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Fiktion versus HEMA: Mittelalterliche Kämpfe in Film und TV analysiert

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Raven Nash:

--- Zitat von: Andropinis am 19.08.2023 | 18:07 ---In zeitgenössischen Quellen findet man durchaus Material, wo die mit der Hand reingehen. Bspw. hier:
--- Ende Zitat ---
Du siehst aber schon, dass das eine ganz andere Waffe ist?
Die Abbildungen sind vom Hofdegen. Das ist eine reine Stoßwaffe, ohne scharfe Schneiden.
Das im Film sind schwere Säbel - reine Hiebwaffen, die dazu da sind, Infanterie vom Sattel aus zu zerstückeln. Völlig andere Fechtweise.

Linkhandparaden gibt es beim Rapier und Hofdegen - beim klassischen Degen sind sie schon weg, weil die Linke als Balancegewicht verwendet wird.


--- Zitat von: Isegrim am 19.08.2023 | 18:49 ---Die nähern sich dem an, was sie aus dem historischen Material heraus interpretieren. ;)

Ich hab keine Ahnung von HEMA, aber wenns in anderen Gebieten zur Interpretation historischer Quellen kommt, gibts ja auch selten eine einhellige Meinung, zumindest was Details angeht.
--- Ende Zitat ---
Grundsätzlich richtig. Allerdings sind die Quellen höchst unterschiedlich in ihrer Genauigkeit. Die deutschen Quellen sind z.B. eine einzige Lücke ohne Zusammenhang.
Die Bologneser Quellen sind sehr umfangreich und umfassend. Die Rapier-Quellen ebenso.
Über den Degen gibt es ab dem 18. Jhdt eine Vielfalt an Lehrbüchern. Säbel dann ebenfalls.

Noch dazu hat der Mensch nunmal seit Anbeginn zwei Arme, zwei Beine, und das dazwischen ist auch immer noch gleich. Im Gegensatz zu vielen anderen Gebieten, sind damit Interpretationen schonmal eingeschränkt. Natürlich gibt es unterschiedliche Varianten, weil Menschen physische Unterschiede aufweisen, und ihre Zielsetzung eine Rolle spielt. Die reinen Turnierfechter interpretieren Techniken teilweise anders, weil sie im Turnierkontext so besser funktionieren.
Das war aber auch historisch der Fall!
Vergleicht man die Techniken eines Joachim Meyer mit denen eines Ringeck, hat man sportlich vs. Ernst.

Die Geschichte mit dem Bruch in Europa hat auch einen Fehler: sie impliziert, dass die Asiaten diesen Bruch nicht hatten. Das ist aber falsch. Die Geschichte mit der "ungebrochenen Tradition" in Asien ist schlicht eine Lüge.
Mittlerweile gibt es auch HJMA (Historical Japanese Martial Arts) und HCMA (Chinese), also Leute, die sich genauso wie wir mit historischen Quellen befassen und auf deren Basis arbeiten. Sie stellen dann erstaunt fest, dass sich das weit von dem unterscheidet, was man ihnen im selben Stil heute beibringt.
Kampfstile waren immer Produkte ihrer Zeit und des sozialen Umfeldes. Und dadurch Veränderungen unterworfen. Irgendwann brauchte man z.B. keine Schwerter mehr im Krieg, Duelle wurden verboten, usw. Die Methoden passten sich an, man begann, Sport oder Meditation draus zu machen.
Kaum jemand weiß, dass z.B. Tai Chi die älteste und wohl brutalste Kampfkunst Chinas ist, und eigentlich auf dem Schwert fußt. Weil es nicht mehr so gelehrt wird.

Andropinis:

--- Zitat von: Raven Nash am 20.08.2023 | 08:51 ---Du siehst aber schon, dass das eine ganz andere Waffe ist?
Die Abbildungen sind vom Hofdegen. Das ist eine reine Stoßwaffe, ohne scharfe Schneiden.
Das im Film sind schwere Säbel - reine Hiebwaffen, die dazu da sind, Infanterie vom Sattel aus zu zerstückeln. Völlig andere Fechtweise.
--- Ende Zitat ---

Das was ich verlinkt hatte und was Du zitiert hast, sind doch keine Säbel, daher passen die Beispiele schon diesbzgl. Wenn sich Deine Aussage auf die Säbel Duelle im Film bezieht, ist das natürlich was anderes.  :)


--- Zitat ---Die Geschichte mit dem Bruch in Europa hat auch einen Fehler: sie impliziert, dass die Asiaten diesen Bruch nicht hatten. Das ist aber falsch. Die Geschichte mit der "ungebrochenen Tradition" in Asien ist schlicht eine Lüge.
Mittlerweile gibt es auch HJMA (Historical Japanese Martial Arts) und HCMA (Chinese), also Leute, die sich genauso wie wir mit historischen Quellen befassen und auf deren Basis arbeiten.
--- Ende Zitat ---

Naja die Asiaten gibt es nicht. Aber es gibt dort halt noch Linien ohne Bruch, wie einige koryu und die hatte ich ja erwähnt. Die sind nicht unbedingt statisch, sondern können durchaus auch Veränderungen unterworfen sein, die aber aus einer lebendigen Übertragungslinie heraus passieren.  In Europa hattest Du dagegen praktisch überall einen Bruch. In "Asien" gibt es Brüche aber auch noch Schulen mit intakter Linie.

Raven Nash:

--- Zitat von: Andropinis am 20.08.2023 | 09:05 ---In "Asien" gibt es Brüche aber auch noch Schulen mit intakter Linie.
--- Ende Zitat ---
Die "intakte" Linie ist ja auch schon eine historische Lüge. Wenn man mal genau nachforscht, lassen sich 90% der "Stammbäume" historisch nicht belegen. Da gibt es dann Namen, zu denen sich keine Personen finden lassen, oder es sind Leute, die nichts mit Kampfkunst zu tun hatten.
In vielen Fällen endet die "Linie" im ersten oder zweiten Weltkrieg (wie übrigens auch in Europa - die beiden Weltkriege haben faktisch alle klassischen Fechtmeister umgebracht, danach haben deren Schüler was Neues begründet).
In China ist die Sache dann oft noch verworrener, mit Abspaltungen, Familienfehden, usw. Und plötzlich gibt es einen vorher unbekannten "Meisterschüler", der den Stil fortführt.

Aber ganz abgesehen davon: Selbst wenn die "Linie" intakt wäre - es würde nichts daran ändern das heute etwas gänzlich anderes unterrichtet wird, als vor 300 Jahren. Will man aber eben das wiederbeleben, muss man genauso mit den alten Texten arbeiten, wie im HEMA.
Und das hat man mittlerweile auch im Osten verstanden, was ich großartig finde.

Jetzt muss noch der Gedanke an die "lineare Evolution" aus den Köpfen raus, dann kann man endlich gut arbeiten.  :)

KhornedBeef:
Zurück zum Thema:

Was ist mit der angeblich traditionellen Kampfkunst in Ong Bak (1+2)?

Raven Nash:

--- Zitat von: KhornedBeef am 20.08.2023 | 11:16 ---Zurück zum Thema:

Was ist mit der angeblich traditionellen Kampfkunst in Ong Bak (1+2)?

--- Ende Zitat ---
Jawohl ja.  ;)

Tony Jaa kommt aus dem Muay Boran. Boran ist die traditionelle Kampfkunst der Thai, wobei die wiederum ihre Wurzeln in Südchina hat und stark mit dem Burmesischen Boxen verwandt ist. Die Methodik fußt (wie so oft) auf den Waffentechniken des Krabi Krabong.
Das ist auch, was man z.B. am Beginn von Ong Bak sieht - traditionelle Boran-Formen.

Die sportliche Variante Muay Thai hat keine Formen mehr und ist eben auf den Kampf im Ring hin optimiert. Ist ähnlich wie Bare Knuckle Boxing vs. modernes amerikanisches Boxen, wobie beim Muay Thai noch stark ritualisierte Züge dazu kommen.

Die Choreographien sind - wie in Thailand üblich - nur sehr, sehr locker durchbesprochen. In den Outtakes sieht man auch sehr viele Treffer, die nicht geplant waren. Aber das ist dort so üblich und wird von Stuntleuten erwartet. Die kommen meistens auch aus dem Muay Thai und sind Schläge gewohnt.  ;)

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