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[Savage Worlds] Ghostbusters Solo Play
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Sein wir mal ehrlich, nach 'Ghostbusters: Frozen Empire' kann man so langsam mal auf den Gedanken kommen, dass die Filmreihe mittlerweile irgendwie kaputt erzählt worden ist. Allem voran wurde von vornherein versäumt, der Geschichte eine richtige Drei-Akt-Struktur zu geben, also eine gescheite Trilogie daraus zu machen.
… Also! Bock auf ein kleines Gedanken-Experiment?
Wir betreten eine Parallelwelt: Die Geschichte von Ghostbusters nimmt hier so ihren Lauf, wie sie in früheren Drehbuchentwürfen angedacht war. Dadurch ist sie an mehreren Stellen vielleicht näher dran an dem, was Dan Aykroyd seinerseits erzählt hätte, wenn die Umstände es damals zugelassen hätten. Versterbende Schauspieler, Vertrags-Wirrwar, begrenzte Budgetgröße, begrenzte Visual-Effects-Möglichkeiten, Zielgruppen-Befindlichkeiten, Musik-Urheberrechte, und dusselige Auflagen durch Filmstudios können hier dem Lauf der Story gottlob keinen Strich durch die Rechnung machen — wie es in der wirklichen Welt leider immer wieder geschehen ist. Und da wir in der Fiktion eben imaginären Zugriff auf alle Schauspieler der Geschichte Hollywoods haben, kriegen wir auch die bestmögliche Besetzung, die überhaupt vorstellbar ist!
Hier wird die Geschichte auch nicht im Format einer Filmreihe erzählt, eher nach dem Vorbild eines heutigen Fernsehserien-Formats. (Und außerdem mit unendlichem Budget natürlich!)
Die Dinge, die sich um die eigentlichen Filmproduktionen herum abgespielt haben, in der echten Welt, sind auch durchaus unterhaltsam, und hier dienen sie als zusätzliche Inspirations-Quelle für die Handlung der Story.
Ich mache daraus eins meiner Solo-Play-Projekte. Vielleicht kann ich das perspektivisch verwenden, um später eine Kampagne zu spielleitern, die dann in der Gegenwart angesiedelt ist, basierend auf diesen Ereignissen.
Das Spielgeschehen muss sich dabei am vorher umrissenen Handlungsrahmen entlang hangeln, und dieser Rahmen basiert natürlich direkt auf den Originalfilmen und dem Videospiel. Es wird aber trotzdem nicht Szene für Szene alles aus den Vorlagen wiedergegeben, sondern alles wird eine leichte Variation, oder wird gänzlich neu arrangiert. Das ist dann das eigentliche Gameplay, und dabei kann natürlich der Ausgang einzelner Szenen von spontanen Entscheidungen und Würfelergebnissen beeinflusst werden.
Ich habe sowas ähnliches schon mal gemacht, als Ghostbusters-Conversion für Savage Worlds, und die Spielregeln nehme ich von da (in mittlerweile leicht weiterentwickelter Form):
https://www.tanelorn.net/index.php/topic,97171.0.html
Setup
Also dann: Es ist der Anfang der 80er, und Dan Aykroyd aus der Comedy-Truppe der US-Fernsehshow Saturday Night Live hat gerade die ersten Entwürfe seines neuesten Drehbuchs fertiggestellt. Der Film hat bisher nur einen Arbeitstitel, aber wird schließlich Ghostbusters heißen. Die Hauptrollen sollen er und zwei weitere Comedians aus Saturday Night Live spielen, nämlich John Belushi und Eddie Murphy. Diesem ursprünglich ausgewählten Trio ist bedauerlicherweise in der echten Geschichte etwas dazwischen gekommen (in Eddie Murphys Fall die Dreharbeiten zu Beverly Hills Cop, in John Belushis Fall sein tragisches Ende durch eine Überdosis). Wir tun so, als ob die Dinge ihren Lauf genommen hätten wie ursprünglich geplant, und unsere ersten Wild Cards sind diesen drei Vorlagen nachempfunden.
Das Team meiner Startcharaktere besteht demnach aus drei Wild Cards, basierend im Aussehen und Verhalten auf Eddie Murphy (der redselige Charismatiker der Truppe, nennen wir ihn Jas Elliott), auf Dan Aykroyd (Ray Stantz, das Herz der Geisterjäger), und auf John Belushi (Peter J. Venkman, der olle Schwindler). Sie sollen ihrem jeweiligen noch jungen Selbst aus den Sendungen von Saturday Night Live der späten 70er und frühen 80er gleichen, zu der Zeit, als Aykroyd die Inspiration für das ursprüngliche Drehbuch für Ghostbusters gerade erst entwickelt hat. Ihre Schutzbefohlene basiert unverändert auf Sigourney Weaver (Dana Barrett, die Cellistin in Nöten, aber der geben wir mehr Hintergrund).
Ihre zugrundeliegenden Archetypen sind wie im Original die Vogelscheuche (Intelligenz), der Zinnmann (Herz), und der Löwe (Mut) aus dem Zauberer von Oz, und deren Schutzbefohlenen Dorothy.
Stantz, Venkman, und Elliott, die drei Knalltüten von dem umstrittenen Universitätsprojekt
Spielwerte
Alle Wild Cards haben es ja immerhin schon zu Universitäts-Dozenten gebracht, also starten sie das Spiel auf dem Seasoned Rank mit vier Advances. Durch die Setting-Regel Additional Skill Points starten sie mit 15 Skillpunkten, immerhin sind sie ja in der modernen Welt aufgewachen.
👻Jas Elliott
The Face Man
Attributes: Agility d6, Smarts d10, Spirit d8, Strength d6, Vigor d6
Skills: Academics d6, Athletics d4, Common Knowledge d8, Electronics d4, Notice d6+2, Occult d8, Persuasion d6, Repair d4, Research d8, Science d6, Stealth d4
Pace: 6; Parry: 2; Toughness: 5
Hindrances: Curious (Scientific mind), Habit (Minor: Loves to befuddle or impress people), Overconfident (He simply is not used to failure)
Edges: Alertness, Attractive, Charismatic
Gear: PKE Meter, pocket calculator, notebook and pencil
👻Raymond Stantz
The Heart of the Team
Attributes: Agility d6, Smarts d8, Spirit d8, Strength d6, Vigor d6
Skills: Academics d6, Athletics d4, Common Knowledge d8, Driving d4, Electronics d4, Notice d4, Occult d8, Persuasion d4, Repair d8, Research d6, Science d6, Stealth d4
Pace: 6; Parry: 2; Toughness: 5
Hindrances: Driven (Minor: Wants to prove that the supernatural exists and show people how to handle it), Loyal (Very friendly and supportive), Mild Mannered, Quirk (Can be quite boyish and insecure at times)
Edges: Elan, Luck, Reliable
Gear: Mirror reflex camera, handheld audio recorder, notebook and pencil
👻Peter J. Venkman
The Con Man
Attributes: Agility d6, Smarts d8, Spirit d8, Strength d8, Vigor d8
Skills: Academics d4, Athletics d4, Common Knowledge d6, Electronics d4, Fighting d4, Intimidation d6, Notice d6, Occult d6, Persuasion d8, Research d4, Science d6, Stealth d4, Taunt d8
Pace: 6; Parry: 4; Toughness: 6
Hindrances: Driven (Minor: Longs for fame and riches), Heroic (Deep down, he‘s secretly a true philantrophist), Mean (Likes to behave like a grumpy slob), Ruthless (Minor: Wild, aggressive energy)
Edges: Charismatic, Strong Willed
Gear: Hidden whiskey flask
Peter J. Venkman, hier John Belushi nachempfunden wie einstmals geplant
Peter John Venkman basiert auf einem jungen John Belushi, und hat von ihm auch den zweiten Vornamen, um dies kenntlich zu machen. Er funktioniert genau wie Peter Venkman in der Filmvorlage, aber obendrein mit Belushis noch heftigerem Temperament und krimineller Energie. Bill Murray bekommt in dieser Version der Story eine separate Rolle, die sein gespaltenes Verhältnis und seinen Widerwillen zur Arbeit der Geisterjäger widerspiegelt, die er sowohl in den Filmen als auch in der wirklichen Welt immer verstärkter an den Tag gelegt hat. (Mit Schrecken kommt einem sein Gesichtsausdruck auf dem Filmplakat von Frozen Empire in den Sinn, der spricht leider für sich!)
Jas Elliott ist der Eierkopf der Truppe (der Charakter, der sich in der realen Welt im Verlauf der Drehbuch-Versionen nach Eddie Murphys Ausscheiden zu Egon Spengler entwickeln sollte, als Harold Ramis zu dem Projekt dazu stiess.) Er hat nicht ganz Egon Spenglers Erfinderkunst, dafür aber eine schärfere Zunge und überhaupt die bekannte Eddie-Murphy-Quasselstrippe. Das löst für mich eins der wenigen Problemchen, die ich mit Ghostbusters I habe (und sogar schon als Kind blöd daran fand): Im Originalfilm ist die einzige schwarze Hauptfigur (Winston Zeddemore) nicht viel mehr als ein Handlanger, das fühlt sich nicht ganz richtig an. Dr. Elliott biegt das jetzt für uns hin.
Ray Stantz belassen wir unverändert, er agiert so wie in den Filmen.
So soll's funktionieren:
Ich bin grade mal wieder stubenhocker-mäßig drauf, also wird das Ganze ein Solo-Play-Projekt. Ich würfel' also introvertiert vor mich hin und schreibe mit dem Tablet nebenher alles mit. Ich mache das wie bei meinen Solo-Kampagnen bei Deadlands https://www.tanelorn.net/index.php/topic,122886.0.html, Dino Riders https://www.tanelorn.net/index.php/topic,118846.msg135063196.html#msg135063196 und Fading Suns https://www.tanelorn.net/index.php/topic,119410.msg135072174.html#msg135072174.
--- Zitat von: Schalter am 26.03.2022 | 16:37 ---Zum Einsatz kommen diesmal neben dem SWADE-Grundregelwerk die folgenden beiden system-neutralen Spielleiterlos-Engines:
Der One Page Solo Engine, erstaunlich nützlich und vielseitig trotz des kleinen Umfangs, und noch dazu für lau.
https://www.drivethrurpg.com/product/337254/One-Page-Solo-Engine
Das FlexTale Solo Adventuring Toolkit, genau das Gegenteil, weil es eine Fülle von Tabellen für alle möglichen Situationen hat.
https://www.drivethrurpg.com/product/375239/FlexTale-Solo-Adventuring-Toolkit-multisystem-Pathfinder-P2E-5E-OSR-DCC?src=hottest
Was FlexTale richtig gut macht, ist die Idee mit Quests und Clues. Jeder SC kann solche Quests bekommen, bei Charaktererschaffung und natürlich auch im Spielverlauf. Das funktioniert wie bei Skyrim oder anderen Computerspielen, der einzige Unterschied zu den Aufgaben im Tischrollenspiel mit einer Gruppe ist im Grunde nur, dass man das aufschreiben muss und der Sache ein Clue Target gibt. Ab dann kann man im Spiel nach Hinweisen suchen, bis man genügend zusammen hat um das Clue Target zu erreichen und die Queste aufzulösen. Logischerweise kann man mehrere kleine und große Questen zur selben Zeit haben. Eigentlich ja keine sonderlich bahnbrechende Idee, das so zu machen, aber gerade für spielleiterlose Geschichten meiner Ansicht nach echt clever, weil die SCs anfänglich noch mehr Substanz bekommen, und außerdem von vornherein was für sie zu tun ist, auch parallel zum Hauptplot.
Als Drittes werden dann noch ein paar Sachen aus Ironsworn verwendet, mich reizen die eigenen Spielregeln da drin zwar nicht so sehr, dafür hat's aber viele sehr gute Würfeltabellen, beispielsweise 'Themes'.
--- Ende Zitat ---
Im Spielbericht sind Textpassagen, wo's um die Solo-Play-Spielmechaniken geht, kursiv geschrieben, um das besser vom restlichen Text trennen zu können.
Abstraktere Spielbegriffe aus SWADE lass' ich Englisch, die werden immer in kursiv angegeben, um sie vom Rest des Textes abzuheben.
Setting-Regeln
Die Setting-Regeln Additional Skill Points und Conviction sind in dieser Kampagne passend. Außerdem verwende ich das optionale System für Wealth (SWADE-Grundbuch, S. 145), sollten private Geldmittel mal relevant sein. Viel relevanter für das eigentliche Gameplay sind aber die Finanzen der Firma selbst, dafür gibt's ein Mini-Wirtschaftssystem mit Honorar-Boni, und wir verwenden nebenher den Skill namens Trade aus Deadlands. Mehr dazu später.
Hausregeln
Arcane Backgrounds & Erfindungen: Charaktere mit Arcane Background sind im Verlauf der Story denkbar. Die Erfinder in den Rängen der Ghostbusters müssen allerdings nicht den Vorteil Arcane Background (Weird Science) bekommen, denn deren Regelwerk passt mir hier nicht so recht in den Kram. Die Spielregeln für ihre Geräte sind selbst gestaltet, und die Geisterjäger machen ihre Erfindungen auch nicht auf die Schnelle, sondern nur wenn die Story es gerade zulässt, und jeweils nach Budget.
EXP: Meine Wild Cards bekommen EXP, eine Regel aus der Deluxe Edition, die in SWADE eigentlich abgeschafft ist. Mir gefällt die trotzdem gut: Für kurze Sessions bekommen Wild Cards einen EXP, für regulär lange (circa vier Stunden oder mehr) 2 EXP, und für epische (besonders lang oder besonders wichtige Ziele erreicht) 3 EXP. Alle vier EXP bekommt der betreffende Charakter einen neuen Advance.
Geisterschreck-Effekt: Geistern ansichtig zu werden ist jedes Mal wieder unheimlich, selbst für hartgesottene Geisterjäger. Glücklicherweise sind sie routiniert genug (und humorvoll genug) um nicht bei jeder Sichtung Gefahr zu laufen, beispielsweise gleich den Verstand zu verlieren. Bei einem missglückten Terror-Wurf dürfen Resultate auf der regulären Furcht-Tabelle durch Ausgeben eines Benny neu gewürfelt werden. (Der Spieler darf entscheiden, welches der ermittelten Ergebnisse gelten soll.)
Die Handlung beginnt 1984, wie im Original.
Es greift alles so großartig ineinander in meiner Vorstellung. Es müssen dafür nur ein paar gezielte Veränderungen gemacht werden hier und da.
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Teil I: Sie sind gekommen um die Welt zu retten
Der erste Teil (mal sagen, die erste ‚Staffel‘) soll sich noch sehr nah am ersten Film halten. Der ist so ein Meisterwerk, dass auch hier vieles erneut so geschehen soll wie dort. Aber die Charaktere sind ja teilweise ausgewechselt, also wird alles zumindest ein bisschen anders laufen als in der Vorlage. Wann immer ich dabei nicht genau weiter weiß, befrage ich die Orakel aus dem One Page Solo Engine und Ironsworn.
⚡
New York City, 1984.
Die Jungs vom Studentischen Beirat schmeißen heute mal wieder eine Party an der Columbia University.
„… Da dürfen wir natürlich nicht fehlen, wir sind immerhin gewissermaßen die Stars der Universität“, sagt Dr. Venkman dazu, sein Blick ist bierernst.
„Wir waren schon auf so vielen Hände-Schüttel-Events“, gibt Dr. Stantz zu bedenken, „wir müssen auch mal arbeiten zwischendurch, Venkman. Der Bericht von der Sache beim Museum liegt seit zwei Wochen ungeschrieben auf Deinem Schreibtisch.“
„Hey hey hey, aber er hat doch Recht, Raymond“, lässt sich Dr. Elliott enthusiastisch vernehmen, „hier gilt immer noch ‚sehen und gesehen werden‘! Diverse der ganzen anderen Dozenten werden schließlich da sein. Einerseits müssen wir abliefern, das stimmt ja, aber andererseits müssen wir schillern, Baby. Die müssen unsere Gesichter kennen. Willst ja nicht, dass unsere Stellen nicht verlängert werden nach Ablauf der Frist von unserem Doktoratsprogramm!“
Jas Elliott redet sehr schnell und meistens sehr eloquent, es fällt schwer, ihm zuzuhören, ohne dem Impuls zu folgen, einfach zustimmend zu nicken.
Raymond aber protestiert, „Ach Jungs, nicht schon wieder!“
„Doch, doch“, ordnet Jas Elliott an, „Hör’ auf die Worte Venkmans, Venkman spricht die Wahrheit! Du willst nur wieder introvertiert im Kämmerlein sitzen und über Deinen Unterlagen brüten, Alter! Komm‘ schon, Mann, geh‘ mal aus Dir raus! Du hast geackert wie ein Tier die letzten drei Tage.“
„Ich muss diese ganzen Videoaufnahmen eben genau durchsehen! Auf manchen sind tatsächlich Schemen zu sehen, unbestreitbar menschliche Umrisse! Und das ist eine Videoaufnahme, kein spezielles Kirlian-Foto! Wir müssen rausbekommen, was es damit …“
„Du, mein Freund Raymond, bekommst noch viereckige Augen davon.“
Ray schaut wie hilfesuchend zu Peter, aber der nickt nur, gestreng und bestätigend.
„Aber die Fakultäts-Party, ich weiß nicht. Venkman lässt sich doch nur wieder volllaufen und jammert morgen den ganzen Tag herum wegen seinem Kater“, ziert sich Raymond, und schlägt dann hoffnungsvoll vor, „… Dann vielleicht alternativ eine Runde Ghosts & Gargoyles? Wir haben noch ein paar ungespielte Missionen!“
„Hör‘ mal auf Mätzchen zu machen“, sagt Peter ungnädig, „das ist längst entschieden, dass wir da hin gehen.“
„Ja, sag’s ihm, Peter“, sagt Jas und zieht beschwingt seinen Trenchcoat über, „Wir ziehen jetzt mal gemeinsam los, Ihr Schwerenöter, und bringen New York etwas Frohsinn! Es ist Samstagnacht!“
⚡
Soundtrack: Huey Lewis and The News, I Want a New Drug
https://www.youtube.com/watch?v=N6uEMOeDZsA
Die drei Forscher betreten die Aula des Fakultätsgebäudes. Es ist rappelvoll. Funkiger Synthesizer-Pop läuft (jetzt gerade ‚I Want a New Drug‘ von Huey Lewis and The News), ein paar Studies tanzen schon. Im Hintergrund gibt es einen langen Buffet-Tisch, und eine Bar. Peter schiebt sich zwischen den anderen beiden hindurch, er hat einen Gesichtsausdruck aufgesetzt der irgendwie an einen durstigen Jungstier denken lässt.
„Okay Jungs, aber jeder nur ein paar Bierchen“, ermahnt Raymond, etwas schafthaft, „dann sind wir vor Mitternacht wieder im Projektraum und kriegen noch was gearbeitet.“
„Absolut, Francine!“, sagt Peter in beschwichtigender Stimme, dreht sich zu Ray um, und zieht ihn hinter sich her. Aber er hat dabei dieses hintersinnige Blitzen in den Augen, das Ray schon ahnen lässt, dass diese Samstagnacht nicht vor Mitternacht enden wird.
Jas Elliott zupft sein absurdes Kostüm zurecht, er war eben in der ethnologischen Fakultät, und hat eine der ausgestellten Priester-Gewandungen aus einer der Vitrinen gemopst, und findet selbst, dass es ihm großartig steht. Er ist total in Feierlaune. Grinsend sieht er sich um.
„Schaut mal, schaut mal, da ist Dein altes Idol, Dr. Wyance!“, sagt er enthusiastisch, „mit den beiden von der Kommission! Das nenn' ich Glück, mein Alter! Da klinken wir uns doch gleich mal mit ei-heiinnn!“
„Wow, Dr. Wyance, hier? Stark!“, entfährt es Ray, jetzt kann er ihrem Hiersein plötzlich doch etwas abgewinnen. Sie verschwinden in der Menge. Peter stapft währenddessen unbeirrt zur Bar, wegen der erwähnten paar Bierchen ...
Während eine Weile später Raymond mit dem alten Doktor Wyance fachsimpelt, und darüber offensichtlich vergessen hat, dass man hier auf einträgliche Weise Klinken putzen kann, versucht Jas ins Gespräch mit den mürrischen Herren von der Kommission zu kommen. Die sind immerhin zuständig für die Universitätsgelder! Dabei wird er aber immer wieder von neugierigen Studies angequatscht, die wiederum seine Aufmerksamkeit erheischen wollen: „Dr. Elliott! Was stellen Sie denn heute vor?“, will eine gerade wissen, und ein anderer sagt angeheitert, „Sind Sie ein Hexendoktor?“
„Hexendoktor?! Aber mitnichten, Ihr Ungläubigen! Ich bin doch ein Macumba-Priester, wie der wahre Akademiker sogleich an meinem Gewand erkennt! Diese Talismane hier zum Beispiel beschwichtigen die Geister der Natur und der Ahnen! … Wie Ihr natürlich gleich gewusst habt, als Eure geschulten Blicke darauf gefallen sind.“
„Glauben Sie etwa wirklich da dran, Dr. Elliott?“, fragt einer von ihnen erstaunt.
„Aaahh, ein guter Wissenschaftler interessiert sich für alles! Aber daran glauben, Quatsch, ich habe nur gehört, Federn seien wieder groß im Kommen in dieser Herbstsaison.“
„Nein, das mit den Geistern und so! Sie sind doch Religionswissenschaftler, oder sowas? Von diesem neuen Fakultäts-Projekt, oder?“
Jas Elliott verkündet lautstark, mit breitem Grinsen, „Parapsychologie meinen Sie, jaaa, ganz recht!“
Er äugt zwischendurch herüber zu den Typen von der Kommission, ob die auch schön das Gespräch mitkriegen. Immerhin will er hier sein Projekt bei denen im Gedächtnis verankern. Die Typen werfen gerade einen irritierten Seitenblick in seine Richtung, besser als nichts.
„Is‘ das nich’ nur so eine fadenscheinige Betrügerwissenschaft?“, fragt ein beschwipster Student in einem schlechten Astronautenkostüm, er versucht, provokativ drein zu gucken aus dem Visier seines Silberpapier-Helms, „immerhin läuft der Repräsentant der Fakultät hier als Zauberpriester einher! Is‘ das nich‘ …“
„Ja, Kleider machen Leute, finden Sie? Dann kommen Sie mal in meine Vorlesung am Montag, mein Lieber, da sehen Sie mich in einem Anzug der allein schon mehr kostet als jenes Taschengeld, von dem Ihre irdischen WG-Mitbewohner im Monat leben! Sie selber sind natürlich besser dran, Sie sind Astronaut, das sehe ich.“
Der Silberfolie-Astronaut kichert betrunken und zieht sich etwas unsicher zurück, nuckelt an seiner Bierflasche, er will sich nicht noch weiter aus dem Fenster lehnen.
„Und gibt es Geister hier auf dieser Party?“, fragt ein anderer Student amüsiert.
„In wenigen Wochen können wir solcherlei Fragen tatsächlich beantworten, mein Bester!“, antwortet Dr. Elliott entzückt, und fasst Ray Stantz bei den Schultern (der gerade seinerseits wortreich gestikuliert), und dreht ihn sanft zu den Fragestellern um, „Mein Herr Kollege hier ist gerade beteiligt an der Entwicklung von technischen Gerätschaften, mit denen man die Luft untersuchen kann, oder den freien Neutronen-Flux, bei allen möglichen paranormalen Ereignissen! Wie beispielsweise Geistererscheinungen.“
Stantz blinzelt irritiert.
Elliott fährt fort: „Kostspielig, aber bahnbrechend! Nicht wahr, Dr. Stantz? Ja! Verfolgen Sie, meine Damen und Herren, in nächster Zeit unbedingt die Fachpresse!“, und das sagt er wieder ordentlich laut, damit die Kommission Notiz nimmt, „das will ich Ihnen raten!“
Stantz gibt den Studies eilig den Daumen hoch, und wendet sich dann wieder seinem Gesprächspartner Dr. Wyance zu.
Eine Stunde später hat Peter J. Venkman einiges getankt, angeblich nur Bier, wie er eben noch Ray versichert hat, aber das da in seiner Hand ist jedenfalls ein Vodkaglas.
„… Ich glaube, das, was viele Leute derzeit herbeireden wollen, ist sowas wie das große okkulte Revival der 1920er“, sagt gerade ein junger Mann im legeren Anzug und mit Seitenscheitel, und rümpft die Nase, „die wollen Mystizismus wieder salonfähig machen.“
„Also, wie soll ich das sagen“, kommentiert eine blondgelockte Brillenträgerin, „aber meine Mutter hört in Queens tatsächlich die Stimme von meinem verstorbenen Großvater. Immer, wenn sie in das eine Abstellzimmer im oberen Stockwerk geht. Das glaube ich ihr auch. Das hat nichts mit Herbeireden zu tun. Im Gegenteil: Sie wäre ja heilfroh, wenn das wieder aufhören würde!“
„Da könnten Dir die von der Psychologischen Fakultät aber genau erklären, was dahinter steckt, aber ganz genau, das ist alles in Wirklichkeit sehr mondän“, winkt ein junger Mann mit Sonnenbrille und Schnauzbart ab.
„Und was ist mit den Gerüchten von diesem einen Hotel? Die Spinnen-Hexe im 13. Stockwerk?“, fragt ein anderer Student, „die Geschichte hält sich seit sechzig Jahren!“
„Ja, was ist mit der Spinnen-Hexe? Hörst Du Dich eigentlich selber reden? Spinnen-Hexe, Himmel, Arsch und Zwirn, das ist ja nun weniger 1920er-okkultes-Revival-Gerede, als mittelalterlicher Volksglaube!“, lacht der Schnauzbärtige mit der Sonnenbrille, „Wir sind nur noch sechzehn Jahre von der Jahrtausendwende entfernt, ja?, und Ihr redet wie mittelalterliche Bauern!“, und der mit dem Seitenscheitel lacht mit, die beiden klingen verächtlich.
„Was Brille hier zu sagen versucht, ist, dass er ganz verzweifelt nach einer Rationalisierung sucht“, sagt die laute, sarkastische Stimme von Venkman plötzlich, „weil er einfach Angst hat vor einer Welt, in der nicht alles restlos erklärbar ist. Eure Berichte als abergläubisches Gewäsch zu bezeichnen ist einer seiner Coping-Mechanismen.“
„Coping-Mechanismen?!“, fragt der Schnauzbart verdutzt.
Venkman nippt an seinem Drink, und antwortet unbeeindruckt, „Klar, irgendwelche Strategien brauchst Du ja, um zu verknusen, dass Deine rationale Welt gar nicht so rational ist. Was, wenn die ins Wanken geriete? Dann ginge Dir ja Dein kleiner Arsch auf Grundeis, dann würdest Du ja überschnappen!“
„Sind Sie nicht dieser Peter Venkman, von dieser einen, neuen Fakultät?“, fragt eine der Umstehenden.
„Ich bin dieser Dr. Peter Venkman.“
„Na, dann ist das ja quasi das Brot und Butter von Dr. Venkman, hier den Hexenglauben zu verbreiten“, sagt der Seitenscheitel angewidert in die Runde, halb wendet er sich ab, wie als wenn das Gespräch unter seiner Würde wäre — aber auch ein bisschen so, als ob er eigentlich flüchten wollte. Das scheint weniger an Venkmans Doktortitel zu liegen, als an seinem fiesen Blick.
„Was sagen Sie denn zu meinem verstorbenen Großvater?“, fragt die blonde Brillenträgerin neugierig, „Sie sind dann ja quasi vom Fach!“
Der Quasi-Fachmann erwidert, „Entweder hat das Ganze psychologische Gründe, wie Ihr Kommilitone da so eilfertig sagt, oder übernatürliche. Dann müsste man das genauer untersuchen. Wie dem auch sei, wenn das für Ihre Frau Mutter wirklich ist, was sie da erlebt, ihre Wirklichkeit, wäre es in beiden Fällen etwas arrogant, zu sagen, dass das schlichtweg nicht stimmt.“
„Interessante Sichtweise“, nickt sie.
„Ach herrje!“, sagt der Seitenscheitel, und nun verzieht er sich tatsächlich, mit erhobenem Haupt und genervtem Kopfschütteln. Was besseres fällt ihm nicht ein. Der Schnauzbart mit der Sonnenbrille sieht ihm nach und sagt nichts, er scheint gerade auch nicht weiter zu wissen.
Venkman fährt ungerührt fort, „Ich habe da hinten im Gewühl meinen Kollegen Dr. Stantz, der würde ihre Geschichte womöglich mit auf seine Liste nehmen!“
„Ist das der Chef bei Ihnen?“, fragt sie beeindruckt.
„Nein“, sagt Peter knapp, und in seinem Gesicht steht, der Chef, das ist er eigentlich ja wohl selber, „Dr. Stantz macht bisher bei uns die Feldforschung.“
„Kann man darüber mal konkreter reden?“, fragt sie.
Venkman trinkt sein Glas leer, und sagt, „Ja ja, ich stelle Sie nachher einander vor. Aber man kann auch nicht immer labern! Das ist hier doch eine Tanzparty! Sie sind doch alles lustige Studenten! Warum wird hier nicht derartig wild gefeiert, dass die Götter hinab steigen?“
Dem hat keiner der Umstehenden etwas entgegen zu setzen.
klatschi:
Nice, mit der Musik im Hintergrund geht dein echt eingängig und angenehm geschriebener Text runter wie das... Bier... in Peters Hand :d
xplummerx:
Als Ghostbusters D6 Spieler lese ich gerne weiter.
Schalter:
--- Zitat von: klatschi am 5.08.2024 | 23:37 ---Nice, mit der Musik im Hintergrund geht dein echt eingängig und angenehm geschriebener Text runter wie das... Bier... in Peters Hand :d
--- Ende Zitat ---
--- Zitat von: xplummerx am 6.08.2024 | 10:51 ---Als Ghostbusters D6 Spieler lese ich gerne weiter.
--- Ende Zitat ---
Danke Ihr beiden, freut mich! Geht gleich weiter ...
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