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Cyberpunk-Community-Projekt: Die Regeln

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BBB:
Nachtrag zu Schritt 3:
Nachdem ich die letzten Wochen krank war und dann erst einmal den Rückstau liegen gebliebener Dinge wieder aufholen musste, war ich leider bisher im Februar nicht so produktiv, wie ich mir das vorgestellt hatte… ABER: Ich hatte viel Zeit zum nachdenken.

Und einer der Aspekte, die mir dabei aufgefallen sind, die eng mit Rollen und Rechten verknüpft sind und die Paoletta nicht bespricht, ist die Rolle von Aufmerksamkeit.

Zum einen die Frage, wer bestimmt, wo die Aufmerksamkeit des Spiels liegt. Mit dieser beschäftigen sich eine ganze Reihe von Spielen und sie ist wahrscheinlich auch schnell beantwortet für dieses Spiel, sowohl
...die Aufmerksamkeit des Spielers,
...die Aufmerksamkeit des Chars, als auch
...die Aufmerksamkeit des SL betreffend.

Viel spannender finde ich aber die Frage, was macht Aufmerksamkeit mit uns? Denn Aufmerksamkeit hat zwei Komponenten oder Perspektiven: Einmal die bewusst gesteuerte Aufmerksamkeit, aber auch die unbewusste oder automatische Aufmerksamkeit.

Beide finde ich relevant.
Beide möchte ich eigentlich irgendwie in den Regeln berücksichtigt wissen.


Ich hatte ja schon geschrieben, dass es mir am wichtigsten ist, dass der Spieler maximale Immersion erlebt. Deswegen bin ich kein großer Freund von Bennies und Meta-Mechaniken, die die Aufmerksamkeit vom Charakter weg auf die Story oder die Spielmechaniken ziehen. Eigentlich möchte ich so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf den Spielmechaniken. Wenn es nicht absolut nötig ist, wie beispielsweise bei einem reinen Text-basierten Solo, bin ich auch kein großer Freund davon, dass der SL zu viel der Story vorgibt.
Eher im Gegenteil.
Die Story sollte von den Charakteren kommen und sich aus diesen heraus entwickeln.

Dafür ist es aber absolut notwendig, dass die Charaktere entweder
a) durch ihren Hintergrund, viel mehr aber noch
b) durch ihre Ziele
Ansatzpunkte für das Spiel und die Story bieten. Sowohl für den SL, der ja in gewisser Weise die Story entwickelt, weil er die Welt verkörpert, aber da es meine Vorstellung ist das Spiel primär durch die Aktionen und Wünsche des Spielers vorantreiben zu lassen eben auch und primär für den Spieler.

Das klingt erstmal unglaublich trivial. Wenn ich aber will, dass die Story letztendlich durch den Charakter entwickelt wird, heißt das, dass es dann – regelmechanisch – einen Weg geben muss, der die Entscheidungsgewalt des Spielers je nach Vorlieben/Wünschen/Zielen des Charakters in bestimmte, vorhersehbare Bahnen lenkt und der für beide, Spieler wie SL, nachvollziehbar und vorhersehbar ist, aber zeitgleich vom SL genutzt werden kann, um Herausforderungen zu stellen und Spiel zu generieren. Und zwar subtil, ohne mit der Brechstande bestimmte Optionen zu eliminieren.

Was meine ich damit?

Klassischerweise bestimmt der Spieler, wo der Charakter seine Aufmerksamkeit bewusst hinlenkt, und der SL kann dem Spieler darüber hinaus Hinweise geben, welche Dinge dem Charakter darüber hinaus automatisch ins Auge springen. Meist wird dies genutzt, um relevante Hinweise für eine vorbereitete Story zu geben.
Wenn die Story von den Wünschen und Zielen des Charakters geprägt wird, müssen diese definiert werden. Nennen wir es der Einfachheit halber – als Arbeitstitel - Grundprinzipien des Charakters. Diese werden irgendwann festgelegt, zumindest teilweise schon zu Spielbeginn oder in der ersten Sitzung, können sich selbstverständlich immer wieder ändern und erweitern und geben dem SL eine Idee davon, woran sich der Charakter orientiert.
Als Beispiel könnte der Charakter das Grundprinzip: „Du sollst nicht töten“ haben.

Das wiederum kann der SL als Anlass nehmen einen Gegenspieler zu kreieren, der immer und immer wieder auftaucht und immer und immer wieder Chaos stiftet – was in einer Szene gipfelt, in der der Charakter die Möglichkeit hat einfach durch unterlassen von Hilfeleistung den Erzfeind sterben zu lassen.
Okay, ein plattes Beispiel, aber ihr wisst was ich meine.
Zum einen wäre der SL in so einer Situation verpflichtet, den Spieler darauf hinzuweisen, dass bestimmte Handlungen den Tod des Erzfeinds nach sich ziehen würden, was gegen dessen Grundprinzipien verstieße.
Er lenkt also die Aufmerksamkeit auf mit den Grundprinzipien in Einklang stehenden Elemente der Story.
Zum anderen kann der Spieler nun natürlich entscheiden, sich aktiv gegen die Grundprinzipien zu richten, was aber zur Konsequenz hätte, dass der Char zumindest für eine gewisse Zeit ein abgrundtief schlechtes Gewissen hätte und seine Aufmerksamkeit nicht mehr zur Gänze seinen Aufgaben und seinem Alltag widmen kann. Er erleidet also einen zumindest temporären Nachteil.

Ich weiß noch nicht genau, wie ich das mechanisch verankere…
...aber kommt Zeit... kommt Rat.

Ich bin jedenfalls fest entschlossen die Aufmerksamkeit des Charakters und damit die Aufmerksamkeit des Spiels zumindest sanft zu verregeln. Glaube, das könnte einen großen Einfluss auf die Immersion haben (und bin sehr gespannt das mal zu testen, wenn es denn soweit ist)

BBB:
Schritt 4: Struktur

Ein Spiel folgt immer einer bestimmten Struktur. Und diese Struktur entwickelt sich über die Zeit.
So die Prämisse von Paoletta.

Wichtig sind hierbei Belohnungszyklen – also einzelne Aufgaben, Abschnitte oder Elemente des Spiels, die ineinander greifen und die, wenn abgeschlossen, einen belohnenden Effekt auf den Spieler haben und ihn motivieren weiter zu spielen.

Bei sämtlichen Cyberpunk Settings, die ich kenne, ist beispielsweise ein Run ein solcher Zyklus. Man kriegt den Auftrag, beschafft sich Informationen und Ressourcen, macht einen Plan, führt den Run durch, wird bezahlt.
Jeder einzelne dieser Schritte kann wiederum als ein Belohnungszyklus begriffen werden.

Paoletta nennt als unvollständige Liste die folgenden Punkte:

- Erstellung der Charaktere
- World Building
- Charakterentwicklung
- Erzählen einer Geschichte
- Vervollständigen eines Puzzles
- Überleben
- Das Spiel gewinnen

Auf diese und noch ein paar weitere will ich den folgenden Posts etwas detaillierter eingehen.
Aber bevor ich das tue (und in diesem Post damit anfange), möchte ich noch ergänzen, dass unvorhergesehene und unberechenbare Belohnungszyklen einen besonders starken Anreiz für uns haben. Die meisten Pen & Paper Rollenspiele berücksichtigen das nicht oder „nur“ in Form von Patzern/glücklichen Ereignissen.
Ich würde gern versuchen, mindestens ein stärkeres Zufallselement mit aufzunehmen.

High level möchte ich hier noch auf den ersten und den letzten Punkt der Liste Paolettas eingehen. Wie schon mehrfach gesagt, empfinde ich die Charaktererstellung in den meisten Rollenspielen – eigentlich allen, die ich bisher gespielt habe – eher als Hürde denn als Belohnungszyklus. Sie ist ein notwendiger Schritt auf dem Weg zum Spiel, aber für sich selbst stehend macht es wenig Spaß. Deswegen würde ich gern versuchen die Charaktererschaffung als Teil des Spiels nebenher abzuhandeln, und nicht vorlagern.
Ich stelle mir das so vor, dass einfach ein paar grundlegende Setzungen zu Beginn getroffen werden – Name, Geschlecht, Alter, ungefährer gesellschaftlicher Hintergrund – und alles andere erst dann festgelegt wird, wenn es notwendig wird. Ich schreibe auch gerade parallel an einem ersten Solo, in dem ich das mal ausprobiere.
Hoffe, dass das funktioniert.

Und wie bei jedem Rollenspiel wird es auch hier keinen Punkt des „Spiel gewonnen!“ geben. Viel mehr möchte ich, die digitalen Möglichkeiten ausnutzend, die Ergebnisse und Entscheidungen der einzelnen Gruppen nutzen und damit eine Art Spielerschaft-getriebenen Metaplot erstellen.
Da das Spiel ja weitgehend digitale Tools nutzen wird, stelle ich mir das so ein bisschen wie ein Spielergetriebenes Game of Thrones vor: Es gibt verschiedene Fraktionen, und es wird für ein Jahr ein Metaplot beschrieben, bei dem festgelegt wird, was diese Fraktionen machen. Jedes Szenario, jede Kampagne, jedes Solo ist irgendwie direkt oder indirekt mit den Fraktionen verbunden und je nach Ausgang der Szenarien werden diese gestärkt oder geschwächt. Wenn man die Spielausgänge alle gespielten Szenarien über alle Spielrunden mittelt, erfährt man am Ende des Jahres, welche Fraktionen in diesem Jahr – relativ zu allen andere – an Einfluss gewonnen haben und welche zu den Verlierern zählen. Was dann wiederum den Metaplot fürs nächste Jahr fortschreibt.

So haben die Spieler dann einen direkten, unmittelbaren Einfluss am Spieltisch auf das, was in der Welt passiert.

Bin gespannt ob das klappt.

Schleicher:
Zu deinem Schritt 3:
Also etwas wie Aspekte aus Fate, Keys in Lady Blackbird, oder Drives in Monsterheart usw. ?

Zu Schritt 4:
Character creation on the fly wird von einigen Spielen angeboten. Einige Spiele mit Playbooks (egal ob BitD oder PbtA) bieten die Option an das Playbook erst im Abenteuer zu Ende auszufüllen, Quick Character Creation in Fate, Blank Slate in Risus etc.
Oder andersrum z.B. der Level0 Funnel von Spielen wie DCC.
Da dein Spiel digital funktionieren soll würde ich mich aber eher an Classic RPGs auf dem PC orientieren. Dort gibt es einige Spiele bei denen man ein Präludium spielt in dem man durch die Antworten die man gibt nebenher den Character erstellt. Wenn du ein paar Soloabenteuer für die verschiedenen Archetypen hättest, dass würde das denselben Dienst tun.

BBB:

--- Zitat von: Schleicher am 26.03.2023 | 09:09 ---Zu deinem Schritt 3:
Also etwas wie Aspekte aus Fate, Keys in Lady Blackbird, oder Drives in Monsterheart usw. ?

--- Ende Zitat ---

Ja, so etwa in diese Richtung gedacht.
Wie genau ich das implementieren will, weiß ich wie gesagt noch nicht, aber mir kommen bei den meisten klassischen Rollenspielen wirklich die Charakteraspekt zu kurz. Meist werden sie in Form von Vor- und Nachteilen abgehandelt (klassisch: Neugier als Malus bei offensichtlich dummen Entscheidungen, usw.).
Von den von dir genannten Spielen kenne ich tatsächlich nur Fate etwas genauer. Aber ja, so etwa in diese Richtung hatte ich mir das vorgestellt. Im Detail sicher anders, aber die Grundidee stimmt.


--- Zitat von: Schleicher am 26.03.2023 | 09:09 ---Da dein Spiel digital funktionieren soll würde ich mich aber eher an Classic RPGs auf dem PC orientieren. Dort gibt es einige Spiele bei denen man ein Präludium spielt in dem man durch die Antworten die man gibt nebenher den Character erstellt. Wenn du ein paar Soloabenteuer für die verschiedenen Archetypen hättest, dass würde das denselben Dienst tun.

--- Ende Zitat ---

Genau das.
Kleine, kurze Solos, zum Beispiel, bei denen man ein bisschen Action hat, und je nachdem wie man sich entscheidet wird im Hintergrund der Charakter direkt regelkonform zusammengebaut.
Und wenn dann die Solos teilweise eher kampflastig, eher sozial, eher hackinglastig sind, hat man die Archetypen schon mehr oder weniger abgedeckt, genau

BBB:
PS: Sitze auch gerade schon dran und versuche ein erstes kleines Solo zu schreiben, das genau das kann. Allerdings werfe ich da momentan noch viele Ideen hin und her... wird also noch ne Weile dauern, bis das vorzeigbar ist ;)

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