Autor Thema: Alte Kampagne nach 20 Jahren fortführen. Denkanstöße gesucht/Erfahrungsbericht  (Gelesen 1906 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Namo

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 124
  • Username: Namo
Danke dir. Und wirklich aufgewärmt ist die ja nicht. Die alte Kampagne bildet so etwas wie den geheimen Hintergrund für die gesamte jetzige Kampagne. Bin da schon relativ weit Zeds Idee gefolgt. Ursprünglich dachte ich ja dass das eine kleine Übergangskampagne werden würde, aber wenn alles läuft und wir weiter Spass haben, geht das mindestens 2 Jahre. Von daher ist das schon wie eine neue Kampagne.

Was ich mir vorstelle fürs Ende läuft aber schon. Gestern hat mir einer der Spieler noch geschrieben wieviel Spass er mit seinem Charakter jetzt schon nach einem Abend hat. Ziel ist, dass alle eben auch in ihre neuen Charaktere vernarrt sind und am Ende gegebenenfalls die schwere Entscheidung treffen müssen welcher Charakter am Ende lebt. Der alte oder der neue. Stelle ich mir recht fies und mit ziemlich viel impact vor.

Aber das ist nur der weitläufige Grundplan gegen Ende. Jetzt geht es erst mal weiter um den Spass und schauen was noch so kommt und wie es läuft. Da das Feedback aber insgesamt sehr positiv ist, bin ich das auch. Stecke aber auch täglich auf dem Arbeitsweg oder beim laufen in meiner neuen alten Rollenspielbubble.

Von daher nur mal zu deiner Erfahrung gefragt - was ist denn genau schief gegangen? Gibt es da Tips wie wir das verhindern können oder auf was achten sollten?
« Letzte Änderung: 16.05.2024 | 08:06 von Namo »
spielt: mit den Gedanken

Offline Namo

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 124
  • Username: Namo
Und so schnell sind 2 Monate vorüber. Unsere vor einem Monate geplanter 2. Abend ist im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallen, da wir alle mehr oder weniger vom Unwetter bzw. dem Starkregen betroffen waren der genau an dem Tag runter ging. Daher ging es dann erst am letzten Freitag weiter. Da zeigt sich dann auch schon wirklich eins der Kernprobleme - wir werden nicht allzu oft spielen, von daher müssen schon gewisse Anpassungen vorgenommen werden.

Am zweiten Abend sollte dann das Einführungsabenteuer zu Ende gespielt werden, das so zu sagen die Basis für die Grundhandlung der Kampagne legt und den Spielern auch zeigt worum es gehen wird. Überraschung sollte dann am Ende die Offenbarung durch den BBEG auf der Metaebene sein, dass sie eigentlich 100 Jahre in der Zukunft der alten Kampagne auf einem fernen Kontinent spielen den ihre alten Charaktere damals von den Arakniden, bösen Spinnenwesen und Nachkommen Ungoliants, befreit hatten.

Nach den Eindrücken des ersten Abends war ich soweit klar was die NSC anging und die Handlung. Die Regeln habe ich mir zur Sicherheit auch nochmal durchgelesen und soweit drauf. Nicht alles flüssig, aber so dass wir spielen können. Das hat soweit auch alles gut funktioniert.

Nachdem am ersten Abend zunächst augenscheinlich ein simpler Karawanenüberfall zu dem Tod eines Priesters geführt hatte, so würde nun klar werden, dass jemand es bewusst auf die Priesterschaft abgesehen hat und die Zeit läuft den Täter zu finden bevor die übrigen Priester Ziel von Attentaten werden würden. Aufgrund des großen Abstands der Spieleabende aber auch dadurch, dass ich die Grundhandlung schon im Kopf hatte, war die Vorbereitung kein Problem. Bei jedem Lauf sind mir noch weitere Dinge dazu eingefallen. Sogar am Nachmittagslauf vor dem Spieleabend. Das heißt unser großer Abstand zwischen den Runden nimmt dieser Problem relativ vom Tisch. Wobei wir das nächste Mal jetzt wieder in genau vier Wochen spielen wollen und ich eigentlich noch überhaupt nichts an Abenteuer haben. Mal sehen wie ich das hinbekommen werde. Nach den Eindrücken vom zweiten Abend möchte ich eigentlich etwas ganz anderes probieren. Dazu nachfolgend mehr.

Nach dem ersten Abend hatte ich das Gefühl, dass die Kampfszenen viel zu lange waren bzw. Kämpfe an sich viel kostbare Rollenspielzeit kosten würden, so dass ich diese Erkenntnis in den zweiten Abend einfließen lassen wollte. Insofern waren auch für diesen Abend eigentlich nur zwei bzw. drei Kampfszenen eingeplant, wobei eine davon eigentlich der große Finalkampf war, den ich sogar auch auf einer Battlemap austragen wollte, da wir dies am ersten Abend provisorisch auf einem Blatt Papier gemacht haben und ich den Eindruck hatte, dass alle großen Spaß daran hatten. Tatsächlich kam es dazu dann aber nicht, da doch manches etwas anders lief wie erwartet. Stellenweise hat mich das in meinem Perfektionismus auch etwas gestört. Dazu gleich mehr.

Grob waren folgende, wesentliche Szenen geplant:
-Ankunft in der Zielstadt,
-Talk mit den Priestern und Übergabe des Leichnams des ermordeten Priesters,
-Party aufs Leben des Verstorbenen in dessen Lieblingstaverne zusammen mit dessen Bruder der ebenfalls zur Priesterschaft gehört und sich das so im Namen seines Bruders gewünscht hat.
- Überraschende Ermordung des zweiten Priesters auf eben jener Party
- Gegebenenfalls Attentat auf den dritten Priester
- Suche nach der Diebesgilde die offenbar hinter den Morden steckt
- Erkenntnis dass dem nicht so ist, sondern ein paar Renegaten die Gilde verlassen haben und dafür verantwortlich sind
- Finale Konfrontation, verbunden mit dem oben benannten Reveal des Kampagnenhintergrunds

Vorher hatte ich tatsächlich Sorge ob das alles etwas zu railroadig sein könnte. Aber tatsächlich kam das Gefühl doch eher nicht auf, da die Spieler durch ihre Handlungen sowieso die Szenenfolge und was so passiert ist etwas auf den Kopf gestellt haben. Und wiedermal waren das auch die Momente die mir mit am meisten Spaß gemacht haben, denen ich mich aber hingeben musste. Ich bin ja noch etwas unflexibel im Kopf was das angeht, deswegen bereite ich gerne viel vor. Sie haben mich also etwas ins Schwitzen gebracht, aber so entstehen ja gut Geschichten und Spaß für alle. Das bedeutet ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass es sich für die Spieler gelenkt anfühlt, worüber ich recht froh bin.

Letzten Endes führte alles dazu, dass die große Offenbarung eher in der Mitte des Abenteuers durch ein Gespräch mit dem Hohepriester des Stadt kam. Da musste ich kurz mit mir kämpfen, aber es wäre unlogisch gewesen das Thema bei dieser Gelegenheit nicht auszuführen. Und das war dann auch ein echter Gänsehautmoment. Tatsächlich auch für mich, ich habe gespürt wie es mich hierbei kurz durchlaufen hat. Auch die Augen der Spieler haben Bände gesprochen als sie verstanden haben wo sie sich befinden. Bisher war das ja eher eine generische Welt für sie. Das war ein toller Moment der dadurch auch die typische Szene vermieden hat, dass der Endboss erstmal seine Pläne darlegt, damit die Spieler checken was Thema ist. Und auch die Spieler sind im Dialog ganz gut auf die Sache eingestiegen.

Aber Thema Dialoge: Das war für mich persönlich der Schwachpunkt des Abends, wo ich schauen muss wie ich das besser mache in solchen Situationen. Es kamen viele NSC vor, die in der Gesamtthematik nicht drin waren und sich immer haben erklären lassen was genau passiert ist. Das fühlte sich sehr redundant an. Umgekehrt fand ich das super, dass die Spieler nach 20 Jahren schon so im Rollenspielen drin waren und Gespräche als ihre Charaktere geführt haben, so dass ich das auch umgekehrt nicht abkürzen wollte nach dem Motto "Ihr erzählt alles und er ist im Bilde, jetzt startet der weitere Dialog". Vielleicht war das aber auch mein Eindruck, da letztlich 90% des Abends eigentlich aus Dialog und Rollenspiel bestanden hat. Und das war eigentlich schon etwas anders geplant.

Eigentlich sollte eine kleiner, kurzer Dungeoncrawl mit eben zwei kurzen Kämpfen stattfinden. Den haben die Spieler durch ihre Handlungen aber geschickt umgangen. Dadurch dass sie das Attentat auf den dritten Priester erahnt hatten und noch direkt nach dem zweiten Mord zu diesem geeilt sind, konnten sie diesen verhindern und durch massives Würfelglück einen der drei Hauptgegner des Endkampfes erledigen. Dazu haben sie sich dann mit der Diebesgilde mehr oder minder verbündet was vielleicht für den Paladin des Gruppe etwas out of charakter war, aber zu den beiden anderen gepasst hat. Das Ende vom Lied war dann, dass die Charaktere zusammen mit 5 Männern und Frauen der Diebesgilde am Endkampfziel aufgelaufen sind. Dort haben sie vorab den Späher überraschen und ausschalten können, so dass es am Ende nur noch den BBEG und einen Renegaten gab. Gegen 9 Gegner  >;D Der BBEG hat sich dann wie geplant als Araknidin offenbart, womit klar war was sie inplay schon befürchtet hatten. Die Arakniden sind nicht ausgerottet und planen ihre Rückkehr. Aufgrund der Überzahl der Gegner ist sie aber geflüchtet. Mit dem letzten Gegner wurde kurzer Prozess gemacht, da ich da jetzt auch nicht Lust hatte einen Kampf aus zu spielen. Also hat sie sich ergeben, wurde aber von ihren früheren Freunden direkt ermeuchelt wegen des begangenen Verrates.

Und da waren wieder 6-7 Stunden vorüber und wir waren alle geschafft. Das habe ich die letzte Stunde auch bei mir gespürt, so dass ich manche NSC nicht mehr intensiv ausspielen konnte. Umgekehrt wollte ich dann aber auch das Abenteuer an dem Tag beenden, da eben abzusehen war, dass es nicht mehr lange dauern wird. Einen kleinen Cliffhanger habe ich dann noch aufgrund der Backgroundstory eines der Spieler eingebaut.

So bin ich tatsächlich ein klein wenig unzufrieden heimgefahren, da es gefühlt nicht "perfekt" war. Es hatte seine Momente und Spaß gemacht, aber durch die Entwicklung des Abenteuers hätten wir gefühlt auch überhaupt keine Charakterblätter gebraucht. Klar ein paar Mal wurde schon gewürfelt bei den sehr kurzen Kämpfen oder ob mal ein Zauber funktioniert. Und umgekehrt war der Magierspieler an dem Abend sehr präsent so dass gerade der Waldläuferspieler eigentlich nicht so seine Spots bekam. Außer eben beim Cliffhanger am Ende. Der Paladinspieler hat aufgrund der Handlung auch seine Zeit und speziellen Dialoge gehabt. Aber insgesamt hat mir da die Gewichtung nicht so gefallen. Auch etwas an dem ich fürs nächste Mal arbeiten möchte.

Und da sind wir wieder am Thema Eigenwahrnehmung und objektive Wahrnehmung. Ich hatte eigentlich aufgrund der Müdigkeit der Spieler das Gefühl denen hätte es jetzt nicht so gefallen. Es wurde ja auch zwischendurch mal gegähnt. Dann kam am Folgetag die Überraschung für mich: das Feedback war aber komischerweise ein ganz anderes. Es hat scheinbar dann doch allen großen Spaß gemacht und auch die lange Spielzeit fand niemand schlimm. Ich bin nun wirklich verwirrt. Aber wir sind ja wie man hier lesen kann alle auf einer Reise hin zu alter Routine und der Weg dahin soll Spaß machen und das ist bisher gelungen.

Mein Problem für den nächsten Abend: Da alles recht handlungsschwer an den ersten beiden Abenden war, wären jetzt eigentlich noch Szenen wie z.B. die tatsächliche Beerdigung der beiden Priester und ein zwei andere Szenen in der Stadt aus zu spielen bevor es in die Hauptstadt geht um die Kirchenführung über die Entdeckung der Arakniden zu informieren. Und eigentlich möchte ich am dritten Abend dann eher etwas gegenteiliges ausprobieren und ein "Nebenabenteuer/Szene" spielen in der klassisch mehr gekämpft wird und vielleicht auch ein kleiner Dungeon vorkommt um hier mal klassisches, altes Rollenspiel aus den 90er wiederaufleben zu lassen um zu sehen wie die Spieler hierauf reagieren. Eine richtige Idee habe ich dazu noch nicht, befürchte aber, dass wir sowieso erstmal wieder zwei Stunden mir viel ingame Gerede verbringen.

Tatsächlich ist es auch ziemlich spannend gerade. Ich habe mich ja die letzten Monate auch viel mit Rollenspieltheorien etc. befasst und worüber man im Wesentlichen meistens stolpert ist das Thema Railroading. Da bekommt man fast schon ein schlechtes Gewissen wenn man viel mit Story abreist. Gerade bei den ersten Abenteuern hatte ich das Gefühl, dass das in der neuen Rollenspielwelt so eigentlich überhaupt nicht geht. Aber das habe ich offensichtlich zu überspitzt gesehen. Die Spieler haben die Handlung sehr gemocht und sind auch auf etwaig angebotene andere Handlungsmöglichkeiten eher wenig eingegangen. Vor allem auch wenn es sich vielleicht mit ihrem Background gekreuzt hat, so sind sie lieber stoisch dem Haupthandlungsstrang gefolgt. Ich denke daher, dass das Thema railroading bei uns überhaupt keins sein wird. Die Spieler mögen meine Art und innerhalb der Abenteuer haben sie offensichtlich genug Handlungsmöglichkeiten um sich auszuleben und mich zu überraschen. Wenn dann mal so Szenen sind wie die beiden Morde gegen die sie eben dann nichts machen konnten, weil sie überraschend kamen, so werden diese als notwendige Handlung des Abenteuers begriffen und haben entsprechend auch eine Wirkung auf die Spieler gehabt.

Zum Abschluss noch etwas, was auch sehr gut funktioniert hat und ich zum ersten Mal ausprobiert habe: individuelle Musik. Am ersten Abend haben wir eher typische Fantasymusik im Hintergrund laufen lassen. Nun habe ich eine Playlist speziell eingerichtet. Idee ist allem ein Theme zu geben. Zur Eröffnung jedes Abends gibt es ein Recap bei dem "Rainbow in the Dark" von Dio läuft. Dio soll dann auch so etwas wie die Musik der Kirche werden. An der ersten Rast als auch ein Barde dabei war, habe ich eine Akustik Version von einem Virgin Steele Song gespielt. Virgin Steele war so etwas wie die Musik der alten Kampagne die bei allen von uns wohlige Gefühle auslöst. Als sie den Accousticsong erkannt haben war das auch cool. Die Arakniden bekommen als Theme Samael Musik vom Passage Album. Dazu Kneipenmusik von Saltatio Mortis. Mal sehen wie weit ich sie in den nächsten Abend musikalisch auf die Kampagne prägen kann.

Es macht also noch immer Spaß viel auszuprobieren und ich selbst bin auch noch immer weit entfernt was SL Routine angeht. Das betrifft allerdings eher die harten Regelsachen. Routine was Magieanwendung der NSC angeht etc habe ich noch nicht und muss da theoretisch viel nachblättern. Wenn das kommt, werde ich mir zuhause lieber Routinen der NSC vorab ansehen und überlegen damit es im Kampf dann nicht stottert. Alles andere läuft aber überraschend gut vom Gefühl her. Hätte ich so nicht erwartet.

Sorry für die wall of text - aber es sind viele Gedanken die ich im Kopf habe und versuche zu sortieren. Plan war ja drei Abende zu spielen und dann mit allen mal ein Fazit zu ziehen. Nach 2 von 3 Abenden würde ich die Aktion als Erfolg und nicht nur fixe Idee sehen. Wir sind alle 4 wieder Rollenspieler wenn ich das so sagen darf. Am Ende fehlt bei gewissen Sachen einfach noch etwas die Routine. Manchmal muss ich mir auch angewöhnen den Spielern noch mehr unter den Arm zu greifen bzw. an Möglichkeiten zu erinnern die sie haben. Da sie sich ja nicht so mit dem System auseinander gesetzt haben wie ich, sind ihnen nicht immer alle Möglichkeiten oder Konsequenzen bewusst.

Was mir hilft ist direkt nach dem Abend ein Positiv und Negativ Liste zu schreiben wie es gelaufen ist um fürs nächste Abenteuer daraus weiter für mich zu reflektieren. Vermutlich gehe ich die Sache auch zu verkopft an. Oder nein - ganz klar mache ich das  >;D Die Kernaufgabe bei allem ist am Ende dieses ganzen Textes und nach 2 Abenden für mich: Einfach herausfinden worauf jeder Spieler so steht bzw. womit ich ihn triggern kann und in die Richtung dann die Abenteuer ausarbeiten. Dazu das Zeitmanagement (Spielzeit und Zusammensetzung/Anzahl von Dialog- und "Action"szenen) optimieren.
« Letzte Änderung: 30.06.2024 | 18:27 von Namo »
spielt: mit den Gedanken