Klingt für mich nach: SciFi Settings sind in Hinblick auf realweltliche Bezüge gegenüber Fantasy Settings (potentiell) im Vorteil, weil man entsprechende Bezüge leichter einfließen lassen kann, ohne der Immersion oder Integrität des Settings zu schaden.
Ja, aber den Vorteil hat SF auch (leider!!!) bitter nötig.
Denn Fantasy hat so viele bekannte Tropes, dass es viel einfacher ist, sich da Vertrautheit zu schaffen.
Man fühlt sich in Fantasy Settings automatisch "zu Hause", weil es eben von der Basis "Mittelalter" (oder einer anderen Historischen Epoche) ausgeht und viele Standards (Elfen, Zwerge, Orks, Magie...) immer wieder recycelt.
Genau genommen hat Fantasy überhaupt DEN realweltlichen Bezug und variiert diesen immer wieder.
SF hat es da sehr viel schwerer, denn jedes Setting schafft wieder die Notwendigkeit, die Standards erst einmal neu zu setzen.
Im Rollenspiel kann man dann vielleicht auf bekannte Brands (Star Trek, BSG, Babylon 5, Firefly, ...) setzen und "guck den Film / die Serie" oder "lies das Buch" (aber wer liest schon noch) sagen...
Aber ansonsten kommen sich Neulinge eben ganz schnell auch verloren und überfordert vor.
Beispiel: Wir nehmen mal die Star Wars - a new hope (ja, umstritten, ob das SF ist, aber gut zur Verdeutlichung) Cantina Bar Szene vor. Für die gab es immerhin einen Oskar.
Und der Charakter Luke wird von einem Rollenspieler gespielt, der keine Ahnung vom Setting oder von SF hat. Wie soll der jetzt abschätzen, welche der Spezies in der Kneipe jetzt wie einzuschätzen ist? Wird Chewbacca ihn roh verspeisen oder nach Alderaan bringen? Die Ewok-Situation ist genau so und da spielt Star Wars sogar noch mit den Tropes.
Genau genommen weiß niemand bei der nächsten Landung auf einem Planeten, ob die Bewohner ihn in den nächsten Kochtopf stecken, als Heiligen verehren oder "Hallo Alder, Digga, wolle kaufe Souvenir?" rufen. Und das immer wieder neu bei jedem einzelnen SciFi Setting, das nicht auf bekannte Tropes (Military SF, Space Western, ...) oder bekannte Brands setzt und sobald man aus der Tür der eigenen vertrauten Umgebung rausgeht.
(nebenbei: Genau das Problem hatten wir beim Rollenspiel Numenera und deswegen nennt sich das bei uns inzwischen "das Numenera Problem"...)
Noch dazu kommt das Unendlichkeits-Problem. Bei Fantasy hat man (meist) nur einen Planeten und eine sehr langsame Reisezeit. Man reist in der Regel zu Fuß, zu Pferd, mit der Kutsche oder dem Segelschiff. Die Reichweiten und der Aktionsradius sind also extrem begrenzt. Und damit auch die Menge an Exploration, die man machen kann.
Bei SF hat man das Problem, dass man im Rollenspiel binnen kürzester Zeit eine unglaubliche Menge an Planeten besuchen kann - der Aktionsradius ist gewaltig.
Und überall gibt es neues zu entdecken. Spezies, Nationen - andere Länder, andere Sitten...
Schon heute kannst Du hypothetisch den ganzen Planeten Erde erkunden und innerhalb von 48 Stunden an jeden Fleck der Welt reisen und überall sein.
Und schon auf unserer Welt kann die Handgeste, die bei uns "alles okay" bedeutet eine tödliche Beleidigung darstellen. Was machen Carnivore Spezies des übernächsten Planeten mit Dir wenn Du "alles okay, wir kommen in Frieden" signalisierst? Vielleicht heißt das bei denen "bitte röste mich auf kleiner Flamme und biete mich als Gericht zum Brautgeschenk an!"
Und hier geht es gar nicht darum, jetzt alle Bräuche und Gewohnheiten zu kennen. Die kennen wir ja auch nicht für die Erde. Es geht darum, dass man nicht mal weiß, was man vielleicht nicht weiß. Und der Charakter, den man spielt, müsste das eigentlich wissen - man ist also nicht einmal nur mit der Welt unvertraut, sondern selbst mit der Rolle die man spielt, hat man Probleme, wenn der Spielleiter nicht ständig vermittelt.
("Nein, Du machst jetzt keine Gesten und lächelst auch nicht, denn auf Tau Ceti heisst das zum Beispiel 'Deine Oma hat ... und ist ...!' und wer weiß was das hier bedeutet!")
Und das ist der große Nachteil, den SF hat, weil man immer viel mehr Informationsvermittlung benötigt, um Vertrautheit zu schaffen - und genau deswegen sind realweltliche Bezüge von Vorteil, denn sie geben genau diese Vertrautheit.
(Ich vermute übrigens, dass das der Grund ist, warum SF im Rollenspiel so selten gespielt wird. Weil genau diese Unvertrautheit ganz viele abschreckt, sich dem zu widmen. Finde ich sehr schade, denn ich bin vom SF kommend ins Rollenspiel gerutscht und finde SF deswegen viel interessanter. Es wollen aber immer alle nur Fantasy zocken. Ich habe aber auch keine Lösung für das Problem.)