Gestern hatten Ada und Hans (alias Cayn und ich) ihr erstes Date.
Für mich war es in mehrfacher Hinsicht eine Premiere (ich verkneife mir bewusst jede Anspielung auf „das erste Mal“ und so): Das erste Mal im IRC, das erste Mal BtI, das erste Mal ein Indie – Game überhaupt, und natürlich das erste Spiel mit Cayn, die ich ausser durch ihre Forumsbeiträge gar nicht kenne.
Hinzu kam noch, dass ich grosse Zweifel hatte, ob BtI für mich funktionieren würde. Ich fand die Idee genial, konnt mir aber überhaupt nicht vorstellen, wie das nicht peinlich werden sollte.
Trotzdem wurde es, das sei vorweggenommen, ein sehr lustiger und schöner Spielabend, bei dem nicht eine Sekunde Peinlichkeit aufkam.
Nach kurzen technischen Schwierigkeiten und dem gegenseitigen Geständnis, dass wir beide noch etwas Verständnisschwierigkeiten bei den Regeln hätten, stürzten wir uns einfach mal mittenrein und begannen die erste Szene.
Das Setting ist das märchenhafte Kopenhagen Hans Christian Andersens etwa um 1900. Ada (gespielt von mir) ist eine 15 – jährige Vollwaise, die seit dem Tod ihrer Eltern in einem christlichen Mädchenheim lebt, wo sie tagein – tagaus Kerzen ziehen muss. Sie ist eine reine Seele, die im Kirchenchor singt und gerne Papiertiere faltet. Am Totenbett ihrer Mutter ist ihr ein Engel erschienen, von dem sie noch immer eine Feder bei sich trägt.
Hans (gespielt von Caynreth) ist ein 14-jähriger Junge, der Ada noch aus Kindertagen kennt. Vor einiger Zeit ist über der Welt der Zerrspiegel des Teufels in Myriaden Scherben zerbrochen, als der Teufel damit Gott verhöhnen wollte, und einer der Splitter ist Hans ins Herz gedrungen. Seitdem ist er auf die schiefe Bahn geraten, und mittlerweile Fahrer für eine zwielichte Bande. Sein Vater ist auf See geblieben, er ist durch und durch Rationalist, ein unsteter Charakter und ausserdem Boxer.
Keine leichte Paarung, wie?
Ich wählte für das erste Date einen romantischen Strandspaziergang im Winter. Gleich versuchte Ada, Hans reservierte Haltung zu durchbrechen, indem sie ihm einen mitgebrachten Papierkranich schenkte, und dann des immer noch zögernden Hans‘ Hand mit warmem Griff darum schloss.
Etwas ratlos versuchten wir dann gleich mal zu würfeln, bekamen aber nur zwei Würfel: einen für Adas Attraktivität von 1, einen für die Idee mit dem Kranich. Wir klärten noch mal die Vergabe von Bonuswürfeln durch die andere Spielerin, dann würfelte ich und bekam keinen Erfolg. Tja, und selbst wenn beide Würfel eine 5 oder 6 gezeigt hätten: erst ab drei Erfolge passiert ja überhaupt was postives. Wir lernten also erstmal, dass man schon von Anfang an möglichst viele würfelwürdige Elemente in die Szene einbringen sollte, um überhaupt Erfolgsaussichten zu haben und danna uch noch Re-rolls bekommen zu können.
Und das war die nächste Schwierigkeit, auf die wir stiessen: Wir haben nicht verstanden, ob man durch fortgesetzte Versuche, die Situation zu retten, einzelne Würfel der anfangs in den Pool gesammelten noch mal werfen darf, oder ob Attraktivität + Bonuswürfel die Anzahl der Szenen angibt, die man in diesem Zug noch hintendranhängen darf, und in denen man dann jeweils noch mal ganz neu Würfel zum ursprünglichen Pool hinzugewinnen kann. Wir haben uns für letztere Variante entschieden, müssen aber noch mal nachfragen, wie es richtig geht.
Cayn schlug vor, Ada solle doch Hans zeigen, wie er den Kranich mit dem Wind fliegen lassen könne, und wir spielten eine recht stimmungsvolle kleine Szene, in der Adas gefühlige Ader über Hans Brummigkeit siegte. Trotzdem hat es aber, wenn ich mich recht erinnere, auch mit Re- rolls nicht zu einem Attraktivitätsgewinn für die arme Ada gereicht... tja, hätte sie Hans mal lieber eine Bockwurst mitgebracht
.
Cayn war am Zug und stürzte sich gleich mutig mit dem Instinkt der wahren Narr – Spielerin auf den Konflikt ihrer Figur: Hans dubiose Kollegen durften ihn nicht mit einer Schwesternschülerin zusammen sehen. Diesmal brainstromten wir die Szene vor dem Ausspielen schon etwas mehr und machten gegenseitig Vorschläge für einzubringende Traits, Settingelemente, und kamen sogar gleich noch auf Adas anschliessende Szene, die zeigen sollte, dass sie Hans schroffe Seite verstehen kann, da sie selbst ja von den Nonnen ebenfalls nicht mit dem Jungen gesehen werden darf.
Die Szene verlief sehr schön, Hans war angemessen kalt und ruppig, als er seine Kollegen traf, Ada, das Seelchen fing natürlich gleich an zu heulen, und Cayn bog die Situation genial wieder geraden, indem sie typisch männlich einfach vom Thema ablenkte, als Ada nach dem Abzug der Burschen wieder Probleme wälzen wollte. Er führte Schattenboxen vor und brüstete sich mit seiner Fähigkeit, Ada beschützen zu können, bis die auch wieder lachen konnte und sich die gefrorenen Tränen abwischte...
Als Belohnung gabs viele Würfel und Erfolge: Hans‘ Attraktivität stieg auf 2.
Ada wollte dann noch mal über alles reden und klaubte zwecks Verdeutlichung eine Muschel aus dem Strand, von wegen „nicht so verschlossen sein“, und er wäre so anders, als in der Kindheit und ähnlichen Weiberkram mehr
, kam dann aber doch ganz verständnisvoll rüber, und rückte damit raus, dass es ihr bei den Schwestern ja ähnlich gehe, mit den strengen Verboten und so.
Hier gabs einen Attraktivitätzuwachs als Belohnung, und Cayn und ich einigten uns darauf, die schweren Themen auf das nächste Date zu verschieben. Jetzt sollte es erstmal unbeschwert bleiben. Und das machte Cayn dann auch super
.
Ada musste die Augen zukneifen, Hans führte sie zu seinem Auto und lud sie auf eine Spritztour ein. Das haben wir genüsslich ausgespielt, mit viel Gejuchze und Angeberei, wegflatternden Tauben, rein zufälliges Aneinanderdrücken in den Kurven und so.
Es kam wie es kommen musste: Nach dieser tollen Szene, in der wir allerhand an Traits und Umgebung verbraten hatten und ausserdem einfach cool gewesen waren, hatte Cayn Würfel ohne Ende und gewann folgerichtig Attraktivität.
Ich plante nochmal kurz mit Cayn vor, und bestimmte dann, dass Ada durch den Glockenschlag der Kirche aufgeschreckt, Hans bitten sollte, sie nach Hause zu bringen, weil sie sich allein nicht traute. Da Auto musste in sicherer Entfernung geparkt werden, weil es vor dem Schwesternheim zuviel Aufmerksamkeit erregt hätte, und dann trafen die beiden in der engen Gasse, durch die sie kommen mussten, doch noch zwei Nonnen. Hans löste die Situation souverän, indem er erklärte, er habe die arme Ada krank und verirrt in der Stadt gefunden und sie sicher nach Hause gebracht.
Nach dieser Szene hatte ich glaube ich fast 10 Würfel, bekam aber trotzdem nur einen Erfolg. Beim Re- roll stolperten wir wieder ein bisschen über die Mechanik, was passierte war aber, dass Ada die Nonnen überzeugte, sich von Hans im Auto nach Hause fahren zu lassen. Er tat’s trotz seiner Abneigung gegen die Schwestern, Ada, die reine Seele, nahms als Liebesbeweis und sang ihm im Wagen ein Kirchenlied aus der gemeinsamen Kindheit. Die Schwestern schenkten dem dümmlich dreinblickenden Hand noch einen Groschen, mit der Ermahnung, nicht alles auf einmal auszugeben
. Die jungen Liebenden versprachen sich hastig, sich nächsten Sonntag nach der Kirche wiederzusehen.
Was toll war:
* Es war keine Sekunde peinlich.
* Das Setup das Spiel reproduziert die Erfahrung eines Dates ausgezeichnet. Dadurch, dass es nur zwei Spielende gibt, hat man kaum Zeit, sich auszuruhen, und ist dem/der anderen sofort dankbar, wenn er/sie sich einbringt und hilft, das Date voranzubringen.
* Ausserdem habe ich wirklich angefangen zu überlegen, wie ich meine Charaktereigenschaften möglichst gut einbringen kann, ohne wieder auf die Konflikte meines Gegenübers zu stossen. Ich war dann wiederum sehr erleichtert, wenn Cayn gute Ideen hatte, wie man eine verfahrene Situation noch retten kann. Die beiden Spielenden sind das ganze Spiel über genau so aufeinander angewiesen wie zwei Personen bei einem Date. Das war eine sehr schöne Spielerfahrung.
* Komischerweise lernt man dadurch die Personen während des Spiels wirklich besser kennen. Der/die andere bringt wirklich verborgene Seiten in einem zum Vorscheinen. Ich war sehr erleichtert, dass Hans die teifgründelnde Ada mal etwas aus der reserve gelockt hat, und die beiden irgendwann einfach Spass hatten, ohne immer über Muscheln, Kraniche und tote Eltern zu reden. Und das verrückte: Es hat zu Ada gepasst! Ich habe dann wirklich aus ihrem Charakter heraus passende Erklärungen für dieses Verhalten gefunden.
* Cayn und ich haben dann auch mehrmals kommentiert, wie sich die Personen entwickeln. Ich mochte Hans mit seiner groben Art irgednwann plötzlich viel lieber, weil er halt auch mal unbeschwert fröhlich sein kann; und Cayn war ganz bezaubert von Adas entwaffnender Süsse, die in allem eben immer noch das Beste sieht.
Was noch verbessert werden muss:* Wir hatten Verständnisschwierigkeiten bei den Regeln.
* Wie funtionieren die Re-rolls genau?
* Muss wirklich erst am Ende der Szene gewürfelt werden? Wir hatten mehrere Beispiele, wo wir nach tollen Szenen eigentlich das sichere Gefühl hatten, dass die beiden Charaketere sich jetzt lieber mögen MÜSSEN. Die Wüfel sagten dann aber was anderes. Cayn schlug vor, das ähnlich wie bei PTA zu regeln, also die Szene grob planen, würfeln und das Ergebnis interpretieren, so dass es immer „passt“. Ist das so richtig oder wäre es zumindest eine gangbare Möglichkeit?
Mein
Fazit ist durchweg positiv. Es war eine intensive, anstrengende und schöne Spielerfahrung. Wir hatten eine schöne Mischung aus scheuen Teenagern, lustigen Szenen und echter Tragik. Mir hat vor allem gefallen, wie sich zwischen beiden Spielenden eine Dynamik aufbaut, und wie sehr ich mich als Spieler engagiert habe: Ich wollte, dass die sich mögen. Wenn wir jetzt noch die Regeln besser auf die Reihe kriegen, kann es nur noch besser werden.
Mein Kompliemnt an Cayn für ihre vielen coolen Ideen und den netten Umgangston. Ich freu mich schon auf Mittwoch, wenn Hans und Ada ihr zweites Date bestreiten.