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Meaningful Choices

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haste nicht gesehen:
Ich stoße in Regelwerken und in YouTube-Videos zum Thema Spielleiten sehr häufig auf die Phrase "Meaningful Choices". Was eine bedeutungsvolle Entscheidung genau ist, bleiben sie aber schuldig. Jetzt könnte man sagen, ist doch klar, benutz halt Deinen gesunden Menschenverstand, aber irgendwie würde ich es schon gerne mal genauer wissen. Vor allem, wie das andere Spielleiter so sehen.

Um mal ein paar Beispiele zu nennen:

Justin Alexander ("The Alexandrian" und "So you want to be a Game Master") behauptet, dass das "Node-based scenario design" mit der "Three Clue Rule" eine Methode sei, Abenteuer mit bedeutungsvollen Entscheidungen zu entwerfen. Auch die Technik "Xandering the Dungeon" geht in diese Richtung. Hier habe ich den Eindruck, dass sich "meaningful choice" darauf bezieht, dass die Spieler entscheiden können, wohin sie als nächstes gehen, bzw. welchen Spuren sie als nächstes folgen.


Luke Hart ("The DM Lair") hat in mehreren seiner Videos darauf hingewiesen, dass ein Rollenspielabenteuer aus einer Aneinanderreihung von bedeutungsvollen Entscheidungen besteht. Beispielsweise sollten Szenen so eingeführt werden, dass das "framing" an einem Punkt endet, an dem die Spieler eine bedeutungsvolle Entscheidung treffen müssen (etwas vereinfacht).

Im Regelwerk The One Ring heißt es: "Once a session has started, the gameplay transitions
from one scene to another, with each scene describing a situation requiring the players to make meaningful decisions." Man bemerke den Plural. Es steht also nicht eine einzelne Entscheidung im Zentrum der Szene.

Die beiden letzten Beispiele sind für mich recht vage. Ist es eine bedeutungsvolle Entscheidung, wenn ich in einem Dungeon-Raum die linke, statt der rechten Türe wähle? Auch dann, wenn ich in beiden Fällen keine Ahnung habe, was mich dahinter erwartet?

Dann wäre da noch die Unterscheidung zu "Harten Entscheidungen". Gibt es einen? Vermutlich ja, aber wo zieht man die Grenze?

Dann bin ich noch über einen Blog-Post von Brice Morrison gestolpert. Hier ging es eigentlich um Spieldesign, trifft aber vielleicht auch auf Rollenspiele zu. Er sagt, dass  bedeutungsvolle Entscheidungen 4 Kriterien erfüllen müssen:


* Bewusstsein - Der Spieler muss sich einigermaßen bewusst sein, dass er eine Wahl trifft.
* Konsequenzen - Die Wahl muss Konsequenzen haben (im Gameplay und idealerweise auch ästhetisch)
* Erinnerungen - Der Spieler muss an seine Entscheidung erinnert werden, nachdem er sie getroffen hat.
* Dauerhaftigkeit - Der Spieler kann nicht zurückgehen und seine Entscheidung rückgängig machen, nachdem er die Konsequenzen erkundet hat.
Das wirkt auf mich schon eher bedeutungsvoll. Aber kann wirklich jede Szene so gestaltet werden? Oder anders herum gefragt, sind alle anderen Entscheidungen dann bedeutungslos?

nobody@home:
Zur letzten Frage zuerst: natürlich können Entscheidungen mehr oder weniger bedeutungsvoll sein. Sonst müßte man da ja erst gar nicht mit unterschiedlichen Etiketten hantieren. ;)

Was genau jetzt eine "bedeutungsvolle" Entscheidung darstellt und wieviele davon ein typisches Abenteuer eigentlich so "braucht"...puh, da müßte ich auch erst mal überlegen. Klar ist, daß es fürs Spiel keine große Bedeutung haben wird, ob mein Charakter sich heute für seine blauen oder seine braunen Socken entschieden hat, und auch die bloße Wahl zwischen verschiedenen Dungeontüren oder -gängen, von denen man nicht schon weiß, wohin sie führen, fühlt sich für mich erst mal nicht wirklich bedeutend an -- theoretisch könnte sie es sein, wenn sich die getroffene Wahl als unwiderruflich herausstellen sollte, aber in der Praxis, denke ich, geht man doch meist davon aus, daß man früher oder später auch die zweite Tür zumindest ausprobiert, also ist das generell bloß eine Frage der Reihenfolge und kein "richtiges" Entweder/Oder.

Irian:
Ich würde das für eine Spielstil-Frage halten. Wenn man einen reinen Dungeon-Crawl, wo der Action/Taktik-Faktor, das Lösen von Rätseln, Loot, etc. primäre Anreize sind, sind "meaningful choices" evtl. nicht so bedeutsam wie in einer stark charakter-driven Runde, in welcher schwierig ethische grau-grau Entscheidungen getroffen werden müssen.

Dementsprechend halte ich das evtl. bei "einfachen" Dungeon Runs für nicht sooo anwendbar wie bei anderen Szenarien. Klar, kann es in einem Dungeon auch geben ("Rette ich die unschuldigen Goblins vor den Orks oder verwende sie als Kanonenfutter"), aber wenn sowohl Orks als auch Goblins eh nur "Encounter" sind, die überwunden werden müssen, spielt das keine große Rolle: Sobald sie weg sind, ist man erfolgreich. Dementsprechend sollte die Frage evtl. erstmal lauten "Braucht das Szenario meaningful choices" und weniger "Wie kriegt ein Dungeon solche"?

Isegrim:

--- Zitat von: Irian am 29.04.2024 | 20:04 ---Action/Taktik-Faktor (...) Dementsprechend halte ich das evtl. bei "einfachen" Dungeon Runs für nicht sooo anwendbar wie bei anderen Szenarien.
--- Ende Zitat ---

Aber ohne solche Entscheidungen gibt es keine Taktik. Die verlangt ja geradezu nach den richtigen Entscheidungen, um zu funktionieren.

Maarzan:

--- Zitat von: nobody@home am 29.04.2024 | 19:54 ---...und auch die bloße Wahl zwischen verschiedenen Dungeontüren oder -gängen, von denen man nicht schon weiß, wohin sie führen, fühlt sich für mich erst mal nicht wirklich bedeutend an -- ...

--- Ende Zitat ---
Daher würde ich
"zumindest grobe Abschätzbarkeit der Folgen"
zu den notwendigen Kriterien hinzufügen.

Als weitere:
- nicht trivial. Wenn eine Entscheidung dermaßen richtiger ist, dass die Alternative quasi automatisch ausscheidet, dann war es auch keine echte Entscheidung.

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