Autor Thema: [Ich erzähle von] Eat The Reich  (Gelesen 1875 mal)

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Offline Smoothie

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[Ich erzähle von] Eat The Reich
« am: 19.03.2024 | 19:39 »
Habe jetzt das erste mal Eat the Reich https://rowanrookanddecard.com/eat-the-reich-what-is-it/ geleitet und es war super. 

Inhaltlich keine Spoiler, die Geschichte ist sehr einfach. Die SC sind liebevoll gestaltete, vorgefertigte Vampire, die Hitler 1943 in Paris töten sollen.
Ultraviolent und pulpig. Trotzdem ein Spass, denn man tötet viele Nazis.
Die Regeln nennen sich Havoc Engine und man würfelt immer mit D6 Pools vergleichend gegen die SL. Mit Erfolgen kann man dann verschiedene Aktionen triggern. Dauert eine Sekunde zum erklären, aber dann lief es den ganzen Abend über sehr flüssig und v.a. auch schnell. Die Regeln tragen auch zur Geschichte bei, da man für jeden Erfolg, den man verwendet der Erzählung ein Detail hinzufügen muss.
Auch dieser Mechanismus lief sehr gut. Überhaupt ist es ein sehr gut ausgedachtes Regelsystem, das Regeln hat, die das Spielgefühl unterstützen.
Die letzte Kugel in der Waffe gibt einen Extrawürfel, wenn man stirbt, tritt man mit einem Knall ab, etc.

Ich habe es der Situation geschuldet auf einen One-Shot runtergekürzt. Das geht und lief auch gut, aber ich bedauere es trotzdem. Man verliert schon viele potentiell coole Szenen aus der Kampagne und ich würde empfehlen es wie vorgeschlagen in 2 Sitzungen zu spielen.

Bei mir haben die SC im Finale unglaublich gut gewürfelt, was die Sache ein bisschen zu schnell beendet hat, aber das kann ja bei vielen Systemen mal passieren.

Das Buch siegt gut aus und ist lustig. Was man aber wissen muss: Das ganze ist halt nur ein Two-Shot, Kampagnenpotential würde ich bezweifeln, denn so ein Level an High Stakes Abgedrehtheit lässt sich wohl nur schwer aufrecht erhalten.


Inzwischen bin ich geneigt zu glauben, dass an der DnD Satanic Panic in den 80ern was dran war. Allein, es waren nicht die Inhalte. Es waren die Regeln, die aus der Hölle kommen...

Offline La Cipolla

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #1 am: 19.03.2024 | 21:09 »
Huh, ich dachte mir eigentliche "schon sehr speziell", aber das Two-Shot-Konzept macht es tatsächlich interessanter für mich! In so einem Rahmen kann ich mir das dann perfekt vorstellen.

Aber eine komplette Mini-Kampagne in einem runden Produkt mit fertigen Charakteren und einem passenden, extrem simplen Regelsystem? Das kann von mir aus gerne ein Trend werden!
« Letzte Änderung: 19.03.2024 | 21:11 von La Cipolla »

Offline marat

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #2 am: 20.03.2024 | 20:36 »
Klingt nach dem perfekten Dingsi für eins der nächsten "Nerd:etten Retreats" im Sommer :headbang:

Essen, Trinken, (Lager)Feuer un was Unterhaltsames zum rumnerden.... Urschreitherapie war gestern! ;D

Offline Katharina

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #3 am: 16.08.2024 | 22:57 »
Nachdem Eat The Reich kürzlich 3 Ennies gewonnen hat, wird es Zeit, das System auch im Tanelorn näher zu besprechen. Ich konnte das Spiel bislang einmal im Rahmen eines Oneshots mit 2 Spielern leiten. Beide haben viel Erfahrung mit Rollenspielen und auch schon eigene Systeme entwickelt. Einer der beiden Spieler fängt mit Erzählrollenspielen überhaupt nichts an (probiert aber gerne neue Systeme aus), der andere kommt mWn eher aus der OSR-Richtung, spielt aber gelegentlich auch Erzählspiele. Ich selbst habe ein wenig Erfahrung mit Erzählrollenspielen und eine grundsätzliche Affinität dafür, spiele aber mehrheitlich klassichere Systeme.

Im Folgenden möchte ich einerseits das Buch selbst vorstellen, aber auch meine Erfahrungen und Überlegungen einfließen lassen.

1. Setting und Tonalität

Eat The Reich dreht sich um eine Gruppe von Vampiren, die sich durch das besetzte Paris des Jahres 1943 kämpfen, um Adolf Hitler in seinem Zeppelin auf dem Eiffelturm zu töten und sein Blut zu trinken. Das Spiel lebt von pulpiger Action, einem großzügigen Umgang mit Realität und Realismus und überzeichneter Gewalt. Das ist sicher speziell und trifft nicht jedermanns Geschmack, ich fand es aber einmal erfrischend anders. Ich bezweifle, dass das Setting für längere Kampagnen geeignet ist, aber für einen Oneshot hat es für mich gut funktioniert. Die Designer:innen gehen von einem Fewshot mit 2-3 Sitzungen aus, nach meiner Einschätzung könnte das aber bereits zu viel des Guten sein. Denn wenn man ehrlich ist, dann besteht das Abenteuer aus einer Aneinanderreihung actionreicher Kämpfe. Diese sind zwar äußerst abwechslungsreich - in unserem Oneshot gab es u.a. eine Motorrad-Flucht durch verlassene Metro-Tunnel und einen Panzer, der den Eiffelturm gerammt hat, um ihn zum Einsturz zu bringen. Doch am Ende des Tages ist das System nun einmal nicht für komplexere Plots, szenenübergreifende Handlungsbögen oder nachvollziehbare Charakterentwicklung konzipiert.

Das Buch enthält nur wenige Setzungen hinsichtlich des Setting. Das hat für einen Oneshot gut gepasst, da man dadurch einfach loslegen kann, ohne im Vorfeld viel lesen zu müssen. Umgekehrt gibt es dadurch aber auch wenig herauszufinden, was für mich noch einmal zu dem Eindruck beiträgt, dass das Spiel primär für Oneshots geeignet ist.

Die seitenlangen Ausführungen dazu, wie man mit seinem solchen historisch aufgeladenen Setting umgeht und dieses an die eigene Gruppe, an Vorlieben und Tabus der Spieler:innen anpassen kann, bieten für erfahrene Rollenspieler:innen wahrscheinlich kaum Neues, sind bei dem gegenständlichen Setting aber wohl dennoch sinnvoll. Stellenweise fand ich die Aussagen zum ethischen Hintergrund des Spiels durchaus fragwürdig, auch wenn das für das eigentliche Spiel am Tisch egal sein mag.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

2. Die Regeln

Das Spiel wird in verschiedene Szenen unterteilt. Jede Szene verfügt über ein Ziel, das erfüllt werden muss, um zur nächsten Szene zu gelangen (z.B. "einen Ausgang aus dem Gebäude finden"). Das Ziel hat dabei einen bestimmten Wert - wird dieser auf 0 reduziert, ist das Ziel erreicht. Daneben gibt es je Szene typischerweise 1-2 Gegner, wobei auch ganze Trupps als 1 Gegner zusammengefasst werden können.

Es gibt 7 Attribute, die Werte zwischen 1 und 4 annehmen können. Um eine Probe abzulegen, erstellt man einen Würfelpool, der sich aus den Würfeln für ein Attribut und gegebenenfalls weiteren Würfeln für eingesetzes Equiptment und Fertigkeiten ergibt. Das meiste Equipment verfügt über eine Bedingung, bei deren Erfüllung es Bonuswürfel gibt. So bringt ein Jagdgewehr standardmäßig beispielsweise 1 Wüfel, wird es aus einer erhöhten Position verwendet, addiert man einen weiteren Würfel zum Pool. Außerdem verfügt jedes Equipment nur eine gewisse Zahl an Verwendungen, wobei die letzte Verwendung einen Bonuswürfel bringt. Die Fertigkeiten sind charakterspezifisch und setzen meist den Einsatz von Blut voraus, damit man sie verwenden kann (z.B. "WINGS. Spend 1 Blood: you can fly."). Die SL hat ebenalls einen Würfelpool, dessen Größe sich aus dem Angriffswert des jeweiligen Gegners ergibt.

Eine Kampfrunde schaut nun so aus, dass immer ein Spieler und die SL ihren Pool aus D6-Würfeln werfen, wobei 4, 5 und 6 als Erfolg gewertet werden (die 6 zählt bei Spieler:innen sogar doppelt). Der Spieler entscheidet dann, wie er seine Erfolge einsetzt:
  • Schaden zufügen/Gefahr reduzieren
  • Erfolge der SL negieren
  • Blut erhalten
  • Dem Ziel der jeweiligen Szene näher kommen
  • Spezialfertigkeiten aktivieren.

Mit jedem Erfolg, den man zuweist, darf man erzählerisch ein Detail zur Szene beitragen. Wirft man eine Granate auf einen Trupp Nazis und erzielt 4 Erfolge, könnte man also z.B. beschreiben, wie 1) 3 Nazis zerrissen werden (Schaden zufügen), 2) der Vampir einen herumfliegenden Arm fängt und aussaugt (Blut trinken), 3) ein Gegner, der gerade zum Schuss ansetzen wollte, daraufhin vor Schreck sein Gewehr fallen lässt (Erfolg der SL negieren) und 4) der Charakter die Ablenkung nutzt, um sich in Ruhe umzusehen, wobei ihm eine Hintertür auffällt (Zielerreichung). Der Schwerpunkt des Spiels besteht also nicht aus taktischen Kämpfen, sondern daraus, aus Würfelergebnissen abwechslungsreiche Szenen zu interpretieren.

Nach jeder Runde erhalten die Gegner Verstärkung, sodass es wichtig ist, die Gefahr rasch zu reduzieren.

Tja, und das ist auch schon der Kern des Regelsystems. Weitere Regeln betreffen das Finden neuen Equipments, Heilung, Verletzungen durch Schaden usw. aber die meiste Zeit ist man beim Spielen damit beschäftigt, seine Würfelpools zu bauen und die Ergebnisse zu interpretieren.

3. Gedanken zum Regelsystem

  • Dass der letzte Einsatz eines Equipments einen Bonuswürfel bringt, mag nicht unbedingt logisch sein, hatte bei uns aber 2 schöne Nebeneffekte: Es gab viel Abwechslung beim Einsatz der Waffen, um den letzten Einsatz für besondere Momente zur Verüfgung zu haben. Und dadurch ergaben sich dann auch coole Höhepunkte gegen Ende des Abenteuers. Ich denke hier z.B. an den Panzer, dessen letzter Einsatz darin bestand, den Eifelturm zu rammen.
  • Die Regel, dass man für jeden Erfolg ein Detail beiträgt sorgt dafür, dass beide Spieler ihre Handlungen im Kampf sehr viel umfassender und spanneder erzählt haben, als dies sonst bei traditionellen Spielen der Fall ist.
  • Der konstante Nachschub erhöht die Spannung und führt dazu, dass die Spieler:innen mehr riskieren, was wieder die Spannung erhöht.
  • Es gibt keinen Anreiz, ein anders als das stärkste Attribut zu verwenden. Gerade unser Kämpfer hat daher alle Kämpfe mechanisch mehr oder weniger auf dieselbe Art bestritten, da er so am meisten Würfel zu Verfügung hatte. Für jemanden, der mehr an Charakterwerten und Taktik als an Fluff interessiert ist, führt das dazu, dass sich jeder Kampf gleich anfühlt und das Spiel generell wenig Abwechslung bietet.
  • Als SL hat man nichts zu tun. Ok, das ist vielleicht ein bisschen drastisch formuliert, aber am Ende "spielt" man die meiste Zeit Nazis, die qua Settingvorgabe nicht reden, sondern nur angreifen. Die gesamte Ausgestaltung des Kampfes - inklusive der Interpreation der Erfolge der SL - obliegt den Spieler:innen. Klar, man stellt immer wieder eine neue Szene vor und gibt bekannt, welches Ziel zu erreichen ist. Aber das hätte man eigentlich auch durch das gemeinsame Ziehen von Karten oder einen anderen Mechanismus lösen können. Ich empfand die Leitung des Spiels daher als sehr langweilig und denke, dass das System als SL-loses Spiel besser funktionieren würde, wenn man eine Gruppe hat, die keinen Schiedsrichter benötigt, sondern Regelfragen bei Bedarf auch kollektiv klären kann.

Insgesamt glaube ich, dass Eat The Reich Gruppen, die das Setting witzig finden und Erzählrollenspiele mögen, sehr viel Spaß machen kann. Auch wenn man sonst eher klassiche Spiele spielt, würde ich empfehlen, Eat The Reich einmal auszuprobieren, da man dabei auch einmal versuchen kann, Kämpfe spannender und umfassender zu beschreiben. Da man für das Abenteuer so gut wie nichts vorbereiten muss, kann man Eat The Reich auch gut einschieben, falls einmal eine Spielerin der Stammrunde ausfällt. Umgekehrt ist das Spiel meines Erachtens auch für erfahrene Erzählrollenspieler:innen interessant, da viele Erzählspiele dem Thema Kampf nur wenig Bedeutung beimessen oder Kämpfe überhaupt nur mit ein oder zwei Würfen abhandeln. Eat The Reich zeigt, das lange Kämpfe auch in Erzählspielen Spaß machen können. Wer mit dem Prinzip von Erzählrollenspielen per se nichts anfängt, wird aber auch mit Eat The Reich nicht glücklich werden. Auch für Kampagnen ist es meines Erachtens ungeeignet. Und man muss als SL damit leben können, bei diesem Spiel kaum Erzählreche zu besitzen, sondern eher eine verwaltende Rolle zu haben, da man die meiste Zeit nur über den Fortschritt bei der Zielerreichung, den Nachschub an Gegnern usw. Buch führt.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass 2 der 3 Ennies nicht das System an sich, sondern die graphische Gestaltung betrafen. Und diese ist durchaus außergewöhnlich und auch von der Aufmachung her sticht das Buch hervor. Ein Spieler meiner Testrunde meinte, dass man sowohl die Ingame-Kämpfe als auch das Buch an sich mit "Style over Substance" beschreiben könnte. Das ist in meinen Augen durchaus zutreffend, muss aber nicht negativ sein, sondern kann abundan auch einfach Spaß machen.  8)

So, und jetzt würde ich mich für eure Gedanken interessieren!  :headbang:
Ich ersuche allerdings, die Diskussion auf das System zu beschränken und politische Themen außen vor zu lassen. Es war mir wichtig, die aus meiner Sicht problematischen Teile des Buches anzusprechen, aber ich möchte mich in diesem Thema auf das Spiel konzentrieren und nicht über die (Un-)zulässigkeit von Gewalt diskutieren.
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Offline schneeland

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #4 am: 17.08.2024 | 00:15 »
Danke für den Eindruck! Das klingt ja insgesamt recht positiv und nach einer netten Sache für einen One-/Fewshot zwischendurch.
Das "Attributsproblem" ist allerdings nicht so schön. Es gibt an dieser keine Beschränkungen, welche Attribute eingesetzt werden können? (und sei es nur durch die erzählerische Rahmensetzung?)
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Offline ghoul

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #5 am: 17.08.2024 | 09:49 »
Danke! Das klingt ja eher ernüchternd.
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Offline Smoothie

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #6 am: 17.08.2024 | 09:54 »
Danke für die Spielbeschreibung!

Zu den Attributen: naja, man verwendet schon immer die passenden zur Probe, aber wenn die Nahkämpferin sich in die Massen stürzt und metzelt verwendet sie halt immer Brawl. Das ist jetzt aber nicht ungewöhnlich. Eine Barbarin bei DnD nutzt im Kampf auch meist die Kampffertigkeiten.
Aber man kann durchaus auch hier andere Dinge im Kampf machen...
Wie hält man Leute davon ab, immer ihr stärkstes Attribut zu verwenden? Präsentiere andere Aufgabenstellungen.

Es gibt übrigens schon einen Thread hier https://www.tanelorn.net/index.php/topic,127908.msg135212973.html#msg135212973
vielleicht kann man die zusammenführen.  Ich finde es auch immer noch ein sehr tolles Spiel.

Inzwischen bin ich geneigt zu glauben, dass an der DnD Satanic Panic in den 80ern was dran war. Allein, es waren nicht die Inhalte. Es waren die Regeln, die aus der Hölle kommen...

Offline Smoothie

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #7 am: 17.08.2024 | 10:00 »
noch ein Nachtrag. Ich empfand es als SL überhaupt nicht langweilig und hatte viel Spass.
Klar, mit deinen Goons machen die SC was sie wollen, aber jeder Auftritt der Spezialmonster rief viele "wtf" Momente bei den SC hervor. Es ist nicht so, dass man gar keine Erzählrechte hat. Sie sind halt geteilt, was traditionellere SLs sicher verunsichern kann...
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Offline Katharina

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #8 am: 17.08.2024 | 11:45 »
Ui, danke für die vielen Rückmeldungen :)

Das "Attributsproblem" ist allerdings nicht so schön. Es gibt an dieser keine Beschränkungen, welche Attribute eingesetzt werden können? (und sei es nur durch die erzählerische Rahmensetzung?)

Zu den Attributen: naja, man verwendet schon immer die passenden zur Probe, aber wenn die Nahkämpferin sich in die Massen stürzt und metzelt verwendet sie halt immer Brawl. Das ist jetzt aber nicht ungewöhnlich. Eine Barbarin bei DnD nutzt im Kampf auch meist die Kampffertigkeiten.
Aber man kann durchaus auch hier andere Dinge im Kampf machen...
Wie hält man Leute davon ab, immer ihr stärkstes Attribut zu verwenden? Präsentiere andere Aufgabenstellungen.

Genau, das verwenderte Attribut muss natürlich zur beschriebenen Handlung passen, aber gerade der Kämpfer in unserer Runde hat eigentlich immer einen plausiblen Grund gehabt, weshalb es auf sein stärkstes Attribut (Brawl) würfelt. Das mag teils daran gelegen haben, dass der Spieler generell zum Optimieren neigt, aber das System bietet auch keinen Grund dafür, weshalb der Kämpfer nicht stets den Nahkampfen suchen sollte. Andere Aufgabenstellungen sind sicher eine mögliche Lösung (und das hat bei uns auch teils funktioniert), aber letztlich haben die Spieler:innen sehr viele Erzählrechte und können Szenen damit auch ein stückweit in die Richtung lenken, die ihren Stärken entgegen kommt. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das überhaupt ein Problem ist - warum soll denn der draufgängerische Nahkämpfer nicht alle Probleme mit brutaler Gewalt zu lösen versuchen? Das unterschiedliche Equipment und die verschiedenen Fertigkeiten führen ja dennoch zu Variation - für meinen Spieler war das nur eben zu wenig Abwechslung.

Danke! Das klingt ja eher ernüchternd.

Ich denke, es hängt stark von den jeweiligen Präferenzen ab. Eat the Reich ist nun einmal - trotz des starken Kampffokusses - ganz klar ein Erzählrollenspiel.

noch ein Nachtrag. Ich empfand es als SL überhaupt nicht langweilig und hatte viel Spass.
Klar, mit deinen Goons machen die SC was sie wollen, aber jeder Auftritt der Spezialmonster rief viele "wtf" Momente bei den SC hervor. Es ist nicht so, dass man gar keine Erzählrechte hat. Sie sind halt geteilt, was traditionellere SLs sicher verunsichern kann...

Stimmt, die Ubermenschen kamen sehr gut an und haben auch als SL viel Spaß gemacht. Vielleicht sollte ich die beim nächsten Mal auch schon früher präsentieren und generell verstärkt auftreten lassen.
Bei den Standard-Kämpfen war mein Eindruck allerdings, dass die SL-los mindestens genauso funktionieren würden (was ja nichts schlechtes ist - ich mag auch SL-lose Systeme). Ich spiele an Erzählspielen sonst vor allem PbtA-Spiele, bei denen es ja Keeper Moves gibt. Das macht es für mich interessanter zum Leiten, als wenn man SL in Kämpfen vor allem verwaltet und kaum etwas entscheidet.
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Offline schneeland

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #9 am: 17.08.2024 | 12:19 »
Es gibt übrigens schon einen Thread hier https://www.tanelorn.net/index.php/topic,127908.msg135212973.html#msg135212973
vielleicht kann man die zusammenführen.  Ich finde es auch immer noch ein sehr tolles Spiel.

Ja, scheint mir auch sinnvoll. Ist hiermit erledigt.
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Offline Hotzenplot

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #10 am: 19.08.2024 | 17:26 »
Oh, ein ETR Thread, sehr schön :)


Ich habe ETR inzwischen 2x geleitet, jeweils auf Rollenspieltreffen (also nicht mit einer "festen" Runde). Beides Mal wurde die Runde aber in einem Forum (einmal davon hier im Tanelorn für das Tanelorn-Treffen) vorab angekündigt und die Besetzung der Spieler*innen geklärt. Beim Tanelorn-Treffen kannte ich aber alle Spieler gut genug, und habe keine großen Worte zum Spiel verloren. Beim ersten Mal, als ich nur einen von den Spielern überhaupt kannte, habe ich das aber schon gemacht. Auch da kannten sich die Leute untereinander aber relativ gut. Aufgrund der politischen Aussage ist das Spiel meiner Meinung nach nur bedingt geeignet, es sozusagen ohne Vorwarnung auf einer Con oder so zu leiten.

Ich kaufe eigentlich nicht mehr viele Rollenspiele, aber mit der Prämisse, durchgeknallte Vampire auf der Mission, Hitlers Blut zu trinken zu spielen, hatten mich die Macher sofort. Allgemein stehe ich auf Nazi-Killer Pulp, man musste mich also nicht groß überzeugen.

Wie es aussieht
Mir gefällt das Layout und Design außerordentlich gut - auch wenn das Buch dadurch schwer lesbar ist. Zum Glück war im Kickstarter eine Nur-Text-pdf dabei, was es Menschen mit Farbenblindheit (so einen hatte ich jetzt am Wochenende am Tisch) extrem erleichtert.
Per Online-Zugang kann man noch auf allen möglichen hilfreichen Kram zugreifen (auf der Website gibt es dann Items, NSC, Grafiken und Soundeffekte). Davon habe ich am Wochenende nur die Soundeffekte benutzt, der Rest sah aber auch gut aus.

Die ethische Haltung
Die politische Aussage in dem Spiel ist sehr deutlich.
Zitat
This game is not, in and of itself, an act of resistance; it is an act of creativity which reflects our frustration with the real world’s ongoing nazi problem.
Ich empfehle niemandem, das Buch zu lesen, der nicht eine deutliche anti-faschistische Haltung hat. Was nicht heißt, dass jeder, der sich darunter subsumiert, dieses Buch mögen muss.
Die Autoren nehmen sich jedenfalls hinreichend Zeit bzw. Platz einige Dinge zu klären. Playing Safe (X-Card etc.), aber auch der Umgang mit gespielter Diskriminierung (bzw. eben diese wegzulassen und nicht zu sagen "ich spiele ja nur einen Nazi-NSC!"). Es gibt eine "Evil Calibration Checklist", bei der man sich mit der Spielrunde aussuchen kann, wie man es spielen kann (gibt es zum Beispiel zivile Opfer und wie ist es mit der Übermenschlichkeit der Vampire?).
Das Besprechen von Diskriminierung am Spieltisch in so einem "historischen" Setting gefällt mir gut (hat mir auch schon sehr gut bei Harlem Unbound gefallen (Umgang mit dem N-Wort)) und diesen Abschnitt würde ich auch völlig unabhängig von ETR empfehlen.

Das System
Sie nennen es Havoc Engine. Ich kannte das System vorher nicht, aber es ist eigentlich bei dem ganzen Teil die größte Überraschung für mich. Ich habe das Spiel nicht gebackt (bzw. backen lassen ;)), weil ich ein tolles neues System haben wollte, aber genau das habe ich bekommen. Es funktioniert erstaunlich gut. Die Havoc Engine ist ein kleines Storysystem für actiongeladenes Spiel.
Es ist Pool-System mit einigen Stats, Abilities, Advances und Equipment, dazu kommt dann noch ein Blood-Level. Es gibt 6 einzigartige Pregens, die alle großartig "gebaut" sind und meiner Meinung nach sehr gut das wiedergeben, wonach sie im ersten Eindruck aussehen.
Der Fokus liegt hier wirklich auf der Action und auf Blutvergießen. Aber genau dafür kann ich mir vorstellen, das System auch anderweitig zu verwenden.
Ich bin beim letzten Mal leiten auf das Phänomen gestoßen, dass einer der Pregens (Cosgrave) durchaus sowas wie soziale Skills hat bzw. Möglichkeiten "magischer" Einflussnahme, es aber eigentlich keine Regelung innerhalb des Systems gibt, wie damit verfahren wird. Ich habe es dann einfach gelingen lassen, dass Cosgrave den Übermenschen Stahlsoldat zu einem Minion der Vampire gemacht hat (Stahlsoldat wurde regeltechnisch dann einfach zum Equipment von Cosgrave). Vielleicht hätte ich das Unterwerfen Stahlsoldats als second objective mit einem Rating versehen sollen und den Spieler dann 1-2 Runden Zeit gegeben, das hinzubekommen.

Für ETR braucht man Spieler*innen, die Spaß an Blutbädern haben, schnelle kreative Lösungen bringen und eine hohe Dynamik an den Tag legen.

Der Plot
Es gibt einen ausgearbeiteten Plot - wenn man das so nennen kann - und ein paar Stichpunkte zu weiteren. Die Hauptmission für die F. A. N. G. Vampire lautet bekanntermaßen: Hitler finden und all sein Blut trinken. Das Ganze wird auf ungefähr 15 Seiten knapp präsentiert. Mir gefällt - wie im ganzen Buch - der verwendete Sprachstil sehr gut.
Paris ist in drei Sektoren aufgeteilt, wobei das Ziel, Hitlers Zeppelin, am Eiffelturm hängt. Die Herausforderungen werden von Sektor zu Sektor schwieriger. Es ist nicht gedacht, alle Sektoren zu spielen. In den Oneshots, die ich geleitet habe (die beiden eigentlich zu kurz waren), habe ich von 5 Stationen verwendet.
Passend zu Spielen dieser Art werden die einzelnen Stationen prägnant umrissen. Dazu gibt es dann objectives und enemies (normale Gegner wie Kradeinheiten oder Sniper und besondere Gegner, die sogenannten Übermenschen, darunter z. b. ein 1943er Nazi Robocop namens Stahlsoldat).
Manchmal ist Loot explizit genannt, manchmal nur beschrieben (man kann sein eigenes Equipment mit neuem Loot ersetzen).

« Letzte Änderung: 19.08.2024 | 19:03 von Hotzenplot »
ehrenamtlicher Dienstleistungsrollenspieler

Mein größenwahnsinniges Projekt - Eine DSA-Großkampagne mit einem Haufen alter Abenteuer bis zur Borbaradkampagne:
http://www.tanelorn.net/index.php?topic=91369.msg1896523#msg1896523

Ich habe die G7 in 10 Stunden geleitet! Ich habe Zeugen dafür!

Ich führe meinen Talion von Punin in der Borbaradkampagne im Rollenhörspiel
https://rollenhoerspiel.de/

Offline Katharina

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #11 am: 20.08.2024 | 10:10 »
Danke für deine Einschätzungen, Hotzenplot! Darf ich noch nachfragen, was genau dir an dem Havoc-System besonders gefällt? Und: Verstehe ich dich richtig, dass du das System künftig auch für andere Settings verwenden möchtest?

Wie habt ihr eingentlich die Stationen ausgewählt? Ich habe den Plan auf den Tisch gelegt und die Spieler:innen selbst wählen lassen, wo sie hinmöchten und wie sie ihren Weg zum Eiffelturm anlegen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es für das Pacing nicht besser wäre, ohne Plan zu spielen und stattdessen immer 2-3 Stationen zur Auswahl zu geben  :think:

Dieses Wochenende werde ich Eat The Reich übrgens nochmals spielen, diesmal mit einer erzählspielaffinen Gruppe. Ich bin schon gespannt, wie das läuft und ob sich meine Einschätzungen dadurch ändern  :)
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Offline KWÜTEG GRÄÜWÖLF

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #12 am: 20.08.2024 | 10:18 »
Wiiiiiieeee? Eat the Reich ist antifantisch? Verdammt, ich dachte, es ginge dem Titel nach darum, das Deutsche Reich zu verinnerlichen - aber so kann ich das den Kamerrraden von der Saarland-Sturmbrigade um die Ecke kaum anbieten. Mist.  ^-^

Klingt insgesamt nach genau meinem Humor, ob ich mir das kaufe, steht zwar angesichts meines abzuarbeitenden RPG-Stapels noch dahin, aber bei irgendwelchen Runden wäre ich dann doch mal dabei. Hint hint, ich will nächstes Jahr endlich mal wieder aufs Treffen, wenn ich schon das Versenken der TSS Hessenstein verpasst habe  :'(
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Into the valley of Death
    Rode the six hundred.

Offline Ninkasi

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #13 am: 20.08.2024 | 10:20 »
Danke für eure Einblicke in das Produkt. 8)

Offline Jiba

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #14 am: 20.08.2024 | 10:45 »
Dieses Spiel bekommt auch von mir das Prädikat "Arschgeil!"... und ich bin jemand hier im Forum, der eigentlich maximale Bauchschmerzen beim Thema Pulp-Nazis hat. Aber ich habe durch Hotzenplotzes Einführung am Wochenende halt klar gesehen, dass die Autoren nicht einfach Nazis reinwerfen, weil Nazis halt, sondern behutsame Setzungen vornehmen, die typische Fallstricke vermeiden. Dazu zähle ich u.a. die Ansage, die man im Spiel machen soll, dass alle Nazis in Paris grundsätzlich aus Überzeugung handeln und auch der antiklimatische Umgang mit Hitler am Ende... der sich vor Angst einscheißt und keinen dicken Showdownkampf oder Evil-Villain-Monolog kriegt oder sowas.

Das habe ich in anderen Spielen dieser Art schon anders erlebt – sei es "Pulp Cthulhu", das sich selbst beim Verbiegen zwischen Realhistorie und Nazi-Mythos-Archäologie das Rückgrat bricht (der Abschnitt zu Nazideutschland war fürchterlich tone deaf), oder "Hollow Earth Expedition", das zwar die Nazis noch stärker pulpifiziert, aber sich zu ihren Verbrechen dann doch irgendwie nicht verhalten will, oder gar das unsägliche "Scion: Companion" der ersten Edition, bei dem die Darstellung der nordischen-Götter-Nazis sogar noch in die Glorifizierung reinrutscht.

"Eat the Reich" macht das alles richtig: Die Autoren haben eine messerscharfe Vorstellung von Nazi-Pulp, der Spielfokus ist eingeschränkt genug, dass man auch nicht breiter werden muss, das Spiel versagt den Nazis sämtliche Ansatzpunkte zur Glorifizierung. Gut, zugegeben, vielleicht hatte ich auch einfach eine gute Gruppe und ich will es halt mögen, weil die Ästhetik so abgefahren ist.

Aber ich persönlich muss sagen, dass "Eat the Reich" die gelungenste Umsetzung dieses Themenbereichs im rollenspielerischen Kontext ist, die ich bisher kenne.
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Smoothie

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #15 am: 20.08.2024 | 12:05 »
Danke für deine Einschätzungen, Hotzenplot! Darf ich noch nachfragen, was genau dir an dem Havoc-System besonders gefällt? Und: Verstehe ich dich richtig, dass du das System künftig auch für andere Settings verwenden möchtest?

Wie habt ihr eingentlich die Stationen ausgewählt? Ich habe den Plan auf den Tisch gelegt und die Spieler:innen selbst wählen lassen, wo sie hinmöchten und wie sie ihren Weg zum Eiffelturm anlegen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es für das Pacing nicht besser wäre, ohne Plan zu spielen und stattdessen immer 2-3 Stationen zur Auswahl zu geben  :think:

Dieses Wochenende werde ich Eat The Reich übrgens nochmals spielen, diesmal mit einer erzählspielaffinen Gruppe. Ich bin schon gespannt, wie das läuft und ob sich meine Einschätzungen dadurch ändern  :)

Ich hatte es auch mit Karte gespielt. Dabei gehen halt viele coole Stationen verloren, wenn die SC den direkten Weg nehmen. Fände daher das mit den Optionen nett, dann kriegt man mehr mit vom Spiel. GGF. auch als Kombination, dass man die Karte verwendet, aber bestimmte Übergänge klar blockiert sind.
Vom Pacing her muss man sich halt vorher entscheiden, was man will. Ich bin inzwischen der Ansicht: Das geht als One-Shot, aber als Two Shot kann man es noch mehr genießen und ausspielen.
Inzwischen bin ich geneigt zu glauben, dass an der DnD Satanic Panic in den 80ern was dran war. Allein, es waren nicht die Inhalte. Es waren die Regeln, die aus der Hölle kommen...

Offline Hotzenplot

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #16 am: 20.08.2024 | 13:45 »
Danke für deine Einschätzungen, Hotzenplot! Darf ich noch nachfragen, was genau dir an dem Havoc-System besonders gefällt? Und: Verstehe ich dich richtig, dass du das System künftig auch für andere Settings verwenden möchtest?

Mir fällt zuerst der Clou ein, dass die letzte Equipmentnutzung mit einem Bonuswürfel belohnt wird (das hattest du ja auch schon in deiner Rezi erwähnt). Dadurch wird Loot einfach gerne verballert, statt zu horten. Insgesamt spielt sich das Spiel dynamisch. Kein langes Überlegen, klare Würfelzusammenstellungen und so weiter.
Ja, ich kann mir gut vorstellen, damit anderen actiongeladenen Kram zu spielen. Das mit dem letzten Equipmentverbrauch habe ich schon in einen octaNe-Hack eingebaut, den ich für ein storylastiges Aventurien benutze.
Außerdem unterstützt die Havoc-Engine das erzählerische Spiel. Würfeln - Detail hinzufügen - weiter würfeln. Man muss natürlich so ein bisschen aufpassen, dass die Spieler nur noch herumbullshitten, aber das kriegt man im Rahmen von Gruppenkonsens hin.

Wie habt ihr eingentlich die Stationen ausgewählt? Ich habe den Plan auf den Tisch gelegt und die Spieler:innen selbst wählen lassen, wo sie hinmöchten und wie sie ihren Weg zum Eiffelturm anlegen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es für das Pacing nicht besser wäre, ohne Plan zu spielen und stattdessen immer 2-3 Stationen zur Auswahl zu geben  :think:
Die Eingangsstation habe ich aus Sektor 3 wählen lassen, danach habe ich die da relativ strikt durchgerailroadet. ^^ Mit etwas mehr Zeit hätte ich es aber auch anders gemacht. Das Pacing muss sich vor allem aus dem ständigen Druck ergeben, finde ich. Eine lange Grübelei über der Karte und was man wohl als nächstes machen wolle, passt da nicht rein. Dennoch wäre eine kleine Auswahl fein. Man könnte sich verschiedene Hinweise überlegen (foreshadowing wird ja sowieso erwähnt) und dann können die Spieler*innen entscheiden, wohin sie wollen.

Dieses Wochenende werde ich Eat The Reich übrgens nochmals spielen, diesmal mit einer erzählspielaffinen Gruppe. Ich bin schon gespannt, wie das läuft und ob sich meine Einschätzungen dadurch ändern  :)

Cool, erzähl mal, wie es war.

auch der antiklimatische Umgang mit Hitler am Ende... der sich vor Angst einscheißt und keinen dicken Showdownkampf oder Evil-Villain-Monolog kriegt oder sowas.
Ja, das finde ich tatsächlich auch einen sehr schönen Trick.

Hint hint, ich will nächstes Jahr endlich mal wieder aufs Treffen, wenn ich schon das Versenken der TSS Hessenstein verpasst habe  :'(
Vor allem kommt man jetzt noch viel einfacher auf´s Treffen, was die Verkehrsanbindung angeht ;). Ich biete dir auf dem Treffen aber gerne eine Runde an, wenn du uns dafür mit deinem Erscheinen belangst.  8)

Ich bin inzwischen der Ansicht: Das geht als One-Shot, aber als Two Shot kann man es noch mehr genießen und ausspielen.
Ja, sehe ich auch so, oder zumindest ein längerer one-shot. Ich hatte beim ersten Mal ca. 5 und beim zweiten Mal ca. 4 Stunden maximal, das war schon knapp.
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Offline Prisma

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #17 am: 20.08.2024 | 22:21 »
Eine Frage: Ist Eat the Reich ein Rollenspiel, welches viele Abteuer ermöglicht, oder ist es ein einzelnes Abenteuer mit Regeln dazu?
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Offline Smoothie

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #18 am: 20.08.2024 | 23:51 »
es ist erst mal ein Abenteuer mit Regeln.
Man kann in der Welt und mit diesen Regeln aber sicher auch mehr spielen. Muss man sich dann aber selbst was ausdenken...
Aber aufgrund des etwas überdrehten voll-auf-die-Fresse-Modus vermutlich nichts für lange Kampagnen, das hält man nicht lange durch/ es nutzt sich ab.
Das Regelsystem eignet sich auch für andere actiongeladene Erzählspiele.
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Offline Jiba

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #19 am: 21.08.2024 | 07:05 »
Eine Frage: Ist Eat the Reich ein Rollenspiel, welches viele Abteuer ermöglicht, oder ist es ein einzelnes Abenteuer mit Regeln dazu?

Ein Abenteuer. Und für mich persönlich, der mit Nazi-Pulp Schwierigkeiten hat, ist das auch genau richtig. Sobald ich mehr als ein Abenteuer habe, muss ich Weltzusammenhänge erklären. Und sobald ich Weltzusammenhänge erkläre, kommt die Frage nach konkreten Naziverbrechen auf. Wie geht man in einem Spiel über Partisanen-Vampire und "Werewolf Women of the SS" mit Konzentrationslagern um? Es ist gut, dass "Eat the Reich" diese Frage nicht stellen muss.
« Letzte Änderung: 21.08.2024 | 20:00 von Jiba »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Hotzenplot

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #20 am: 21.08.2024 | 19:48 »
"Werewolf Women of the SS"
Kleiner Hinweis: Die Damen gibt es in der Vorlage nicht, die habe ich aus spontanem Wahnwitz eingebaut ^^

Edit: Allerdings empfehlen die Autoren tatsächlich, sowas wie den Holocaust nicht in das Spiel einzubauen.
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Offline Alexandro

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #21 am: 21.08.2024 | 21:35 »
Hatte ebenfalls das Vergnügen, einen One-Shot in dem System zu spielen. Die SL hat uns jeweils drei Stationen in jeder Zone für unsere "Route" zum Eifelturm aussuchen lassen, und ab ging die wilde Jagd. Das System ist minimalistisch genug, dass dies in knapp 3 Stunden schaffbar war, trotzdem gab es für Optimierer genug Möglichkeiten, durch kreative Ideen wie man eigentlich nicht zusammenpassende Eigenschaften narrativ doch unter einen Hut bekommt, und so die maximale Würfelzahl herausholt.

Es gibt 6 einzigartige Pregens, die alle großartig "gebaut" sind und meiner Meinung nach sehr gut das wiedergeben, wonach sie im ersten Eindruck aussehen.

Ich habe Chuck gespielt (den Serienmörder und Möchtegern-Cowboy). Von der Beschreibung hätte ich jetzt nicht erwartet, dass "Fix-It" bei diesem der höchste Skill wäre (war aber letztendlich nicht schlimm, weil ich auf diese Weise viele Umgebungsdetails im Kampf benutzen konnte).
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline Prisma

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #22 am: 21.08.2024 | 23:31 »
@Smoothie und @Jiba: Danke für die Info.
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Offline 8t88

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #23 am: 24.08.2024 | 10:14 »
Es nennt Wushu als eine seiner Inspirationen.
Ich hab schon lust das zu spielen/Leiten und das Buch ist echt hübsch
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Offline Katharina

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Re: [Ich erzähle von] Eat The Reich
« Antwort #24 am: 5.09.2024 | 17:59 »
Hier noch ein paar Eindrücke aus meiner 2. Runde Eat The Reich, diesmal mit passionierten Erzählrollenspieler:innen:

Generell war die Runde diesmal viel unterhaltsamer, da es viel mehr Input der Spieler:innen gab. Diese haben auch eher überlegt, was sie narrativ machen möchten und einen dazu passenden Würfelpool zusammengestellt, statt erst einmal den Pool zu optimieren und anschließend eine narrative Erklärung dafür zu suchen. Dadurch hatten sie zwar deutlich mehr Probleme bei den Kämpfen, diese waren jedoch abwechslungsreicher. Ich glaube, die Paint the Scene-Frage, die ich diesmal am Beginn jeder Szene gestellt habe, hat auch geholfen, dass die Spieler:innen ihre Erzählrechte stärker wahrgenommen haben und der Fokus mehr auf einer gemeinsamen Erzählung lag.

Die Spieler:innen waren diesmal auch beim Loot viel kreativer. Anstatt jeweils nur das Special Loot oder eine beliebige Waffe mitzunehmen, wollten sie u.a. einen Nazi-Offizier als Geisel und einen Passierschein mitnehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob das regeltechnisch wirklich so vorgesehen ist, da die Beispiele im Regelwerk allesamt Waffen oder Fahrzeuge betreffen. Ich habe es allerdings zugelassen, da ich die Idee super fand und gerade die Geisel hat die Geschichte dann auch sehr bereichert und neue Möglichkeiten zur Konfliktlösung eröffnet. Und nachdem die Regeln ohnehin vorgeben, wie wirksam Standard-Loot ist (3 Anwendungen, eine Bedinung für einen Bonuswürfel) ist es ja auch vom Balancing her völlig unproblematisch, unkonventionelles "Equipment" zuzulassen.

Ich habe außerdem gemerkt, wie wichtig es für das Spielgefühl ist, dass die Spieler:innen tatsächlich für jeden Erfolg ein Detail erzählen. Beim ersten Mal ist das teils unter den Tisch gefallen, diesmal habe ich mehr darauf geachtet. Ich habe es auch so gehandhabt, dass es nicht unbedingt Details in Zusammenhang mit der aktuellen Handlung sein müssen, da das sonst bei sehr vielen Erfolgen schnell repetitiv werden kann. So hat in meiner Runde z.B. ein Spieler einen Erfolg genutzt um festzulegen, dass Hitler heute Geburtstag hat. Was zunächst nur eine beliebige Idee war, da ihm zur aktuellen Szene gerade sonst nichts einfiel, hat dann das Finale maßgeblich beeinflusst, indem ich am Eiffelturm eine Geburtstagsparty stattfinden ließ.

Die Variante, statt der ganzen Karte immer nur 2-3 Orte zur Auswahl zu geben, hat gut funktioniert und das werde ich so beibehalten. Auch deshalb, weil das System selbst ja keine Tools zur Dramaturgie bereithält, man durch die eingeschränkte Auswahl aber ganz gut steuern kann, ab wann z.B. der erste Ubermensch auftauchen soll. Außerdem habe ich diesmal für jeden NPC und jeden Ort eine Karteikarte mit ein paar Stichworten und vorgemalten Kästchen zum Abstreichen der Schwierigkeitspunkte vorbereitet. Die Kämpfe waren damit zwar immer noch viel Buchhaltung, aber immerhin musste ich so während des Spiels deutlich weniger Kästchen malen.
Leitet derzeit: Symbaroum, Cthulhu und (unregelmäßig) Oneshots in Indie-Systemen
Spielt derzeit: Cthulhu, Monster of the Week, City of Mist und (unregelmäßig) Oneshots in Indie-Systemen