Wider Erwarten schlief sie ein paar Stunden tief und traumlos, wie eine Tote.
Schlaftrunken musterte sie eine Weile die fremde Umgebung, ehe ihr der gestrige Tag wieder einfiel. Zunächst war jedoch erst einmal ein Fruehstueck erforderlich, oder zumindest etwas zu essen, nach Stationszeit war es vielleicht eher ein Nachtmahl oder so etwas. Baronin Elisabeth fiel auf, dass sie sich bisher noch gar nicht darum gekuemmert hatte, was hier ueberhaupt fuer eine Zeit war. Nun das hatte Zeit bis nach dem Essen.
Als sie bei ihrer letzten Tasse Tee sass, meldete Sophia ihr die Schuetzin Fjärill, die eben von der Felizitas gekommen sei. Elisabeth bedeutete ihr mit einem Winken, die Schuetzin sofort herein zu bringen.
Atemlos stuerzte die junge Frau, die sich seit ihrer Rekrutierung sehr gut bewährt hatte, herein. "Verzeiht Mylady, ich störe nur ungern, doch der Arzt sagte, Ihr wolltet sofort eine Nachricht bekommen, wenn sich bei den Verwundeten etwas ändert?!" Sie wartet Elisabeths Nicken ab, ehe sie fortfährt: "Schuetze Waters ist vor etwa einer Stunde seinen Verletzungen erlegen und Lieutenant Rahmhorst liegt im Sterben." Entsetzen ueberzog ihr Gesicht. Elisabeth ging kurz durch den Kopf wie schrecklich der Verlust von Rahmhorst fuer die gesamte Mannschaft sein musste, er war ein guter und umsichtiger Truppenfuehrer gewesen. "Wie geht es Schuetze Karpanikow?", fragte sie dann. - "Das weiss ich nicht sicher, Baronin, aber er hat die Notoperation besser ueberstanden als Waters, bis jetzt steht jedoch wohl noch nicht fest wie seine Chancen sind." - "Danke Fjärill. Ich wollte sowieso nach dem Essen noch einmal nach allen Verwundeten sehen, das kann ich auch jetzt gleich machen. Wuerdet Ihr mich bitte begleiten?" - "Selbstverständlich Mylady. Hoffentlich hält Rahmhorst so lange durch, er wuerde sich freuen, Mylady noch einmal zu sehen, denke ..." Erschrocken ueber ihre eigene Kuehnheit hält sie inne, doch Elisabeth nickt nur und erteilt dann Sophia den Auftrag sich im Kirchenbereich nach Jemandem um zu sehen, der bereit wäre eine Totenmesse fuer Rahmhorst und Waters abzuhalten: "Ihr wisst schon, Sophia, wenn möglich sollte es nicht ganz so..., sagen wir orthodox sein."
Dann eilt sie gemeinsam mit der Schuetzin Fjärill zurueck zur Felizitas. Diesmal nimmt sie sich nicht die Zeit, auf der Aussichtsplattform zu verweilen.
Dankbarerweise ist der Arzt mittlerweile zu muede zum katzbuckeln, wortlos geleitet er sie erst zur Leiche von Waters, dann weiter zu Rahmhorst. Noch lebt er, aber sein Atem geht flach und unregelmässig. Muede öffnet er die Augen und versucht zu sprechen, doch er kann nur noch heiser krächzen; als sie sich zu ihm niederbeugt, kann sie sein Fluestern vernehmen: "Baronin..., danke, dass Ihr noch einmal gekommen seid! Ich hoffe, dass Ihr ihn bald findet, schade, dass ich diesen Tag nicht mehr erleben kann, es hätte mich sehr gefreut." Sie kann nur stumm nicken, dann sitzt sie neben ihm und hält seine Hand, das wenigstens kann sie noch fuer ihn tun. Sprechen kann er nicht mehr, doch ein fluechtiges Lächeln huscht ueber sein bleiches Gesicht. Erschöpft schliesst Lieutenant Rahmhorst die Augen.
Später besucht Elisabeth die anderen Verwundeten. Karpanikow ist noch nicht wieder bei Bewusstsein, dem Rest geht es mehr oder weniger gut. Trotzdem fuehlt sie sich leer und kalt im Innern. Nachdem sie den Arzt gebeten hat, sie weiterhin zu informieren, lässt sie sich von Fjärill zurueck begleiten. Hoffentlich hat Sophia Jemanden gefunden, der Rahmhorst und Waters angemessen zur letzten Ruhe geleiten kann!