Vielleicht noch mal ein paar Erläuterungen:
@ Charakterwerte:
Deine "Spezialitäten" sind doch einfach nur die herausragenden Attribut + Fertigkeit Kombinationen des Charakters. Eben ein paar Kreise ausfüllen braucht auch nicht länger als die aufzuschreiben.
Ich kann die Spezialitäten frei wählen, so dass sie zu meinem Charakter passen. Der wichtigere Unterschied ist aber, dass der Kompetenzgrad des Charakters von der Effektivität der Fertigkeit entkoppelt wird. Ob ich "meisterhafte Akrobatin" oder "brauchbare Akrobatin" schreibe, ist völlig egal, es gibt immer 1W10.
Und ich kann meine Akrobatik in einem Kampf genauso einbringen, wie ein anderer sein "kann mit einer Waffe umgehen" oder sein "cool unter Feuer".
Es geht damit nicht mehr darum, das System zu analysieren und zu erkennen, welche Fertigkeiten man möglichst hoch haben muss, um Effektiv zu sein. Effektivität ist nicht länger ein Gesichtspunkt. Es geht nur darum, welche Eigenschaften und Talente des Charakters
in der Geschichte vorkommen sollen. Der Fokus der Regeln ist komplett verschoben.
@ Disziplinen + Powergaming:
Mein Ansatz ist hier, völlig weg zu kommen von den einzelnen Leveln, die dir genau sagen: Du kannst das und das und sonst nichts, und dafür musst du das und das würfeln. Egal wie stark oder schwach diese Fähigkeiten ausgeprägt sind: Es geht dabei wieder ausschließlich um Effektivität. Du hast beschränkte Optionen, um deine "Mission" zu erfüllen. Das ist nicht das, was ich unter "Storytelling" verstehe.
Die von mir vorgeschlagene Variante erlaubt es dem Spieler, das mit seinen Disziplinen zu tun, was in einer bestimmten Situation thematisch interessant ist. Wenn es interessant ist, dass der Nosferatu sich maskiert und in feiner Gesellschaft bewegt, dann soll er das tun, und nicht daran gehindert sein, weil ihm noch 2 XP fehlen, um Obfuscate auf 3 zu steigern. Jedes "das geht nicht" ist eine Sackgasse. Trotzdem hat ein älterer und mächtigerer Vampir im Zweifel mehr Würfel in "Disziplinen" und daher eine gute Chance, einen Konflikt gegen den Jungspund zu gewinnen.
Allerdings halte ich auch nicht so viel von total übermächtigen NSCs. Diese haben die unschöne Tendenz, in einer "SL-Show" auszuarten. Wenn die SCs gegen die NSCs überhaupt nichts ausrichten können, dann bedeutet das auch, dass der Einfluss der Spieler auf das Geschehen gering ist. Wenn man aber
gemeinsam eine Geschichte erzählen will, ist doch ein hoher Einfluss der Spieler auf das Geschehen wünschenswert.
Außerdem wird die Setting-Vorgabe, dass die Älteren stärker sind als die Welpen, vom Regelwerk in V:tM auch nicht konsequent umgesetzt. Wenn ich mit meinem Neonate Anarchisten 10 Abenteuer gespielt habe, habe ich bessere Werte als jeder Ancilla, selbst wenn die Abenteuer sich In-Game nur über einen Zeitraum von wenigen Wochen erstrecken. Das Regelwerk orientiert sich hier ganz bewusst nicht am Alter und der Lernkurve der Charaktere, sondern am Erfolg der Spieler, den es zu belohnen gilt. Das hat mit Storytelling wiederum nichts zu tun.
@ Zentraler Konflikt:
Natürlich kann man darüber streiten, ob man hier einen Anreiz für die Spieler schaffen
muss. Wenn die Spieler die Konflikte wirklich wollen, dann werden sie sie vielleicht auch ohne Anreiz suchen. Habe ich ja auch gemacht, als ich Vampire gespielt habe. Und wurde vom SL knallhart dafür bestraft. Logisch. Der Charakter
soll ja auf die Fresse kriegen. Aber warum sollte man den
Spieler dafür bestrafen? Warum nicht ihn dafür belohnen, schließlich hat er ja zum Spielspaß für alle beigetragen? Das liegt doch eigentlich relativ nahe.
@ Gestaltungsmöglichkeiten:
Der "Storyteller" ist es im Zweifel gewohnt, lange Vorgeschichten für seine Charaktere zu schreiben. Damit bringt er die Dinge ein, die bei der Charaktererschaffung nach den Spielregeln unbehandelt bleiben. Vampire kennt hier immerhin eine Regel: den Prelude. Leider kontrolliert diesen der SL, nicht der Spieler, so dass dem Spieler die Möglichkeit genommen wird, hier seine eigenen Vorstellungen umzusetzen. Später dann, im Abenteuer, ist es gut möglich, dass der SL die von dem Spieler liebevoll geschriebene Vorgeschichte komplett ignorieren wird. Ja, viele Spieler schreiben ihre Vorgeschichten sogar so, dass sie in sich abgeschlossen sind und keiner Beachtung mehr bedürfen, weil sie ja zu etwas anderem nicht ermächtigt sind.
Durch den Kicker und die R-Map wird der Einfluss der Spieler auf den späteren Spielinhalt formalisiert und obligatorisch gemacht. Auch hierbei geht es darum, von der "SL-Show" wegzukommen, und hin zu einer wirklich gemeinsam erzählten Geschichte.
Fazit:
Durch die Veränderungen wird zum einen der Wettbewerb um Effektivität und Erfolg aus dem Spiel ausgegrenzt und zum anderen die "SL-Show". Den Spielern und dem SL werden neue Werkzeuge an die Hand gegeben, um das zu tun, was eingangs gefordert worden war: Gemeinsam eine Geschichte zu erzählen.