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Lyrik für Kostverächter und Literatur in der Schule
felixs:
--- Zitat von: Niniane am 28.06.2024 | 17:00 ---"Die Leiden des jungen Werther" habe ich gehasst und tue es noch. Ehrlich, was sollen junge Menschen aus einem Buch lernen, das zum Zeitpunkt seines Erscheinens Leute dazu gebracht hat, es dem Titelhelden gleich zu tun?
--- Ende Zitat ---
Ob man das Buch als eine Aufforderung zum Suizid lesen soll, bezweifle ich. Die Thematisierung dieses Themas finde ich gut und die Empathie für selbsttötende Menschen finde ich auch wichtig - man kann auch historisch aufarbeiten, das und warum das zu Goethes Zeiten so ein Skandal war.
Möglicherweise die Sublimation des (wie ich meine sehr nachvollziehbaren) eigenen Leidens an der Welt? Es kann doch tröstlich sein, zu erfahren, dass es auch anderen Menschen ähnlich ging and geht.
Abgesehen davon ist es ohnehin sehr fraglich, ob und was man aus Literatur lernen kann und soll. Schwieriges Thema.
(Ich mag das Buch übrigens auch nicht besonders).
--- Zitat von: Chaos am 28.06.2024 | 16:03 ---Für mich (und ich glaube, auch für die Mehrheit meiner Mitschüler damals) hatte Literatur im Deutschunterricht aber immer zwei grundlegende Fehler:
Erstens haben es die Lehrer fast jedes Mal geschafft, die für Schüler der jeweiligen Altersgruppe langweiligste Art zu finden, ein bestimmtes Werk zu präsentieren.
Und zweitens kam fast immer der Grundtenor: "Das hier ist ein Meisterwerk. Bist du anderer Meinung, dann hast du es nicht kapiert, und bekommst entsprechend eine schlechte Note."
--- Ende Zitat ---
Ja, das ist ein Problem. Man kann vermutlich aus fast jedem Text etwas interessantes ziehen oder auch eine Hölle der Langeweile daraus machen. Wahrscheinlich sind die wichtigsten Eigenschaft von Lehrern Charisma und Integrität (zumindest nach außen). Also ein Vorbild zu geben, dass man Dinge lernen und leben kann.
Feuersänger:
Mit Abstand am bescheuertsten fand ich Emilia Galotti, aus ähnlichen Gründen wie Niniane den Werther. Weil halt diese Befindlichkeiten von vor über 200 Jahren heutzutage so überhaupt nicht mehr nachvollziehbar sind. Gah!
Glücklicherweise gab es bei der zu schreibenden Klausur ein Alternativthema, sonst hätte ich da voll vergeigt.
Darius der Duellant:
Das bescheuertste war irgend ein moderner Roman über einen als schwarzen wiedergeborenen Hermes (weil er irgendwie aus der Asche hüpft und darum seine Haut nun Dunkel ist) der auf ich glaube nem Kreuzfahrtschiff mit der Protagonistin anbandelt.
In der Klausur durfte man dann die Sexszene zwischen den beiden "analysieren".
War unironisch die größte Scheiße die mir in 9 Jahren Gymnasium je vorgesetzt wurde. Kann mich auch an den Namen des Werkes nicht mehr erinnern, ist aber eventuell besser so.
Azaghal:
Lyrik: Heinrich Heine - hands down!
Die Wucht von "Die schlesischen Weber" geht einem heute noch unter die Haut. Nix mit Befindlichkeiten.
Persönlich mag ich seine sarkastisch-satirischen Sachen noch lieber. Sehr unterhaltsam, politisch und schön böse...
Gruß
Azaghal
Oberkampf:
Boah, an alles erinnere ich mich nicht, aber ein paar Sachen fand ich ganz gut, weil mein Deutschlehrer die Lektüre in einen zeithistorischen, politischen und philosophischen Zusammenhang gestellt hat. Leider hat sich daraus für mich ergeben, dass ich lieber keine Unterhaltungsliteratur lese, sondern die Sachbücher.
Unter- und Mittelstufe habe ich überwiegend verdrängt. Schillers Wilhelm Tell, Das Feuerschiff von Lenz, noch irgendwas mit dem 30jährigen Krieg (völliger Unsinn, wenn du den nicht vorher intensiv in Geschichte durchkaust) was mit irgendwelchen Räubern und sowas mit einem Ritter mit Handprothese (völlig konfus ohne Kenntnis der Frühen Neuzeit).
An den "Leiden des jungen Werther" habe ich sehr gelitten. Das wurde, wie gesagt, erträglich, als es in die Philosophie Rousseaus eingeordnet wurde, aber da wäre ein Philokurs wirklich angenehmer gewesen. "Iphigenie" haben wir, soweit ich mich erinnern kann, auch gelesen, aber da ist meine Erinnerung dunkel. Irgendwas mit Geschwistern begraben, obwohl es verboten ist, und der Theorie, dass im Drama eigentlich die Wahl zwischen Skylla und Charybdis besteht. You lose anyway.
Aufklärung hatten wir auch Lessing, "Nathan der Weise". Kein schlechtes Theaterstück. Leider das gleiche Problem, Philokurs Aufklärung zu Toleranz und Theodizee wäre besser gewesen.
Romantik... da war doch was mit Marmorstatuen und heidnischen Göttinnen... Eichendorff... Außerdem großes Kino, der Sandmann von E.T.A. Hoffmann. In Englischhaben wir übrigens das Rabengedicht von Poe gelesen. E. T.A. Hoffmann und Poe habe ich dann auch privat ein bisschen geschmökert. (Edit: Dunkle Erinnerungen an das "Fräulein von Scuderu", was ich bestimmt nicht richtig geschrieben habe.)
Romantische Gedichte und deren Kritik/Ironisierung haben wir dann bei Heinrich Heine gelesen, ein Fräulein stand am Meere usw. Spitzenautor! Habe als Referat "Deutschland - ein Wintermärchen" vorgestellt.
Dann kam, glaube ich, poetischer Realismus. Laaaangweilig. Ging um irgendeinen Typen, heute würden wir Cuckold sagen, dessen Frau ihn mit einem Offizier betrügt. Fontane, glaube ich. Wenn ich das richtig im Kopf habe, hat der prima Gedichte geschrieben, aber mäßige Novellen.
Weniger poetischer Realismus war da schon cooler: Büchner. Mit "Woyzeck" hatte ich am Anfang Probleme, der "Hessische Landbote" war cool, "Leonce und Lena" privat gelesen, aber keine Erinnerungen mehr. Da fehlte mir eben der Deutschlehrer, der das zeithistorisch einordnet.
Dann Naturalismus, Hauptmann, Bahnwärter Thiel (Edit: Kann auch sein, dass das "Vor Sonnenaufgang" hieß und Bahnwärter Thiel vom Parallelkurs gelesen wurde). Schande, dass der Mann (also Hauptmann) später mit den Nazis gekungelt hat. Noch was von Arno Holz privat gelesen, "Sozialaristokraten" (not sure?).
Das wars zum 19. Jahrhundert, glaube ich. In Englisch haben wir zum 19. noch "Das Bildnis des Dorian Gray" gelesen.
Zwanzigstes Jahrhundert fing an mit einem Theaterstück, "Gas", weiß nicht mehr von wem. In Englisch dazu Gedicht von Winfried Owen, Dulce et Decorum. Beides gut, Buch über den Ersten Weltkrieg wäre trotzdem besser gewesen.
Verschiedene Gedichte, teilweise spätes Kaiserreich, teilweise Weimarer Republik. In Erinnerung geblieben sind "Der Gott der Stadt", "Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen", etwas mit einem übergewichtigen Toten und einer Blume, "Kleine Aster" (Benn?)? "Der Panther", musste bestimmt jeder und jede durch. Genau wie Kafka, "Die Verwandlung", musste bestimmt auch jeder und jede durch. Hilfreich zum Verständnis von Death on the Reik, habe ich im Hinterkopf...
Lehrer war großer Thomas-Mann-Fan, darum haben wir "Tod in Venedig" und "Dr. Faustus" gelesen. Letzteres habe ich nicht ganz fertig gelesen (und ich glaube 75% meines Kurses auch nicht). Erträglicher wurde es, weil in der Besprechung (wahrscheinlich auszugsweise, Erinnerung dunkel) die Schriften von Thomas Mann im Ersten Weltkrieg (Betrachtungen eines Unpolitischen) und seine Radioreden an die Deutschen im Exil gelesen wurden. Das war spannend. Ansonsten habe ich persönlich bis heute kein übermäßiges Interesse an Nietzsche, also ging die Apollonisch-Dionysische Konfliktsituation weit an mir vorüber. Hilft aber bei Percy Jackson.
Nachkriegszeit von Hochhut "Der Stellvertreter". Was Gedichte angeht natürlich die "Todesfuge" von Celan und "Ins Lesebuch der Oberstufe" von ? - weiß nicht auswendig. DDR-Literatur war irgendwas mit "Asche", "Himmelsasche"?, von Monika Maron (?), jedenfalls über Kohlekraftwerke und Luftverschmutzung. Und dann mussten wir noch was Brandaktuelles (für damals) von Walzer lesen, aber das habe ich verdrängt.
In Englisch noch "Streetcar named Desire" und "Brave New World" in Erinnerung geblieben, und das Stück, wo die Burg von Männern angegriffen wird, die sich als Bäume verkleidet haben, weil nach irgendeiner Prophezeiung der Wald selbst marschieren muss, damit ein Kerl, der durch einen Kaiserschnitt zur Welt kam, einen Bad Guy töten kann, auf dessen Namen ich grad nicht komme. (Edit: Und großartig, aber gestern vergessen, "Of Mice and Men" von Jon Steinbeck.)
Alles in allem eine Menge totes Holz.
Edit: Aber generell großes Lob an meinen Deutschlehrer, der mich da durchgepeitscht hat. Niemand vergisst den "Demokrator, der dich aus deiner selbstverschuldeten Unmündigkeit heraustreibt" (so eine Abschlusszeitung).
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