Lieutenant Hermann Liefers lag auf seiner Pritsche und dachte nach. Dachte nach über die Ereignisse an denen er in den letzten Wochen beteiligt gewesen war. Über die Dinge, die er getan hatte. Und über die Dinge die er gelernt hatte. Und vor allem über sich selbst.
Es war schon erstaunlich, wie sehr man sich in so kurzer Zeit verändern konnte.
Seine Gedanken schweiften weiter zurück, zurück zu dem jungen unsicheren Jungen, der wegen seiner deutschen Abstammung und seines Akzents immer gehänselt und ausgegrenzt worden war, der sich so sehr bemüht hatte, akzeptiert zu werden, britisch zu sein. Aber je verbissener er es versuchte, desto mehr wurde er geschnitten. So war aus dem Jungen ein Streber geworden, der verbissen lernte, um besser zu sein, als seine Klassenkameraden und über seine Leistung anerkannt zu werden.
Und je mehr er seiner Abstammung wegen als Kraut bezeichnet wurde, desto stärker wehrte er sich dagegen, entwickelte einen ausgeprägten Patriotismus, eine Hingabe an das Empire, welche fast schon fanatisch war.
Deshalb entschied er sich auch schon während der Pubertät, die Offiziersakademie der Royal Navy Marines zu besuchen - wo er dank seiner hervorragenden Schulnoten auch angenommen wurde und sogar ein Stipendium erhielt.
Aber in der Akademie war es das gleiche gewesen wie in der Schule: Die Mitkadetten betrachteten den stillen, strebsamen Hermann mit Mißtrauen - ein Streber, ein Kraut, bemüht britisch und trotz oder gerade wegen seines Bemühens so unbritisch, wie man nur sein konnte. Also war es wie in der Schule: Hermann vergrub sich in seinen Büchern, und wollte sich durch Leistung beweisen. Als im letzten Jahr an der Akademie seine PSI-Fähigkeiten entdeckt wurde, war er ausgespriochen zwiespältig:
Einerseits war er dadurch etwas besonderes, andererseits machte es ihn weiter zum Außenseiter. zudem machten ihn diese Kräfte verlegen und unsicher, weshalb er sie so gut es ging ignorierte.
Als er die Akademie abgeschlossen hatte, dachte er, es geschafft zu haben. Er war ein Offizier der britischen Marine, ein Lieutenant der Royal Navy Marines, Jahrgangsbester der Akademie - er hatte es allen Neidern gezeigt.
Als er für den Spezialauftrag ausgewählt wurde, war er wiederum zwiespältig: Einerseits war er stolz, ja begierig darauf, dem Empire einen wichitgen Dienst leisten zu dürfen - andererseits war er wegen der beiden Eigenschaften, die ihn zum Außenseiter gemacht hatten, die er am liebsten verdrängt und abgelegt hätte, ausgewählt worden: Wegen seiner deutschen Abstammung und wegen seiner PSI-Begabung.
Aber egal aus welchen Gründen - das Empire brauchte ihn, und er hatte nicht vor, es zu enttäuschen. Und dann überschlugen sich die erignisse: Deutschland hatte Polen überfallen und er und seine Kameraden mußten auf der Stelle aufbrechen. Keine Zeit, für die Spezialausbildung, keine Zeit für die Hintergrundgeschichte - von nun an mußten sie improvisieren.
Liefers Gedanken gingen weiter, zur Fähre. Zu den deutschen Ehepaar, das ihn verhören wollten und dem Drill-Sergeant, der mit ihnen zusammenarbeitete. Er hatte keinen Ausweg gesehen und die Frau mit seinen kaum ausgebildeten geistigen Kräften beeinflußt, ihm ihre Waffe zuzuwerfen. Wie leicht ihm das gefallen war. Wie er gleichzeitig fasziniert und erschrocken war, über die Macht, die ihm das verlieh. Konnte das überhaupt richtig sein, Menschen geistig zu kontrollieren? Oder gegen ihren Willen ihre Gedanken zu lesen?
Wieder ein paarTage später, der Aufstieg auf dern Obersalzberg in stockfinsterer Nacht. Ohne seine und Winters Fähigkeiten, wären sie von den Patrouillen sicher entdeckt worden. Mit einem Schaudern erinnerte er sich der Gedanken des sadistischen SS-Mannes, der Wut, die ihn überkommen und der Angst, die er verspürt hatte. Er hatte ein weiteres mal seine Kräfte eingesetzt - dieses mal, um den Sadisten außer Gefecht zu setzen - und es war ihm bereits bedeutend leichter gefallen. Er hatte getötet, kaltblütig, ohne zu zögern - und im Nachhinein war er über sich selbst erschrocken, wie leicht es ihm gefallen war, wie wenig es ihn berührt hatte.
Sicher, er war dazu ausgebildet worden, und es war eine Frage des Überlebens - aber er hätte nicht gedacht, daß es ihm so wenig ausmachen würde. Die surreale Situation in den Bunkeranlagen, der Kampf gegen die Kunstmenschen, der ständige Einsatz seiner Fähigkeiten zum Aufspüren von Wachen - er hatte sich erschreckend schnell daran gewöhnt. Und dieses Gefühl der Leere, als sie blockiert worden waren. Die surreale Situation in Hitlers Kommansdozimmer, die geistige Auseinandersetzung mit Eva Braun, und dann, nach der Ablenkung und dem gelungenen (gelungen? War es das wirklich? Hatte sonst niemand den Schimmer über den Leichen des Führers und Eva Brauns gesehen?) Attentat der plötzliche Ortswechsel zum Flugzeug - von dieser Kraft hatte er gar nichts geahnt.
Jetzt, wo er in der Sicherheit der Kaserne lag und in Ruhe darüber nachdenken konnte, wurde ihm klar, daß er sich verädnert hatte. Er war ein anderer Mensch geworden, und doch der gleiche wie zuvor. Sein Entschluß stand fest: Er würde sein Handeln und sein Verhalten nicht mehr so sehr davon abhängig machen, was er glaubte, was andere von ihm erwarteten. Er würde sein deutsches Erbe akzeptieren - schließlich gehörte es zu ihm. Er würde seine Fähigkeiten weiter erforschen und trainieren, und sie auch einsetzen - aber maßvoll und verantwortungsbewußt. Und auch wenn er sein Pflicht erfüllen würde - letztlich würde ER sein Handeln bestimmen.
Das war sein Vorrecht, sein Privileg aber auch seine Pflicht.
Als Offizier.
Als Brite.
Als Persönlichkeit.
So - und auch von mir Lob und Kritik an den SL:
Klasse Story, hervorragende Beschreibungen, ausgesprochen solide Recherche und für eine Improvisation eine ausgesprochen konsistente und hieb- und stichfeste Geschichte. Die Atmosphäre der Bedrohung und das irgendwie surreale Gefühl während des Aufstiegs und der ganzen Geschichte im Berg war auch spitze.
Was mir weniger gefallen hat war, daß mein Char während der ganzen Gecshichte auf der Fähre wenig agieren konnte - wurde von den Ereignissen ein wenig überfahren, deswegen auch der Einwurf mit dem Railroading. War aber wirklich nur in der Situation so gegeben. Alles andere hat Morebytes schon beschrieben: Laß die doofen Spieler doch ruhig ein wenig Rätseln oder sich selbst in die Scheiße reiten - sparsamer mit Hinweisen, Tips und Hilfen. Ich kenn das: Man weiß genau wie sie da rauskommen könnten und wundert sich, daß die Schussel es nicht sehen - also hilft man. Aber das ist halt schnell zu viel. Und ein paar Verletzungen mehr hätten vielleicht auch der Spannung und der Dramatik bei den Schießereien nicht schlecht getan - ohne einen Kratzer aus dem Hauptquartier Hitlers wieder rauszugehen ist eher unwahrscheinlich.
Aber das waren nur kleine Schönheitsfehler - alles in allem war die SL-Leistung hervorragend.
Und auch nochmal vielen Dank für die großzügige (und leckere Bewirtung).
Meinen Dank auch noch an deine beiden Besitzer (weiblich und vierbeinig
) für die Geduld mit uns.
Mir hat es wieder sehr viel Spaß gemacht - ich kann mich nur wiederholen: Die Runde ist echt klasse.
Ich freu mich schon auf's nächste mal.
Wo wir schon dabei sind: Wann soll das denn stattfinden? Ich hab am 10. und 15. 12. jeweils noch eine Klausur. Aber am 4. oder so (das WE halt) könnte ich mir schon einen Tag freinehmen. Ansonsten halt danach irgendwann.