Ich habe heute der Vorbesprechung meiner Freundin mit ihrem neuen DSA-Meista beigewohnt und durfte mal wieder ein, wenn auch gemäßigtes, Exemplar der Spezies „Nein-Sager-SL“ (NSSL) beobachten. Was kennzeichnet den NSSL? Er sagt sehr oft Dinge wie:
„Nein.“
„Das geht nicht.“
„Das kannst du nicht.“
„Das weißt du nicht.“
„Das besitzt/bekommst du nicht.“
„Das gibt es hier nicht.“
„Dein Charakter würde so etwas nicht tun/sagen.“
Hinzu kommen auch gern Sätze wie:
„Dein Charakter würde eher…“
„Dein Charakter besitzt…“
„Dein Charakter mag/mag nicht…“
„Dein Charakter glaubt an…“
Kommt dir das bekannt vor?
Hey NSSL, ich möchte dir heute etwas sagen. Es wird dir nicht gefallen, aber ich glaube, du solltest einmal darüber nachdenken:
Du bist ein Spielverderber.Ja, das bist du. Ich bin sicher, du hast Gründe für dein Verhalten. Ich bin sicher, du meinst es nicht bös. Du machst das bestimmt nicht, um deine Mitspieler zu ärgern. Du machst es wahrscheinlich deshalb, weil du das Gefühl hast, es dem Spiel schuldig zu sein. Du hast die Regeln und die Setting-Bücher studiert. Du repräsentierst die Spielwelt. Deine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass diese Spielwelt so ist, wie sie sein soll. Wenn deine Spieler Dinge tun wollen, die der inneren Stimmigkeit der Spielwelt zuwider laufen, dann hältst du sie davon ab. Oder ich sollte genauer sagen: Wenn deine Spieler Dinge tun wollen, die
deiner Vorstellung von der Spielwelt zuwider laufen, hältst du sie davon ab.
Vielleicht hast du auch andere Gründe. Vielleicht ärgert es dich, dass deine Spieler dich nicht unterstützen. Dass sie dein Abenteuer nicht annehmen, sondern ganz andere Sachen machen. Oder vielleicht versuchen deine Spieler dich ständig auszutricksen und sich irgendwelche ungerechtfertigten Vorteile im Kampf oder anderswo zu verschaffen.
Versteh mich nicht falsch, ich kann diese Beweggründe nachvollziehen. Und selbstverständlich sagt jeder Mitspieler einer Rollenspielrunde von Zeit zu Zeit mal „nein“, wenn ein anderer Spieler irgendetwas ankündigt oder verlangt. Jeder kann protestieren, wenn ihm etwas nicht gefällt. Daran ist nichts auszusetzen.
Aber indem du das zu einer Gewohnheit machst, und deine Autorität als Spielleiter dazu einsetzt – indem du ein NSSL wirst, der öfter „nein“ sagt als „ja“, der den Spielern ständig die Spielwelt erklärt und ihnen sagt, was ihre Charaktere denken sollen – indem du das tust, verweigerst du deinen Mitspielern ihren kreativen Einfluss. Du verweigerst ihnen die Möglichkeit, ihre eigenen Wünsche und Ideen in das Spielgeschehen einzubringen. Du schwingst dich zum Diktator über den Inhalt eurer gemeinsamen Vorstellung vom Spielgeschehen auf.
Doch es ist eine
gemeinsame Vorstellung. Sie zu erschaffen, das ist es, was Rollenspiel ausmacht. Und wenn sich in dieser gemeinsamen Vorstellung am Ende nicht etwas von jedem Mitspieler wiederfindet, dann läuft etwas schief.
Hier ist mein Rat an dich, lieber NSSL: Lies dir meine oben zitierten Sätze gut durch. Und jedes Mal, wenn du im Spiel einen dieser Sätze verwenden willst, halte kurz inne. Frage dich folgendes:
Was würde es schaden, wenn ich einfach „ja“ sage?Und wenn ein einfaches „ja“ dir nicht gefällt, wie wäre es mit einem „ja, aber…“? Jedes „nein“ ist eine Sackgasse. Der Spieler möchte etwas, und du verwehrst es ihm, was für ihn frustrierend sein kann und, wenn es regelmäßig vorkommt, auch sein wird. Daher solltest du für jedes „nein“ einen guten Grund haben. Einen besseren Grund als nur:
Ich stelle mir das anders vor.
Die Spielwelt und eure gemeinsame Vorstellung davon gehören nicht dir, sondern euch allen. Du verwaltest sie nur als Treuhänder für alle Personen am Tisch.Sag einfach mal „ja“, auch wenn es deiner eigenen Vorstellung zuwider läuft. Das tut gar nicht weh. Und weißt du was? Dadurch, dass du mehr Input deiner Spieler zulässt, wird das Spiel für dich viel überraschender und interessanter werden. Klar, du musst dich ein Stück weit davon verabschieden, vorher schon zu wissen, wie die gemeinsame Vorstellung aussehen wird. Aber ich finde, das ist nichts Schlechtes, im Gegenteil. Das
gemeinsame Erschaffen und Erleben eines imaginären Geschehens ist doch gerade das, was Rollenspiel besonders macht. Oder?
Dein Vermi