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[Fading Suns] Buch III - Das Eiserne Reich

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Enkidi Li Halan (N.A.):
26. Dezember 4997
Wir verlassen die Leigh Bran und machen auf den Weg Richtung Meer; das Schiff versiegeln wir, soweit es möglich ist. An eine Tarnung oder ein Verstecken des Wracks zu denken ist natürlich lächerlich, aber wir wollen es potentiellen Plünderern so schwer wie möglich machen, hinein zu gelangen. Nicht, dass es an Bord etwas zu plündern gäbe…
Das wenige brauchbare, Thermodecken, Medpac und den Rest der Ausrüstung aus der Rettungskapsel haben wir zusammen mit einigen Vorräten an Wurzeln und Beeren in improvisierten Rücksäcken zusammengeschnürt. Wir bieten einen traurigen Anblick, abgerissen und halb verwildert wie wir sind. An den Anblick von Avalan werde ich mich erst gewöhnen müssen; er trägt nun – da seine Kleidung restlos verbrannt war – Benedikts Robe und, da auch sein Kopfhaar noch nicht wieder nachgewachsen ist, sieht er tatsächlich aus wie ein Wandermönch. Verdrehte Welt.

Der Nebel, der jeden Morgen aus dem feuchten Boden hochsteigt, verkürzt erheblich die Zeit, die uns zum vorankommen bleibt. Auch nachdem die Sonne als bleiche Scheibe zwischen Nebel und Wolken zum Vorschein kommt, dauert es mindestens zwei bis drei Stunden, ehe sich der Nebel so weit gelichtet hat, dass wir es wagen können, weiter zu reisen. Ohne einen auf das Magnetfeld des Planeten geeichten Kompass müssen wir uns am Stand der Sonne orientieren, und die wenigen Sterne, die sich nachts mit viel Glück zwischen den dichten Wolken am Himmel blicken lassen, gehören zu völlig fremden Konstellationen. Selbst Megan, die von uns allen das beste Gefühl für die Navigation nach Sternen besitzt, ist ohne Bezugspunkte aufgeschmissen.
Die einzige Landmarke, der wir bis auf weiteres vertrauen können, ist der Fluss. Wir folgen ihm Richtung Westen, in der Annahme, dass er früher oder später ins Meer münden muss. Das Gebirge, das als gewaltige Barriere zwischen uns und unserem Ziel liegt, können wir mit unserer mangelhaften Ausrüstung natürlich nicht überqueren. Allein der Gedanke daran wäre lächerlich. Wir müssen den Umweg in Kauf nehmen, der uns sicher drei bis vier, wenn nicht noch mehr Wochen kosten wird. Ich hoffe, dass unsere Vorräte so lange halten.

Gegen Mittag entdeckt Avalan im weichen Lehm des Flussbettes Tierspuren. Meine erste Freude relativierte sich recht schnell, als ich mir die Abdrücke ansah. Es handelte sich um Tatzenabdrücke, mit langen Krallen, die fast die Größe eines menschlichen Fußabdruckes hatten; manche sogar größer. Tiefe und Anordnung der Spuren ließ vermuten, dass die Wesen die sie hinterlassen haben, auf zwei Beinen gehen. Wir sind fortan sehr aufmerksam; Avalan und ich wechseln uns scouten ab, aber bis zum Abend bleibt es ruhig.

Enkidi Li Halan (N.A.):
27. Dezember 4997
Gegen Mittag weitete sich das Tal erheblich und ging in eine flache Senke über, deren Flanken im Norden und Süden von gedrungenen Hügelketten gebildet wurden. Der Nebel hielt sich hier nicht mehr so gut, wie im Tal, daher klarte die Sicht im Laufe des Tages immer mehr auf. Doch auch wenn der Horizont weiter in die Ferne rückte, änderte das nichts an der Tatsache, dass es noch immer keinerlei Anzeichen von Zivilisation gab. Keine Felder, Siedlungen, Straßen, nichts. Die Wildnis hielt uns fest im Griff.
Gewaltige Findlinge bedeckten die Ebene, die der Fluss in lang gezogenen Schleifen durchwand. Sie behinderten unser Fortkommen und boten zudem einen potentiellen Angreifer die perfekte Basis für einen Hinterhalt. Die konstante Alarmbereitschaft, in der wir uns befanden, war auf Dauer sehr anstrengend, und wir legten häufiger kleine Wegpausen ein. Wenigstens war der Boden hier trockener, und die Chancen standen gut, dass wir einmal eine Nacht campieren würden, ohne dass sich am nächsten Morgen die Kleidung mit Nässe vollgesogen hatte…

Nachtrag
In der Nacht hatten wir Besuch.
Es war während Avalans Wache; er weckte mich und die anderen, deutete in die blauschwarze Nacht hinaus und zog sich lautlos auf einen den Findlinge, die das Lager umgaben. Ich folgte ihm und aktivierte meinen Dunkelsinn. Sofort gewann die Umgebung an Kontur und Form; das Restlicht des Feuers genügte, um einen weiten Blick über die Ebene zu gewähren.
Eine Bewegung im hohen Gras unweit des Lagers, dann huschte eine gedrungene Gestalt von einem Findling zum nächsten. Dann noch eine, eine weitere... bis ich ein knappes Dutzend Wesen ausmachen konnte. Das hohe Gras und die Findlinge, hinter denen sie Deckung suchten, machte es schwer, ihre Gestalt genau zu erkennen. Aber schließlich sprang eines der Wesen in unmittelbarer Nähe des Lagers auf einen Felsblock und richtete sich zu voller Größe auf. Vom Körperbau war es vage humanoid, sehr muskulös und gänzlich mit fleckigem Fell bedeckt. Obwohl es sich wahrscheinlich hauptsächlich auf allen Vieren bewegte, war es in der Lage aufrecht auf den beiden kräftigen Hinterläufen zu stehen, und, - wie sich später herausstellte -  auch sehr geschickt zu laufen und zu springen. Kopf, Klauen und der wiegende Schwanz, mit dem das Wesen sich in aufrechter Haltung ausbalancierte, ähnelten einem Wolf oder einem Hund, allerdings waren die Züge wesentlich kantiger und gröber geschnitten. Die Kreatur auf dem Felsblock fletschte angriffslustig die Zähne und stieß ein lang gezogenes Jaulen aus, in das weitere Kreaturen einstimmten.
Wir zogen unsere Waffen und sprangen hinunter in den Steinkreis, wo wir nahe des Feuers in Stellung gingen. Die Kreaturen ließen nicht lange auf sich warten. Augenblicke später sprangen sie auf die Felsen, die unseren Lagerplatz umgaben, verharrten kurz - vielleicht eingeschüchtert vom Feuer - und griffen unter dem Heulen eines besonders großen Wesens ohne weitere Verzögerung an.
Die Biester waren zäh, und, zu unserem Erstaunen, intelligent. Im Schein des Feuers blitzten Waffen auf, die man eindeutig nicht bei einer Horde wilder Tiere vermutet hätte. Schwere Holzprügel und Keulen, aber auch Metallwaffen, Schwerter, sogar eine riesige Axt, die von dem größten Wesen geschwungen wurde.
Gegen Ende des Kampfes fanden wir heraus, wie die Kreaturen wohl an diese Waffen gekommen waren: sie stahlen sie ihren Gegnern. Daton hatte das Pech, bei einem besonders heftigen Angriff eines Hundewesens sein Schwert zu verlieren. Es glitt ihm aus der Hand und schlidderte einige Meter von ihm fort. Sofort stürzten sich zwei Kreaturen darauf, gierig die wertvolle Metallwaffe für sich zu haben. Es bereitete Daton einige Mühe, ihnen die Klinge wieder abzunehmen, aber Daton ist und bleibt sehr hartnäckig, was seine Schwerter angeht... ob er nun Priester ist, oder nicht. Manche Prinzipien des Lebens verändern sich eben nie...
Die Kreaturen brachten uns gewaltig ins Schwitzen, obwohl sie keine sonderlich ausgefeilte Kampftaktik verfolgten. Zentnerschwere Muskelmasse und messerscharfe Zähne brauchen keine Taktik. Ich war froh um meinen Energieschild, Avalan erging es deutlich schlechter. Die Hundewesen setzten ihm übel zu, und am Ende des Kampfes sank er schwer verletzt zusammen. Auch Daton war verwundet, Megan, Oliver und ich hatten nur kleine Schrammen abbekommen. Um und herum sah es hingegen aus, wie auf einem Schlachtfeld. Blut, abgetrennte Gliedmaßen und Fetzen blutgetränkten Fells überall. Wir hatten acht oder neun der Biester erledigt, ehe sich der Rest des Rudels davon gemacht hatte.
Nachdem die Lage sicher schien, eilte ich zu Avalan; seine Robe war zerfetzt und ich rechnete mit dem Anblick eines zertrümmerten Brustkorbes und Wunden, die nur ein hoch dosiertes Elixir würde schließen können. Doch dem war nicht so; Avalan war leichenblass und atmete schwer, aber er wollte kein Elixir. Er brauchte es nicht -  denn seine Wunden begannen, sich von selbst zu schließen. Er regenerierte sich.
Wie schon zuvor auf der Leigh Bran konnte man dabei zusehen, wie sich das Gewebe innerhalb von Sekunden neu bildete und die tiefen Schnitte sich schlossen. Wäre nicht all das frische Blut an seinen Kleidern gewesen, hätte man nie vermutet, dass er sich bis vor kurzem noch in Lebensgefahr befunden hatte. Erstaunlich. Und irgendwie beunruhigend.
Da Avalan meine Hilfe nicht nötig hatte, kümmerte ich mich um Daton. Seine Wunden waren nicht ganz so tief, so dass ich das Elixir wieder wegpackte – für Notfälle. Trotzdem hatte ihn der Kampf sehr mitgenommen. Avalan kam hinzu, sah sich die Schnitte an, die über Datons Oberkörper liefen und bot an, ihn zu heilen – so wie er sich selbst eben geheilt hatte. Daton starrte ihn für einige Sekunden einfach nur verblüfft an... lehnte dann aber ab. Verständlich; ich hätte nicht anders reagiert. Avalan hat mir schon einmal erzählt, dass er auch die Möglichkeit hat, andere zu regenerieren. Aber wer weiß, was dann mit einem geschieht. Womöglich verändern die Symbiontenkräfte mehr als nur den Körper; vielleicht kann man so selbst zu einem Symbionten werden. Nein danke.
Ich schob Avalan zur Seite und kümmerte mich auf die traditionelle Art und Weise um Datons Verletzungen: Desinfektionsmittel, Gewebestabilisator und Verband. Uns allen war wohler dabei.

Enkidi Li Halan (N.A.):
28. Dezember 4997

Im ersten Licht der Morgensonne begutachten Avalan und ich die Überreste der Hundewesen; erbärmliche Kreaturen sind das – ohne Zweifel haben wir ihnen einen Gefallen getan, als wir sie von der Last ihrer irdischen Existenz befreiten. Die kurze Überlegung, ihnen das Fell abzuziehen um uns gegen die frostigen Temperaturen zu wappnen, verwerfen wir schnell wieder. Das Getier sieht aus, als hätte es die Räude; das bleiche, dünne Fell fällt in Büscheln aus und die Haut ist an etlichen Stellen blank und mit einer verschorften Flechte überzogen. Außerdem geht ein widerlicher Gestank von den Hundewesen aus, den ich weder an mir noch an den anderen riechen möchte. Wir beschließen also, das Lager abzubrechen und weiter zu ziehen.

Nach unserer ersten Rast ließ ich mich etwas zurückfallen, zu Oliver, der immer als Letzter hinter der Gruppe hertrödelt. Nach der Unterhaltung vom Morgen hatte ich das dringende Bedürfnis, mich mit ihm anzulegen. Der kleine Nichtsnutz soll ruhig wissen, wo sein Platz in meiner persönliche Rangfolge der Sympathien ist. Für einen Augenblick entwickelte er sogar so etwas wie Kampfgeist, aber ein dummer Junge wie er ist einem Adligen im Wortduell nun einmal nicht gewachsen. Es bereitete mir in der Tat große Freude, ihn an die Umstände zu erinnern, unter denen er Megan nach all den Jahren der Trennung wieder gesehen hat. Dass er sie in seinem religiösen Wahn töten und verbrennen wollte. Die Erinnerung bereitete ihm sichtlich Schmerzen… Ich schätze, er hat seine Lektion vorerst gelernt.

Der nächtliche Kampf scheint Daton mehr mitgenommen zu haben, als ich gedacht hätte; schon den ganzen Vormittag hatte er Probleme, mit uns Schritt zu halten. Zuerst glaubte ich noch, dass er einfach nicht mehr im Training ist, schließlich hat er sich ja in den letzten Monaten mehr mit der geistigen als der körperlichen Bildung beschäftigt. Als wir dann aber eine weitere Rast einlegen und Avalan sich noch einmal Datons Verletzungen ansieht, stellt sich heraus, dass sich die Wunde entzündet hat. Eine denkbar schlechte Nachricht; Wundbrand kann hier draußen tödlich sein. Avalan verabreicht Daton die letzte Dosis Antibiotikum aus dem MedPac; ich hoffe, dass es anschlägt. Wir drosseln unser Reisetempo erheblich und kommen nur noch langsam voran. Daton wird von Stunde zu Stunde blasser.

Das Antlitz der Landschaft verändert sich gegen Nachmittag sichtlich; der Bewuchs wird stärker, immer mehr Buschwerk behindert das Vorankommen, lichte Wälder mit dünnen, hoch gewachsenen Bäumen säumen den Flusslauf. Wir legen eine weitere Rast ein und Avalan verlässt unser kleines Lager, um im Wald zu jagen. Megan sammelt Holz für ein kleines Feuer.
Plötzlich hören wir Avalan aus dem Wald heraus rufen; ich finde ihn nahe des Waldrandes. Er wirkt völlig verwirrt und deutet aufgeregt auf Megan, die ihn mit einem Bündel Holz auf den Armen entgeistert anstarrt. Avalan erkennt sie nicht, hält sie für eine Fremde, die ihm im Wald begegnet sei. Ich kann nicht glauben, was ich da höre – doch Avalan weicht nicht von seinem Irrglauben ab. Er hat sie tatsächlich vergessen, so wie er zuvor Oliver vergessen hat.

Nachdem er sich etwas beruhigt hat, kehren wir zum Lager zurück; Daton reagiert bestürzt auf die beunruhigenden Neuigkeiten, während in Olivers Blick wieder dieses tiefe Misstrauen aufflackert, das er seit der Explosion der Lauryn gegen Avalan hegt. Ich nutze einen Augenblick der Ruhe, um meine Sinne zu öffnen und Avalans Aura wahrzunehmen. Wie immer ist es schwierig, sein Abbild zu fassen, aber mittlerweile habe ich einige Übung darin. Wieder kann ich die dünnen Fäden sehen, die seine Seele wie einen Kokon einspinnen, aber etwas ist anders. Einige der Fäden sind zerrissen und hängen lose in die Unendlichkeit. Könnten das die Erinnerungen sein, die Avalan fehlen? Was geschieht mit ihm? Hat diese Erscheinung etwas mit seiner Veränderung, seinen neuen Fähigkeiten zu tun?
Ich nehme Avalan zur Seite und berichte ihm, was ich gesehen habe. Für einen Augenblick huscht so etwas wie Sorge über sein Gesicht, aber er will sich selbst ein Bild machen. Ich weiß, dass auch er die Fähigkeit besitzt, anders wahrzunehmen; die Seele oder die Essenz des Lebens, die einen Menschen ausmacht. Nach kurzer Meditation bestätigt er weitgehend meinen Eindruck; er sagt, das Quenpha fließe schwächer in ihm, aber was mag das bedeuten? Wir sind hier nicht in einem toten System, das Lifeweb müsste hier doch stark und kraftvoll sein… oder hatte die Explosion der Lauryn doch noch weitgehendere Folgen, als uns bisher bewusst war?
Diese Veränderung seines Abbildes scheint ihn wenigstens zu beunruhigen; er zieht sich auf einen Hügel unweit des Lagers zurück, vielleicht um zu meditieren, sicher aber um nachzudenken. Sich partout nicht an Megan oder Oliver erinnern zu können, macht ihm Angst; und Menschen wie Avalan wandeln Angst in Misstrauen um, Skepsis; vielleicht sogar Feindseligkeit. Ich muss ihn im Auge behalten. Was, wenn es noch schlimmer wird? Wenn er eines Tages aufwacht, und sich an keinen mehr von uns erinnert? Was dann?

Unterdessen:
In einem Gespräch versucht Oliver, Megan gegen Avalan und Enkidi aufzubringen; er ist voller Misstrauen und Furcht; Megan versucht ihn zu beruhigen, was aber nur mäßig Erfolg hat.

Die Sonne hat den Zenith überschritten und es wird bereits merklich kühler; die Tage hier sind kurz, und werden immer kühler. Wenn wir wirklich ernsthaft mit dem Gedanken spielen, das Gebirge im Westen zu überqueren, dann sollten wir das in jedem Fall vor Wintereinbruch tun; doch daraus wird wahrscheinlich nichts werden. Datons Zustand verschlechtert sich rapide; ich glaube, er wird ernsthaft krank. Sein Gesicht ist kreideweiß und Schweiß bedeckt sein Gesicht; die Augen sind blutunterlaufen und er hat Fieber. Ich lege ein nasses Tuch auf seine Stirn, zur Kühlung. Für einen kurzen Augenblick erwacht er aus seinem erschöpften Dämmerschlaf, in den er seit dem Beginn unserer Rast gesunken ist. Ich nehme seine Hand und spreche mit ihm zusammen ein Gebet zu St.Amalthea. Ich habe schon lange nicht mehr gebetet, und obwohl es mich eine seltsame Überwindung kostet, weiß ich, dass ihm diese Geste viel bedeutet; und vielleicht hilft es ja auch ein wenig. Als er einschläft, hänge ich ihm meinen alten Rosenkranz von Midian um den Hals. Er braucht ihn jetzt mehr, als ich.
Aber noch mehr braucht Daton einen Arzt, Medizin. Nur ist weit und breit keine Siedlung in Sicht. Wir haben keine Wahl, wir müssen weiter ziehen. Obwohl es sicher besser wäre, wenn er ruhen könnte, bringt es nichts, hier weiter in der Wildnis zu campieren. Wir müssen Menschen finden. Megan und Oliver haben eine stabile Trage gebaut, auf die wir Daton vorsichtig betten.

Abends
Wir haben ein Nachtlager auf einem kleinen Hügel errichtet, am Rande eines Waldes, der uns seit dem späten Nachmittag umgibt. Daton den ganzen Tag zu tragen war anstrengend; wir kamen nur langsam voran, mussten alle Stunde eine kleine Pause einlegen, auch um nach Daton zu sehen. Er hat das Bewusstsein verloren und hohes Fieber. Es ist ernst. Aber bei Gott, ich habe nicht vor, noch einen weiteren Freund auf diesem Planeten vergraben zu müssen. Daton ist stark; er wird das durchstehen. Er muss.

Von unserem Hügel aus hat man einen weiten Blick über das Waldbewachsene Gelände; die Landschaft fällt immer noch sanft gen Westen ab, wo die schneebedeckten Berge vom Licht der untergehenden Sonne angestrahlt werden. Die Luft war den ganzen Tag über klar zum ersten Mal seit unserer Ankunft auf diesem gottverlassenen Planeten konnte man bis in die weite Ferne sehen. Doch nirgends Anzeichen einer Stadt, kein Flugzeug am Himmel. Wenn es hier irgendwo eine Siedlung gibt, dann ist sie unter dem dichten Blätterdach des Waldes verborgen, was unsere Chancen minimiert, je eine zu entdecken. Es kommt der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleich. Wir teilen die Nachtwache ein und legen uns schlafen; Megan wälzt sich im Schlaf hin und her, wie fast jede Nacht seit wir das Schiff verlassen haben. Warum kann dieser endlose Alptraum nicht wenigstens nachts von ihr lassen…

In der Nacht
Avalan hat uns aufgeweckt und zur Hügelkuppe geführt, um uns eine Entdeckung zu zeigen. Weit, weit in der Dunkelheit der Nacht ist ein heller Lichtpunkt zu erkennen, ein flackernder Punkt, wie von einem Feuer. Ein großes Feuer, wenn man es auf diese Entfernung noch so deutlich sehen kann. Für einen Waldbrand scheint es zu kontrolliert, vielleicht ein brennendes Haus? Ist das das Zeichen, auf das wir gewartet haben? Wir müssen dem auf den Grund gehen, aber die Entscheidung, wer das Lager verlässt und wer zurückbleibt, ist nicht einfach. Wir müssen uns trennen, wegen Daton; die Zeit drängt, das Feuer könnte niederbrennen ehe wir es erreichen. Avalan und ich sind die ausdauerndsten und schnellsten Läufer, aber mir ist nicht wohl bei der Vorstellung, Megan und Oliver mit Daton alleine zurückzulassen. Die Alternative ist aber auch nicht gerade erfreulich: denn weder kann ich Avalan, - der Megan und Oliver für Fremde hält -  allein mit den beiden zurückzulassen, noch kann ich ihn alleine losschicken – am Ende vergisst er uns unterwegs einfach und kehrt nie wieder zurück. Also müssen wir beide gehen; ich muss darauf vertrauen, dass Megan Oliver und Daton schon verteidigen wird, falls sich irgendetwas dem Lager nähert. Zur Sicherheit gebe ich ihr die Fusionszelle aus meinem Energieschild – im Notfall etwas mehr Feuerkraft für den Blaster.

Enkidi Li Halan (N.A.):
29. Dezember 4997
Im zaghaften Dämmerlicht des frühen Morgens erreichen wir einen Hügelkamm, auf dessen höchster Erhebung die Überreste eines großen Feuers glosen. Wir sind die ganze Nacht fast ohne Unterbrechung gelaufen, und auch jetzt gönnen wir uns nur eine kurze Verschnaufpause. Brandgeruch liegt in der Luft, vermischt sich mit den dünnen Nebelschleiern, die aus dem Boden steigen. Die ersten Stahlen der Sonne berühren die archaischen Umrisse eines Steinkreises, in dessen Zentrum das Feuer gebrannt haben muss. Zwei Kreise aus Monolithen, deren Anblick unangenehme Erinnerungen weckt… Die Restwärme, die von der Glut aufsteigt, steht noch zwischen den dunklen Steinen, begleitet von einem harzigen, herbsüßen Geruch, wie von Weihrauch oder Kräutern. Um den Platz herum ist das taubedeckte Gras an vielen Stellen niedergedrückt, deutlich zeichnen sich menschliche Abdrücke im Lehmboden ab; es sind viele, sicherlich an die hundert, überall im Bereich des Steinkreises.
Doch hier ist niemand mehr; die nächtlichen Besucher sind verschwunden.  Ob hier ein heidnischer Ritus gefeiert wurde?

Wir folgen den Spuren in den Wald, einen vagen Pfad entlang, der in ein Tal hinabführt. Die Sonne ist mittlerweile aufgegangen und schickt ihr goldenes Licht durch die lichten Baumkronen; die Luft ist klar und frisch, aber bitterkalt. Außer dem Rascheln des Windes im spärlichen braunen Blattwerk und dem Keuchen unseres eigenen Atems ist im Wald kein Laut zu vernehmen. Das Gelände wird zerklüfteter, und der Pfad folgt einem kleinen Geländeabbruch, der nach Westen den Blick auf die Baumkronen eines tiefer gelegenen Waldteiles freigibt. Der Boden ist matschig und von den Spuren der vielen Menschen aufgeworfen, die hier noch vor kurzem entlanggegangen sein müssen. Plötzlich verliert Avalan den Halt und rutscht in einer Lawine von aufwirbelnden Blättern und losgetretenem Schlamm den Hang hinunter. Er verschwindet im wuchernden Dickicht eines gewaltigen Strauches, aber seinem Zetern und Fluchen nach, war der Sturz nicht weiter tragisch. Als ich endlich eine Stelle gefunden habe, an der es sich ohne ausgiebiges Schlammbad den Hang hinuntersteigen lässt und ich mich durch das störrische Gestrüpp gekämpft habe, finde ich Avalan in Begleitung vor…. Ein riesiges zottliges Untier hat sich vor ihm aufgebaut, ein Wesen das man wohl am besten als eine Mischung zwischen einem malignatischen Yak und einem Bison beschreiben könnte. Zu meiner Erleichterung scheinen die beiden bereits Freundschaft geschlossen zu haben… beruhigend zu wissen, dass falls Avalan uns eines Tages wirklich alle vergessen sollte, er wenigstens immer noch seine Tier- und Pflanzenfreunde um sich scharen könnte…
Das Wesen ist zu zutraulich für ein Wildtier, es muss zu dem Dorf oder der Siedlung, die wir in der Nähe vermuten, gehören. Vielleicht hat es sich im Wald verirrt und es wäre von Vorteil für uns, wenn wir es zum Dorf zurückbringen; als Geste unserer Freundschaft sozusagen. Noch während wir beratschagen, erklingt aus dem Unterholz eine rufende Stimme. Wenig später steht ein Mensch vor uns, der erste Eingeborene dieses Planeten.  Der Mann ist von robustem Körperbau und in einfache Kleidung gehüllt, ein typischer Bauer oder Hirte, würde ich meinen. In seinen Händen hält er einen Hirtenstab, mit dem er argwöhnisch in unsere Richtung fuchtelt, als wäre es eine Waffe. Wir verstehen kein Wort des Redeschwalls, der uns entgegenschwappt, aber die Sprache klingt auf eine merkwürdige Art und Weise vertraut. Vielleicht ein sehr stark abgewandelter und degenerierter Dialekt des Aerdischen.

Nach einiger Zeit gelingt uns eine rudimentäre Verständigung mit dem Barbaren. Sein Name ist Kirpon und er scheint tatsächlich auf der Suche nach dem Zotteltier zu sein, das er Vonta nennt. Ob es sich dabei um die Bezeichnung der Wesen oder nur den Namen des Tieres handelt, ist schwer auszumachen. Nachdem wir klargestellt haben, dass wir keine „Hawkwojd“ sind und auch sonst keine feindlichen Absichten hegen, legt er sein anfängliches Misstrauen ab. Wir versuchen ihm zu vermitteln, dass wir einen kranken Freund haben, der dringend Hilfe braucht, und dass es sehr eilt. Zu unserer Verwunderung scheint er zu verstehen und führt uns aus dem Wald.
Etwa eine halbe Stunde später erreichen wir ein kleines Dorf, eine Handvoll einfacher Holzhütten mit hohen Rieddächern, umgeben von einem Palisadenzaun. Als man uns sieht, läuft das Dorf sofort zusammen. Wenig später sind wir von einem drängelnden Ring von Neugierigen umringt, die uns verwundert, aber nicht feindselig anstarren. Erst jetzt, als uns so viele Augenpaare mustern wird mir klar, dass wir mit unseren zerrissenen und dreckigen Kleidern auf sie einen weitaus wilderen Eindruck machen müssen, als sie auf uns… Es fällt auf, dass ein jeder der Dorfbewohner bewaffnet ist, sogar die Frauen. Zwar handelt es sich meist nur um einfache Waffen, wie Messer, Keulen oder der eine oder andere Jagdspeer, aber dennoch; das Leben hier draußen scheint eine Bewaffnung nötig zu machen. Glücklicherweise scheinen uns die Dorfbewohner vorerst nicht als eine Bedrohung einzustufen.
Nach kurzer Zeit teilt sich die Menge, und ein älterer Mann mit schlohweißem Haar und einem wettergegerbten Gesicht tritt vor; wir nehmen an, das er der Dorfvorsteher oder der Sprecher ist, was sich später bestätigt. Er nennt sich Bentrem Yotulis, wobei „Bentrem“ wohl sein Titel oder eine Amtsbezeichnung ist. Wieder dauert es einige Zeit, bis wir mit Händen und Füßen unser Anliegen vermitteln können; Avalan imitiert die Wolfswesen, die uns angegriffen haben, und sofort ist Verstehen in den Gesichtern der Menschen zu erkennen - und Besorgnis. Yotulis stellt einen kleinen Trupp von Männern zusammen, und wir brechen auf, zurück zu den anderen. 

Kurz nach Mittag erreichen wir das Lager; zu unserer großen Erleichterung ist ihnen nichts zugestoßen, aber Daton geht es sehr, sehr schlecht. Seine Augen sind blutrot und er windet sich in Fieberkrämpfen. Bentrem Yotulis beginnt sofort, ihn zu untersuchen, während ich und Avalan erst einmal erschöpft niedersinken. Die Dauerläufe der Nacht und des Vormittags waren ausgesprochen kräftezehrend. Ich würde gerne etwas schlafen, aber eine Bemerkung Avalans reißt mich hoch. „Wer ist eigentlich der Mann, der von Yotulis untersucht wird?“
Augenblicke später rede ich mit Megan auf Avalan ein; aber wieder der gleiche Effekt. Er erinnert sich nicht an Daton, er hat ihn einfach aus seinem Gedächtnis ausgeblendet. Er ist für keines unserer Argumente zugänglich; er erinnert sich zwar vage an unseren Absturz und die letzten Tage, aber dass Daton bei uns war, hat er völlig verdrängt. Sämtliche logischen Widersprüche die sich in seinem Gedächtnis ergeben müssen, werden von ihm als unbedeutend abgetan.
Es ist mir ein Rätsel, und beunruhigender denn je. So wie es aussieht wird er uns in der Tat bald alle vergessen haben. Ich versuche, ihm das klar zu machen; dass er dann alleine ist, ohne Freunde auf einem fremden Planeten. Er hört nicht zu. Gut. Soll er doch. Wir können ihm eh nicht helfen.

Bentrem Yoltulis hat für Daton unterdessen eine grüne Kräuterpaste angerührt, aus verschiedenen Ingredienzien und Pulvern, die er aus den Tiefen seines Umhanges hervorgezaubert hat. Die Wunde unter den Verbänden sah nicht gut aus, die Entzündung ist weiter fortgeschritten, das Fleisch eitert und riecht ungesund. Ich kann nur hoffen, dass Yotulis weiß, was er tut. Nach dem Wechseln der Verbände hat er Daton einen Trank mit einem herb-stechenden Geruch eingeflößt, worauf Daton in einen tiefen Schlaf gefallen ist. Das Zittern hat nachgelassen, ein gutes Zeichen. Yotulis hat einen Singsang angestimmt, vielleicht eine Art Gebet? Oder spricht er mit irgendwelchen obskuren Naturgeistern? Was auch immer, solange es hilft.

Nach einiger Zeit weist Yotulis seine Begleiter an, Daton wieder auf die Tragebahre zu legen, und wir brechen auf. Die Rückreise ins Dorf verläuft gemächlicher, worüber ich nicht unglücklich bin. Gegen eine längere Ruhepause hätte ich auch nichts einzuwenden…
Gegen Nachmittag erreicht unsere kleine Reisegruppe das Dorf, und sofort umringen uns wieder neugierige Menschen. Man geleitet uns zu einem großen Langhaus, das größte Gebäude des Dorfes und das einzige, das aus Stein gemauert ist. Darin empfängt uns ein einzelner großer Raum mit mehreren langen Tischen, und ein Kamin, in dem ein Feuer wohlige Wärme verbreitet. Es ist wohl eine Art Versammlungshaus. Daton wird ein Lager nahe des Kamins bereitet, wir setzen uns derweil mit Yotulis an den Tisch. Erneut versuchen wir, ihm unsere Geschichte zu erzählen. Es ist nicht leicht, ihm zu erklären, woher wir kommen und wer wir sind; wie wir vor allem in das Dorf gekommen sind, unsere Flucht, der Absturz… Erst als Megan die Sprungtorkarte auf dem Tisch ausbreitet, kommen wir weiter. Yotulis ist fasziniert von der Karte. Wir zeigen ihm wo Hagarth liegt, und wo die Welten der verhassten Hawkwood; endlich können wir ihm klarmachen, dass wir nicht zu ihnen gehören, sondern von ganz unterschiedlichen Orten des Universums stammen. Er begreift schnell; wir stellen auch fest, dass er lesen kann, auch wenn er mit den Bezeichnungen auf der Karte nichts anfangen kann, kennt er zumindest die Buchstaben unserer Schrift.
Nach diesem für beide Seiten sehr fruchtbaren Gespräch verlässt Yotulis das Langhaus, um mit seiner Gemeinde zu sprechen. Man bringt uns Decken und ein paar Felle, so dass wir uns endlich etwas ausruhen können.

Enkidi Li Halan (N.A.):
30. Dezember 4997
Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal so gut und tief geschlafen habe, wie in dieser Nacht. Und das, obwohl wir uns auf einem fremden Planeten in potentiell feindlicher Umgebung aufhalten. Vielleicht ist es ein Fehler, diesen Dorfbewohnern zu sehr zu vertrauen, aber es ist gleichzeitig auch ungemein verlockend. Keiner von uns ist auf ein langfristiges Überleben in der Wildnis vorbereitet, wir sind Kinder der Zivilisation.

Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, mit der wir im Dorf aufgenommen werden, verblüfft mich. Ich stelle mir vor, was auf einem Planeten der Bekannten Welten mit zwei Fremden geschehen würde, die plötzlich aus dem Wald auftauchen und wirres Zeug in einer unbekannten Sprache von sich geben. Ich zweifle daran, dass es ein gutes Ende nehmen würde…

Uns allen hat die Nacht gut getan; erstaunlich, was ein Kaminfeuer und ein Dach über dem Kopf bewirken können. Nur Megan wurde wieder von diesem Traum verfolgt; sie ist in dem Traum an dem Ort, wo sie immer auf Descartes traf, doch Descartes ist fort. Der Raum ist dunkel und ohne feste Form, aber dort ist etwas; die Kreatur, die wir in dem verschlossenen Raum auf der Leigh Bran vermuten. Megan fürchtet sich schrecklich vor diesem Wesen; es will sie zu sich holen. Leider weiß ich zu wenig über diese merkwürdige mentale Verbindung, als dass ich ihr helfen könnte. Vielleicht sollte ich ihr einige Techniken der Meditation beibringen, wie ich sie benutze um das Psi zu kontrollieren – es könnte ihr nutzen.
 

Avalan war als erster auf den Beinen und hat ein wenig das Dorf erkundet; er stößt erst zu Frühstück wieder zu uns, in Begleitung von Bentrem Yotulis. Ein junges Mädchen mit einem ausgesprochen süßen Hintern – Jenna – bringt einen großen Topf warmen Haferbrei ins Langhaus, den wir uns schmecken lassen. Nach all dem Fisch, den Wurzeln und Beeren der letzten Tage ist dieses einfache Gericht geradezu eine kulinarische Offenbarung.
Aus Yotulis Erklärung können wir folgendes schließen: Das Dorf heißt Jeruhn und liegt in einer sehr dünn besiedelten Region, einer Art Provinz, die als „Synnarmark“ bezeichnet wird. Sie steht unter dem Schutz einer Festung namens Cerris Gahly, die etwa drei Tagesmärsche von hier entfernt nahe des Gebirges liegt. Dieses Gebirge, zu dem wir unterwegs waren, heißt Gwelkargar. Wie wir bereits vermutet haben herrscht in der Provinz gerade Winter, was den Weg über den Gwelkargar schwierig macht, aber offenbar gibt es einen Pass. Jenseits der Berge liegt das Land der „Rekgold“ und „Mindren“; Yotulis spricht diese Worte sehr verächtlich aus, die Menschen hinter den Bergen scheinen hier keinen guten Ruf zu genießen. Er selbst war wohl auch noch niemals dort. Erst etwas später können wir aus dem Gespräch schließen, dass die „Mindren“ wohl eine Art Priester sind und – überraschenderweise – dem orthodoxen Glauben angehören. Zumindest deutet Yotulis zur Veranschaulichung auf das Sprungtorkreuz, das Megan trägt. Könnte sich der orthodoxe Glauben über die Jahrhunderte der Isolation gehalten haben? Ich frage mich, wann Vuldrok eigentlich von den Bekannten Welten abgeschnitten wurde… ich muss zugeben, dass die Geschichte des Sprungnetzes nicht gerade zu meinen Stärken gehört…
Die Bewohner von Jehrun sind im Gegensatz zu den „Mindren“ Paganisten; dies würde ihre Abneigung gegen die Orthodoxie erklären, und auch den Steinkreis und das Feuer, das uns ins Dorf gelockt hat. Wie es aussieht war unsere Vermutung, dass dort ein heidnisches Ritual vollzogen wurde, nicht falsch. Als ich den Namen Gjarti erwähne, reagiert Yotulis, als wäre ihm das Wort vertraut, wenn auch ungewohnt. Sie verehren einen „Erdgeist“, was nicht nur mich, sondern auch Avalan hellhörig werden lässt.
Nachdem wir und mittlerweile recht gut gegenseitig verständigen können, erzählen wir Yotulis noch einmal von unserem Absturz, und von unserem Wunsch, den Planeten so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Nach allem, was wir bisher gehört haben, scheint es am wahrscheinlichsten, dass die „Reckgold“ uns helfen könnten; sie scheinen einen höheren technischen Stand zu besitzen, als die Synnarmark.

Unsere Unterredung mit Yotulis hat sich bis weit in den Nachmittag hinein gezogen; wir beschließen, eine Pause einzulegen, und nutzen die Zeit, um uns ausgiebig im Fluss zu waschen, damit wir wenigstens ansatzweise wieder den Eindruck zivilisierter Menschen machen.

Gegen Abend füllt sich das Langhaus mit Menschen, bis sich schließlich alle Dorfbewohner dort versammelt und an den großen Tischen Platz gefunden haben. Uns werden wieder die Plätze am Feuer angeboten, ein Zeichen von Respekt für die Gäste. Wieder kann ich mich nur über die Freundlichkeit dieser einfachen Menschen wundern.
Bentrem Yotulis tritt schließlich an ein Holzpult und platziert ein großes, dickes Buch mit einem dunklen Ledereinband und verzierten Eisenbeschlägen darauf; ein kostbares Manuskript dessen Seiten mit prachtvollen Zierbändern umrahmt sind. In altertümlichen Lettern ist auf dem Einband der Titel auszumachen: „Manjafner Edda“. Da sich Yotulis daran macht, der versammelten Gemeinde daraus mit klangvoller und geübter Stimme vorzutragen, nehmen wir an, dass es sich bei dem Buch um eine Art Bibel oder Götterepos handelt; Sprache und Worte sind uns aber so fremd, dass wir ihrem Sinn bei bestem Willen nicht folgen können. Diese Zusammenkunft gibt uns aber einen weiteren Einblick in die Rolle, die Yotulis im Dorf innehat: er ist nicht nur der Sprecher, sondern auch der Heilkundige und schriftgelehrte ‚Priester’ der Gemeinschaft.

Nach der Lesung wird ein umfangreiches Mahl aufgetragen; Brot, Gemüse, sogar Fleisch. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich, und als das Essen abgetragen ist, wird zum Tanz aufgespielt. Ich lasse es mir nicht nehmen, mit den jungen Mädchen zu flirten, auch um Megan aus der Reserve zu locken. Ein zornig-verbissener Blick ist allerdings alles, was sie für mich übrig hat und zu einem Tanz lässt sie sich auch nicht auffordern. Bitte. Ich kann mich auch ohne sie amüsieren, und Jenna tanzt hervorragend.

Der Abend klingt aus und das Langhaus leert sich.

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