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[Werewolf: The Dark Ages | Ironsworn] Wölfe des Meeres

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Einen Tag darauf gibt es ein nächtliches Zusammensitzen am Kiesstrand: Enders Olevsson hat seine Leute ein Feuer entzünden lassen, und tatsächlich zwei Tonflaschen mit Met angeschleppt. Eine würdige Gabe! Ein abgerissener Spielmann ist auch dabei, der mit einer Flöte und Trommel gerade für Kurzweil sorgt, im Tausch gegen etwas Bier, während Enders und seine Getreuen schon mal vorglühen, ebenfalls mit Bier.



Zu diesem Feuer geladen sind neben Thorgrima und Veleif überraschenderweise auch der Priester Eibr, der südländische Gelehrte, und — zu Veleifs besonderem Erstaunen — Æstrid.

Lachend heißt Enders Olevsson die fünf willkommen, schickt seine Leibwächter und den Spielmann weg, und schenkt ihnen allen andächtig ein Horn mit Met voll. Sie stoßen feierlich an auf den Sieg über den Hælvar-Balogg.
„… Nicht alle Siedler hier glauben daran, wenn sie ganz ehrlich sind, dass sich dies kürzlich wirklich zugetragen hat, da draußen im finsteren Wald!“, sagt Enders gut gelaunt, „sie glauben nur an das Wort Odins, und der Aesir! Sie sagen, die Kräfte von Jørd und der Vættir wären heutzutage fern! Nun, wir wissen es besser, nicht wahr?“
Thorgrima sieht ihn abwartend an, etwas misstrauisch.
„Wir sind etwas altmodisch“, sagt Enders fröhlich, „darum schlage ich vor, die zweite Runde trinken wir auf die Landvættir! Und auf die Schönheit und Gnade von Jørd, der Erdmutter!“
In den Gesichtern der Anwesenden ist das Aufkommen einer Ahnung zu sehen. Æstrid sieht besonders zögerlich aus, fast ängstlich, dann aber hat sie sich sogleich wieder im Griff.

Dies ist ein Zugeständnis, das Enders Olevsson ihnen da entlockt: Nicht auf Jørd und die Geister trinken zu wollen, wäre für Blutsgeschwister frevelhaft, aber wenn sie es tun, dann lassen sie den anderen gegenüber durchscheinen, dass sie welche sind.

Bekommen sie für diese Aufrichtigkeit je einen Punkt Ehre? Ja, sagen die Orakelwürfel.

Alle heben ihre Methörner erneut, diesmal mit einem Trinkspruch für Jørd die Erdmutter und ihre Landvættir.

„Dir sind die Geister wichtiger als andere Kräfte, nicht, Herr Olevsson?“, fragt Veleif neugierig, der Met ist gut und stark, seine Zunge ist bereits gelockert.
Dieser lächelt breit: „Der Odin-Priester hier in unserer Runde möge mir bitte vergeben, aber, ja! Ich verlasse mich lieber auf die heilige Erde unter meinen Füßen und den Wind in meinen Segeln, als auf einen möglichen Segen aus dem fernen Asgard!“
Eibr sieht mitnichten so aus, als würden diese Worte ihn beleidigen; wie sollten sie auch, ihm sind insgeheim die Kräfte der Erdmutter ja auch heiliger als Odin es ihm ist!
Enders fährt fort, „Es ist mir eine Freude, solch wackere Mitstreiter auf meiner Seite zu wissen, während dieses Dorf gebaut wird! Wenn noch eine Bestie des Jörmungandr aus dem Wald hervorkommt, wird sie erneut erwartet werden von Thorgrimas Schild und Veleifs Axt!“
„Ganz gewiss!“, grinst der Jüngling selbstzufrieden.
„Was ist Dein Dein Ansinnen, Herr Olevsson?“, fragt Thorgrima, etwas misstrauisch.
„Den Handel im Dorf aufbauen!“, sagt er strahlend, „Ich will eine Weile bleiben! Zumindest bis das Schiff meines Hauptmanns wieder fährt! Bis dahin hoffe ich, einen Laden hier zu haben, ein Weib, und mindestens einen Sprössling!“
„Wahrscheinlich fällt Euch das leicht, denn wohlhabend seid Ihr ja!“, sagt Eibr gütig.
„Aber nicht so findig wie andere! Die eigentliche Triebfeder des Handels in diesem Zeltlager ist Æstrid hier, und wird es bleiben, wenn es ihr beliebt, hier ansässig zu werden!“
„Zu viel der Ehre!“, lächelt Æstrid, aber ist geschmeichelt, „Ich bin doch nur eine Handlangerin für Verngrim und die richtigen Händler!“
Thorgrima wechselt einen Blick mit Eibr, und sagt dann: „Ich will offen sprechen! Herr Olevsson, warum hast Du gerade uns zusammengerufen? Gibt es etwas, das uns verbindet?“
„Na, den Wunsch, aus dem Zeltlager Värval das Dorf Värval zu machen!“, sagt Veleif prompt.
Enders Olevsson nickt, „Das sehe ich auch so! Wir wollen hier alle profitieren, egal, für welche Herren wir arbeiten!“
Oder welche Herrinnen, denkt der große Gelehrte, aber zwingt sich dazu, dies nicht auszusprechen. Er sieht etwas unbehaglich aus.
„Und was ist mit ihm? Diesen hier kenne ich gar nicht“, sagt Thorgrima, in Richtung des Gelehrten mit dem konsternierten Gesicht. Sie selbst hat jetzt auch eine etwas gelockerte Zunge.
Der große Grauhaarige antwortet in ruhiger Stimme, „Dann sollte ich mich vorstellen. Das ist wohl auch überfällig, nachdem wir zusammen auf die Erdmutter und aufs Geisterreich getrunken haben. Ich bin Demetrius Zeniades, aus einer Stadt die da heißt Athen.“
„Seid Ihr wirklich der Diener eines großen Wikingers, dem Ihr in die Hände gefallen seid?“, fragt Æstrid neugierig, „So sagt man über Euch!“
„Gewissermaßen. Ich habe politische Freunde oben in Visby, in deren Auftrag ich reise.“
Veleif sagt, „Schau mal an, Visby! Dann habt Ihr doch was gemeinsam, Æstrid!“
Thorgrima sieht wieder Enders Olevsson an, und sagt vorsichtig, „Ich frage erneut: Was ist es, das uns verbindet?“
Der Befragte zögert kurz, schaut aufs dunkle Meer hinaus, und wirkt, als sei auch er redselig geworden, dann antwortet er still, „Das Wolfsblut!“
Alle schweigen kurz erschrocken.
„Das Blut der Wölfe!“, sagt Enders genießerisch, „Oder gibt es einen in dieser Runde, bei dem ich mich irre? Jemanden, der sein wirkliches Erbe verleugnet? Dann sprecht ruhig offen, und sprecht wahr!“
„Wie … kannst Du da sicher sein, Herr Olevsson?“, fragt Thorgrima defensiv, „Du kennst mich und Eibr auch nicht länger als seit unserem gemeinsamen Aufbruch aus Jølonslod. Und Veleif ist erst seit ein paar Tagen hier.“
„Ja, aber ihr alle habt eine Feuertaufe erhalten, von Euren Stämmen. Nicht Euren menschlichen Stämmen, sondern … den Eigentlichen.“
„Aber nur die Garou können das Zeichen von der Feuertaufe sehen!“, sagt Demetrius Zeniades, „soll das heißen, Ihr seid einer?“
„Nein, ich bin Ætling, wie Ihr! Aber an Bord des Drachenboots, auf dem ich gefahren bin, gab es Fenrir, und einer war vor wenigen Nächten hier, ungesehen, in seiner Wolfsgestalt. Er hat mich ins Bild gesetzt. Er kommt von der Septe der Tiefblauen Wogen, oben auf dem Festland. Ich bin froh, dass so viele Wolfsblütige hier versammelt sind! Untereinander können wir uns gegenseitig trauen.“
„Aber trauen sich unsere Septen gegenseitig?“, fragt Thorgrima, „Sie haben sicherlich verschiedene Ansinnen.“
Ein unbequemes Schweigen folgt.
„Ich sage Euch meine!“, sagt Veleif plötzlich laut, „Mein Vater ist Ivar Vøritsson Mondglanz-Auf-Feindesblut! Aus der Septe der Frostwinter, im Norden Gotlands!“
„Und von ihm hast Du das Vermächtnis erhalten, die bekannte Axt Vrostgrimm!“, nickt Eibr.
Veleif schaut ihn erstaunt an, und sagt, „Stimmt! Du scheinst ja viel zu wissen, Herr Svensson!“
Eibr lacht leise, und entgegnet, „Ich bin Eibr Svensson, und das ist Thorgrima Jonsdottir, und wir stehen beide im Dienst der großen Septe der Kriegsgesänge.“
Veleif zögert, und schaut das fiese Dänen-Mädchen an, „Und Du?!“
„Ich bin Æstrid Lindegaard, äh, aus Jütland. Ich bin von den Fenrir nach Gotland geholt worden, ursprünglich nach Visby. Äh, ich wurde dann hierher geschickt mit ein paar anderen der Handelsleute, auf Befehl der Septe der Schweigenden Wälder.“
„Dann bleibt nur noch einer“, sagt die Schildmaid, und sieht misstrauisch den Gelehrten an, „Bist Du auch vom Blut des Fenriswolfs, Herr Zeniades?“
„Ich bin vom Blut des Stammes der Schwarzen Furien“, stellt er mit unbewegter Mine fest.
Erneut schweigen alle, auch Enders. Die Schwarzen Furien des Südens sind traditionell die erklärten Feinde der Fenrir!
„Aber ich dachte, die Schwarzen Furien haben nur Frauen als Blutsgeschwister!“, sagt Æstrid verstört.
„Aber nicht doch. Die Stammesmitglieder sind alle weiblich“, erklärt Demetrius gefasst, „so verlangt es die Vorsehung. Wir Blutsgeschwister sind natürlich von beiden Geschlechtern, so verlangt es die Natur. Und daher Gaia.“
„Was ist Gaia?“, fragt Veleif.
„Die Große Mutter! In diesen nördlichen Landen nennt Ihr sie Jørd!“
„Siehst überhaupt nicht aus wie 'ne Schwarze Furie …! Siehst eher aus wie einer von uns, zumindest was den Armumfang betrifft …!“, murmelt Æstrid etwas konfus, eher zu sich selbst.
„Ich und eine Handvoll anderer wurden in Friedensmission geschickt, zu unseren Freunden in der Septe der Schweigenden Wälder“, endet Demetrius, „und die Septenherren schickten mich hierher, in den Süden der Insel. Ich sammle vorerst Eindrücke vom Leben der Nordleute. Die Eure ist eine faszinierende Welt.“
Thorgrima, Eibr, und Veleif schauen sich aus den Augenwinkeln an. Sie alle denken das gleiche — die menschliche Seherin hatte von einem Verräter gesprochen, und dieser Mann ist von einem fernen Stamm von Erbfeinden ausgeschickt worden … Aber dies in Demetrius Zeniades' Gesicht zu sagen, damit er sich rechtfertigt, wäre äußerst unehrenhaft, so lange kein Beweis gegen ihn vorliegt! Immerhin gehören auch die Schwarzen Furien zur altvorderen Garou-Nation.

Nun haben alle die Wahrheit gesprochen, obwohl sie den jeweils anderen noch nicht trauen können. Das gibt ihnen allen zwei Punkte Ehre, Demetrius bekommt sogar drei, weil sein Risiko ungleich größer ist dabei.

Was Demetrius Zeniades betrifft, fehlt ihm noch sein ursprünglicher Eid. Er hat die Aufgabe, politisch hier zu arbeiten für seine Herrinnen, aber dies ist nicht sein eigenes tiefstes Bestreben. Ich gebe ihm also die persönliche
Queste: Einen großen Streit unter Nordleuten schlichten, indem er die Lehren des Stoismus unter ihnen verbreitet.
Das wird kein Spaziergang, zumal die Nordland-Menschen ihm tendenziell misstrauen, also ist der Eid Formidabel.

„Nun denn, eine dritte Runde geht noch, dann ist das Mitbringsel ausgetrunken!“, sagt Enders Olevsson fröhlich, und schenkt erneut ein. Alle stoßen an und trinken aus.
„Und dann sollten wir wohl rauf zur Lichtung gehen, an die Feuerstellen der Menschen“, sagt Eibr ernst, „Wolfsblütige wie wir tun gut daran, uns viel mit denen zu umgeben, die wir zu beschützen haben, nicht nur miteinander! Hargeir und die anderen alle sollen keinen Argwohn schöpfen uns gegenüber.“
Die anderen sind einverstanden.
„Mein Verbündeter von den Fenrir wird bald erneut zur Lagerstätte kommen, Freunde!“, sagt Enders, „Und er ist Meister des Ritus der Anerkennung. Wenn bis dahin erneute Großtaten begangen wurden von uns wie das, was Veleif und Thorgrima neulich bewerkstelligt haben, dann wird es bereits Zeit, dass ein Garou diesen Ritus für uns durchführt! Die Fenrir müssen hören von dem, was wir imstande sind zu vollbringen!“
Veleif lächelt ihn breit an, diese Worte gehen ihm runter wie Öl.


Während die fünf die Kiesböschung heraufsteigen, zurück zur Lichtung mit dem Lager, hält Thorgrima plötzlich inne: „Wir haben etwas vergessen!“
„Und das wäre?“, fragt Æstrid unwirsch.
„Der Met, und unsere wahren Verbindungen zu den Garou … das wäre eine gute Gelegenheit gewesen für einen gemeinsamen Schwur!“
„Aber was sollten wir gemeinsam schwören?!“, fragt Æstrid erstaunt, „Wir stehen doch im Bunde mit ganz verschiedenen Septen! Ich zum Beispiel habe offenbar dieselben Auftraggeber, wie … er hier!“, und sie deutet mit der Hand und senkt die Stimme, „Die Schwarze Furie!“
„Ich weiß einen gemeinsamen Eid, den wir alle miteinander leisten können!“, sagt Veleif, etwas metselig, „Wir alle wollen doch die Menschenstämme beschützen, und Värval zu einem richtigen Dorf machen! Aus welchem Beweggrund auch immer! Darauf könnten wir uns doch alle einigen, oder?“
Alle schweigen, sehen sich gegenseitig an, und nicken schließlich.
Thorgrima reicht ihr Jagdmesser herum, alle ritzen sich leicht die Handfläche auf, und reichen sich im Kreis stehend die Hände.
„Bei dem Met, den wir getrunken haben, bei der Erdmutter Jørd auf der wir stehen, und bei den Landvættir um uns herum“, intoniert Thorgrima halblaut, plötzlich ganz feierlich, „Wir alle sind künftig bei unserer Ehre verpflichtet, Värval zu schützen, damit es ein richtiges Dorf werden möge!“

Also bekommen nach Veleifs Idee auch die anderen nun explizit die
Queste: Gewährleisten, dass das Zeltlager Värval sicher befestigt werden kann.
Dafür erhalten sie erneut zwei Punkte Ehre und einen Punkt Ruhm.

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Als nächstes werden unsere Helden ein paar ihrer Questen mal proaktiv angehen! Insbesondere müssen sie die Befestigung vorantreiben, das haben sie ja letzte Nacht schon feierlich geschworen. Dazu gehört wahrscheinlich jedoch auch, Enders auf die Schliche zu kommen, denn er agiert ja aufgrund des Resultats Settlement Trouble. Das wird nicht ganz einfach, denn noch nehmen unsere Helden ihn ja als Verbündeten wahr, Enders Olevsson hat sich ihnen bisher von seiner charmantesten Seite gezeigt!

Die Unsicherheiten der Siedler nach dem ungünstigen Runenwerfen haben Thorgrima und Veleif vor ein paar Tagen schon beseitigen können, indem sie die Odin-Priester gesucht haben und den Wyrmling im Grafangr-Wald erschlagen haben.

Aber war das ein Meilenstein ihrer laufenden Queste? Das sollen die Orakelwürfel entscheiden. Die sagen nein; nun ja, die Odin-Priester hätten ja wahrscheinlich auch so zum Dorf zurück gefunden ...

Was braucht denn das Zeltlager Värval in den nächsten Tagen, um zu florieren? Mit Steinen und Bauholz können Wallanlagen begonnen werden. An beidem herrscht kein Mangel. Äcker müssen angelegt werden, und erste Hütten gebaut. Einige Leute hatten verlangt, dass Kundschafter nach anderen urbaren Stellen suchen in der Nähe, da die Landvættir diese Lichtung hier nicht mehr günstig finden. (Zumindest haben das die Runen der Godi Hilduna ja gesagt!)

Unsere Helden sind etwas bewandert in der Überleben-Fertigkeit, also könnten sie einfach diesen Kundschaftergang übernehmen. Vielleicht finden sie sogar ein mystisches Zeichen der Landvættir unterwegs!

Dafür machen wir einen der im Ironsworn-Regelwerk beschriebenen Moves, nämlich Undertake a Journey (Ironsworn S. 65). Solche Moves funktionieren im Grunde so wie auch die Questen. Das ist eine simple Unternehmung, also stufe ich die als lediglich Unannehmlich ein. Jeder erreichte Waypoint der Reise bringt daher drei von 10 benötigten Punkten Fortschritt. Sobald genügend Fortschritt zusammengekommen ist, können die Würfel entscheiden, dass das Umland zufriedenstellend erkundet ist.

Gesagt, getan! Æstrid versucht, Reiseverpflegung für ein paar Tage Marsch für die vier Personen zusammenzustellen, das sollte ihr leicht fallen, weil sie den Handel im Lager kontrolliert, und sie noch dazu acht Würfel hat bei Charisma+Handel. Sie würfelt jedoch so viele Einser dass kein Erfolg bleibt! Offensichtlich wehren die Händler Värvals sich mit Händen und Füßen dagegen, Æstrid (mit ihren begehrten Ratschlägen) in die Wildnis ziehen zu lassen! Außerdem haben sie selbst nur das Allernötigste derzeit. Veleif kommt dazu, während Æstrid ihre Runde macht, und bekommt mit, wie sie sich herumärgert. Er tauscht auch ein paar Waren, und erzielt beim selben Wurf immerhin einen Erfolg. Mit einem absoluten Minimum an Proviant ziehen sie los, sie werden unterwegs was jagen und sammeln müssen. Auch gut.



Die Wanderung führt sie durch den Grafangr-Wald hindurch, parallel zur Küste.
„Ich habe den Grafangr-Wald ja schon durchquert, und zwar allein!“, lässt Veleif sich im Gehen vernehmen, „haltet Euch an mich, dann geschieht Euch auch nichts.“
„Ja, vortrefflich, wir halten uns an das kleine Milchgesicht, dann sind wir sicher wie in Abrahams Schoss!“, stichelt Æstrid. Sie ist immer noch sauer, dass es ihr nicht gelungen ist, einen Berg Vorräte zu organisieren, das sieht man ihr an.
„Es wäre vorzuziehen, jetzt nicht mehr von Abraham zu sprechen, junge Herrin“, fügt Demetrius hinzu, „das ist ein Heiliger des Christentums.“
Æstrid sieht ihn kratzbürstig an, „Ach, was weißt denn Du? Das war nur ein geflügeltes Wort.“
Demetrius lächelt nachsichtig, „Worte haben Macht.“
„Nicht über mich! Du fährst mir nur über den Mund, weil ich ein Mädchen bin, Herr Zeniades. Aber das fruchtet hier nichts. Wir Nordleute lassen uns nichts vorschreiben!“
Sie funkelt ihn mit ihren wilden, blauen Augen an.
„Du verkennst meine Absicht“, grummelt Demetrius, „und ich entschuldige mich dafür, missverständlich gewesen zu sein! Wie käme ich dazu, einer Frau den Mund zu verbieten? Ich bin nur ein bescheidener Schreiber!“
„So, so!“, knurrt Æstrid, jetzt etwas verwirrt, solcherlei Argumentation ist sie nun wirklich nicht gewohnt.
„Vergiss' nicht, wo ich herkomme, o Æstrid Lindegaard! In meiner heimischen Septe sind die Frauen die Herrinnen, nicht umgekehrt.“
„Hübsche Vorstellung fürwahr!“, sagt diese, erhobenen Hauptes.
Thorgrima schaut Demetrius im Wandern schweigend von der Seite an. Diese Griechen haben sie doch wohl nicht alle? Aber sie käme nicht darauf, derartig Lästerliches auszusprechen.

Trotz seiner großen Klappe muss man Veleif aber eines lassen, er hat den besten Würfelpool aller Anwesenden bei Geistesschärfe+Überleben. Mit zwei Erfolgen findet er Trampelpfade durch die finsteren Dickichte, um die richtige Route einzuschlagen, und er schafft es, die Richtung zu halten, und sogar nebenher Blaubeeren zu finden, um die mageren Vorräte etwas aufzustocken.

Die Orakelwürfel bescheren ihm dadurch sogar einen Punkt Weisheit, weil er erstmals bewiesen hat, dass er kein Hans-Guck-In-Die-Luft ist.

Bis zum Mittag sind die tieferen Bereiche des Grafangr durchquert. Das ist wahrscheinlich der erste Waypoint, ich orientiere mich an der Spielregel in Ironsworn und würfle erneut Geistesschärfe+Überleben, diesmal als Teamwork von Veleif und Thorgrima. (Es gibt +1 Würfel dabei, weil unsere Helden von einer mit ihnen alliierten Siedlung aus aufbrechen.) Sie akkumulieren gemeinsam sechs Erfolge, und 2W10 werden gerollt um jeweils 10 minus die Anzahl der erzielten Erfolge zu überwürfeln, das klappt bei einem davon. Laut Ironsworn ein sogenannter Weak Hit. Das gibt uns die ersten drei von 10 Punkten Fortschritt für unsere Entdeckungsreise, kostet aber Proviant und Wasser, die Reise ist anstrengend. Damit ist die Verpflegung so gut wie aufgebraucht.

„Wir gehen nicht weiter als bis dass der Abend dämmert“, entscheidet Thorgrima, „sonst wird der Weg zu weit für die Siedler.“
„Es ist gut“, nickt Demetrius.
„Wir können den Erkundungsgang doch auch ausdehnen! Unsere Leute sind immerhin Nordleute — außer Herrn Zeniades!“, sagt Veleif launig, und grinst den Gelehrten an.
Thorgrima winkt ab, „Du hast meine Entscheidung gehört. Wir wissen ja nicht einmal, ob Hilduna die Runen diesmal richtig gelesen hat! Diese Erkundung ist eine reine Vorsichtsmaßnahme. Und wir werden es nicht übertreiben mit ihr.“
„Eine Frau, die klare Ansagen macht, sehr löblich“, sagt Demetrius zufrieden.
„Aber he, Moment mal“, mosert Veleif, „bist Du jetzt die Anführerin der Gefährten, nur weil Du die älteste unter uns Einheimischen bist?“, und ein bisschen angenervt guckt er Demetrius an, wie als wolle er hinzufügen, ‚Oder sind wir jetzt plötzlich alle Schwarze Furien, wo die Frauen das Sagen haben?‘
Das wäre natürlich unehrenhaft, so einen Satz rauszuhauen.
„Ich bestimme deshalb, weil ich eine Schildmaid von Hargeir bin. Genug jetzt.“
Alle schweigen etwas betreten. Keiner will Thorgrima herausfordern … aber ihre Garou-Verwandten würden einen solchen Konflikt wahrscheinlich genüsslich austragen. Ihr aller Wolfsblut scheint sich kurz zu regen. Dann aber essen sie die letzten Vorräte, und entspannen sich wieder.

Am frühen Nachmittag schreiten sie die Hügel an der Küste ab. Der Grafangr-Wald ist ausgedünnt, zu ihrer Linken erstreckt sich eine Ebene mit einzelnen Baumgrüppchen, zu ihrer rechten der Kieselstrand.
Intelligenz+Überleben könnte urbares Land für Ackerbau finden lassen. Vielleicht wollten die Landvættir die Siedler ja jetzt hier raus führen, um Värval hierhin zu verlegen? Unwahrscheinlich, aber möglich. Demetrius Zeniades würfelt, er hat die höchste Intelligenz und beste Bildung. Dafür hat er Überleben nicht als Fertigkeit, und er kennt die Insel nicht. Ein Patzer!

Dafür hat Ironsworn auch wieder eine passende Tabelle, Pay The Price, S. 105.. Etwas wertvolles wird zerstört, sagt diese.

Demetrius hat die besten Landkarten aller SCs in der Gruppe (er hatte die besten Quellen in Athen, und hatte ja auch die weiteste Reise hierher.) Er begeht eine ganze Weile die Hügel, und ist der irrigen Meinung, hier wäre großartiges Ackerland zu erschließen! Schreitet die Flächen ab, vergleicht sie mit seiner Detailkarte. Die anderen sehen erstaunt bei seinem gelehrten Tun zu. Schließlich kommt er auf seinen Irrtum, schlussfolgert, dass sein Kartenmaterial falsch ist, und zerreißt einige davon erbost.
„Nur Zeit gekostet hat das! Man traue nie einem dahergelaufenen Schmierfinken, der einem Kartenwerk vom fernen Gotland andrehen will!“, schimpft er, dann bezwingt er seine Wut, und kehrt schlagartig zu seiner stoischen Ruhe zurück.

Verliert er dafür einen Punkt Weisheit? Unwahrscheinlich, weil er seinen Fehler selbst entdeckt hat. Die Orakelwürfel lassen unseren Gelehrten auch ungeschoren davon kommen.

Die Hügel jenseits des Grafangr wären aber damit immerhin abgesucht. Ist das ein zweiter Waypoint? Thorgrima und Veleif machen denselben Wurf wie eben, um die Entdecker weiterzuführen, und sammeln drei Erfolge. Aber die 2W10 (und damit auch der simulierte Spielleiter) sind ihnen diesmal hold, es ist sogar ein Strong Hit. Ein weiterer Waypoint ist durchwandert. Sechs von 10 Punkten Fortschritt!

Sollen wir schon versuchen, den Erkundungsgang abzuschließen? Für einen solchen Move müssten erneut die 2W10 rollen, diesmal gegen 10 minus den bisher erreichten Fortschritt von 6. Ja, die Versuchung ist groß, wir versuchen es. Ein Weak Hit, wie fast vermutet (und ehrlich gesagt fast erhofft): Das bedeutet, der Erkundungsgang ist erfolgreich beendet, aber eine unvorhergesehene Gefahr oder Komplikation ergibt sich dabei! So nahe am Grafangr-Wald kann das nur eines bedeuten, jetzt wo die Abendnebel heraufzuziehen beginnen …

Thorgrima und Demetrius würfeln am höchsten bei Wahrnehmung+Aufmerksamkeit, und hören es beide gleichzeitig als erste. Sie halten inne bei ihrem Marsch und lauschen.
„Es folgt uns jemand … oder etwas!“, flüstert die Schildmaid.
„Ja! Ein Vierbeiner, ein großes Huftier. Seltsam … schwerfällig!“, raunt der Gelehrte.
Die anderen hören es jetzt auch. Sein Atem geht rasselnd! Ein Elch oder Hirsch. Ihr menschlicher Geruch wird ihm vom Meereswind zugetragen … ein normaler Hirsch würde flüchten! Dieses Exemplar jedoch … scheint ihnen absichtlich zu folgen … wie ein pirschender Wolf!
„Der Grafangr-Wald ist nahe!“, zischt Thorgrima, „Es muss uns von dort gefolgt sein! An die Waffen!“
Das Ding scheint zu spüren, dass es sich nicht mehr anschleichen kann. Wankend tritt es zwischen den Baumgruppen heraus ins fahle Abendlicht, hebt seinen Kopf. Es hat etwas marionettenhaftes, gerade, weil sein Haupt mit dem großen Geweih auf einem Hals sitzt, der nur noch aus Wirbeln und einigen Muskelsträngen besteht!


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Diesmal bekommen unsere Helden es nicht mit einem materialisierten Geist zu tun, sondern physischen Viehzeugs. Daher hat es ein Profil das einem regulären Charakter ähnelt:

Aashirsch
Attribute: Geschick 2, Konstitution 3, Stärke 4, Geistesschärfe 1, Intelligenz 1, Wahrnehmung 2
Fertigkeiten: Athletik 3, Aufmerksamkeit 2, Ausweichen 2, Einschüchtern 3, Handgemenge 2, Heimlichkeit 2, Überleben (nur zum Fährtensuchen) 2
Willenskraft: 3
Angriffe: Ausschlagen (4 Würfel), Biss (4 Würfel, Schwierigkeit 5), Geweih (5 Würfel)
Totentanz: Der Aashirsch kann einmal pro Runde einen Willenskraft-Punkt ausgeben, um eine zusätzliche Aktionen in dieser Runde durchzuführen.
Untot: Diese Kreatur würfelt Absorbieren mit +2 Würfeln, und kann Verheerenden Schaden absorbieren. Sie ignoriert eine Stufe von Wundabzügen.
Gesundheitsstufen: OK/OK/OK/OK/OK/-1/-1/-4/Kampfunfähig

Alle SCs müssen Willenskraft würfeln bei diesem Anblick. Diesmal ist es Veleif, der den Wurf nicht schafft! Er weicht voller kaltem Grausen zurück, und verliert 3 Ruhm-Punkte.
Ich würfle erneut auf der Tabelle Pay The Price: Dasselbe Resultat wie vorhin: Etwas Wertvolles geht verloren.
Veleif tappt zurückweichend auf einer hohen Klippe, ohne sich umzuschauen, und während er an seinem Köcher herumfummelt, um hektisch einen Pfeil auf die Sehne zu legen, kippt er das Behältnis aus, und all seine Pfeile platschen in das Meerwasser unter ihnen. Die sind weg. In dem Moment prescht der Aashirsch auf sie zu, nun gar nicht mehr so ungelenk!

Runde 1: Die Initiative-Reihenfolge wird sein: Zuerst Veleif, dann der Gegner, und dann Thorgrima, Demetrius, und Æstrid.
Veleif guckt erschrocken seinen Pfeilen nach, auch das noch, er macht sich hier zum Idioten, auch noch angesichts derartiger Todesgefahr! Der Aashirsch prescht heran, gesenkten Hauptes, und rammt sein Geweih gegen Thorgrimas Rundschild! Er hat vier Erfolge dabei! Es gelingt ihr nur, zwei zu absorbieren. Die Wucht des Geweihs hebt sie von den Füßen.
Immerhin wird sie nicht von der Wucht über die Klippe hinweg getragen und folgt Veleifs Pfeilen ins Wasser, sagen uns die Orakelwürfel.
Todesverachtend sichert die Kämpferin ihren Stand auf dem Kies, und bringt ihr Schild vor, drängt die stinkende Bestie zurück. Versucht tapfer, ihr weiterhin im Weg zu stehen, jetzt bereit für ihren nächsten Angriff. Dass sie trotz geprellter Rippen und vieler Stichwunden nicht zurückweichen will, soll ihr drei Ruhm einbringen.
Demetrius kann nicht allzu viel tun, er schießt einen Pfeil von seinem Kurzbogen, aber verfehlt das tänzelnde Monstrum. Æstrid tut es ihm gleich und trifft das Scheusal präzise in die Stirn, aber mit seinen fünf Würfeln absorbiert es spielend alle außer einem Wundlevel, es scheint den Pfeil überhaupt nicht zu bemerken!

Runde 2: Veleif sammelt sich, und macht eilig zwei Aktionen, er zieht Vrostgrimm aus der Gürtelhalterrung, aktiviert den Fetisch mit großer Konzentration, und die blauen Runen im Axtkopf glühen auf! Ein mächtiger Axthieb versenkt sogleich das Blatt tief zwischen den graugrünen Rippen. Ein monströser Absorbieren-Wurf zieht jedoch fünf Erfolge ab, es bleiben nur drei, jetzt ist das Vieh auf vier Wundleveln. Immer noch nicht genug, um es auch nur abzulenken in seinem untoten Zustand!
Der Aashirsch verwendet einen Punkt Willenskraft für seine Fähigkeit Totentanz, und tritt aus und schnappt wie besessen zweimal, wird aber beide Male von Thorgrimas Schild geblockt. Æstrid und Demetrius schicken verzweifelt weitere Pfeile, der Gelehrte landet einen Glückstreffer zwischen die freiliegenden Schulterblätter des Monsters, und macht ein Wundlevel Schaden. Jetzt hat es derer fünf.

Runde 3: Veleif schlägt mit Vrostgrimm zu, mit schnell aufeinander folgenden Hieben, und grüne Rippen fliegen in alle Richtungen! Zum ersten Mal würfelt das untote Ding richtig schlecht, und kassiert fünf weitere Wundlevel! Es geifert und kreischt kehlig, und bricht am Boden zusammen, zuckt noch ein paarmal wie irre, dann ist es besiegt.

Ungläubig sehen die vier auf den halbverrotteten Kadaver herab.
„W-wir sollten es verbrennen!“, haucht Æstrid angewidert.
Das tun sie daraufhin auch direkt.
„Es war kein Vættir des Feindes Jörmungandr, wie das Monster im Wald eines war“, sagt Thorgrima halblaut.
„Was mag dahinter stecken?“, fragt Veleif, „Irgendein Trick Jörmungandrs? Oder von Odin, oder Loki, in ihrer Missgunst?“
„Die Mächte Asgards haben gewiss noch nicht ihr Auge auf unsere neue Lagerstätte geworfen“, knurrt Thorgrima, „das kann ich mir kaum vorstellen. Und Odin hat nur ein Auge!“
„Mein Vater hätte wahrscheinlich gewusst, was es damit auf sich hat“, sagt Veleif nachdenklich, „oder meine Tante Valhulda. Sie sind bewandert im Abwehren der Schrecknisse des Feindes Jörmungandr.“
Demetrius sagt zu Thorgrima, „Lass' mich Deine Wunden sehen. Das muss gereinigt und verbunden werden.“
Demetrius ist ziemlich gut in seiner Heilkunst; obwohl (durch Thorgrimas Wundabzug von eins) die Schwierigkeit auf sieben erhöht ist, gelingen ihm genügend Erfolge, um den Schlagschaden um zwei zu senken.

Alle vier Kämpfer bekommen drei Punkte Ruhm für ihren Kampfsieg. Für Thorgrima wird es dadurch Zeit für den Ritus der Anerkennung!

Veleif watet ins Wasser, um seine Pfeile wiederzufinden, aber es nützt nichts, die sind alle weggeschwemmt. Da wird er in den nächsten Tagen viel Zeit damit zubringen müssen, Neue herzustellen. Er wäscht den sich langsam wieder erwärmenden Axtkopf von Vrostgrimm im Meerwasser, und dankt im Stillen dem Eisgeist, der darin eingebunden ist, für seinen mächtigen Kampferfolg.
Die SCs löschen schließlich das Feuer, verschütten die Stelle, und wandern zurück gen Grafangr-Wald. Nun ist es dunkel, und sie ziehen es vor, in den Hügeln zu übernachten, unweit der Baumgrenze. Veleif zieht los, um weitere Beeren oder Bucheckern zu finden, würfelt immerhin zwei Erfolge, und Æstrid kommt hinzu, ihr Wurf steuert weitere drei Erfolge bei! Sie wirft ihm Mal um Mal ihr überlegenes Grinsen zu, während sie allerlei essbare Wurzeln und Pilze aufsammelt. Auf diese Weise ist das Nachtmahl gut und reichlich. Etwas Salz wäre vielleicht nicht schlecht gewesen!
Während der Nacht stellen sie akribisch Wachposten auf, die den rauschenden, raschelnden Grafangr im Auge behalten können, im hellen Mondlicht ein fast mesmerisierender Anblick mit seiner mysteriösen Schönheit und den mannigfachen Schrecknissen, die darin lauern mögen.



Æstrid erwacht nach einigen Stunden aus einem Albtraum. Im Auffahren bereits wird ihr klar, dass sie nur geträumt hat … und dass der wahre Auslöser davon vorhin im Wachzustand geschehen ist. Instinktiv schaut sie in die Richtung wo sie den Aashirsch verbrannt haben, aber dort bewegt sich nichts in der Nacht. Sie zieht ihren Dolch und fühlt seine beruhigende Schwere in der Hand. Ihr Blick trifft den der verwundeten Thorgrima, die beim Feuer sitzt wie eine unbewegte Statue, stumm und aufmerksam. Im Geiste spricht Æstrid ein Gebet aus der Bibel, ohne sich etwas anmerken zu lassen, sie fühlt sich gestrandet in dieser Welt der Heiden. Ob der Gott der Kirche sie überhaupt hört, hier oben auf Gotland? Sie merkt, wie das Gebet sie zwar beruhigt, aber wie es ihr eigentlich nicht wie eine Andacht vorkommt, mehr wie eine Kindheitserinnerung, etwas mit Nostalgiewert. Aber auf Thorgrima dort hinten ist Verlass, selbst noch im verletzten Zustand. Schließlich sinkt Æstrid wieder tiefer ins Gras, wickelt sich fester in ihre Decke, und schläft wieder ein.

Im ersten Morgenlicht erwacht Veleif mit ordentlich Gliederschmerzen, aber trotz der Morgenkühle ist ihm angenehm warm. Æstrid ist im Schlaf an ihn heran gerobbt, und liegt rücklings an ihn gedrückt. Er guckt überrascht auf sie hinab, und ist plötzlich total verknallt in das Dänen-Mädchen! Er fühlt Gesichtsröte. Thorgrima regt sich ebenfalls, und geht zu Demetrius hinüber, der die letzte Wachschicht hatte. Darüber erwacht Æstrid ebenfalls, sieht Veleif an, der sie schafhaft anglotzt.
„Heda, Du bist ja an mich ran gerückt! Das geziemt sich aber nicht. Mach' dass Du wegkommst, Du Schwein!“, sagt sie, und haut ihn.
„Aber, aber“, stammelt Veleif, und rückt schnell ab. Er fühlt die Gesichtsröte noch heißer, und beginnt sich um seine Ehre zu sorgen. Auch das noch!
„Ich sag's den Leuten im Zeltlager!“
„Das war aber ganz anders! Du bist doch an mich …“
„Scher' Dich zum Donnerdrummel!“, und sie versucht, ihn nochmal zu hauen, er springt schnell auf und sucht seine Habe zusammen. Versucht, niemanden anzugucken, bis er nicht mehr rot ist, und nicht außerdem ganz schrecklich verknallt zu sein.
Er riskiert einen Blick zur Feuerstelle. Demetrius Zeniades sieht zu ihm rüber, aber statt großväterlich über seine Possen zu schmunzeln, wie der Junge befürchtet hätte, wirkt er wie immer ganz und gar stur, fast unbeteiligt. So stur wäre Veleif auch gerne!

Mit Abschluss dieser Entdeckungsreise sind wiederum die ersten drei Punkte Fortschritt erreicht für unseren Schwur, Värval zu sichern und zu befestigen.

Morgen können die Helden den anderen Siedlern die Kunde überbringen, dass ihre Lichtung doch das beste Fleckchen Land in der Gegend ist. Dann können sie nächste Schritte unternehmen.

Während der eineinhalb Tage an denen unsere Helden weg waren hat im Lager die Arbeit an ersten Hütten begonnen. Die Leute sind begierig darauf, den Bericht der vier Entdecker zu hören, und scheinen daraufhin mehrheitlich zufrieden mit der Vorstellung, an diesem Lagerplatz weiter zu bauen.

Schalter:
Man müsste an dieser Stelle mal das Orakel befragen, welches Stichwort noch dem Voranschreiten der Befestigung im Wege steht, neben dem Verräter, den die Tabelle Settlement Trouble angegeben hat. Die Orakelwürfel sagen, Weaken Stranger. Hm, obskur. Stranger ist das Resultat 51, wenn man es umdreht, sagt das Resultat 15 stattdessen Secret. Darunter kann ich mir etwas mehr vorstellen: Enders Olevssons geheime Machenschaften beginnen ans Licht zu kommen ... Das ist nützlich! Wodurch denn? Change Deception, sagt das Orakel, der Handelsmann ändert also die Art seines Betrugs, er wechselt irgendwie seine Taktik.

Diesmal ist es Æstrid, auf die er zukommt. Dies geschieht am nächsten Tag, während erste Arbeiten am Steinwall unternommen werden, die Siedler schleppen flache, große Steine vom Felsenstrand her, und schwitzen unter der Sommersonne. Die Stimmung ist fantastisch, nachdem alle Zweifel am Willen der Götter und der Landvættir nun beseitigt sind, hat die Leute der Schaffensdrang so richtig gepackt. Sie lachen, scherzen und spornen sich gegenseitig an, während sie ordentlich ranklotzen.

Herr Olevsson kommt dabei also auf Æstrid zu, die gerade mit dem großen, dicken Verngrim nahe des Walls steht, wo sie Essen und Wasser anbieten.
„Junge Maid, da bist Du ja! Auf ein Wort?“, fragt er im Näherkommen.
„Wie kann ich Dir behilflich sein, Herr Olevsson?“

Ja, gute Frage: Worin besteht denn Enders Olevssons Taktik-Wechsel? Er hat sich die SCs ja bisher als Connections angelacht. Create Opportunity, sagen die Orakelwürfel. Als dann:

„Æstrid, ich habe etwas mitzuteilen, das unter uns bleiben muss! Ich kenne Dich als äußerst geschickte Händlerin! Kannst Du schweigen?“, fragt er sie, als sie außer Hörweite aller anderen sind.
„Ja, gewiss. Sprecht!“
„Eines der Händlerschiffe, die an Värval vorbeikommen, ist heute in den frühen Morgenstunden gekentert! Das alte Ding scheint leck geschlagen zu sein. Mein Kundschafter kam vorhin mit der Kunde davon ins Lager zurück gerannt. Und die gesamte Mannschaft ist nun fort!“
„So? Vielleicht sind die an Land gegangen, um Hilfe zu holen!“
„Möglich, aber unwahrscheinlich. Dann wären sie nicht alle gegangen, denn das Schiff ist schwer beladen mit Tauschwaren! Es ist nicht auszuschließen, dass etwas von Utgard dahinter steckt. Dort draußen auf dem Meer weiß man nie … feindliche Wikinger vielleicht …“
„Aber hier, so nahe an Jølonslod? Das wäre mehr als tollkühn, denn der Jarl nimmt doch Rache für solcherlei Überfälle, mit seinen eigenen Drachenbooten!“
„Darum vermute ich ja, dass es die Kräfte Utgards waren. Die Vættir schlafen nicht. Vielleicht gar … eine Seeschlange.“
„Wirklich?!“
„Weiter draußen auf dem Meer werden die Dinger riesengroß. Es wäre nichts gänzlich Neues, wenn so etwas ein Schiff überfallen würde.“
„Entsetzlich …“
„Du und Deine drei Gefährten von neulich habt Talent mit so etwas! Ihr alle seid Ætlinge, und Veleif und Thorgrima haben einen Hælvar-Balogg getötet. Vorgestern seid Ihr einem Hirsch begegnet, mit dem etwas ganz und gar nicht gestimmt haben soll … vielleicht nach Midgard gebracht von Odin dem Toten-Rufer! Nicht wahr?“
„Aber was willst Du, das wir tun?“
„Das Wrack liegt an der Küste, nordwestlich von hier. Nehmt alles was Ihr tragen könnt, und bringt es her! Reste eines Vermögen warten dort an Bord noch. Die können uns hier zugute kommen, und den Vorbesitzern nützen sie nichts mehr. Aber Ihr müsst gehen, niemand anderes! Wenn es eine Seeschlange war, oder andere Kräfte Utgards, dann könnt nur Ihr vier damit umgehen!“
„Begleitest Du uns nicht? Du bist auch Ætling!“
„Aber ich werde hier bleiben müssen, um die Sache zu verschleiern. Die Bergung nützt uns nichts, wenn das ganze Lager davon weiß. Ich will hier einen Gewinn erzielen, Æstrid!“
„… Und den Plunder unter allen hier aufzuteilen wäre tatsächlich nicht eben einträglich. Das stimmt leider.“
„Oder Hauptmann Hargeir reißt sich gleich alles unter den Nagel, als unser Ranghöchster! Das wäre denkbar. Ich kann ihn noch nicht einschätzen.“

Æstrid soll Geistesschärfe+Empathie würfeln, um zu sehen, ob sie Enders Tonfall vielleicht misstraut. Die Schwierigkeit wird um zwei erhöht für sie, weil sie ebenfalls großes Interesse an guten Gelegenheiten hat, zu profitieren! Sie erreicht einen einzigen Erfolg. Herr Olevsson kommt ihr mit seinem Vorschlag ein klein wenig schattenhaft vor … aber andererseits hat er ja gerade die Gründe dafür erklärt.

Auf Æstrids Initiative hin packen die vier Eidschwörer also wieder ihre Sachen und etwas Wegzehrung zusammen, und ziehen los, diesmal in nördliche Richtung.

Einen Reiseunternehmungs-Move mache ich diesmal nicht, die Reise ist nicht das Eigentliche bei der Mission, und es geht auch immer nur am Kiesstrand entlang. Trotzdem sollte ein Wurf her, um das Ziel zu entdecken: Veleif orientiert sich mit Wahrnehmung+Überleben, Æstrid hilft ihm mit Wahrnehmung +Aufmerksamkeit. Gemeinsam erzielen sie fünf Erfolge, und finden nach wenigen Wegstunden einen hellgrauen Umriss auf der stillen, blauen See, dort, wo Enders ihn beschrieben hat.
Tatsächlich, ein Handelsboot.
„Seht, es hat Schlagseite, und bewegt sich nicht. Es muss mittlerweile auf eine der Sandbänke aufgelaufen sein“, sagt Æstrid. (Sie ist die einzige hier, die sich bei Charaktererschaffung ein Pünktchen in der Seefahrt-Fertigkeit leisten konnte.)

Für diese Entdeckung haut der simulierte Spielleiter sogar großzügig einen Punkt Weisheit raus für Æstrid und Veleif, sagt das Orakel.



Den Schauplatz erreicht man nur schwimmend. Demetrius bewacht die Lederrüstungen, Waffen, und klobigeren Gegenstände der drei anderen, die sind unmöglich über so eine große Entfernung mitzunehmen. (Und Demetrius hat Geschick 1, er schwimmt wahrscheinlich ebenso wie er auch aussieht, nämlich wie eine griechische Steinstatue!)

Der Rest kommt rüber zum Wrack, Veleif und Thorgrima schaffen es gerade so, ziehen sich japsend an Deck, als Æstrid dort schon umher sucht. Das Deck steht schief und ist in der Mitte halb geborsten, man muss sich vorsichtig darüber hangeln. Warensäcke und Kisten liegen verstreut, oder treiben um die Stelle herum im Wasser.
„Dich hat doch Deine Händler-Spürnase so schnell schwimmen lassen …!“, keucht Veleif.
„Halt' mal die Schnute! Hier stimmt irgendwas nicht …“, sagt Æstrid konzentriert.

Denn die Orakelwürfel haben gerade angegeben:

Hier sind Krallenspuren im Schiffsholz zu finden!
„… Eine Seeschlange war das aber nicht!“, sagt Æstrid, „und auch keine Wikinger.“
„Zumindest keine Wikinger, in deren Adern nur Menschenblut fließt …“, fügt Thorgrima hinzu.
„Du glaubst, hier stecken Garou dahinter?!“, fragt Veleif aufgeregt, „Wölfe des Meeres?“
„Nur warum?“, sagt Thorgrima gedankenverloren.
„Vielleicht ist es einer aus der Mannschaft gewesen!“, schlägt Veleif vor, „eine Schmähung hat ihn in das versetzt, was als die Raserei gefürchtet ist! Willenlos hat er alle an Bord gerissen! Und ist danach geflohen, in seiner untilgbaren Schande!“
„Lasst uns Planken aus dem Deck brechen, um ein Floss zu bauen“, entscheidet Thorgrima, „darauf vertäuen wir so viel Plunder wie nur möglich. Nehmt die wertvollsten und gleichzeitig leichtesten Dinge zuerst. Und haltet alldieweil Ausschau nach Feinden!“

Gemeinsam erzielen Veleif und Thorgrima sieben Erfolge bei Stärke+Handwerk, und stellen ein ziemlich stabiles, provisorisches Floss aus herausgebrochenen Planken her. Æstrid stellt schon mal die Fracht dafür zusammen. Auf ihrem Gesicht steht unleugbar Freude dabei; so seltsam die Umstände hier sind, ist das doch ein großer Batzen Ware, und alles gratis.

Können sie dies ungestört tun? Nein, entscheiden die Orakelwürfel, etwas kommt dazwischen. Nicht an Land bei ihrem Ausguck (Demetrius), sondern vom Boot selbst! Dazu habe ich sofort eine Idee:

Als die beiden Flossbauer erneut eine Menge Planken lösen, kommt urplötzlich eine Gestalt mit einem wilden Schrei von unten heraus gesprungen — von unter Deck! Ein Überlebender des Scharmützels, der sich bisher versteckt gehalten hatte! Sein schwarzer Bart ist zerrauft, getrocknetes Blut klebt in seinem Gesicht, in seiner Hand ein Enterbeil! Und unsere Helden haben ihre sperrigen Waffen an Land lassen müssen, Æstrid hat ihren Dolch, Veleif sein kleineres Handbeil, und Thorgrima ihr Jagdmesser.

Die Zugreihenfolge wird sein: Thorgrima, dann der Angreifer, Æstrid, und Veleif. Veleif schafft seinen Wurf gegen die Überrumpelung jedoch nicht, und kann in der ersten Runde noch nicht agieren, er steht mit offenem Mund da, als der Irre aus dem Loch im schrägen Deck gesprungen kommt.
Die Schildmaid ist zusammengefahren, und gibt dem Angreifer im Affekt einen mächtigen Kinnhaken. Er absorbiert ordentlich, und behält zwei Level Schlagschaden. Dann ist er dran, und lässt die erhobene Enteraxt auf sie dreinfahren, und da sie ihre Rüstung an Land lassen musste, kann Thorgrima den Tödlichen Schaden nicht absorbieren! Das sind vier Wundlevel! Die Axt fährt in ihren Oberarm, Blut spritzt. Æstrid schreit erschreckt, messert den Irren von der Seite, und richtet drei Wundlevel an. Da dieser ebenfalls keine Rüstung trägt, kann auch er nicht absorbieren, und ist insgesamt auf fünf Wundleveln.

Laut der Orakelwürfel reicht dies aus, um ihn zum Aufgeben zu bewegen:
Er kullert am schrägen Deck herab, gegen die Reling im Wasser.
Æstrid und Thorgrima kriegen beide einen Punkt Ruhm (die Schildmaid ist aber eh schon voll bis zu ihrem Ritus der Anerkennung).

Jetzt muss das Floss zuerst mal verwendet werden, um Thorgrima mit ihrem blutverschmierten Arm und den betäubten Gefangenen überzusetzen. An Land nimmt sich Demetrius beider schleunigst an. Er bringt den Bewusstlosen außer Lebensgefahr und stillt die Blutung der Schildmaid, jetzt hat sie nur noch drei Wundlevel.
„Das muss jemand sein, der den Angriff an Deck überlebt hat!“, sagt Veleif währenddessen aufgeregt, „er hat seitdem unter Deck gelauert, vielleicht war er auch da schon nicht mehr ganz bei sich!“
„Wer auch immer das ist“, sagt der Gelehrte streng, „Wenn wir ihn wieder zu vollem Bewusstsein bringen können, kann er uns berichten, was an Bord wirklich passiert ist. Mich deucht, das wäre sehr wissenswert!“

Da bleiben nur noch Æstrid und Veleif, um den Plunder zu flößen. Ihr Teamwork bei Konstitution+Athletik bringt vier Erfolge, so sind sie nicht sonderlich schnell, aber dennoch erfolgreich. Eine Menge wertvoller Plunder häuft sich nach zwei Fahrten am Strand an. (Veleif in seiner neuen, romantischen Verwirrung versucht während der ganzen Arbeit, sich nicht von seinen ungewohnten Gefühlen ablenken zu lassen.)

„… Wir vergraben alles, was nicht verderblich ist“, sagt Demetrius, „die beiden Verletzten gehen nun unbedingt vor. Thorgrima kann nichts tragen, und zwei andere sind mit dem Fremden beladen.“
„Dann bleibe aber noch ich!“, sagt Æstrid dickköpfig, „Ich trage auf jeden Fall eine Kiepe voll Ware! Den Rest können wir meinetwegen verbuddeln. Dann kommen wir heimlich zurück.“

Der Schriftgelehrte bekommt zwei Punkte Weisheit für seinen guten Rat.


Der Rückweg ist hart und mühsam. Glücklicherweise erreichen die SCs das Lager ohne weitere Zwischenfälle.
„Natürlich werden alle Siedler wissen wollen, warum wir einen halbtoten Fremden ins Lager schleppen!“, sagt Demetrius bedenklich, „Wir werden lügen müssen, um ihn dem Heiler-Zelt überantworten zu können, ohne unsere wahre heutige Unternehmung aufdecken zu müssen!“
„Oder wir lügen nicht, aber schweigen uns aus über die Einzelheiten!“, sagt Æstrid, keuchend unter ihrer vollgestopften Kiepe.
„Wir lassen ihn hier in diesem Wäldchen“, sagt die blassgesichtige Thorgrima, „mein schmerzender Arm sagt mir, dass dieser Kerl kein Freund ist! Demetrius wird ihn hier draußen heimlich verarzten, bis wir den Hallodri befragen können.“
Der Grieche sieht wenig glücklich über diese Entscheidung aus, öffnet den Mund, um zu widersprechen, aber lässt es dann. Immerhin Thorgrima schickt er ins Heiler-Zelt zu Hilduna. Æstrid geht mit ins Lager, um mit Enders Olevsson die erste Beute zu sichten, und mit ihm zu sprechen.

Wenig später sitzen die beiden Männer tief im Gebüsch, wo sie eine geschützte Stelle freigeschlagen haben.
„… Musst Du eigentlich immer tun, was eine Frau Dir sagt?“, fragt Veleif neugierig. Seine Stimme klingt dabei etwas trotziger als er beabsichtigt hatte.
Demetrius sieht von seinem Patienten auf.
„Ich mein', weil Thorgrima das vorhin beschlossen hat. Und jetzt sitzen wir uns im Ginster die Ärsche platt! Hab' genau gesehen, dass Du eigentlich was dagegen sagen wolltest, Herr Zeniades! Aber dann hast Du’s gelassen! Darum frage ich mich. Musst Du immer spuren, wenn Frauen Befehle geben?“
„Du fragst wegen der Traditionen meines Stammes?“, fragt er ruhig.
„Genau.“
„Eine Anführerin — oder auch ein Anführer — ist oftmals nur so stark wie die Unterstützung, die ihr zukommt! Es wäre ein närrischer Mitstreiter, der es besser wüsste, und dennoch aus Prinzip oder falsch verstandenem Ehrgefühl heraus schweigen würde seiner Anführerin gegenüber.“
„Und trotzdem sitzen wir jetzt hier, wie Ratatoskr das Eichhörnchen.“
„Na und? Dann ist es eben unbequem! Das Leben ist voller Unbequemlichkeit. Der Verletzte wird auch hier genesen, ich habe noch alle Arznei hier, die er vorerst braucht. Deine Stammesgenossin Thorgrima ist nicht dumm. Vielleicht übervorsichtig, gewiss, aber besser dies als zu vertrauensselig.“
„Also gehorchst Du ihr nicht allein deswegen, nur weil sie eine Frau ist.“
„Nein. Aber sie macht sich recht gut als Anführerin. Es wäre falsch, ihr ihren Willen nicht zu lassen.“
„Ich hatte neulich schon Argwohn, Du währest drauf aus, Thorgrima zur Schwarzen Furie umzuerziehen! … Hier auf Gotland ist's wohl ein wenig anders als in Griechenland!“
„Ich halte es für einen Fehler, die Führung einem Manne zu überantworten, nur weil er einer ist. Dies habe ich hier in den Nordlanden oft beobachtet.“
„Komisch … ich stelle mir vor, dass bei Dir zuhause alles andersrum ist!“
„Nicht so. In Athen genießen die Frauen höheres Ansehen, dort ist das Leben etwas kosmopolitischer …“
„Kosmo-was?!“
„… Es gibt jedoch große Teile Griechenlands, wo die Geschlechterrollen genauso verteilt sind wie bei Euch im hohen Norden. Nur die Stammesbräuche der Schwarzen Furien sind da anders. Älter. Aus einer Urzeit, als die Frauen geherrscht haben.“
„Dir scheint jedenfalls alles nicht so wichtig zu sein, Herr Zeniades! Dich kann kein Wässerchen trüben, was?“
„Mir persönlich hilft nicht nur die Weisheit meiner Stammesgefährten, sondern auch eine Errungenschaft der Menschen, Veleif. Die Stoa. Obschon unmöglich für das Temperament der Garou, ist sie in Händen eines Menschen ein beinahe unschlagbares Werkzeug.“
„Das klingt gut! Erzähl' mir die Sage von dieser Waffe!“
„Die Stoa ist eine Lehre, keine Waffe, mein Junge.“
„Wirklich? Och, dann brauchen wir das in den Nordlanden wahrscheinlich nicht.“
„Wir werden sehen!“, schmunzelt Demetrius, geradezu vergnügt.

Schalter:
Thorgrima wird eine Woche brauchen, bis sie wiederhergestellt ist nach dem Axthieb. Auch sie hat eine neue, ruhmreiche Narbe, auf die sie sich freuen kann.

In der Zwischenzeit wird man den Gefangenen wieder zum Reden bringen können. Aber wird er freiwillig das Maul auftun?

Die Orakelwürfel sagen, nein, er ist womöglich traumatisiert, und jedenfalls ist er entschlossen, zu schweigen!
Außerdem sagt das Orakel, dass Enders und seine Getreuen spitz bekommen, dass es einen Überlebenden von Bord des Handelsbootes gibt, der außerhalb des Lagers verweilt, und deutliches Interesse an diesem zeigen!

„… Ihr müsst mich mit dem Manne sprechen lassen!“, sagt Enders zu Æstrid, einen Tag nach dem Bergungskommando.
„Du weißt doch gar nicht, wo der herkommt, Herr Olevsson!“, versetzt Æstrid grimmig, „wieso denkst Du, dass der Dich anginge?“
Nach wie vor hat sie keinen Bock, direkte Lügen erzählen zu müssen, weil das ihr Ansehen schmälern würde. Noch dazu vor demjenigen, der versprochen hat, ihnen einen Garou hierher zu organisieren, der den Ritus der Anerkennung für sie ausführt, um eben dieses Ansehen zu zementieren!
„Weil Ihr ihn ja nicht in der Wildnis aufgelesen habt. Er kommt von Bord! Ich habe ebensolches Interesse daran, zu erfahren, was mit dem Handelsboot geschehen ist wie Ihr vier! Und ich habe den Vorteil, dass ich viele Seeleute kenne! Mit mir wird er wahrscheinlich reden. Vielleicht kennen wir uns ja sogar, der und ich!“
Enders Olevsson würfelt sehr viel höher als Æstrid mit Wahrnehmung+Empathie dagegen halten könnte. Sie gibt ihm also Recht, und verspricht, mit Demetrius und Veleif zu sprechen.

„… Das sollten wir auf keinen Fall tun, o Æstrid!“, sagt dieser streng, „Du selbst hast neulich gesagt, dass Du Enders nicht völlig traust!“
„Aber mit uns dreien redet der Hundsfott ja nicht!“, zischt sie wütend, und schaut auf den Schwarzhaarigen herab, der zwischen ihnen auf seinem Strohlager liegt. (Da er ein Gegenspieler ist und außerdem kein Blutsbruder, sollte es okay sein, ihn ein bisschen zu beleidigen.)
Der Hundsfott hüllt sich in sein übliches Schweigen!
„Kein Grund für Verzweiflungstaten, denke ich“, murrt Demetrius.
„Aber was ist, wenn Du Recht hast, Æstrid, und Enders Olevsson tatsächlich nicht völlig zu trauen ist?“, fragt Veleif.
„So, Bürschchen, komm' mal mit!“, ereifert sich Æstrid, und stapft aus dem Buschwerk hinaus.
Veleif folgt ihr verdutzt.
Flüsternd sagt die Dänin, „Nach allem was wir wissen, könnte der Verräter, vor dem die Runen gewarnt haben, genauso gut Herr Zeniades sein! Thorgrima befürchtet das, glaube ich!“
„Nee, glaube ich mittlerweile nicht mehr, Æstrid. Ich hab' ja jetzt einige Wartezeit mit dem verbracht in diesem dummen Wäldchen. Der klingt durch und durch vernünftig! Der will niemandem was Böses, den interessiert nur sein Weiberstamm!“
„Eben!“, versetzt Æstrid, und muss sich mühevoll beherrschen, um nicht die Stimme zu erheben, „Aber die Schwarzen Furien wollen vielleicht was Böses! Das sind unsere Erbfeindinnen! Wer weiß, was der Kerl hier für die rausfinden soll!“
„Glaube ich irgendwie nicht. Vielleicht ist das nur genau so wie der sagt, und er ist ein Diener auf einer Friedensmission, nichts weiter!“
„Sei' doch nicht so naiv!“
„Und Enders Olevsson trauen, das ist nicht naiv?“, fragt Veleif.
„Aber er ist wahrscheinlich der einzige, mit dem der Gefangene reden wird! Das gefällt mir auch nicht besonders, aber da kannste nichts gegen sagen! … Was ist, wenn Du neulich Recht hattest? Was, wenn ein Werwolf mit an Bord dieses Schiffes war, der in Raserei verfallen ist? Dann haben wir es mit dem zu tun! Ein einsamer Tobsüchtiger, der sein Gesicht verloren hat durch die Raserei, und dem nun alles egal ist! Für den sieht Värval vielleicht aus … wie ein Futtertrog!“
Veleif schaut sie groß an. Diese Vorstellung ist in der Tat nicht behaglich.

Sie kehren in das Gebüsch-Versteck zurück.
Æstrid sagt, „Also, Herr Zeniades, ich hole jetzt jedenfalls Herrn Olevsson her.“
„Dazu rate ich nicht. Der hier ist immer noch mein Patient! Ein Unliebsamer zwar, aber dennoch, und wir müssen uns zu seinem Schutz verpflichten. Enders Olevsson wird ihm schaden wollen.“
„Wie kommst Du denn jetzt darauf?“
„Ich denke mir das so: Enders Olevsson ist doch hier, um Profit zu machen. Und er ist ein Wikinger, oder zumindest mit solchen zur See gefahren! Und er steht mit einzelnen Garou im Bunde, wie wir. Warum sollte er uns von einer Seeschlange erzählen, obwohl doch Krallenspuren an Bord zu entdecken waren?“
„Worauf willst Du hinaus?“, zischt Æstrid.
„Es steht leider zu befürchten, dass der oder die Garou an Bord des Handelsbootes mit Olevsson zusammen gearbeitet haben, und die Sterblichen an Bord absichtlich gemeuchelt haben. Damit Enders die Beute würde aufsammeln können. Was er getan hätte, durch uns, als seine unwissenden Büttel.“
„Aber er hätte die Beute doch mit uns geteilt.“
„Natürlich, es wäre ja genug davon da gewesen. Und Värval insgesamt hätte kräftig davon profitiert. Noch haben wir fast nichts, und mit dieser Schiffsladung ließen sich einige Händel machen, mit denen die Siedlung schneller floriert.“
„Aber wenn der Jarl von Jølonslod davon erführe … es war ja eins seiner Schiffe!“, sagt Veleif.
„Das wäre ungünstig für die Siedlung. … Und wenn es so weiterginge, würde dies hier kein Händlerdorf, sondern ein Wikingerdorf. Möglicherweise im Kriegszustande mit Jølonslod.“
„Hast Du gehört, Du Wasserratte?“, fragt Æstrid mit einem wütenden Blick auf den Gefangenen zwischen ihnen, „Du könntest das alles abkürzen, indem Du endlich doch noch auspackst! Enders Olevsson könnte Dir ans Fell wollen, hast Du nicht gehört?“
Demetrius zuckt die Schultern, „Es kann sein, dass er uns in seinem Zustande nur die Hälfte der Zeit versteht. Du hast mit Deinem Dolch seine Leber und Lunge verletzt, Æstrid. Er kämpft zwar nicht mehr um sein Leben, aber wird nicht nur schweigsam sein, er ist auch nicht ganz klar.“
„Und er hat den Entsetzlichen Wahn erlitten an Bord!“, sagt Veleif, „der, der die Sterblichen ereilt, wenn sie einen Garou in seiner Kriegsgestalt sehen!“
„Das Delirium“, bestätigt der Gelehrte, „Ja, wahrscheinlich. Sein Gedächtnis ist also sowieso gestört dadurch.“
Æstrids Blick verändert sich, während sie auf den Gefangenen herab schaut, sie sieht plötzlich furchtbar schuldbewusst aus. In der Bibel ihrer Kinderzeit standen sehr klare Worte über das Töten. Aber sie wollte doch nur Thorgrima vor ihm retten!

Da wissen unsere Helden gerade nicht weiter. Aber es ist ein kleines Zeltlager, sie werden ihren Gefangenen nicht ewig versteckt halten können.

Was sagen die Orakelwürfel dazu, gelingt es Enders Olevsson, den Seefahrer abzumurksen? Dies wird klar bestätigt, und das Resultat ist ein Pasch. Das bedeutet bei Ironsworn, dass noch etwas Besonderes obendrein geschieht!

Veleif ist in dieser Nacht beauftragt, allein auf den Seefahrer aufzupassen, während Demetrius im Zelt der Heilerinnen nach Thorgima sieht. Hilduna und ihre Kräuterfrauen haben ein wenig von ihrer Skepsis dem Fremden gegenüber abgelegt, und lassen ihn einen Rat aussprechen bezüglich Thorgrimas schlimmer Axtwunde. Ihr Zustand ist heute bedenklich! Also sitzt Veleif genervt alleine herum in dem blöden Wäldchen. Er kann hier ja nichtmal Licht machen, um sich die Bilder in Demetrius' Büchern anzusehen. In seinem Fieber spricht der Gefangene ganz leise, zumindest seine Lippen bewegen sich! Veleif rückt mit dem Ohr näher ran und lauscht angespannt.

Fragen wir doch das Orakel Themes, worum es geht: Ruin ist das Ergebnis! Dramatisch, warnt der Seefahrer vor dem Ruin … oder spricht er gar von einer der Ruinen aus der Eisenzeit? Letzteres gefällt mir so gut, dass ich das gar nicht zufällig entscheide.

„… Hjulgrav …“, hört der Junge das Wispern, der Kerl spricht im Fieber vor sich hin, „… die Ruine unter der Erde … wahrhaftig, Hjulgrav … halber Tag östlich von Nemsø … alle Männer zusammentrommeln … todesmutiges Dutzend … egal, wie viele dort unten in den Ruinen umgehen … Ruhelose …“
„Was hat das zu bedeuten?“, flüstert Veleif zurück, „Was ist da bei Nemsö?“
Aber nichts Kohärentes folgt darauf noch. Der Kerl schläft friedlich.
Ungeduldig wartet Veleif auf Demetrius. Er will wissen, wie es Thorgrima geht. Und jetzt will er obendrein wissen, was der Gelehrte von dem deliriösen Gebrabbel hält?

Schließlich hört Veleif eine leise, brüchige Stimme, die … weint! Er lauscht. Es kommt aus der Nähe, vom Rand des Wäldchens. Æstrid?

Er steht auf, lauscht weiter. Ja, unverkennbar, Æstrid. Er schaut auf den Seefahrer herab, der offensichtlich gerade nichts benötigt, und auch ganz sicher nicht zu flüchten versuchen wird. Dann schleicht er aus dem Versteck, tastet sich dem Geräusch entgegen.
Æstrid sitzt auf einem bemoosten Baumast am Boden und heult leise.
„Was ist denn los?“, fragt Veleif.
Sie erschrickt und sieht zu ihm auf.
„Ich wollte dem Hundsfott was mitbringen, damit es ihm vielleicht besser geht …“, sagt sie tonlos, in ihrer Hand ist eine Tonflasche mit Bier, „aber jetzt … traue ich mich plötzlich nicht mehr hin!“
Veleif setzt sich neben sie auf den Baumast, „Wir können einfach hingehen! Kein Grund zu flennen, Æstrid. Er freut sich bestimmt, wenn er aufwacht. Demetrius wird ihn noch nichts saufen lassen, aber er versteht bestimmt die Geste …“
Sie schweigt. Er sitzt bedröppelt neben ihr und schweigt auch, wartend.
„Was ist denn wirklich los?“, fragt er schließlich.
„Ich hab' ihn womöglich umgebracht! Wenn der draufgeht, dann wegen mir!“, sagt sie leise.
„Ja, aber in Notwehr!“
„Egal. In meinem Elternhaus galten andere Regeln. Ich hätte ihm ja auch ein Bein stellen können, oder seine Axt festhalten. Warum nur musste ich den Dolch benutzen?“
Veleif legt ratlos den Arm um Æstrids Schulter, und sie sinkt gegen ihn.
„Komm' wir gehen zurück und Du gibst dem Dein Bier. Er versteht die Geste bestimmt. Ich weiß nicht, wie’s bei Euch Dänen ist, aber hier oben ist klar, dass das, was im Kampf geschieht, manchmal nicht böse gemeint ist, sondern eben nötig.“
Sie schluchzt tonlos noch ein Weilchen weiter.
Veleif küsst schließlich ihre Schläfe.
„Was soll das denn jetzt?“, fragt Æstrid, „ich bin traurig!“
„Oh, äh! Entschuldige! Ich dachte nur …!“, stottert er.
„Und überhaupt, Du Trottel. Ich bin viel älter als Du!“
„Viel älter, von wegen, drei Jahre nur! Mir doch egal?“, sagt er trotzig.
Dann knutschen sie ungeschickt ein bisschen.


Demetrius kommt auf das dunkle Versteck zu, tastet sich durch das Unterholz, er kann ja kein Licht anmachen, damit unten im Zeltlager niemand Argwohn schöpft. Dann aber kommen plötzlich Fackeln hinter den Büschen hervor! Er erstarrt in der Bewegung. Das sind auch nicht Æstrid und Veleif, die die tragen! Genau genommen stehen die beiden ganz in der Nähe der fünf Fackelträger, und sehen blässlich und verunsichert aus! Eine bekannte Silhouette tritt näher — Enders Olevsson!
„Schönen guten Abend, Herr Zeniades! Da bist Du auch.“
„Was geht hier vor?“, fragt dieser laut.
Aber er sieht im Fackellicht schon, was Sache ist, der Seefahrer zwischen den Büschen wird beleuchtet, und sein Kopf liegt mehrere Zentimeter vom Körper entfernt.
„Ich würde jetzt gerne endlich erfahren, wo unsere gemeinsame Beute vergraben liegt, Herr Zeniades!“, grinst Enders, „Meine Mannen wollen sie noch heute Nacht abholen! Und dann sollt Ihr Euren Anteil davon haben.“

Das war das Orakelwürfel-Resultat mit dem Pasch!

Demetrius bekommt nachträglich noch zwei Punkte Ehre, für das ursprüngliche Beschützen eines Hilflosen, Veleif und Æstrid bekommen die auch, kriegen aber beide gleich wieder einen abgezogen, weil sie im falschen Moment Emo-Gespräche führen mussten, und so den Schurken ihre Gelegenheit gegeben haben, zuzuschlagen. (Wie sie das Versteck überhaupt gefunden haben, weiß man nicht, aber allzu schwer kann es dann auch nicht gewesen sein, wie gesagt ist dies ein kleines Zeltlager.)

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