Medien & Phantastik > Lesen
[Rant] H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten
tartex:
Ich lese ihn genau deshalb. Weil der so eine entspannende Distanz zu anderen Personen in den Stories schafft - inklusive dem Erzähler. Ich muss eh schon regelmäßig mit Leuten in Realtime reden. Da brauche ich nicht noch 'natürlichen' Dialog in der Literatur. Es gibt viele Gespräche in den Lovecraft-Geschichten, aber auch nicht in der direkten Rede - sondern aus der Distanz
Und mein Lovecraft-Lektüre fördert eigentlich viel Action zu Tage - halt auch aus der Distanz. Es ist sehr entspannend das zu lesen.
Deshalb fand ich Lovecraft als Teenager auch nur schnarchig und habe ihn erst später zu schätzen gelernt, als ich nicht mit der Erwartung ranging mich zu gruseln, sondern einfach was altmodisches, traumartiges lesen wollte. Der Traumbezug kommt ja öfters vor. Kein Zufall würde ich behaupten.
Das ist eindeutig mit viel Talent geschrieben. Das Talent wird halt nicht dazu benutzt einen Thriller zu verfassen.
Action sieht bei Lovecraft halt so aus:
--- Zitat --- Actually, the horrified pause of the men was of comparatively brief duration. Duty came first; and although there must have been nearly a hundred mongrel celebrants in the throng, the police relied on their firearms and plunged determinedly into the nauseous rout. For five minutes the resultant din and chaos were beyond description. Wild blows were struck, shots were fired, and escapes were made; but in the end Legrasse was able to count some forty-seven sullen prisoners, whom he forced to dress in haste and fall into line between two rows of policemen. Five of the worshippers lay dead, and two severely wounded ones were carried away on improvised stretchers by their fellow-prisoners. The image on the monolith, of course, was carefully removed and carried back by Legrasse.
--- Ende Zitat ---
Bei anderen Autoren würde gerade der Teil über 20 Seiten gehen, mit Anschleichen und Spannungsaufbau, Heranzoomen an Gesichter und Emotionen, etc, etc. Aber sowas habe ich schon dutzendemale so ausführlich gelesen. Da habe ich lieber die elegant ausformulierte Zusammenfassung.
Horsinand:
So hohl finde ich die Erzähler/Protagonisten bei HPL garnicht. Über den Hauptcharakter bei Schatten über Innsmouth erfährt man so einiges - später auch zur Familiengeschichte (was natürlich der Clou ist).
Bei The case of Charles Dexter Ward erfährt man auch so einiges zu den Protagonisten etc.
Die Angaben reichen mir da völlig.
Philipp.Baas:
Die Hintergrundgeschichte ist nicht das Problem. Es ist der Blick in den Spiegel, der verhindert wird. Ebenso wie die emotionale Verdichtung, die über die Grundemotion des Genres hinausgeht. Bei Lovecraft Angst, Panik und Verwirrung. In meiner Erinnerung sind die Figuren nicht wütend, gekrängt, euphorisch, fröhlich sondern (wie hier schon mehrmals gesagt) distanziert außer es geht um die Grundemotion.
Megavolt:
Vielleicht sind die Erlebnisse mit den Texten vom Lovecraft auch deshalb so unterschiedlich, weil es so viele gibt, und weil sie schon eine erkennbar unterschiedliche Qualität haben. Es ist vermutlich relevant, ob man "die fünf besten" kennt oder "die fünf grottigsten". Vielleicht reden wir hier letztlich über unterschiedliche Texte, die erst mal nur das Label verbindet.
Vielleicht sollte jeder mal seine Lieblingsgeschichten nennen (oder sein meistgehasstestes Stück), dann könnte man auch bei einer erneuten Annäherung ein bisschen sortieren und hätte vielleicht einen insgesamt günstigeren Zugang.
Ich denke, ich mag die Farbe aus dem All am liebsten und ich halte Berge des Wahnsinns für das exemplarische Stück, an dem man Lovecrafts viele Mängel sehr klar sehen kann und sie auch ziemlich komplett und gebündelt vor sich liegen hat.
Anekdote: Ich habe letzthin (nicht zuletzt angeregt durch diesen ebenfalls sehr exemplarischen Tanelorn-Thread) mal im Hintergrund ein paar Lovecraft Geschichten in der YouTube Playlist dudeln lassen und sie semi-aufmerksam angehört. Und irgendwann dachte ich so: Okay, DAS ist aber mal eine coole Geschichte, wie heißt die denn? Und als ich nachgesehen habe, stellte sich heraus, die war nicht vom Lovecraft, der Algorithmus hat mich stattdessen zu einem besseren Schriftsteller weitergeleitet. ~;D
Niniane:
--- Zitat von: flaschengeist am 12.11.2024 | 23:58 ---Ich habe einen weiteren Versuch gewagt und zusätzlich "Die Musik des Erich Zann" sowie auf besondere Empfehlung eines Freundes "Der Schatten aus der Zeit" gelesen. Dabei ist mir noch ein Aspekt klar geworden, der mir bei Lovecraft fehlt: Keine Figur wird so beschrieben, dass ich eine Bindung zu ihr aufbauen kann. Dementsprechend ist mir auch egal, was diesen Figuren geschieht. Im Schatten aus der Zeit flieht beispielsweise im letzten Abschnitt der Protagonist vor einem diffusen Schrecken. Im Grunde spannend aber halt nur, wenn einem sein Überleben (und seine geistige Unversehrtheit) nicht am Allerwertesten vorbei geht.
--- Ende Zitat ---
Spannend, "Der Schatten aus der Zeit" war meine allererste Lovecraft-Geschichte, und ich hab mich soooo gegruselt. Dass der Protagonist so austauschbar war, hat mich gar nicht so gestört, ich fand die Beschreibung und die Auswirkungen ziemlich beklemmend.
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln