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Unterhaltungsliteratur - Schund oder Kunst?

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Lord Verminaard:

--- Zitat ---Gute Bücher werden für ein intellektuelles Publikum geschrieben, mäßige und schlechte für die breite Maße.
--- Ende Zitat ---

Gute und schlechte Bücher ist wieder die gleiche begriffliche Problematik wie gutes und schlechtes Rollenspiel. Es wäre vielleicht geschickter, von anspruchsvollen und anspruchslosen Büchern zu sprechen. Denn es gibt ja (vergleichsweise) gute und schlechte Bücher ohne Anspruch und auch (vergleichsweise) gute und schlechte Bücher mit Anspruch. Hängt immer davon ab, wie gut sie ihre jeweilige Aufgabe bewältigen.

Trotzdem, und das habe ich auch schon in der "gutes Rollenspiel"-Diskussion betont, gibt es selbstverständlich einen qualitativen Unterschied zwischen, sagen wir, dem Zauberberg und der Dunkelelfentrilogie. Das eine ist Kunst, das andere ist, wenn schon nicht Schund, so doch jedenfalls trivial. Natürlich ist die Unterscheidung nicht immer so leicht. Was ist z.B. mit Moby Dick? Einer flog übers Kuckucksnest? Jurassic Park? Das überlasse ich lieber den Literaturexperten, mir persönlich ist es egal. Ich habe das erste weggelegt, weil es mir zu langatmig war, die zweiten beiden haben mich hingegen hervorragend unterhalten.

Ich habe mich ein paarmal an "höherer" Literatur versucht, aber wenig Freude daran gehabt. Ich lese in meiner Freizeit, zur Entspannung. Texte, über die ich beim Lesen nachdenken muss, lese ich schon den ganzen Tag über beim Arbeiten bzw. Lernen. Und manchmal sogar hier im Forum... ;) Wenn ich denn doch mal was "anspruchsvolles" in meiner Freizeit anpacke, dann eher Sachbücher als Literatur.

Abschließend kann ich Yerho nur beipflichten, dass es sicher keine Frage der Bildung ist, ob man anspruchsvollere oder anspruchslosere Bücher bevorzugt. Klar, das muss ich ja jetzt auch sagen, nachdem ich gerade meine Vorliebe geoutet habe... ;) Was die Literatur selbst angeht, bin ich sicherlich nicht besonders gebildet, aber das hindert mich ja nicht daran, mich in anderen Bereichen gut auszukennen. Bei Trivial Pursuit ist die braune Ecke auch immer meine Angst-Ecke... ;D

Ludovico:

--- Zitat von: Elor am 18.08.2004 | 00:38 ---Eine Interpretation ist nichts weiter als eine persönliche Deutung. Nicht die Frage: "Was will mir der Autor damit sagen?" ist die relevante -bei dem bekannten Klecks-Test in der Psychologie (sorry, Fachbegriff ist mir gerade entfallen) ist auch nicht die Frage: "Was will mir der Psychologe damit sagen?" -Die Antwort wäre nämlich "Gar nichts." Und ein Wissenschaftler, der Daten interpretiert, will primär auch nicht wissen, ob sich eine Botschaft einer Schöpfergestalt in seinen Daten ausdrückt. Sondern die Frage in allen Fällen ist "Was sagt MIR das, was ich vor mir liegen habe?" Wenn ich weiss, woher es kommt, wird das meine Interpretation beeinflussen. Aber wichtig für die Interpretation ist die Beziehung, die ICH mit dem Text entwickle -mit dem Text, und nicht primär mit dem Autor. "Spricht" der Text zu mir? Das muss noch nicht einmal eine klare oder zusammenhängende Botschaft sein.
--- Ende Zitat ---

Also kann man durchaus auch Wallace oder Verne interpretieren, denn es geht ja nicht darum, was der Autor einem sagen möchte, sondern um das, was man im Text sieht?
Und wenn es nicht darum geht, Infos über den Autor zu bekommen, wieso macht man das dann mit Kafka?


--- Zitat ---Nein, aber Nichtwissenschaftler sehen sich offensichtlich provoziert, den Autor für Unfehlbar in seiner Selbsteinschätzung zu halten. Was dem Autor durchaus schmeicheln kann. Im übrigen übersiehst du, dass ich a)kein Literaturwissenschaftler bin, und b)vom Allgemeinfall gesprochen habe.

Skepsis, insbesondere Selbst-Skepsis ist die Grundlage solider wissenschaftlicher Arbeit, ganz gleich in  welche Disziplin.
--- Ende Zitat ---

Also wenn Tolkien sagt, daß er kein sozialkritisches Werk schreiben wollte, dann sind diejenigen die Dummen, die meinen, daß sein Werk nicht sozialkritisch ist?


--- Zitat ---Es bedeutet, dass er bestimmte Themen herausarbeiten wollte. Und was seine Aussage angeht, so kannst du kaum behaupten, zu verstehen, was er damit meint, solange du nicht weisst, was er unter einem Märchen versteht. Wenn das so trivial wäre, hätte er kaum eine Vorlesung darüber halten müssen.

--- Ende Zitat ---

Er ist Wissenschaftler gewesen. Folglich muß man davon ausgehen, daß er die allgemeingültige Defintion eines Märchens genommen hat und so etwas schreiben wollte, wie Andersen bloß in lang.

Ludovico:

--- Zitat von: Elor am 18.08.2004 | 12:29 ---Sicher kann man auch Wallace oder Verne interpretieren. Die Frage ist, wieviel vernünftiges und nachvollziehbares dabei herauskommt.
--- Ende Zitat ---

Wobei das subjektiv ist. Aus Salvatores Büchern kann man ja auch herauslesen, wie wichtig Freundschaft und Zusammenhalt ist und daß man Vorurteile überkommen soll (wie bei Drizzt).


--- Zitat ---Weil einem -und da ist Tolkien ein Paradebeispiel- eine Vielzahl von Zusammenhängen erst begreift, wenn man das Werk im Kontext seiner Entstehung sieht -im übrigen macht "man" das nicht. Es gibt Schulen der Literaturkritik, denen ist der Autor komplett und hundertprozentig egal. Anderen wiederum nicht
--- Ende Zitat ---

Das ist ja interessant! Nicht, daß ich mich jemals dafür groß interessieren werde, aufgrund der negativen Erfahrungen, die ich mit Interpretationen gemacht habe, wobei ich für mich feststellen durfte, daß es dem Sezieren eines Werkes gleichkommt.


--- Zitat ---Nein, diejenigen, die das einfach als Fakt akzeptieren, weil Tolkien es so sagt -es kann ja durchaus richtig sein, aber eine bloße subjektive Aussage, reicht nicht, das als Tatsache zu akzeptieren.
--- Ende Zitat ---

Warum ist man denn dumm, wenn man Tolkiens Meinung über sein Werk glaubt? Wieso darf man ihm nicht glauben?


--- Zitat ---Das Gegenteil ist der Fall. Gerade WEIL er Wissenschaftler gewesen ist, darf man nicht blindlings annehmen, dass er die Definitionen des Volksmundes übernimmt. Wenn ein Wissenschaftler von einer Theorie spricht meint das auch etwas ganz anderes als wenn Otto Normalverbraucher davon spricht, er habe eine Theorie.

--- Ende Zitat ---

Also ich denke zwischen Märchen und Theorie... Nun das sind zwei ziemlich unterschiedliche Begriffe. Du magst zwar Naturwissenschaftler sein, aber Dein Job hat sicher mehr mit Theorien zu tun, aber so gut wie gar nichts mit Märchen.

Ludovico:

--- Zitat von: Elor am 18.08.2004 | 16:31 ---Wie schon gesagt, die Frage ist wieviel. Eine andere Frage ist, wie gezwungen. An einem Holzhammer, der dir über den Schädel gehauen wird bis du's kapiert hast,  ist wenig kunstvolles.
--- Ende Zitat ---

Also ich bin ein bißchen verwirrt. Spielt nun die Intention des Autors eine Rolle oder nicht?


--- Zitat ---Dumm ist vielleicht das falsche Wort, aber leichtgläubig auf jeden Fall, weil man zum einen gleich glaubt, man verstehe, was er damit meint, und weil man gleich glaubt, er habe recht damit.
--- Ende Zitat ---

Also kann ein Autor auch unfreiwillig eine Message in einem Text unterbringen?


--- Zitat ---Tolkiens Job hat aber sehr wohl etwas mit Märchen zu tun. Drum hat er sich etwas ausführlichere Gedanken darüber gemacht, was ein Märchen ist.

Nochmal: Wenn die Frage, was ein Märchen bei Tolkien ist so trivial wäre, hätte er kaum eine Vorlesung darüber gehalten. Wenn jeder weiss, was das ist, dann braucht er's nicht zu erklären.

--- Ende Zitat ---

Wo ist denn der Unterschied zwischen einem Märchen, wie man es sich so vorstellt als und dem Märchen eines Literaturwissenschaftlers?

Yerho:

--- Zitat von: Elor am 18.08.2004 | 12:29 ---Sicher kann man auch Wallace oder Verne interpretieren. Die Frage ist, wieviel vernünftiges und nachvollziehbares dabei herauskommt.
--- Ende Zitat ---

Verne ist vielleicht ein gutes Beispiel, um Dir die Sache näherzu bringen, Ludovico.

Der Mann ist schon bis zum Gehtnichtmehr interpretiert worden, was sich auch immer wieder lohnt, da er beispielsweise in seinen phantastischen Romanen hochkomplexe Entwicklungsbilder zeichnet, die es heute ermöglichen, auf das Fortschrittsdenken in der Entstehungszeit seiner Bücher zurückzuschließen. Auch Vergleiche, wie Segen und Fluch des Fortschritts damals und heute in der Literatur reflektiert werden, sind daran gut festzumachen.

Wichtig: Es war mit ziemlicher Sicherheit nicht Vernes Intention, Textanalytikern unserer Zeit solche Informationen zu übermitteln. Er hat die Bücher geschrieben, weil er davon leben mußte. Vermutlich war er fasziniert von den Themen, von denen er schrieb - vielleicht interessierte es ihn aber auch nicht die Bohne, aber er wußte, daß es seine Leser interessieren würde. Möglicherweise hatte er auch Spaß dabei, sie zu schreiben, vielleicht hat er sich auch mordsmäßig gelangweilt und mußte von seinem Verleger regelmäßig getreten werden. Diese Unsicherheiten sind das Feld, auf dem Literaturwissenschaft ansetzt.

Ein erfaßter Text verrät Dir auf seiner inhaltlichen Seite etwas über seinen Verfasser und über Ort, Zeit und Gesellschaft, in der er geschrieben wurde. Auf der formalen Seite erkennt man an jedem Text, wie Literatur funktioniert. Beides zusammen ermöglicht Vergleiche mit anderen Texten.

Das geht auch bei Romanen von Edgar Wallace. Wie hat der Mann es geschafft, in kürzester Zeit und ohne viel Planung Geschichten zu entwickeln, die den Leser fesseln? Wie kann man eine Geschichte so schreiben, daß sie trotz sich ständig wiederholender Versatzstücke noch originell wirkt? Welche Sicht des deutschen Autors und seiner deutschen Leser auf die Zustände im Handlungsland Großbritannien lassen sich daraus ableiten? Ist diese Sicht verzerrt? Warum ist sie das? Wurde es absichtlich getan oder aus Unwissen? Oder beides? Und, und, und ...

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