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Unterschiedliche Arten Verwundbarkeiten/Resistenzen zu modellieren

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Torsten (Donnerhaus):
Eine recht einfache Art Resistenzen zu modellieren, wäre bereits die je nach System abgestufte oder binäre Entscheidung, was überhaupt als Waffe gilt.

Ein Säbel ist wirksamer gegen Menschen als ein Blech mit Griff, weil er scharf ist und schneidet. Schert das einen Geist? Und schert es den Geist, dass viel Kraft im Schlag steckt?

Man könnte also beispielsweise ganze Waffengruppen/Angriffsarten die Qualität eine Waffe zu sein absprechen. Oder ihnen spezifische Eigenschaften aberkennen. Manche Systeme haben ja Modifikatoren, wo dann ein Säbel die Eigenschaft "scharf" hat und dergleichen.

Ebenso kann man verändern, welche Eigenschaften des Charakters zum Angriff oder Schaden beitragen. Gegen einen Geist könnte Ego/Willenskraft/Entschlossenheit oder sogar sowas wie Glaube, viel wichtiger sein, als Muskelkraft/Stärke/Geschick. Womöglich muss man für den Angriff sogar eine völlig andere Fertigkeit verwenden. Geisterkunde anstatt von Schwerter zum Beispiel. Schön und gut, wenn man ein magisches Bannschwert hat, aber man muss ja trotzdem noch wissen, wohin man das in das Elementarwesen stecken muss, um die größtmögliche Wirkung zu haben.
"Wenn es Chi blutet, können wir es töten!"
"Aber wo blutet es am meisten Chi?!"

Dazu kommt dann natürlich auch potentiell die komplette Gerald of Rivia Witcher Palette. Wenn ich dieses Öl auf die Klinge streiche, Stahl oder Silber, dieser oder jener Kristall, Pulver X und Y…

Je nach System kann man auch eine Menge auf Seiten der Gegnerwerte machen. Regeln dort zu verankern, wo sie spezifisch hingehören, hat ja auch gewisse Vorteile gegenüber immer dicker werdenden Grundregelbüchern. Dann bekommt die Wunden regenerierende Magmaechse eben die Spezialeigenschaft, dass sie, wann immer sie Schaden durch nicht verzauberte Waffen erleidet, sie sofort im Anschluss an einen Angriff für einen Punkt Ausdauer den kompletten gerade erlittenen Schaden heilen kann. Solche Mechanismen können auch so konstruiert werden, dass sie es zwar grundsätzlich ermöglichen etwas mit konzentrierter Übertötung zu besiegen, es aber extrem unwahrscheinlich machen. Meine heilende Magmaechse müsste schon genug Schaden auf einen Schlag bekommen, um direkt erschlagen zu sein, oder man müsste sie allmählich zermürben, indem man ihr Regenerationspotential aufbraucht.

nobody@home:
Fate hat per Voreinstellung erst mal gar keine eigene Resistenz-/Verwundbarkeitsregelkategorie. Man kann sie sich natürlich selbst für die eigene Kampagne basteln, wenn man möchte (wie mit den beispielhaften Waffen- und Rüstungswerten aus den "Extras"- und "Optionale Regeln"-Kapiteln von Fate Core bzw. Kompakt), aber rein vom Regelkern selbst her sehe ich im Wesentlichen drei Möglichkeiten:

1.) Anspielen entsprechender Aspekte des Ziels, im Guten wie im Bösen -- das ist dann natürlich nicht einfach "automatisch", paßt aber in den allgemeinen Fate-Systemzusammenhang, wo Situationsvorteile eh schon in erster Linie zum Verbrauch bestimmte Einmalboni liefern;

2.) ausdrückliche Ausstattung des Ziels mit geeignet vorformulierten Stunts (natürlich in erster Linie zu dessen Vorteil); und schließlich

3.) das schlichte Für-Unmöglich-Erklären von Aktionen, die es aus der Fiktion heraus einfach sein sollten, wie's die Spielleitung ohnehin schon kann -- das deckt vor allem Immunitäten ab. Wenn ich aus naheliegenden Gründen gar nicht erst würfeln lasse, ob ein normaler Mensch einen rollenden Panzer mit den bloßen Fäusten zu Klump schlagen kann, dann muß ich das eben auch nicht tun, wenn jemand mit seinem Schwert im Körpervolumen eines Gespensts herumfuchtelt, das dabei nur überlegen grinst.

Das mag insgesamt etwas platt klingen (insbesondere der letzte Punkt, der eigentlich für so ziemlich alle Systeme gelten sollte, aber anscheinend gerne mal vergessen wird, wenn's nicht ausdrücklich für jeden Einzelfall noch mal gesondert verregelt ist), aber für "einfach nur aus den Grundregeln selbst abgeleitet" steckt da an Möglichkeiten fürs Spiel schon so einiges drin. Zumal für ein System wie Fate, das im Konfliktfall ohnehin ca. eine Abstraktionsebene oberhalb der klassischen Ballistiksimulation ansetzt und auch dann noch funktioniert, wenn gar nicht jeder "erfolgreiche" Angriff überhaupt ein direkter Körpertreffer sein muß -- da fallen dann insbesondere kleinere situative Resistenzen und Verwundbarkeiten, die genau das voraussetzen würden und außerdem nur für ganz bestimmte "Schadenstypen" gelten sollen, schnell mal komplett durchs Raster.

Feuersänger:

--- Zitat ---Gegen einen Geist könnte Ego/Willenskraft/Entschlossenheit oder sogar sowas wie Glaube, viel wichtiger sein, als Muskelkraft/Stärke/Geschick. Womöglich muss man für den Angriff sogar eine völlig andere Fertigkeit verwenden.
--- Ende Zitat ---

Jetzt wo du's sagst, iirc macht Shadowrun das so, jdf in älteren Eds. Da werden Geister mit Willenskaft angegriffen oder mit Charisma, ich weiß es nicht mehr genau, aber irgendwie sowas. Und die physische Waffe ist irrelevant, außer sie ist gleichzeitig ein Waffenfokus (vulgo magische Waffe).

Torsten (Donnerhaus):

--- Zitat von: nobody@home am 29.01.2025 | 13:02 ---Wenn ich aus naheliegenden Gründen gar nicht erst würfeln lasse, ob ein normaler Mensch einen rollenden Panzer mit den bloßen Fäusten zu Klump schlagen kann, dann muß ich das eben auch nicht tun, wenn jemand mit seinem Schwert im Körpervolumen eines Gespensts herumfuchtelt, das dabei nur überlegen grinst.
--- Ende Zitat ---

Das bringt mich auf einen anderen spannenden Aspekt, den man bei solchen Themen noch bedenken muss. Nämlich wie die Regeln überhaupt funktionieren. Was machen die Kampfregeln? Ist das ein System, das versucht technische Abläufe zu simulieren? Oder etwas völlig anderes?

Mir fällt das nur gerade auf, weil mir ein Fall bekannt ist, wo jemand einen Panzer besiegt hat. Nicht mit bloßen Fäusten, sondern mit bloßen Fäusten, einem Handbeil und einer Zeltplane. Am Ende war der Panzer neutralisiert und bezwungen, aber ohne, dass der Panzer dabei relevanten Schaden erlitten hätte. Trotzdem waren das die Mittel, die der Angreifer hatte und nichtsdestotrotz wurde das Ziel "Panzer besiegen" dabei erreicht.

Unser Icarus Adventure System arbeitet da sehr ähnlich. Die genauen Abläufe sind regelmechanisch nicht relevant, lediglich die eingesetzten Mittel, das Ziel und eine abstrakte Schwierigkeit dies zu erreichen. Das führt dann eben zu ganz anderen Interpretationen der Resultate. Dann ist es eben nahezu unmöglich einen Panzer zu besiegen, aber es gibt Dinge, die genau diesen Versuch extrem begünstigen. Nur dann eben auf sehr spezifische Arten. Und der Typ, der es mit einem Tuch und einem Handbeil schafft, hatte extremes Glück beim Würfeln und hat viel dafür an Reserven geopfert.

Ich kann ja auch jemanden mit Hilfe einer Streitaxt töten, ohne ihn auch nur damit zu berühren. Beispielsweise wenn er vor dem Schlag zurückweicht und eine Treppe hinunterfällt. Oder er von einer Klippe stürzt, sich auf einem Zaun aufspießt oder einem anderen Kämpfer unbeabsichtigt in den schwungvollen Schlag von dessen Streithammer torkelt. Ohne meinen Angriff wäre es nie passiert und Teil dieses Angriffs war nunmal meine Streitaxt. Hätte ich ihn mit einem Brieföffner angegriffen, wäre er ja schließlich nicht in diesem Maße zurückgewichen.

Selbst bei einem Geist wäre ja denkbar, dass man ihn mit einem Schwert besiegt, obwohl das __technisch__ betrachtet nicht ginge. Es könnte aber metaphysisch funktionieren. Vielleicht reicht es ja, wenn der Geist für einen kurzen Moment __glaubt__, er würde verwundet werden. Vielleicht unterbricht das ja seine Energieströme. Oder sein Glaube an die eigene Existenz ist von irgendeiner Relevanz.

Aber sowas sind natürlich Ausnahmefälle und Einzelfallentscheidungen. Dennoch sind das, wenn auch etwas seltenere, Beispiele dafür, warum rein simulationistische Systeme von Anfang an zum Scheitern und Mittelmaß der Resultate verdammt sind.

Feuersänger:

--- Zitat ---Nämlich wie die Regeln überhaupt funktionieren. Was machen die Kampfregeln? Ist das ein System, das versucht technische Abläufe zu simulieren? Oder etwas völlig anderes?
--- Ende Zitat ---

Hmmmh, das geht so ein bisschen in Richtung des Konzepts der "Stances" aus der Rollenspieltheorie. Also, aus welcher Perspektive werden die Ereignisse interpretiert. Man könnte auch sagen: wie "meta" ist deine Einflussnahme auf die Ereignisse?
Will sagen: wenn du den Angriffswurf aus der Sicht deines Charakters interpretierst, dann besagt der Wurf eben, wie dein Zwerg in einem Powerslide unter dem Ork durchrutscht und ihm von unten mit der Axt den hässlichen Hauerschädel spaltet. Arrrrgh!
Wenn der Wurf stattdessen so interpretiert wird, dass dein Axt schon beim ausholen einen zufällig einen herumstehenden Kessel trifft, der Kessel umkippt, das Öl sich daraus über den Boden ergießt, der Ork darauf ausrutscht, darum die Treppe runterpoltert, sich seine Hauer in einen Kleiderschrank bohren, er beim Versuch die Hauer rauszuziehen so am Schrank rüttelt, dass die obendrauf gelagerte Bowlingkugel runterfällt und dem Ork den hässlichen Schädel einschlägt -- dann ist das sehr externalisiert. Vielleicht fällt das dann unter Director Stance. Das mag hilarious sein, aber der Charakter wird sich dadurch für den Spieler nicht wie der große Held anfühlen. Was ja je nach Charakterkonzept durchaus so gewollt sein kann.

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