twist am Schluss ziemlich cool, dafür hat sich das Durchhalten dann gelohnt.

1,5 von 5 magischen Quellen.

Emily Tesh - Silver in the wood/Drowned Country (The Greenhollow Duology)
Wie oben erwähnt, schreibe auf dein Buch „Britische Mythologie, irgendwas mit Feen“, und ich kaufe es. Während mir die eine Emily dafür den zähesten Mischmasch des Jahres präsentiert hat, hat mir die andere eine wunderschöne kleine Geschichte von Tobias erzählt, der aufgrund eines Fluchs an den Wald von Greenhollow gebunden ist. Er hat sich damit abgefunden, in seiner Hütte zu leben, zusammen mit seiner Katze, Dryaden und Feen.
Eines Tages wird er von Henry Silver aufgesucht, dem neuen Eigentümer von Greenhollow Hall, dem Gutshaus, zu dem der Wald gehört. Henry ist jung, ungestüm und sehr belesen, hat aber von der Welt „draußen“ wenig Ahnung. Trotzdem freunden sich die beiden Männer an und entwickeln auch ganz langsam tiefergehende Gefühle füreinander.
Ihre traute Zweisamkeit wird erst von Henrys Mutter, einer Monsterjägerin, und dann von der Wilden Jagd gestört und beider Leben auf den Kopf gestellt.
„Silver in the wood“ wird als „Fairy Tale“ beschrieben, und das ist es auch. Beide Teile der Duologie sind recht kurz, aber sehr märchenhaft gehalten, es wird zum Beispiel nie Bezug genommen auf eine feste Zeitepoche (aufgrund der Beschreibung von Henry würde ich sagen, dass die Geschichte im 18. oder 19. Jahrhundert spielt) und trotz der Naturkulisse wirkt es sehr kammerspielartig.
Die Duologie konzentriert sich ganz auf ihr kleines Ensemble und ist einfach nur schön, nie kitschig und mit viel Liebe zum Detail.
Absolute Leseempfehlung!

5 von 5 Brombeerbüschen

Weltengeist:
Da im Dezember nichts mehr fertig wird, hier schon mal meine "Ausbeute" für diesen Monat:

* Yochai Benkler - The Penguin and the Leviathan. Das Buch befasst sich mit der Frage, warum Menschen oft kooperativer sind, als man meinen sollte. Die Einleitung ist allerdings so unerträglich übertrieben, dass ich das Buch fast wieder weggelegt hätte. Danach wird es deutlich besser.
3 von 5 Sternen
* o.V. - Gengenbach: eine Zeitreise. Ein Bild- und Geschichtsband, den der historische Verein meiner Wahlheimat herausgebracht hat und der gerade für mich als Zugereisten unglaublich viele nützliche Informationen über die Stadt und ihre Bewohner enthielt.
5 von 5 Sternen
* Isaac Asimov - Foundation. Ein Re-read, weil ich mich an die alten Foundation-Geschichten kaum noch erinnern konnte. Mich interessiert dabei vor allem das Konzept der Psychohistorik, das in Disziplinen wie Kybernetik, Spieltheorie und Multiagentensystemen fortlebt.
3 von 5 Sternen
Abgebrochen habe ich auch mal wieder was:

* Sebastian Fitzek - Playlist. Auf das Buch habe ich mich eigentlich lange gefreut, weil mich die Grundidee (ein Kriminalfall, der über die Playlist des Entführungsopfers gelöst wird) so fasziniert hat. Leider sind aber von Anfang an eigentlich alle Charaktere (auch die "Guten") schwer gestört, und das Buch ist der Nachfolger eines Werks mit dem Titel "Der Augensammler" (ja, es geht genau um das, wonach es klingt). Da mir das schnell zu heftige Kost wurde, bin ich nach nicht mal hundert Seiten ausgestiegen. Schade.
Somit habe ich 2023 mein Leseziel (36 Bücher) ganz genau erreicht. Fairerweise muss ich aber auch zugeben, dass ich zugleich deutlich weniger Rollenspielbücher gelesen habe (die hier ja nicht mit gelistet werden). In Summe habe ich also weniger Zeit zum Lesen gefunden als früher.

Niniane:
Erik J. Brown - All that's left in the world
Eine Pandemie hat einen Großteil der Menschheit dahingerafft und als Folge davon ist die Zivilgesellschaft zusammengebrochen. Jamie und Andrew gehören zu den wenigen Überlebenden und treffen aufeinander, als der verletzte Andrew an die Tür von Jamies Hütte klopft und der ihn gesundpflegt. Als eine Gruppe selbsternannter Beschützer von den beiden Lebensmittel erpressen will, ziehen die beiden jungen Männer los, um Überlebende zu suchen, die vielleicht nicht das Recht des Stärkeren als Lebensgrundlage nutzen.
Während Andrew nicht nur mit einem dunklen Geheimnis hadert, sondern auch bald mit seinen Gefühlen für Jamie, geht es dem nicht anders, aber so recht mit der Sprache raus will er auch nicht, denn er will die Freundschaft zu Andrew nicht riskieren.
„All that’s left in the world“ hat der Autor nach eigenem Bekunden geschrieben, weil ihm in postapokalyptischen Geschichten häufig die queere Perspektive fehlte. Die hat er hier schön eingebunden, Andrews und Jamies Gefühle füreinander werden sehr glaubhaft geschildert und auch ihre Motive, zunächst hinterm Berg damit zu halten (im Literatur-Neudeutsch heißt das übrigens „Slow burn romance“. Ja, von mir aus). Das Setting ist sehr stimmig, die evangelikale Maga-Kommune hätte mir auch ohne Homophobie einen Schauer über den Rücken laufen lassen, die weiblichen Nebenfiguren stechen heraus und – was mich persönlich sehr gefreut hat – eine von ihnen ist Autistin und KEIN Klischee. Leider tritt sie erst recht spät auf, aber alleine dafür hat sich das Buch gelohnt.
2024 erscheint die Fortsetzung – natürlich ist sie schon vorbestellt.

4,5 von 5 Rucksäcken

Frank Goosen - Kein Wunder
„Kein Wunder“ ist der inhaltliche Vorgänger zu Frank Goosens Road-Movie-Roman „Förster, mein Förster“ (übrigens eine Leseempfehlung). Der dort titelgebende Förster ist mit seinen Freunden Fränge und Brocki in diesem Buch unterwegs im Berlin kurz nach der Maueröffnung. Besonders Förster ist eher der Typ, der sich treiben lässt und hofft, dass das Leben zu ihm kommt. Er trifft auf Rosa, die eigentlich mit seinem Freund Fränge zusammen ist – der wiederum aber mit Marta eine weitere Freundin hat.
Was klingt wie das Setup einer klassischen Seifenoper, ist dank Frank Goosens knappen und mitunter melancholischem Schreibstil eine Reise in die Vergangenheit und ein Roman über Veränderungen – sowohl in der Politik wie auch im Privaten.
Obwohl weder Förster, Fränge und Brocki Sympathieträger sind, hat mir das Buch gut gefallen, denn so wirklich gut kommt kein Protagonist weg bei Goosen. Das ist auch in seinen anderen Büchern nicht anders, aber wo es bei „Raketenmänner“ und „Liegen lernen“ irgendwann einfach nur noch nervt, ist es hier und bei „Förster, mein Förster“ irgendwie lesenswert. Und bei meinem Lieblingsbuch von Frank Goosen – „Sommerfest“ – sowieso.

4 von 5 U-Bahn-Haltestellen

Glendy Vandenrah - Where the Forest meets the Stars
Das Buch, das von mir Bronze bekommt in 2023.
Joanna Teale hat sich nach einer Krebserkrankung und dem Tod ihrer Mutter in eine Hütte zurückgezogen, um endlich ihre Doktorarbeit in Biologie zu vollenden. Eines Abends steht ein verwahrlostes Mädchen vor ihrer Tür, das sich „Ursa“ nennt und behauptet, ein Alien zu sein. Entgegen besseren Wissens nimmt Joanna das Mädchen bei sich auf und entwickelt eine Freundschaft zu ihr.
Joannas Nachbar, der mit seiner kranken Mutter zurückgezogen lebende Gabriel, wird in die Ereignisse verwickelt, als Joanna seine Hilfe bei der Suche nach Ursas Eltern und ihrer wahren Herkunft braucht, denn die Alien-Geschichte glauben beide nicht.
Vom Klappentext her könnte dieses Buch eine typische Liebesgeschichte sein, die aber ihre Zeit braucht (Slow burn romance, wir erinnern uns…). Das ist auch eins der Themen, aber eben nicht der Hauptfokus des Buches. Im Grunde geht es um drei Menschen, die mit schweren Schicksalsschlägen zu kämpfen haben und alle ihren Weg gefunden haben, damit umzugehen – oder nicht. Im Fall von Gabriel wird außerdem sehr behutsam das Thema „Depression“ eingeführt, während Joanna sich beispielsweise anhören muss, dass sie Ursa nur deswegen bei sich behalten hat, weil sie nach ihrer Krebserkrankung keine eigenen Kinder mehr bekommen kann.
Natürlich gibt es ein Happy End, aber der Weg dahin ist eben nicht kitschig und rosarot, sondern ein Kiesweg durch das nächtliche Illinois.

5 von 5 Sternen

Hannah Kent – Devotion
Und nach Bronze 2023 kommen wir zu Gold 2023. Das Buch, das mich echt fertig gemacht hat (in a good way), weil man es nicht in der Öffentlichkeit lesen sollte, wenn man nicht darauf angesprochen werden möchte, ob es einem gutgeht. „Devotion“ ist ein Buch, bei dem ich tatsächlich ab einem gewissen Punkt durchgeheult habe, weil es so unfassbar traurig und gleichzeitig so wunderschön ist.
Worum geht es? Hanne und Thea gehören beide zur Gemeinschaft der Alt-Lutheraner. Während Hanne schon immer als seltsam angesehen wird, ist Thea, die neu ins Dorf kommt mit ihren Eltern, gleich Gesprächsstoff. Ihre Mutter ist ursprünglich keine Alt-Lutheranerin, sondern eine „Wendische“, also jemand slawischer Herkunft, und außerdem Heilerin. Natürlich gibt es bald Gerüchte, dass sie eine Hexe ist, aber da sie den Dorfbewohnern hilfreich zur Seite steht, bleibt es nur bei gelegentlichem Gerede.
Thea und Hanne freunden sich recht schnell an und entwickeln bald Gefühle füreinander, die über eine Freundschaft hinausgehen. Da sie junge Frauen des frühen 19. Jahrhunderts sind, haben sie erstmal keine passenden Worte für das, was sie fühlen, aber sie wissen, dass sie auf die eine oder andere Weise für immer zusammen sein wollen.
Als die Gemeinschaft sich auf den Weg nach Australien macht, weil den Alt-Lutheranern dort ein Leben winkt, dass ihnen Befreiung vom preußischen König verspricht, stellt das auch die Freundschaft von Hanne und Thea auf die Probe, aber sie schaffen es zunächst gemeinsam, den unmenschlichen Zuständen auf dem Auswandererschiff zu trotzen.
Bis hierhin scheint das Buch ein konventioneller historischer Roman mit einem ganz zarten übernatürlichen Anstrich zu sein. Aber das ist erst die Hälfte des Romans, nach einem nicht vorhersehbaren Twist geht das Buch in Australien weiter.
Ich kann gar nicht sagen, was es jetzt war, was genau das Buch so gut macht, weil es in vielen Punkten so viel richtig (und gut!) macht. Da ist zunächst die Beschreibung der strenggläubigen Alt-Lutheraner, die nicht durch eine moderne Brille gesehen werden, sondern als Kinder ihrer Zeit. Die Nebenfiguren sind keine wandelnden Klischees, sondern wirken alle plastisch und in ihren Motivationen nachvollziehbar. Die Ankunft in Australien ist eben nicht die Ankunft im gelobten Land, im Gegenteil, die Auswanderer werden mit Schulden und ohne Hilfe in einer für sie völlig fremden Umgebung quasi vom Schiff gekippt. Auch ohne Brille beschrieben wird das Verhältnis zu den Ureinwohnern, das sich von Dankbarkeit in unverhohlenen Rassismus verkehrt.
Über allem schwebt aber die malerische Beschreibung der pommerschen Herbstwälder, der offenen See und schließlich des australischen Outbacks, die das Buch zu dem Gesamteindruck abgerundet haben, der dafür gesorg hat, dass ich froh war, dass der Wagen im ICE so leer war und mich niemand hat schniefen sehen oder hören.

5 von 5 Eukalyptusbäumen

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln