(Eigentlich wollte ich ja zuerst noch meine Erklärungen von Sim und Nar in lang machen. Auch, weil mir beim Anfertigen meiner anderen Artikel die jeweiligen Themen noch mal ein bisschen klarer geworden sind und ich das nutzen wollte, um aus dem „Forge in a Nutshell“ eine möglichst runde Sache zu machen. Aber ich habe im Moment einfach keine Zeit, mich noch mal durch die Quellentexte zu wühlen. Daher hier nun die Kurzversion Alpha, wenn ihr so wollt.)Was sind eigentlich die Kernaussagen der Forge-Theorie?Rollenspiel ist eine soziale AktivitätRollenspiele werden von Menschen gespielt, weil sie Spaß daran haben wollen. Jede sinnvolle Betrachtung von Rollenspiel muss daher beim Spieler als realer Person anfangen, und nicht beim Charakter als fiktiver Person. Den Gesamtkontext sozialer Interaktion der Spieler nennen wir
Social Contract (Gruppenvertrag).
Rollenspiel ist das gemeinsame Erschaffen von FiktionDie Mitspieler beim Rollenspiel erschaffen durch das Spiel ein imaginäres Geschehen. Dabei ist es erforderlich, dass das Bild in den Köpfen der Mitspieler im Wesentlichen übereinstimmt. Dieses übereinstimmende Bild nennen wir den
Shared Imagined Space (gemeinsamen Vorstellungsraum).
Der gemeinsame Vorstellungsraum entsteht durch VerhandlungDie Interaktion der Spieler am Spieltisch ist darauf gerichtet, bestimmte Gegebenheiten oder Ereignisse in den gemeinsamen Vorstellungsraum aufzunehmen. Das hin und her, das dabei entsteht, lässt sich am besten als Verhandlungsprozess begreifen. Nur wenn alle Spieler – und sei es auch stillschweigend – dem neuen Inhalt des Vorstellungsraums zugestimmt haben, kann das Spiel auf dieser Grundlage fortgesetzt werden. Dieses Gleichnis nennen wir das
Lumpley-Prinzip.
System does matterAls
System bezeichnen wir die Regeln, nach denen der Verhandlungsprozess organisiert ist. Diese Regeln können geschrieben oder ungeschrieben sein. In einigen Gruppen weichen sie erheblich von den Regeln ab, die im Regelwerk stehen. Wenn euch daher jemand erzählt, auf das System komme es nicht an, dann meint er damit das gekaufte Regelwerk, und er sagt das, weil seine Gruppe sowieso nur sporadisch nach den Regeln im gekauften Regelwerk spielt, sondern vielmehr nach ihren eigenen Regeln, auf die es sehr wohl ankommt. Diese Regeln haben einen ganz entscheidenden Einfluss auf zwei Dinge, die beide gleichermaßen wichtig sind:
1) Was für Inhalte den gemeinsamen Vorstellungsraum prägen.
2) Was die Spieler tun, um diese Inhalte zu erzeugen.
Rollenspiel ist nicht gleich RollenspielDie Art und Weise, wie Rollenspiel gespielt wird (siehe die beiden Punkte oben) unterscheidet sich von Spielgruppe zu Spielgruppe teilweise erheblich. Das liegt daran, dass unterschiedliche Spieler unterschiedliche Prioritäten beim Rollenspiel setzen. Die beste Chance auf eine dauerhaft funktionierende Spielrunde, an der alle Spaß haben, ist dann gegeben, wenn alle Spieler beim Spielen die gleichen oder zumindest ähnliche Prioritäten setzen. Wir sprechen von der
Shared Creative Agenda (gemeinsamen Spielpriorität).
Achtung: Die Spielpriorität ist ein Gesamtbild! Sie lässt sich erkennen, wenn man das Spiel einer Gruppe über einen längeren Zeitraum betrachtet und dabei besonders Konfliktsituationen anschaut, in denen abweichende Prioritäten kollidieren könnten. Das heißt aber noch lange nicht, dass jede einzelne Handlung eines jeden Spielers genau in ein bestimmtes Muster passen müsste.
Die drei folgenden groben Spielprioritäten werden – im Rahmen des ominösen
GNS-Modells – unterschieden:
1) Leistungsrollenspiel: Die Spieler stellen sich den Herausforderungen des gemeinsamen Vorstellungsraums, riskieren etwas, zeigen, was sie
als Spieler drauf haben, und erreichen oder verfehlen ein bestimmtes Ziel. Manchmal versuchen alle Spieler, das gleiche Ziel zu erreichen, manchmal versuchen sie auch, sich gegenseitig zu schlagen. Wir sprechen von
Gamism.
Achtung: Gam ist nicht gleich Powergaming! Das ist nur eine Untergattung.
2) Thematisches Rollenspiel: Die Spieler setzen sich mit den moralischen und menschlichen Dilemmata des gemeinsamen Vorstellungsraums auseinander, beziehen dazu
als Spieler Stellung und treffen dadurch eine Aussage über ihren Charakter und/oder die Spielwelt. Wir sprechen von
Narrativism.
Achtung: Nar hat nichts mit sogenanntem Storytelling oder cinematischem Rollenspiel zu tun! Beides ist i.d.R.:
3) Erlebnisrollenspiel: Die Spieler erfahren den gemeinsamen Vorstellungsraum (die Charaktere, die Welt, die Story) als etwas Eigenständiges, das sich zumindest teilweise ihrer Kontrolle entzieht, weil es von jemand anderem (dem Spielleiter, dem Verlag, dem Gesetz von Ursache und Wirkung) gelenkt wird. Zwar ist das Erleben des gemeinsamen Vorstellungsraums Teil jeden Rollenspiels, doch hier ist es die Top-Priorität. Wir sprechen von
Simulationism.
Achtung: Sim hat nur gelegentlich mit komplexen, angeblich „realistischen“ Regeln zu tun. Meistens geht es dabei um Charakterspiel, Atmosphäre und „Story“.
So. War ja gar nicht so schlimm, wie ich dachte.
Euer Vermi