Ein paar Gedanken von mir:
Erstmal vorweg:
Als ich den Eingangthread las, fiel mir Earthdawn ein. Earthdawn ist mit einem System bestückt, dass die Zielsetzung hat, die Settingspezifischen Inhalte und Eigenheiten zu unterstützen. Beispiel: Magie funktioniert in der Welt von Earthdawn speziell - die Spielregeln drücken das aus.
Ich glaube zwar nicht, dass die Designer damals wirklich Kohärenz angestrebt haben und sicherlich ist es ihnen in einigen Dingen auch nicht gelungen. Aber bei Earthdawn wurde das System definitiv speziell für das Setting entwickelt. Deswegen kann man das Setting auch schlecht in andere Systeme übertragen, weil zu viele spezielle Elemente berücksichtigt werden müssen und genauso lässt sich das System nicht nehmen und damit andere Settings spielen.
Ich mag Earthdawn sehr gerne. Ist mein liebstes Setting und auch ein sehr geschätztes System.
Daher grundsätzlich nichts gegen Kohärenz!
Grundsätzlich sollte einem Spieldesign immer ein Plan vorausgehen, was man bezweckt und wie man es umsetzen will, damit es das kann. Von daher sollten alle Spiele kohärent designed sein. Auch universelle.
Ich glaube nicht, dass die Realität so ist. Leider!
Und: Ja, lieber ein bestehendes erprobtes System nehmen, als ein eigenes System entwickeln, was erstmal ausgereifen muss.
Pro Standard! Pro Koheränz!
Aber gegen "Verbot von weiteren inkohärenten Systemen!" (ich nenne das mal so...)
Warum?
Dass wir nicht eine Schwemme von Schläuchen mit "altem Wein" wollen, ist glaube ich klar. Haben wir so eine Schwemme?
Ich glaube nicht. Gerade d20 hat dem entgegen gewirkt. Auch wenn ich d20 nicht viel abgewinnen kann, da ging der Trend zur Vereinheitlichung. Auch GURPS hatte dies als Chance, hat sie aber nicht nutzen können.
Wie sieht der Markt inzwischen aus: Wir haben einige Standards (d20, WoD10, d6, GURPS, andere universelle) und einige Nischensysteme)... Haben wir eine Schwemme? Imho nein. Wozu sich dann dagegen wehren, was gar nicht droht?
Je kohärenter ein System ist, desto mehr behindert es die Vielfalt der Interpretationsmöglichkeit des Settings.
Wenn ein Spiel nach Fredis Definition kohärent entwickelt wurde, wird es eine ganz bestimmt Stilrichtung unterstützen und ganz bestimmte erwünschte Effekte im Spiel fördern. Das sieht der Plan ja vor.
Andersherum werden dann aber alle anderen Stile behindert.
Das gefällt mir nicht. Das würde implizieren, dass der Spieledesigner dem Konsumenten die "Friss-oderStirb" wahl lässt.
Soll heissen: "Spiel so wie ich, oder lass es".
Genau das gefällt mir aber nicht. Ich möchte Freiheit. Ich möchte aus einem Setting das machen, und es so spielen, wie ich will, nicht, wie der Designer es vorgesehen hat. Wenn ich Shadowrun cinematisch spielen will, und ein andere SpL es lieber "realistisch" oder "grim & gritty" mag, dann sollte das möglich sein.
These: Das Bedürfnis an neuen inkohärenten Systemen ist dann gedeckt, wenn alle Bestehenden inkohärenten Systeme alle individuellen Bedürfnisse decken. Da aber ständig neue Bedurfnisse entstehen und bestehende sich ändern, wird es dazu nie kommen...
Daher kann ich der Aussage "wir haben ausreichend viele inkohärente Systeme - es lohnt sich nicht, neue zu entwickeln" nicht zustimmen. Nehmen wir an, dem wäre so...
Dann frage ich: Seit wann ist dem so? Wann war die Menge an inkohärenten (ab jetzt ik) Systemen so ausreichend, dass man kein neues mehr brauchte?
Wenn man die These der Erreichung einer Sättigung aufstellt, sollte man in der Lage sein, festzustellen, wann diese Erreicht wurde.
Alle ik Systeme, die nach Erreichung der Sättigung auf dem Markt kamen, wären demnach überflüssig.
Ich widerspreche dem, einfach aus meiner prsönlichen Erfahrung. Ich bin grundsätzlich für Standards und dementsprechend auch gegen unendlich viele Individuallösungen (klar, bin ja Informatiker - Objektorientierung und so...
).
Allerdings habe ich Jahrelang kein universelles System finden können, was meine Bedürfnisse erfüllte.
GURPS war es nicht, d20 nicht, BESM war schon dicht dran, aber auch nicht, HERO nicht, etc. etc.
Inzwischen habe ich ein System gefunden - M&M (war klar oder), was ganz dicht dran ist (99%).
[Es gibt wirklich nur ein kleines Fitzelchen, was ich anders haben möchte. Ja, kann man via Hausregeln...]
Vorher war ich sogar am basteln eines eigenen Systems - inkohärent bis zum Umfallen...
Das eigene System war meinem Idealsystem entsprochen und war dem M&M System sehr ähnlich, deswegen wurde es gecancelt, als ich M&M gefunden hatte.
Allerdings würde ich M&M nicht für alle Lösungen benutzen. Earthdawn würde ich beispielsweise nur mit den Earthdawnregeln spielen. gerade wegen der bestehenden Kohärenz...
M&M ist von 2002... Geschah die Sättigung vorher? Nein, kann nicht, denn kein System, das ich vorher kannte (und das sind unheimlich viele) deckte meine Bedürfnisse.
Geschah die Sättigung später? Was ist mit den Leuten mit anderen Bedürfnissen? Werden die alle durch die bestehenden ik Systeme gedeckt? Ich glaube nicht...
Wieviele ik Systeme die man adaptieren kann gibt es? 20? 50?
Wieviele unterschiedliche Ausprägungen und Spielbedürfnisse gibt es?
Auch wenn ich mich für Standards ausspreche [selbst dem muss ich schon widersprechen: Ich bin pro Standardisieurng, aber muss gleich dazu sagen: Pro Standard, aber bitte kein d20! ...]:
Jeder soll das System rausbringen, das er möchte. kohärent, inkohärent
Jeder darf alle Systeme so bewerten wie er möchte. Auch wenn dadurch das Rad 1000 mal neu erfunden wird.
Ich möchte keinem User ein "Microsoft" Rollenspiel aufzwingen, nach dem Motto: "Nimm das! Es ist Standard! Millionen Fliegen können nicht irren!"
Genausowenig möchte ich keinem User ein Setting anbieten, dass dann wiederum nur so gespielt werden kann, wie sich der Autor das ausgedacht hat.
Und auch die Kombination der Beiden, dass man entweder wenige inkohärente Standards oder kohärente Speziallösungen hat, sagt mir nicht zu.
Ich bin da Verfechter der Vielfalt (auch wenn das absolut nicht objektorientiert ist
).
Rollenspiel lebt davon, dass es eben nicht Multiple Choice ist, sondern dass das Spiel eben nicht der Lösung A oder Lösung B entspricht. Es gibt immer die Idee eines "C" und Rollenspiel ist deswegen so schön, weil "C" eben nicht ausgeschlossen wird.
Viele fangen an, Rollenspiel zu erklären, mit den Worten "Hattest Du es schon mal im Kino, dass Du etwas anders machen wolltest, als die Helden auf der Leinwand..?"
Rollenspiel wird von den Leuten gespielt, die es "anders" machen wollen.
Die anderen sitzen immer noch im Kino.
[Edit BF: hatte ein NICHT vergessen]