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Filme und Serien, die jeder doof findet. Nur ihr nicht.

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Jiba:

--- Zitat von: Alexandro am 23.07.2023 | 21:11 ---Weder sehe ich sie als Alkoholikerin (in der einen(!) Szene wo sie trinkt, tut sie dies um sich gegenüber ein paar sexistischen Arschlöchern zu behaupten, die sie in ihrer eigenen Bar dumm angemacht haben)
--- Ende Zitat ---

Sorry, aber das ist Headkanon. Ich habe mir die Szene gerade noch einmal angesehen. Wir haben keine Ahnung, wie es zu dem Trinkspiel gekommen ist. Es gibt es da Anzeichen von Sexismus auf Seiten dieser Männer (auf der Metaebene sicher, denn die Szene funktioniert nur, wenn die Autoren vom Zuschauer annehmen, dass der denken wird: "Frauen können nicht viel trinken!"), aber das sie der Auslöser für die Trinkszene waren wird weder gezeigt noch erklärt. Auch dass sie sie "dumm angemacht" hätten gibt die Szene nicht her. Der Kontext fehlt.

Und das ist auch nicht die einzige Szene, in der sie trinkt. In der Wüste leert sie zusammen mit Jones' französischem Rivalen eine Flasche Fusel, wohlwissend dass sie mehr verträgt als er. Und das letzte, was sie im Film zu Jones sagt, ist, dass sie ihn auf einen Drink einladen wird. Das sind natürlich keine harten und klaren Anzeichen für Alkoholismus. Aber ich finde bei der Figur und hinsichtlich der Screen Time, die sie hat, geht es bei ihr schon viel um Alkohol.


--- Zitat ---Gerade ihre sehr, sehr düstere Vorgeschichte mit Indy* und ihrem ganzen Baggage ist sie wahrscheinlich die komplexeste weibliche Figur im Franchise (was nicht viel ist, aber es sind halt Pulp-Geschichten - in Sachen Komplexität kann sie durchaus mit dem Hauptcharakter mithalten).
--- Ende Zitat ---
Ja, aber was wird mit dieser Vorgeschichte gemacht? Gar nichts. Die motiviert ihr Handeln nicht im Geringsten. Die spielt auch, sobald Jones den Raum betritt und man zwei Sätze darüber geredet hat, keine Rolle mehr. Das gilt für Marianne in Indy 1 und in Indy 4. Indy hat Marianne spätestens in Teil 4 in puncto charakterlicher Komplexität einfach überholt. Ich meine, in Teil 1 geht's ja gut los mit ihr, dass sie direkt darüber spricht, was für ein Schwein er zu ihr war. Und Indy nichts Besseres einfällt als zu sagen "Du wusstest, worauf du dich einlässt".

Doch ab dann kippt es in dieses "Indy, Indy, rette mich". Die Szene auf dem Frachter ist dann das i-Tüpfelchen ihrer Abhängigkeit von diesem Mann, der es doch nicht ernst mit ihr meint. Eigentlich wäre das ja tragisch, aber dafür wird mir die Figur zu sehr als taffe Selfmade-Women geframt, die sie dann im Umgang mit Indy eben nicht ist. Marianne Ravenwood hat für mich mehr von einer blassen Damsel als von einer gut ausgestalteten Figur.

Grubentroll:
Ich denke, die Szene ist einfach dafür da um sie als "coolen Hund" darzustellen, die es mit jedem Kerl aufnehmen kann.

Wieso man da wieder irgend so einen politisierenden Quack da reininterpretieren muss erschließt sich mir nicht.

Das ist "Indiana Jones", nicht "Melancholia".

Jiba:

--- Zitat von: Grubentroll am 23.07.2023 | 21:43 ---Ich denke, die Szene ist einfach dafür da um sie als "coolen Hund" darzustellen, die es mit jedem Kerl aufnehmen kann.
Wieso man da wieder irgend so einen politisierenden Quack da reininterpretieren muss erschließt sich mir nicht.

--- Ende Zitat ---

Politisierender Quark?
Weil ich's nicht sooooo gut gealtert finde, wenn eine erwachsene Frau in einem Film die ganze Zeit als "das Mädchen" bezeichnet wird? Das ist dann schon politisiert, aha. Warum? Darf ich nicht, in welchem Film auch immer, eine Frauenfigur eindimensional finden – oder muss das dann direkt in Rollenspiel und Gesellschaft? Ich meine, ist ja nicht so, dass hier im Forum nicht ständig Frauenfiguren auf ihre angebliche Unsympathie, Mary-Sue-ness oder Ahistorizität hin analysiert würden (ich empfehle dazu z.B. den Thread zum Thema "Die Ringe der Macht", z.B.) Aber da schert's irgendwie keinen. Nur wenn man dieselben Analysewerkzeuge auf die heiligen Film-Kühe des Nerddoms anwendet... dann ist man plötzlich "zu politisch" und geht vieeeeel zu weit.

Mann, mann, mann... man wird doch wohl einfach mal eine so grundsätzliche Frage stellen dürfen! Ich meine, leben wir im 21. Jahrhundert oder was?

Wenn der Film will, dass Marianne ein "cooler Hund" ist, die es mit "jedem Kerl" aufnehmen kann, dann hätte es dem Film gut zu Gesicht gestanden, uns das wieder und wieder zu beweisen. Zum Beispiel indem man tatsächlich zeigt, dass sie es mit diesen Kerlen aufnehmen kann. Aber der Film tut sein Möglichstes, uns das eben nicht zu zeigen. Ständig wird Marianne gefangen genommen und muss aufwendig gerettet werden (Indy scherzt darüber sogar in Teil 4). Und sämtliches Ärschetretpotenzial, das sie in ihrer Auftrittsszene angedeutet hat, wird letztlich dem Hübsch-aussehen und Am-Arm-des-Protagonisten-kleben untergeordnet. Ich meine, die schmeißt sich auf einem dreckigen Kutter plötzlich aus heiterem Himmel in ein Seiden-Negligée. Wozu dient das denn bitte außer zur Erotisierung der Figur? Und sie reduziert sich selbst in der Folge auch noch darauf.

Also maybe it's just me, aber ich hab's gerne wenn Frauen echte, glaubhafte Personen sind (für Männer gilt dasselbe). Kriegen andere Filme aus der Zeit, sogar solche mit viel Action, doch auch hin. Ich kann echt verlangen, dass Frauenfiguren in allen Filmen mit so viel Dreidimensionalität gestaltet sind wie die Männer. Egal aus welcher Zeit die Filme stammen oder welches Genre sie haben.

Alexandro:

--- Zitat von: Jiba am 23.07.2023 | 21:38 ---Sorry, aber das ist Headkanon. Ich habe mir die Szene gerade noch einmal angesehen. Wir haben keine Ahnung, wie es zu dem Trinkspiel gekommen ist. Es gibt es da Anzeichen von Sexismus auf Seiten dieser Männer (auf der Metaebene sicher, denn die Szene funktioniert nur, wenn die Autoren vom Zuschauer annehmen, dass der denken wird: "Frauen können nicht viel trinken!"), aber das sie der Auslöser für die Trinkszene waren wird weder gezeigt noch erklärt. Auch dass sie sie "dumm angemacht" hätten gibt die Szene nicht her. Der Kontext fehlt.
--- Ende Zitat ---

Man sieht zwar nicht wie es dazu gekommen ist, aber man sieht wie ihre Kontrahent (und auch die Zuschauer) dieses bewerten. Da muss man nicht sehen wie es dazu gekommen ist, man sieht ja wie die Szene in ihrem Verlauf bewertet wird (eben dieses "Frauen können nicht soviel trinken").

Und es ist eine "Chekov's Gun" für die spätere Szene mit Belloq (die ich verdrängt hatte). Aus diesen zwei Szenen (und der hingeworfenen Aussage am Schluss) einen Alkoholismus zu konstruieren, ist als würde man behaupten dass die Tatsache dass das Winchester Rifle in "Shaun of the Dead" tatsächlich geladen ist (wie Shaun behauptet hat) bedeuten würde, dass Shauns restliche Geschichten über den Barbesitzer auch stimmen müssen. Dafür gibt es aber keine Anhaltspunkte.


--- Zitat ---Indy hat Marianne spätestens in Teil 4 in puncto charakterlicher Komplexität einfach überholt.
--- Ende Zitat ---

Was für einen "komplexen Charakter" hat Indy denn in Teil 4? Meiner Meinung nach hat er sich in der Reihe nicht sonderlich weiterentwickelt (imo hat er in Teil 4 sogar einen Rückschritt gegenüber der (zugegebenermaßen nicht gezeigten, aber zumindest angedeuteten) Entwicklung am Ende von Teil 3 gemacht, wohl weil man dachte dies wäre zu langweilig).

Dass die Sachen die Marion in Teil 1 interessant gemacht haben in Teil 4 einfach totgeschwiegen und nie mehr erwähnt werden, ist die andere Sache.

Jiba:
Leute, hängt euch nicht an dem Alkoholismus-Beispiel auf. Das ist nicht das, was mich an der Figur primär stört. Ich habe ja bereits zugegeben, dass dieser Eindruck ein Ergebnis meiner Antipathie für die Figur sein konnte. Dass die beiden Trinkszenen Build-Up und Pay-Off darstellen, weiß ich auch.

Und Indy im 4. Teil: Gibt Henry III gute Ratschläge und öffnet sich ihm ein wenig. Ist ehrlich schockiert vom Verrat seines Kompanions. Bezieht sich immer wieder in liebevollem Nachsinnen auf seinen eigenen Vater. Gesteht ein, dass keine Frau so sei wie Marianne, trotz seiner zahllosen Techtelmechtel. Ist der CIA gegenüber ambivalent. Usw. (bei all dem ist Indy nicht die komplexeste Figur der Welt… er ist aber hinreichend komplex für das Genre.)

Indy hat so viele kleine Momente, die ihm mehr Charakterisierung geben als Marianne. Sie hat wirklich denselben Arc wie in Teil 1 und vergisst die gemeinsame Vergangenheit etwa genauso schnell wieder.

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