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Meaningful Choices
Maarzan:
Ich denke Rollenspiel lebt "technisch" von eben auch technisch definierten "Meaningful Choices".
Was dann jemand unter diesen dann als interessante Entscheidungen ansieht, ist dann Geschmacks-/Stilfrage.
Swanosaurus:
--- Zitat von: haste nicht gesehen am 29.04.2024 | 19:39 ---
Aber kann wirklich jede Szene so gestaltet werden? Oder anders herum gefragt, sind alle anderen Entscheidungen dann bedeutungslos?
--- Ende Zitat ---
Ich glaube, die erste dieser beiden Fragen führt ein bisschen in die Irre (und die zweite würde ich sofort mit "Nein!" beantworten).
Wenn eine Szene bereits im Vorhinein um eine "Meaningful Choice" gestaltet wird (greifen wir NSC X an, oder verbünden wir uns mit ihm?), dann ist dabei ja bereits angelegt, Entscheidungen, die nicht ins Raster der vorgeplanten Entscheidung passen, möglichst zu entwerten.
Dazu kommt, dass die Frage, was eine "meaningful Choice" ist, oft extrem charakterabhängig sein kann. Wenn ein Paladin sich entschließt, seinen eigenen Orden zu bestehlen, dann dürfte das für ihn persönlich wie auch sonst deutlich schärfere Konsequenzen für ihn haben als für einen Dieb, der denselben Orden bestiehlt. Das lässt sich überhaupt nur sehr begrenzt im Abenteuer anlegen.
Die Aufgabe guten Abenteuermaterials ist es eher, so konsistent, übersichtlich und informationsreich zu sein, dass die Spielleitung gerade mit unerwarteten "Meaningful Choices" leicht fertig wird.
nobody@home:
Ich denke, eine ziemlich offensichtliche Kategorie von Kandidaten für "bedeutungsvolle" Entscheidungen sind Verzichtsfragen. Also das Grundmuster "Es gibt zwei oder mehr Dinge, die mir alle wirklich wichtig sind, die ich aber nicht (gerne auch mal 'nicht mehr') alle haben kann -- was davon gebe ich auf?". Dabei muß es nicht zwingend um materiellen Besitz gehen, sondern kann sich auch um Abstrakta wie Ziele oder Prinzipien handeln: wenn ich beispielsweise gegen einen gemeinsamen Feind auch beim besten Willen nur eine von zwei in etwa gleich starken Fraktionen, die sich gegenseitig ebenfalls nicht grün sind, als Verbündete gewinnen kann, wen nehme ich dann und mit wessen dadurch eventuell neu erworbener Feindschaft kann ich für den potentiellen Rest meines Lebens eher klarkommen?
Ich vermute stark, daß es noch andere Kategorien gibt, aber die fällt mir als erste ein und deckt in sich schon eine ganze Reihe von möglichen Szenarien ab.
YY:
--- Zitat von: Isegrim am 29.04.2024 | 20:14 ---Aber ohne solche Entscheidungen gibt es keine Taktik. Die verlangt ja geradezu nach den richtigen Entscheidungen, um zu funktionieren.
--- Ende Zitat ---
Da kommt etwas ins Spiel, das mir bei den obigen vier Faktoren fehlt: Information/(Teil-)Transparenz.
Sprich, der Spieler braucht zumindest einen groben Überblick, wohin welche Entscheidung jeweils führt. Es braucht nicht immer alle Informationen (tatsächlich kann das Sammeln solcher Informationen bereits relevanter Spielinhalt sein), aber es ist andersrum schnell entschieden unspaßig, wenn man Entscheidungen ohne nennenswerte Informationen treffen muss und dann auch noch an diese umständehalber beliebige und mangelbehaftete Entscheidung erinnert wird.
haste nicht gesehen:
Vielen Dank für die vielen konstruktiven Beiträge. :D
Je länger ich darüber nachdenke, desto wichtiger wird für mich die Abgrenzung der bedeutungsvollen Entscheidung von harten Entscheidungen und den moralischen Dilemmata. Ich glaube, dass harten Entscheidungen und moralische Dilemmata eine Untermenge von bedeutungsvollen Entscheidungen sind.
Der nächste Punkt ist für mich die praktikable Anwendung einer Begriffsdefinition. Ich glaube, dass moralische Maßstäbe hier nicht weiter führen.
Könnte eine Bedeutungsvolle Entscheidung nicht auch sehr viel simpler betrachtet werden? Ist eine Entscheidung, die das Spiel in eine bestimmte Richtung lenkt, nicht bereits bedeutungsvoll? Außerdem denke ich, dass die Spieler-Autonomie eine wichtige Rolle spielt. Ohne Autonomie keine Entscheidung. Es geht also darum, dass der Spieler (oder auch die Gruppe von Spielern gemeinsam) eine Wahl hat und diese selbständig trifft.
Der Grad der Informiertheit scheint mir auch eine Rolle zu spielen. Allerdings glaube ich auch, dass eine vollständige Transparenz weder erforderlich, noch gewünscht ist.
Von daher hier meine Meckervorlage für eine Begriffsdefinition.
Bedeutungsvolle Entscheidung
Eine bedeutungsvolle Entscheidung im Rollenspiel ist eine Wahl, die Spieler autonom treffen und die direkt den Verlauf sowie das Ergebnis des Spiels beeinflusst. Bedeutungsvolle Entscheidungen führen zu neuen Handlungsebenen, verursachen signifikante Veränderungen in der Spielwelt oder eröffnen neue Optionen für die Spieler. Der Grad der Informiertheit bestimmt, wie weit die Spieler die Bedeutung ihrer Wahl verstehen und die möglichen unmittelbaren Auswirkungen abschätzen können. Vollständige Transparenz ist nicht erforderlich, jedoch führt eine zunehmende Transparenz zu einer erhöhten strategischen Tiefe des Spiels und stärkt damit auch die Autonomie der Spieler.
Hier noch der Versuch dies an praktischen Beispielen zu prüfen.
Situation 1:
Die Spielercharaktere (SC) möchten in eine Burg gelangen. Vor dem Tor stehen Wachen, die den Zugang versperren.
In dieser Situation entscheiden die Spielercharaktere (SC), wie sie an den Wachen vorbeikommen, um in die Burg zu gelangen. Die Entscheidung bestimmt direkt den Verlauf des Spiels und führt zu neuen Möglichkeiten, da die Vorgehensweise (Überreden, Bekämpfen, Überlisten usw.) darüber entscheidet, ob sie Zugang zur Burg erhalten und wie sich die Beziehung zu den NSCs entwickelt.
Die Spieler haben genügend Informationen über das Hindernis und können basierend auf ihren Fähigkeiten und der Situation eine informierte Wahl treffen.
Situation 2:
Die SC befinden sich in einem Dungeon-Raum, offenbar das Labor des Bösewichts. In dem Raum befinden sich viele Alchemistische Gerätschaften und Materialien, sowie Schriftstücke und vieles mehr. Der Spielleiter hat in diesem Raum einige Hinweise versteckt. Diese müssen aber durch die SC erst gefunden werden.
In dieser Situation befinden sich die SC in einem Raum voller potenziell wichtiger Gegenstände und Informationen. Ihre Entscheidung, was sie untersuchen (oder auch nicht), kann entscheidend dafür sein, welche Hinweise sie finden und wie diese den weiteren Verlauf des Abenteuers beeinflussen. Die unmittelbaren Auswirkungen sind nicht offensichtlich, aber entdeckte Hinweise eröffnen neue Optionen oder verändern die Pläne der SCs.
Situation 3:
Die SC betreten das Wartezimmer des Fürsten. In der Mitte des Raumes liegt der Fürst in einer Blutlache, über ihn gebeugt eine Frau mit einem blutigen Dolch in der Hand. Als die SCs hereinkommen schreckt sie auf.
Die SC sehen die Situation, aber die genauen Hintergründe und Motive sind unklar.
Die Entscheidung, wie sie reagieren, ob sie die Frau konfrontieren, Hilfe suchen oder eine andere Aktion wählen, verändert direkt das Ergebnis und die weiteren Ereignisse im Spiel.
Situation 4:
Die SCs haben vor einen geheimen Prototypen aus den Laboren eines Megakonzerns für die Konkurrenz zu stehlen. Es ist ihnen gelungen die Gebäude- und Wachpläne zu besorgen. Sie haben nun die Möglichkeit verschiedene Zugangsarten und Wege durch das Gebäude auszuarbeiten.
Die Planung und Durchführung des Diebstahls erfordert strategische Entscheidungen von den SC. Ihre Wahl des Zugangsweges und der Methoden beeinflusst direkt, wie erfolgreich der Diebstahl durchgeführt wird und welche Konsequenzen dies für sie hat.
Für mich persönlich funktioniert die Definition. Ich bin mir sicher hier Gegenwind zu bekommen. Also schießt los ;D
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