Nach mehreren Metern antrengender Krabbelei, nicht zuletzt deshalb, weil es leise vor sich gehen musste, gelangte Erland an eine Abzweigung. Er folgte seinem Richtungssinn und gelangte kurze Zeit später an eine festgerostete und deshalb offen stehende Irisblende.
Der Raum dahinter lag im Zwielicht einer dumpf und mit einem leisen Summen vor sich hinflackernden rötlichen Notfusionsleuchte.
Es glich förmlich einer Symphonie in rötlichem Dunkel und Rostbraun, jedoch in Moll und Melancholie. Ein sehr enger und verwinkelter Raum, ein vergessener Knotenpunkt von Wartungsgängen. Der Blick des Mönchs schweifte ueber ein Wirrwarr aus abgelegten, obsoleten und vergessenen Teilen, in den Raumecken versinkend in einer trueben Bruehe, angedickt mit Eisenoxiden. Die halbzähen Lachen glichen fast gerinnendem Blut, herausgequollen aus den Einschuessen gleich sinnlos ueber die Wände verteilten Wartungschächten....
Eine Symphonie mit Dissonanzen, denn dort an der Wand blinkte etwas mit bernsteingelbem Licht. Keine Kameras? Langsam und bedächtig, nach einer Lauschperiode und aufmérksamer Betrachtung des Bodens, stieg der Mönch aus dem Schacht. Er zog die Martech aus den Tiefen der Kutte, seine Hand schloss sich nur widerwillig um den Griff, das Zeichen der Inquisition drueckte sich unsanft in die eigentlich harten Schwielen seiner Hände. Einen Erinnerung daran, dass das Ziehen dieser Waffe nicht leichtfertig geschehen sollte, und man sie nicht länger hielt als nötig. Andererseits hatte er auch Avesti kennengelernt, die mit Absicht spitze Dornen in den Handgriffen und auf der Rueckseit des Ka-Öl-Tanks hatten, die sich bei jedem Feuern in ihr suendiges Fleisch bohren konnten...
Mit einem absolut leisen Klicken singnalisierte sie die Entsicherung. Geduckt schlich der dicke Mönch zur nächsten Ecke vor. Er lauschte erneut. Ihm gegenueber, unauffällig hinter einer ölverschmierten schief herabhängenden Gitterblende, schielte eine Konsole hervor. Komplett mit Schirm, auf dem zwei Symbole blickten, darunter etwas mit mehreren Schaltern.
Bingo, Erland! Remigius Aufzeichnungen hatten recht. Die Karten und Dateien waren tatsächlich edititiert, kaum merklich, aber die Wahrscheinlichkeit, das jemand diesen Raum aufsuchte, war danach gleich null. Dennoch störte es das Symmetriebeduerfnis der urspruenglichen Erbauer, welches allen chaotischen Veränderungen dieses jahrhundertealten Ameisennestes trotzte, und noch hier und da zu erahnen war. Vorsichtig und mit einer blitzschnellen Bewegung schaute er kurz um die Ecke. Der eigentliche Raum endete dort nach zwei weiteren Metern, die einzigen Wege hinaus Leitern zu anderen Zwischenböden und -wänden, und weitere Luken, denn der urspruengliche Zugang durch eine Tuer war zugeschweisst. Mehr Muell auf dem Boden, Stoff..
Stoff? Alle Vorsicht fuer einen unbedachten Moment fallen lassend, hastete Erland um die Ecke. Er stellte seine Sachen auf den Boden, und drehte vorsichtig den Körper herum. Die Fasern der Robe protestierten mit einem reissenden Geräusch, als sie sich aus der schmatzenden Umarmung der dem Recycling entgangenen Fluessigkeiten löste. Schwarze teerartige Tränen rannen ueber das von Lachfalten geprägte Gesicht, bahnten sich ihren Weg ueber kaltes Fleisch, vorbei an Glassplittern, die sich vom der Umklammerung der Buegel und ihrer Eigenspannung befreit in das gefallene Gesicht gegraben hatten. NEEEEEEIIIIIIINNNNN!.
Es lief eiskalt und gleichzeitig siedendheiss seinen Ruecken hinunter. Vorsichtig tastete er nach Lebenszeichen in diesem schlaffen Körper, liebevoll hielt er ihn einer uebergrossen Puppe gleich, eine Puppe, deren Glieder schlaff und gebrochen hingen, und die man auf den Muell geworfen hatte.
Er hielt inne. Unmerklich, und doch vorhanden! Leise versank er in die Riten, das heilende Licht suchend. Eine Viertelstunde später hatte sich der Puls verstärkt, es waren jedoch keinerlei Anzeichen von Bewusstsein zu erkennen, die Augen unter den Lidern so verdreht, dass nur das Weisse zu sehen war.
Muehsam begann Erland Remigius schlaffen Körper in den Schacht zu ziehen, aus dem er gekommen war. Quälende, endlose Minuten später war er auf der anderen Seite angelangt, öffnete die Irisblende, und zog ihn heraus. Seine Arme protestierten nun noch stärker. Hier, im minimal besseren Licht untersuchte er Remigius erneut, wischte zärtlich das Gesicht sauber, und desinfizierte mit einer kleinen Flasche die er aus seiner Robe geangelt hatte, die Wunden im Gesicht. Keine weitere Besserung, aber keine Knochenbrueche, nun es musste wohl sein. Er wuehlte eine weiteres Mal in seiner Robe, und zog einen Injektor hervor. Er legte die teure Ampulle ein, und setzte Remigius das Elixier.
Nun, Zeit zu gehen.. Er sammelte die Sachen ein, aber hielt inne. Bei Hombor! Du Esel, Erland!. Die Fusionsleuchte wuerde nicht auffallen, aber die Waffe lag auch noch drueben!
Unter einer Tirade an sich selbst krabbelte er erneut in den Schacht. Schliesslich gelangte er auf der anderen Seite an, schlich zur Ecke, und klaubte seine Sachen aus dem Unrat. Das gelbe Blinken fiel wieder in sein Auge, uebte seine Anziehungskraft aus, wand förmlich seine Augen mit Gewalt dorthin, wurde willkommen geheissen von Neugierde... zwei Schritte nur...
Erland ergab sich und näherte sich vorsichtig der Konsole. Es sah fast aus wie eine kleine Version einer Geschuetzsteuereinheit, wenn er sich recht an die verschiedenen Cockpits erninnerte, die er bereits gesehen hatte. Die Zeichen auf dem Schirm kannte er nicht. Das war kein Lex, ähnelte auch nicht wirklich Suprema, soviel konnte er sehen. Es erinnerte ihn an etwas anderes, aber das konnte nicht sein! Oder?
Darunter lag ein Stapel Plastkarten. Verwundert schaute er die Linien an. Noch verblueffter registrierte er Agni und die Ellipsoiden - eine exakte Systemkarte, mit zeitlichem Muster. Also doch?
Nun versuchte jedoch sein Unterbewusstsein verzweifelt die Verblueffung, Neugier und das Gruebeln zu durchbrechen. Da kommt jemand!. Schockartig kehrte sein Verstand zurueck. Er schaute sich gehetzt um. Die Leiter dort druben sah stabil genug aus, um nicht zu quietschen. Er hastete so leise wie möglich hinauf, und kroch in den nächstbesten waagerechten Schacht. Nach drei Metern hielt er an, das Weiterkrabbeln war nun zu riskant. Er hörte, wie eine Person weiter unten eine andere Leiter herabkletterte, dem Geräusch nach Magnetstiefel, kurz zu lauschen schien, sich verwundert irgendwo kratzte, und dann etwas an der Konsole tippte. Erland hielt den Atem an. Wäre er Avesti, wuerde er wahrscheinlich heraustuermen und alles in Asche verwandeln. Aber das lag so ganz und gar nicht in seinem Bereich. Mal abgesehen davon, das Du Dein Fett dafuer nach hinten bewegen muesstest - eine denkbar unguenstige Ausgangsposition.. Er hielt den Atem an, die Situation war beinahe komisch.
Nach einer halben Ewigkeit, zeitlich strukturiert nur durch sein eigenes Gefuehlt und die von Zeit zu Zeit auftretenden Tippfolgen dort unten, stoppte die Person ihre Arbeit und verschwand leise wieder.
Erland wartete eine halbe Stunde lang, beschäftigt mit Kalkulationen und Inklinationen. Aus den leisen Perioden konnte man eventuell eine Entfernung und Antwortzeit errechnen, wenn es wirklich das war, was er vermutete. Andererseits kannte er nicht die Lesegeschwindigkeit der Person und die Länge der mutmasslichen Anworten. Langsam begann er nach vorne zu krabbeln, immer noch rechnend. Plötzlich quietschte das enge Rohr beinahe jämmerlich auf, ein Geräusch das rasch in eine Art von Knirschen uerberging, das fast von den Metallzähnen eines Golems hätte stammen können. Erland konnte nur noch aufstöhnen, und die Ellenbogen schnell ueber seinen Kopf legen. Dann stuerzte das Rohr herab, und mit dem harten Aufschlag wurde es Nacht.