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Gedanken und Ideen zur Radiant Citadel
La Cipolla:
Ich lese schon seit einiger Zeit die Journeys through the Radiant Citadel (weil ich langsam bin) und überlege, was ich damit anstellen würde.
Eindruck!
Das Buch präsentiert 14 Abenteuer, jeweils mit ein paar Seiten Informationen zur dazugehörigen Ebene/Welt (sowie ein paar Plothooks) und einer Hub-City, der namensgebenden Radiant Citadel irgendwo zwischen den Ebenen. Das Alleinstellungsmerkmal ist, dass alle Teilsettings sowie ihre Abenteuer auf einer nicht-weißen realweltlichen Kultur basieren. Hier übrigens eine Übersicht der Inspirationen, fand ich sehr hilfreich, weil es für mich gar nicht IMMER klick gemacht hat. ^^
Überrascht hat mich, wie auffällig klassisch diese Abenteuer größtenteils sind, wenn man diese kulturelle Ebene ausblendet. Ich hätte bei diesem Konzept irgendwie eine "abgefahrenere", betont "andere" Richtung erwartet. Praktisch fühlen sie sich wirklich wie die Geschichten an, die wir seit 40+ Jahren mit dem europäischen Mittelalter erzählen, nur halt mit einem anderen Hintergrund und aus einer anderen Perspektive. Was NICHT heißen soll, dass sie schlecht sind oder mir nicht gefallen! Es hat mich nur etwas überrumpelt.
Die Hub-Welt hat ein paar nette Ideen, war für mich aber letztlich ein wenig vergessenswert, was sicherlich daran liegt, dass sie im Buch nur ein paar sehr generell gehaltene Seiten bekommt. Da müsste man noch etwas Energie reinstecken.
Ideen!
Mir sind beim Lesen zwei Ideen gekommen, um mehr aus dem Buch als Gesamtwerk zu holen:
1. Radiant Planescape
Wir nehmen Sigil, aber machen es, was die Menschen angeht, schön multikulti (passt da sowieso gut rein!) und ersetzen alle "klassischen" materiellen Ebenen durch die Welten aus diesem Buch. Außerdem kriegen auch die anderen Ebenen (Gesinnungen, Elemente) und Fraktionen einen weniger europäischen Anstrich, etwa durch Afterlife-Vorstellungen anderer Religionen, moralische Konzepte anderer Kulturen und nicht-europäische Element-Ebenen.
Man kann die neuen materiellen Ebenen natürlich auch einfach ins Multiversum werfen, aber ich will das Buchkonzept ja VOLL ausnutzen! :D Außerdem würden Sigil als Hub und seine Fraktionen diesen eher bodenständigen Abenteuern ein zusätzliches Feuer verpassen, was ich subjektiv immer sehr gerne mag. Und es hat natürlich den faktischen Vorteil, einfach mal 14 fertige Abenteuer mit 5e-Stats für eine Planescape-Kampagne zu haben! =O
2. Unsere Welt
Ich weiß, dass viele den Gedanken nicht mögen, aber ich spiele ja gerne in einer improvisierten Fantasy-Variante unserer Welt. Und dafür ist Radiant Citadel natürlich ganz hervorragenderes Material! Bei den meisten Teilsettings muss man nur die Namen von Orten austauschen, Religionen expliziter machen, überlegen wo genau die Regionen liegen etc.
Hierfür wäre aber ein roter Faden sinnvoll, und zwar vorzugsweise einer, der nicht im Kern kolonial ist, weshalb wir die Fantasy-typischen Entdecker u.ä. lieber weglassen. Beispiele wären MacGuffins, die "international" gefunden werden müssen, um eine Gefahr abzuwenden, oder die Suche nach einer neuen Heimat für Flüchtende auf einem Fantasy-Schiff (sozusagen "Mayflower, but woke!" 8D). Die Radiant Citadel KÖNNTE hier natürlich sogar eine Atlantis-esque Rolle einnehmen, vielleicht sogar wortwörtlich als Atlantis, das droht versenkt zu werden, wenn die Gruppe nicht den Support diverser Fürsprecher in den jeweiligen Regionen einholt.
Meinungen? Eigene Eindrücke und Ideen? =]
Don Kamillo:
Hmm, ich leite ja gerade eine Planescape 5E-Runde und habe mir die Radiant Citadel noch gar nicht angeschaut, aber da sich herauskristallisiert, dass die Gruppe verschiedene Teile eines Artefaktes sucht, die überall verteilt und versteckt wurden (Backwater Prime Material Planes usw.), kann ich mir da zumindest jetzt mal was vorstellen und schaue mir das umgehend mal genauer an.
Mal sehen, was für Gedanken ich mir da mache.
Betreffend Planescape sehe ich für mich eher das Problem, dass ich gerne mit den inneren und Äußeren Ebenen arbeite, da die halt hier und da eigene physikalische Bedingungen haben oder halt umherlaufende Götter oder beides oder andere obskure Dinge, was halt bei einer Prime Welt eher selten gegeben ist.
Raven Nash:
--- Zitat von: La Cipolla am 11.05.2023 | 07:06 ---Überrascht hat mich, wie auffällig klassisch diese Abenteuer größtenteils sind, wenn man diese kulturelle Ebene ausblendet. Ich hätte bei diesem Konzept irgendwie eine "abgefahrenere", betont "andere" Richtung erwartet. Praktisch fühlen sie sich wirklich wie die Geschichten an, die wir seit 40+ Jahren mit dem europäischen Mittelalter erzählen, nur halt mit einem anderen Hintergrund und aus einer anderen Perspektive.
--- Ende Zitat ---
Hast du wirklich angenommen, dass die Basis von Geschichten sich kulturell so massiv unterscheiden würde? Die Grundmotive sind überall die selben, weil überall die selben Ängste, Sorgen und Nöte herrschen - die Moralbotschaft kann aber stark abweichen. Demnach man letzteres aber bei WotC sicher nicht haben will, war für mich der ganze USP mit den Autoren nur Marketing.
Das ist auch das größte Problem, das ich mit dem Band habe: Ja, es sind Autoren aus der jeweiligen Kultur (zumindest stammen sie von da - ob die nicht bereits in der dritten Generation in den USA leben, kann ich nicht sagen), aber abgesehen von der Kulisse und den Namen ist nichts davon zu sehen. Es sind 08/15-Abenteuer mit der selben Gut-Böse Einteilung, die D&D von Beginn an fährt.
Schade drum.
La Cipolla:
@Don Kamillo: Ja, die Einbindung der Inneren/Äußeren Ebenen muss man wirklich einmal durchdenken. Da gibt es auch viele Möglichkeiten, von "Ebene X als Innere/Äußere" (mir fallen auf Anhieb zwei Radiant-Citadel-Settings ein, die sich eignen würden!) über "wie üblich" bis hin zu "angepasste Innere/Äußere" (siehe oben). Aber ja, speziell "Backwater" aus Sigil-Perspektive lässt sich in Radiant Citadel leicht finden, immer mit einem Abenteuer und ein bisschen Umschreibung der Region.
@Raven Nash: Ich denke, dass dein Post nicht so herablassend gedacht war, wie er gerade bei mir ankommt, aber ich vermute auch, du projizierst von deiner Enttäuschung, denn auf so grundlegende Dinge wie die "Basis von Geschichten" wäre ich jetzt gar nicht gekommen. Es gibt einfach nur viele moderne Abenteuer, die sich sehr viel aktiver von kleinen wie großen Fantasy- und Rollenspieltropen lösen oder sie untergraben. Da muss man auch gar nicht zur OSR oder so gehen; ich würde sagen, selbst Candlekeep Mysteries und Keys From the Golden Vault sind im Durchschnitt sehr viel abenteuerlicher (lol), was das angeht, ohne Fragen wie Gut und Böse ernsthaft angehen zu wollen. Moral ist da ja nur eine von zahllosen Skalen.
Ich VERMUTE (!) daher sogar, dass die Bodenständigkeit der Radiant-Citadel-Abenteuer eine bewusste Entscheidung war. Im Sinne von: Der Fokus soll hier nicht auf abgefahren kreativen Ideen und Experimenten liegen, sondern eben auf der kulturellen Perspektive auf typisches D&D. Und das wäre in meinen Augen durchaus gelungen! Ist aber nur eine Vermutung, vielleicht ist das Team auch einfach weniger wild drauf als manch anderes. ^^
Und ja, auch ich würde einen Teil unserer Überrumplung (bei mir) und Enttäuschung (bei dir) auf das Marketing schieben. Tatsächlich bin ich mir aber nicht ganz sicher, ob da nicht noch ein anderer Teil mitspielt, nämlich unsere Erwartung von Fremdheit und "Exotik". Ich bin mir nicht sicher, ob das Marketing wirklich so extensiv von Kreativität, innovativ ANDEREN Abenteuern u.ä. geredet hätte; bei mir ist wirklich eher das Betonen der Team-Hintergründe und ihrer kulturellen Perspektiven hängengeblieben. Vielleicht erwartet man bei so "unbekannten" Settings und ihren bunten Illustrationen automatisch auch ungewohnte Inhalte, nicht zuletzt weil diese Sachen rollenspielhistorisch oft zusammenfallen.
Also ja, Radiant Citadel hat für mich eine gewisse Ironie: Viele Abenteuer sind in einem gewissen Sinne fast schon traditionelles Grognard-Material, aber eben aus einer Perspektive und mit einer Vermarktung, die diese Leute ziemlich effektiv abschreckend dürfte. ;D Und die Radiant Citadel selbst würde für diese Zielgruppe wahrscheinlich auch GAR nicht gehen.
ghoul:
--- Zitat von: La Cipolla am 11.05.2023 | 17:25 ---Also ja, Radiant Citadel hat für mich eine gewisse Ironie: Viele Abenteuer sind in einem gewissen Sinne fast schon traditionelles Grognard-Material, aber eben aus einer Perspektive und mit einer Vermarktung, die diese Leute ziemlich effektiv abschreckend dürfte. ;D Und die Radiant Citadel selbst würde für diese Zielgruppe wahrscheinlich auch GAR nicht gehen.
--- Ende Zitat ---
Den typischen Grognard dürfte vor allem abschrecken, dass es sich um ein 5E-Produkt handelt.
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