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Ist Point-Buy mit hoher Charakter-Flexibilität ohne komplexe Regeln möglich?
Runenstahl:
--- Zitat von: Weltengeist am 25.02.2025 | 08:37 ---Der einzig wirkliche Haken an völlig freien Baukästen mit solchen "nicht so zentralen Kompetenzen" ist eher, dass sich das Powerniveau zwischen Powergamern und Zuckerbäckern stark unterscheiden wird.
--- Ende Zitat ---
Das stimmt. Wenn das Abenteuer einen Backwettbewerb beeinhaltet wird der Powergamer ganz schön blöd aus der Wäsche gucken.
Nein, mal im Ernst. Wenn das System klug designt ist dann kann man solche Hobby-Fertigkeiten nehmen ohne des es einem weh tut. Und wenn der Spieler sich entscheidet da wirklich Charakter-Ressourcen reinzubuttern dann tut er das weil er da Bock drauf hat und ihm vermutlich klar ist das das kaum jemals relevant sein wird.
Eine gute SL wird aber Wege finden das dennoch zumindest hin und wieder mal zu belohnen bzw ins Abenteuer einzubauen. Und letztlich liegt es auch am Spieler selbst Wege zu finden mit seinen Fertigkeiten kreativ zu werden ("Ich gehe mal zu den Waschweibern und verteile Kuchen um mit denen ins Gespräch zu kommen, vielleicht haben die ja interessanten Tratsch").
Ich persönlich bin ein großer Fan von "irrelevanten" Fertigkeiten und finde es eher störend das Systeme wie D&D bisweilen versuchen da irgendwelche Boni ran zu klatschen damit die Hobby Skills auch ja "relevant" bleiben (z.B. der "Chef" feat).
:btt:
Ob Charakter-Flexibilität mit simplen Regeln kombinierbar ist hängt wohl vor allem auch davon ab wie man "hohe Charakterflexibilität" definiert.
Wer erwartet z.B. seine Zauber oder Superkräfte genau auszudefinieren (ich nehme hier mal 5% weniger Reichweite, dafür soll der Zauber 7 % mehr Schaden gegen Untote und Dämonen machen) wird um ein komplexes System nicht herumkommen. Wer sich gut dabei fühlt seinen Charakter grob zu beschreiben ("ein Rumtreiber und Spieler mit gutem Herz, er hat auf seinen Reisen viel gelernt und kann alles mögliche ist aber vor allem gut darin Leute an die Wand zu quatschen") der wird hingegen auch ein deutlich weniger komplexes System als sehr flexibel empfinden.
Zed:
Das Grundproblem ist: In komplexeren Baukasten-Systemen werden Dir erst alle Optionen vorgestellt, und dann sollst Du Dich entscheiden. Viele dieser Optionen braucht Deine Figur jedoch gar nicht (zu wissen).
Wenn die ganzen Optionen nicht hervorragend sortiert sind, dann liest man sich also durch alle Optionen durch, die wirklich nicht zum eigenem Charakterkonzept passen: Es könnte ja doch noch eine nützliche Option zwischen all den unpassenden Optionen versteckt sein.
aikar:
--- Zitat von: Zed am 25.02.2025 | 09:58 ---Wenn die ganzen Optionen nicht hervorragend sortiert sind, dann liest man sich also durch alle Optionen durch, die wirklich nicht zum eigenem Charakterkonzept passen: Es könnte ja doch noch eine nützliche Option zwischen all den unpassenden Optionen versteckt sein.
--- Ende Zitat ---
Interessanter Ansatz. Also ginge es vor allem um Präsentation.
Das war ja auch eine Kritik vieler DSA4.1-Fans an DSA5, dass DSA4.1 zumindest klar in seinen Hauptbüchern gesammelt wäre und DSA5 alles weit streut. DSA4.1 ist natürlich trotzdem ein hochkomplexes System, also ist Sammeln wohl nur die halbe Miete. Und der Ansatz mit Fokusregeln ging meiner Meinung nach auch eher nach hinten los.
Aber wenn man Optionen nach Konzepten bündelt, führt man dann nicht über die Hintertür wieder ein Klassensystem ein?
--- Zitat von: Ma tetz am 25.02.2025 | 09:52 ---Meine Antwort ist eher: viele Optionen für SC und hohe Komplexität korrelieren sehr stark, weil ich immer Fähigkeiten und Zauber haben werde, die sich sinnvoll kombinieren lassen, und solche die das nicht tun. Wenn die Spieler*innen also wirklich bedeudetende Entscheidungen bei der Charaktererstellung bzw. Steigerung fällen können sollen, kaufe ich mir Powercreep bzw. eine größere Machtbandbreite der SC ein.
--- Ende Zitat ---
Das ist tatsächlich mein Hauptkritikpunkt an komplexen Systemen. Die oft gehörte Argumentation "Dann lass halt weg, was dir nicht gefällt/zuviel ist" funktioniert leider einfach nicht, weil es oft zu Folgeeffekten kommt wenn man einzelne Teile aus dem System entfernt.
Wären also besser gekapselte Bauteile eine Lösung? Oder wird Charakterbau damit beliebig und uninteressant, wenn die Regelteile nicht stark ineinander greifen?
Yney:
--- Zitat von: Zed am 25.02.2025 | 09:58 ---Das Grundproblem ist: In komplexeren Baukasten-Systemen werden Dir erst alle Optionen vorgestellt, und dann sollst Du Dich entscheiden. Viele dieser Optionen braucht Deine Figur jedoch gar nicht (zu wissen).
Wenn die ganzen Optionen nicht hervorragend sortiert sind, dann liest man sich also durch alle Optionen durch, die wirklich nicht zum eigenem Charakterkonzept passen: Es könnte ja doch noch eine nützliche Option zwischen all den unpassenden Optionen versteckt sein.
--- Ende Zitat ---
Und wenn man den Spieß umdreht (habe ich mit Feenlicht versucht): Man male sich seinen Charakter aus und suche dann in den Regeln gezielt die Dinge heraus, die dazu passen und ignoriert den Rest fröhlich? Zugegeben: Das ist für ein auf echte Abenteuer und Konfliktlösung konzentriertes System keine Hilfe, denn da muss man denke ich Synergien und Effektivität im Auge behalten. Aber bei einem eher offenen Rollenspiel der Sandkastenform hat das für mich gut funktioniert (was kein Beweis für irgendeine Allgemeingültigkeit ist).
Vielleicht lässt sich das aber der Grundgedanke dennoch teils übertragen, solange man nicht auf Maximierung in vollen Zügen aus ist.
felixs:
Ich möchte den Aspekt des "Balancing" aus einem anderen Blickwinkel kommentieren.
Tabletop-Spiele (Zinnfigurenspiele) haben oft ein Baukastensystem für die Armeezusammenstellung. Mir ist kein einziges System bekannt, wo das mit niedrigem Aufwand funktioniert und gute Resultate (im Sinne von gleichwertigen Armeen auf beiden Seiten) bringt. Es läuft quasi immer darauf hinaus, dass einige Optionen klar besser sind als andere und das man das System entsprechend ausreizen kann und dann mehr Kampfwert bekommt, als jemand, der das nicht macht.
Ich halte das für vergleichbar, weil die Zielsetzung ja ähnlich ist (Figuren/Armeen mit unterschiedlichen Spielwerten und Spieleigenschaften, die trotzdem möglichst annähernd gleiche Spielstärke aufweisen sollen).
Und ich halte das für weitgehend gescheitert. In praktisch allen Fällen führt das dazu, dass der Punktebaukasten eine Art Spiel-im-Spiel wird. Das ist aus Sicht von Nicht-Powergamern schonmal nicht so richtig gut. Und aus Sicht von fairnessorientierten Powergamern kommt noch dazu, dass dieses Spiel-im-Spiel praktisch nie die gewünschten Resultate bringt: Eine sorgfältige Analyse ergibt, dass nur ein Bruchteil der in den Listen aufgeführten Optionen sinnvoll ist und dass ein Großteil der aufgeführten Möglichkeiten nicht kompetitiv spielbar ist. Bleiben also als zufriedengestellte Zielgruppe nur die nicht-fairnessorientierten Powergamer, die es gut finden, dass sie mit Kenntnis des Spiels-im-Spiel Figuren/Armeen bauen können, welche allen anderen weit überlegen sind (wenn das verdächtig nahe an den landläufigen Vorstellungen von "System mastery" liegt, dann ist das nicht meine Schuld).
Meine Konsequenz wäre, dass man sich die Komplexität an der Stelle schenken kann und dass es weitaus hilfreicher ist, ungefähre Richtlinien anzugeben, welche Auswirkungen auf das Machtniveau bestimmte Werte haben. Damit kann man dann Figuren und Szenarien halbwegs abstimmen.
--- Zitat von: Yney am 25.02.2025 | 11:15 ---solange man nicht auf Maximierung in vollen Zügen aus ist.
--- Ende Zitat ---
Ich denke, das ist der Kern des Problems: Wenn man das nicht ist, braucht man auch keine Regeln dafür.
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