VorwortIch verstehe deine Sichtweise. Solche Regelwerke kenne ich auch und halte sie für vergiftet.
Und ich verstehe deine, nur ich bin da entspannter.
Besser wäre immer der Tip, nur zu würfeln wenn alle Ergebnisse akzeptiert werden können.
Ja, ich spiele auch lieber solche Spiele.
Aber ich habe nicht das Bedürfnis, es den anderen Leuten, die es trotzdem spielen, es madig zu machen. Ich bin sogar bereit, mit ihnen zu spielen, weil es auf anderer Ebene Spaß macht. Dann weiß ich (weil ich in meiner Blase die Leute kenne), welche Erwartungen ich haben darf. Und letztendlich geht es mir beim Rollenspielen darum.
Nur wenn ich die SL bin, kriegen die Leute halt die Version ohne nachträgliche Anpassung. Und damit müssen sie klarkommen, wie ich mit deren Version klarkomme. Eigentlich nicht schwer.
Gegen den Anti-"Schummel"-GötzenUm den Thread zu "Vertrauen" nicht noch weiter mit dem Unterthema "Schummeln" zu traktieren, habe ich diesen Thread eröffnet.Der rigide Ideologe des absoluten Würfel- und Regelgehorsams ghoul verengt in seiner
Streitschrift „Worte wider das Schummel-Erzählspiel" und den
dahinter verlinkten
Beiträgen unser vielfältiges Hobby auf eine dogmatische Entweder-Oder-Position in der Spielleitung. (Wir sprechen über Systeme, in denen Spielleitungen andere Verantwortlichkeitsbereiche haben als die Spielenden der Gruppe.) Hier meine Entgegnung:
Die falsche Prämisse des „Schummelns"Der Begriff „Schummeln" ist bewusst abwertend gewählt und verschleiert die Tatsache, dass wir über Rollenspiel sprechen – einem kooperativen Erlebnis, nicht einem Wettkampf mit starren Regeln wie bei einem Kartenspiel. Eine Spielleitung, die spontan die Unterlinge des besiegten Bosses fliehen lässt, betrügt nicht ihre Freunde, sondern nutzt ein legitimes und notwendiges Werkzeug ihrer Rolle. Wer ein Rollenspiel wie ein Brettspiel behandelt, in dem jede Regelabweichung als moralisches Vergehen gilt, verkennt die zwei fundamentalen Unterschiede: Im Rollenspiel gewinnt niemand gegen die anderen – alle gewinnen gemeinsam an Erfahrung und Erlebnis – und die Spielleitung hat andere Verantwortlichkeitsbereiche als die Spielgruppe.
Es gibt kein Schwarz und WeißDie Gegner des "Schummel-Erzählspiels" sehen nur Extreme: Entweder man folgt blind jedem Würfelwurf oder man "schummelt". Diese Sichtweise ignoriert die vielen Abstufungen und Nuancen kreativer Spielleitung. Die Realität des Rollenspiels ist jedoch eine Bandbreite verschiedener Eingriffsmöglichkeiten. Die souveräne Spielleitung bewegt sich auf diesem Spektrum je nach Situation:
• Sie wertet einen Treffer ausnahmsweise als kritisch, mit der ein SC eines ohnehin niedergekämpften Bossgegner tötet, wenn dieser Move dramatisch sinnvoll ist.
• Sie mildert vielleicht einen zufälligen, tödlichen Treffer ab, wenn er durch Pech in einer trivialen Begegnung zustande kam, die narrativ bedeutungslos ist.
• Sie korrigiert on-the-fly die Schwierigkeit einer Begegnung, die aufgrund eines schlechten Regelwerks, aufgrund der Nicht-Vertrautheit mit einem Regelwerk oder auch einer eigenen, fehlerhaften Vorbereitung der Begegnung entstanden ist.
• Sie lässt Unterlinge gegen Ende der Spielsitzung ohne oder gegen den Moralwurf fliehen, um einen ohnehin gewonnenen Konflikt abzukürzen.
Weitere gute Gründe findet Ihr hier.Dies sind also alles gute Gründe, dies sind keine Akte des „Schummelns", sondern Ausdruck eines verantwortungsbewussten Umgangs der SL mit ihrem spielmechanischen Werkzeugkasten. Im besten Fall sind derartige Eingriffe im Grundsatz mit der Gruppe abgesprochen.
Was sind die extremen Enden der Bandbreite?Das eine Ende steht für absolute Spielleitungswillkür und das gegenüberliegende Ende für die vom Verfasser geforderte maximale Würfel- und Regeltreue. Es gibt wohl kaum jemanden, der unter einer absolutistischer Spielleitung spielen möchte, aber dass die einzige Alternative die extreme Art zu spielen ist, die der Verfasser uns einzureden versucht, ist ein offensichtlicher Trugschluss: Es gibt auch verantwortungsvolle Spielleitung jenseits des von ghoul postulierten Extrems, auch wenn das Label „Schummler“ etwas anderes suggeriert. In
diesem Thread bekennt sich immerhin mehr als die Häfte zu einer flexibleren Spielleitung.
Pragmatismus leben und Dogmatismus fordern?Auch Verfechter der „Spielleitung als Referee“ greifen selbst regelmäßig in den Machtlevel von Gegnern ein: Lassen sie den nächsten Konflikt vielleicht sofort nach dem Ende eines ressourcenkostenden Konfliktes stattfinden, oder gönnen sie der Gruppe zuerst eine Ruhephase? Das ist beispielsweise eine Entscheidung, die die Gegner in ihrer Stärke stark auf- oder abwertet. Einen Kampf abzukürzen kann auch
ghoul unter Umständen gutheißen.
Jeder erfahrene Spielleiter weiß, dass es Situationen gibt, in denen ein dezenter Eingriff das Spiel flüssiger und unterhaltsamer macht. Einen aussichtslosen Kampf abzukürzen oder auf einen unnötigen Würfelwurf zu verzichten, ist kein Betrug - es ist für viele schlicht "gute Spielleitung".
Die Würfel dienen dem Spiel, nicht umgekehrtDie Behauptung, das Ignorieren von Würfelergebnissen führe zu Langeweile und Vorhersehbarkeit, verdreht die Realität. Eine geschickte Spielleitung nutzt die Würfel als eines von vielen Werkzeugen zur Schaffung eines immersiven Erlebnisses. Sie erkennt, wann die kalte Mathematik des Zufalls die Geschichte bereichert und wann sie ihr schadet.
Flexibilität ist eine StärkeDie Fähigkeit, sich an unerwartete Situationen wie sich an einen Irrtum bei der Vorbereitung eines Abenteuers spontan anzupassen und die Geschichte entsprechend zu lenken, ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Es zeugt von Kreativität und Improvisationstalent, wenn ein Spielleiter die Geschichte lebendig hält, auch wenn die Würfel einmal nicht mitspielen. Eine große Masse solcher Entscheidungen ist der Hauptfaktor, dass die gepriesene Flexibilität irgendwann unangenehme Spielleitungswillkür wird.
Viele Spielkulturen führen zum GlückDie dogmatischen Entweder-Oder-Position verneint die Vielfalt der Spielkulturen: Jede Gruppe findet ihren eigenen Weg im Spektrum zwischen mechanischer Strenge und narrativer Freiheit, und das, ohne dass den Beteiligten willkürlich grundsätzliche Charakterschwäche vorzuwerfen ist. Der Versuch, allen Spielern ein einziges Extrem aufzuzwingen, verrät mehr über die Unsicherheit des Predigers als über die Qualität seines Spielstils.
Glaubst Du wirklich, dass andere Arten von Spielstilen weniger dramatisch oder spannend sind? Also nicht nur für Dich, sondern für alle?
Drama entsteht bei blindem Zufall zufällig, wahres Drama entsteht bei Anderen durch bedeutungsvolle Entscheidungen. Der Tod eines Charakters durch eine Verkettung unglücklicher Würfelergebnisse in einer belanglosen Begegnung erzeugt kein Drama – er erzeugt Frustration.
„Willst Du uns verbieten, schummeln „schummeln“ zu nennen?“Die Spielleitung, die sich nicht der scheinbar absoluten Würfel- und Regeltreue unterwirft, ist nicht automatisch „Schummlerin“. Wenn eine solche Spielleitung verantwortungsvoll ihre Gestaltungsaufgabe wahrnimmt und selten und mit guten Gründen und im besten Fall mit dem Einverständnis der Gruppe spontan einen Würfelergebnis uminterpretiert, dann ist sie noch nicht der Inbegriff von Spielleitungswillkür.
Natürlich kann eine Gruppe sich darauf einigen, sich der Illusion hinzugeben, dass jede Art von Würfeldrehen und spontane Eingriff in Lebenspunkte unerwünscht sind. Natürlich kann sie definieren, dass alles andere „schummeln“ wäre. Die vielen konstruktiven Beispiele und Anregungen in
diesem Thread haben mich sogar neugierig auf diese Extremart des Spielens gemacht.
Das Problem ist nur, diese Spielart als die einzig lautere zu postulieren. Die „Götzendiener des Anti-Schummelns“ laden jede Abweichung von ihrer Extremposition mit charakterlichen Defiziten auf, d a s ist der Übergriff auf unsere Identität.
„Ich hätte bei SLs, die „schummeln“, keinen Spaß.“Bitte, gerne, das ist nicht das Problem. Ich hätte bei Spielleitungen, die autokratisch leiten, übrigens auch keinen Spaß. Gelegentliches, verantwortungsvolles Eingreifen der Spielleitung sei ihr zugestanden, das beeinträchtigt meinen Spielspaß als Spieler nicht, sondern kann es sogar bereichern. Du hast in meinen Augen nur kein Recht zu behaupten, dass es nur eine richtige Art gibt, Rollenspiele zu spielen, und dass Andere es falsch spielen.
Der Verfasser der Streitschrift geht zu weitWürde ghoul einfach nur für seinen Lieblings-Spielleitungsstil werben, so gäbe es diesen Beitrag gar nicht. Aber er ignoriert die Bandbreite an glücklichen, hervorragend gelingenden Spielgruppen jenseits seines Reinheitsgebots und unterstellt Spielleitungen, die sich auch nur gelegentlich für Eingriffe in Würfelergebnisse und Lebenspunkte entscheiden, darüberhinaus charakterliche Deformationen: Sie „betrügen“, sie „entmündigen“, sie halten die „Spieler für dumm“, sie kreieren „einen langweiligen Plot“, sie „besudeln Spielkultur“. Es fällt die verabsolutierende Aussage „Eine schummelnde Spielleitung ist eine SCHLECHTE Spielleitung!“
Mit „Ich erkläre Dir, was ich für die richtige Spielweise halte", hätte niemand ein Problem. Damit, dass der Verfasser glaubt, die einzig (moralisch) richtige Spielweise zu vertreten, schon.
„Dann spiel halt AD&D 1e“: Die geheime Agenda des Verfassers?Wenn Du mit nun mit ganz anderen Argumenten kommst, wie „Mein System hat aber gar keine Moralregeln, da kann und muss ich ganz als SL ganz alleine entscheiden, ob die NSCs fliehen oder standhalten“, erhältst Du regelmäßig die Antwort: „Dann spiele halt AD&D 1e, da ist alles geregelt wie in keiner anderen (A)D&D-Version.“ Der Hinweis auf das problemfreie AD&D 1e steht auch in
ghouls aktueller Signatur.
Ist das Ganze also nur ein äußerst geschickter Zug eines hingebungsvollen Fans, das eigene Lieblingsspiel hoch emotionalisierend zu bewerben? Das vermag ich nicht zu entscheiden, aber die Hinweise darauf lassen sich auch nicht übersehen.
Edit: Einen
Beitrag aus der folgenden Diskussion als Vorwort eingefügt.